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2.9 Intervall, Wahrnehmung, Aktion, Affekt

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Intervall, Wahrnehmung, Aktion, Affekt. In diesen Transformationen oder Transmissionen trennt sich vielmehr die a-personale Wahrnehmung des Bewegungs-Bilds von sich selbst, ohne die Ebene des Bewegungs-Bilds zu verlassen. Ganz im Gegenteil; beständig neigt die Wahrnehmung dazu, in die Diffusion einer a-personalen Wahrnehmung zurückzukehren, aus der sie sich erhebt. Und deshalb schreibt Deleuze:
"Wenn die natürliche, subjektive Wahrnehmung für den Film keineswegs Modell ist, dann deswegen, weil die Beweglichkeit seiner Zentren, die Veränderlichkeit seiner Kadrierungen immer zu einer Wiederherstellung von ausgedehnten Zonen ohne Zentrum, ohne Bildfeldbegrenzungen führt; er tendiert also zu einer Rückkehr zum ersten System der Bewegungsbilder: universelle Variation, totale, objektive und diffuse Wahrnehmung." 24

Aber das Wahrnehmungsbild tendiert nicht nur zu dieser Diffusion des Objektiven. Ebenso krümmt es sich um sich selbst, erzeugt es eine Umgebung, in der es sich vom ersten, vom Bewegungsbild absetzt und ihm gegenübertritt. Das Wahrnehmungsbild verbleibt also nicht auf seiner eigenen, einer ersten Ebene. Es geht auf eine zweite Ebene über, die die erste bezeichnet, es schreitet von der "Erstheit" zur "Zweitheit" (Peirce) fort, in der sich schließlich die Aktion ankündigt. Wahrnehmung und Aktion korrespondieren deshalb einander von Anfang an, wobei die Räumlichkeit der Wahrnehmung nunmehr der Zeitlichkeit der Aktion entspricht. Denn alles hängt von jenem Intervall einer Indetermination ab, deren Virtualität sich mit der Spaltung von Bewegung und Wahrnehmung selbst eingeführt hat. Je tiefer dieses Intervall in die Bewegung eingreift, je größer der Abstand ist, der zwischen einem empfangenen Reiz und seiner Durchstellung ins sensomotorische System ist, desto stärker wirkt das Virtuelle auf Wahrnehmung und Aktion ein. "Das ist also die zweite Metamorphose des Bewegungsbilds: es wird Aktionsbild. Unmerklich geht man von der Wahrnehmung zur Aktion über. Das entsprechende Verfahren besteht nicht mehr in der Eliminierung, der Auswahl oder Bildfeldbegrenzung, sondern in der Krümmung des Universums, woraus sich zugleich die virtuelle Einwirkung der Dinge auf uns und unsere mögliche Einwirkung auf sie ergeben." 25
Allerdings setzt sich noch ein drittes Moment zwischen Wirkungen und Einwirkungen frei, der Affekt. Denn es gibt nicht nur den Reiz, die Wahrnehmung und die Aktion, die aus dem Intervall hervorgehen. Es gibt ebenso das "Dazwischen" des Intervalls, in dem sich diese Teilungen zutragen und zu Ver-Teilungen der Bilder werden. Der Affekt entspricht insofern Intensitäten des Bewegungs-Bildes, die weder zur Wahrnehmung noch zur Aktion werden, sondern das Intervall selbst besetzen. "Wenn unter diesen Umständen unsere fixierte rezeptive Seite Bewegung absorbiert, anstatt sie in einer Brechung abzulenken, kann unsere Aktivität nicht mehr anders antworten als mit einer 'Strebung', einer 'Anspannung', welche die momentan oder örtlich unmöglich gemachte Aktion ersetzt. Von daher stammt der sehr gute Definitionsvorschlag Bergsons für den Affekt: 'eine Art motorischer Strebung in einem sensorischen Nerv', das heißt eine motorische Anstrengung auf einer unbeweglich gemachten rezeptiven Platte." 26

Uploaded Image: pfeil.gif 3.0 Fragen an Deleuze I

  24 Deleuze I, S.94.
25 Deleuze I, S.95.
26 Deleuze I, S.96f.






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