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2.2 Den Film denken

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Den Film denken. Solche Fragen setzen allerdings voraus, daß sich der Film und das Denken bereits in eine Nähe zueinander bewegen, die sie von Anfang an in ein produktives oder gar kongeniales Verhältnis versetzt hat. Und tatsächlich treten Fragen der Bewegung und der Zeit überall in das Denken ein, sobald auch der Film seine ersten, tastenden Schritte unternimmt. Dies bedeutet nicht, vordergründige Abhängigkeiten zu konstruieren. Es geht also nicht darum, dem Denken zu unterstellen, lediglich ein sich selbst unklarer Ausdruck der filmischen Bewegung gewesen zu sein. Ebenso wenig bedeutet es, der Film habe eine Erfahrung des Denkens nur in die ihm eigenen Formen übersetzt. Vielmehr reagieren der Film und das Denken auf eine Erfahrung, die ihnen gemeinsam ist und die im übrigen nicht weniger alle anderen Formen der Kunst durchläuft. Sie betrifft die Bewegung, die Zeit – und damit den Film: der Einbruch jener "transzendentalen Obdachlosigkeit", die das 20. Jahrhundert kennzeichnet, entzieht ihm alle Oberbegriffe, in denen die Metaphysik die Ordnung des Seins hatte fassen wollen, sei's als "Geist", sei's als "Geschichte". Die Bewegung verliert das Ziel – jenes télos, das ihr Finalität und Richtung hatte geben sollen: die Zeitlichkeit hört auf, aristotelisch das Gezählte an der Bewegung zu sein. In allen Disziplinen verzeichnet sich von hier aus auch eine "Krise der Wahrnehmung", die der wachsenden Schwierigkeit entspricht, sie noch in einem "Subjekt" zu zentrieren; man konsultiere Wittgenstein oder Freud, Heidegger oder Benjamin... Und während der Film dazu übergeht, eine aísthesis zu ermöglichen, deren Menschenferne jedem Versuch ihrer Re-Zentrierung in einer "natürlichen Wahrnehmung" zuvorkommt, formuliert sich ein Denken, das "Bewegung" nicht mehr als die "des" Menschen. seiner Originarität und Authentizität und "Zeit" nicht mehr als etwas begreift, was sich vom Hier und Jetzt einer in Bewegung begriffenen menschlichen Gegenwart ableiten ließe. Insofern stehen mit dem Film weit reichende Fragen auf dem Spiel. Zumindest liefert Deleuze deshalb keine Filmgeschichte und noch weniger eine Sammlung von Filmkritiken. Im Film bringen sich vielmehr alle Fragen zum Vorschein, die solche der Philosophie gewesen waren: Bild und Begriff, Wahrnehmung und Bewegung, Zeitlichkeit und Raum... Sie werden im gleichen Maß transformiert werden müssen, in dem auch der Film von einer neuen Wirklichkeit spricht, die er nicht zuletzt selbst hervorbringt.

Uploaded Image: pfeil.gif2.3 Taxonomie der Bilder

 






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