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4.2 Die Bilder, die Geschichten.

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Die Bilder, die Geschichten. Das Bewegtsein als Essenz der Bewegungen – dies sei im übrigen auch Bergsons Wunsch gewesen, wie Deleuze hinzusetzt. Denn das Bewegungs-Bild läßt sich als eine Bewegung von Bewegungen fassen, die alle Gegebenheiten hervorbringt, um sich im Bewegungs-Bild des Films zu Wahrnehmungsbildern zu transformieren. Um diese Funktion der Filmkamera zu präzisieren, hatte Deleuze jedoch noch einen zweiten Begriff eingeführt, nämlich den des "allgemeinen Äquivalents". Er stammt von Marx, doch wird er auch in den Beziehungen von Film, Bewegung und Zeitlichkeit eine entscheidende Rolle spielen. In der Kritik der politischen Ökonomie markierte er zunächst ein zentrales, wenn auch nicht das einzige Moment des Geldes. Es besteht darin, zum "allgemeinen Äquivalent" aller umlaufenden Waren oder Tauschwerte zu werden. Die Sphäre der einfachen Warenzirkulation ist nämlich zunächst die der Bewegung und des Austauschs der Waren. Doch um diese Bewegung zu ermöglichen, um die Waren in Austauschbeziehungen zu versetzen und darin auf ihre Wertbestimmung zurückkommen zu lassen, bedarf es des allgemeinen Geld-Äquivalents. "Allgemeines Äquivalent zu sein wird durch den gesellschaftlichen Prozeß zur spezifisch gesellschaftlichen Funktion der ausgeschlossenen Ware. So wird sie – Geld" 36 Geld bürgt für die Kompatibilität oder Äquivalenz des Austauschs. Es kontrolliert die Bewegungen und ermöglicht, was Marx bei Gelegenheit auch eine "Warensprache" nennt. Insofern steht das "allgemeine Äquivalent" nicht nur für die Bewegung ein, sondern auch für eine bestimmte Narration: "Geldkamera".

Bereits in der "Warensprache" kündigt sich insofern ein Problem an, das die "Finalisierung" des Bewegungs-Bildes betreffen wird, sofern es zum Wahrnehmungsbild wurde. Auch der Film ist Ware, und insofern wird er unter dem Vorzeichen einer Warensprache gemacht oder dafür, Geschichten zu erzählen. Denn wie jeder weiß, lassen sich mit der Kamera Geschichten erzählen. Die Funktion der Kamera, allgemeines Äquivalent der Bewegungen zu sein, bewährt sich auch darin, einzelne Bilder in einer Weise zu montieren oder sich austauschen zu lassen, um darin bestimmte Narrationen hervorzubringen. Nichts scheint selbstverständlicher zu sein, und nichts stellt sich auch unwillkürlicher ein, sobald Bilder zueinander in Beziehungen treten. Doch wenn Wim Wenders dieser Struktur mißtraut, dann deshalb, weil sie die Bilder nicht nur in einer Geschichte auslaufen läßt, sondern mehr noch: sie macht diese Geschichte zur Bestimmung, die den Bildern aufgezwungen wird und sie insofern auch zum Rückzug zwingt.

Uploaded Image: pfeil.gif 4.3 Automatismus der Bilder.

  36 Karl Marx: Das Kapital, Bd.I, Marx-Engels-Werke Bd.23, Berlin: Dietz 1956ff., S.101.






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