View this PageEdit this PageAttachments to this PageHistory of this PageTop of the SwikiRecent ChangesSearch the SwikiHelp Guide

Shaftesbury: Sensus Communis



Autor: Anthony Ashley Cooper, Earl of Shaftesbury

Als Konversations-Anregung hat Heidi Salaverría einen Text von Shaftesbury eingegeben. Wir stellen hier ein Exzerpt davon ins Netz.

Sensus Communis: Ein Versuch über die Freiheit von Witz und Laune

Witz

S. 29, S.31, S. 33, S. 35, S. 37, S. 39, S. 45, S. 47
Es geht hier um Witz in Unterhaltung/Gespräch:
„so sollt ihr ... meine Ansichten über das Gespräch im allgemeinen und besonders über ein neulich stattgefundenes sehr freies vernehmen ... Es verlief, muss ich gestehen, sehr unterhaltsam, und vielleicht um so mehr, weil es so jäh und in solcher Verwirrung endete; ... Manch treffliches System wurde zwar zerstört; viele ernsthaften Vernunftschlüsse über den Haufen geworfen: allein weil dies ohne Beleidigung der betreffenden Parteien geschah und die gute Laune der Gesellschaft befördert wurde, wuchs die Lust auf solche Gespräche umso mehr. ... In Vernunftfragen wird binnen ein oder zwei Minuten mehr durch Frage und Antwort als durch stundenlangen unausgesetzten Vortrag erreicht. ... Wenn einem daher in Unterredungen Schranken gesetzt und Fesseln angelegt werden und man gezwungen ist, Reden über gewisse Gegenstände anzuhören, so muss dies unfehlbar Ekel erregen und uns die so behandelten Gegenstände ebenso widerwärtig machen wie die hierfür Verantwortlichen. ... die von Natur her freien Geister witziger Köpfe [werden], sobald man sie einkerkert und ihnen Gewalt antut, andere Mittel der Regung ausfindig machen, um sich in ihrem Zwang Erleichterung zu verschaffen: und mag dies in Burleske, Nachäfferei oder Possenreißerei geschehen, sie werden sich auf alle Fälle freudig Luft verschaffen und an ihren Peinigern rächen. ... Denn ... [eine Behandlung dieser Art] wird natürlicherweise dort am unnachsichtigsten ausfallen, wo der Zwang am ärgsten ist. Je größer der Druck ist, desto ätzender wird die Satire sein. ... Denn ohne Witz und Laune kann die Vernunft schwerlich auf die Probe gestellt oder erkannt werden. ... Ein alter Weiser behauptete, >>der Scherz sei der einzige Prüfstein der Ernsthaftigkeit; und die Ernsthaftigkeit des Scherzes
... Was aber private Gesellschaft und die Gespräche in ausgesuchter Gemeinschaft anbelangt, wo Freunde wissentlich und eben in der Absicht zusammenkommen, ihren Witz zu üben und alles freimütig zu untersuchen; so sehe ich keinen Grund, weshalb jemand an der Verfahrensweise des spottenden Scherzes und der scherzenden Laune Anstoß nehmen könnte, die solche Unterhaltungen grade belebt; das einzige, was eine gute Gesellschaft ausmacht und sie von der Gezwungenheit des Geschäftsgebarens sowie der Bevormundung und Rechthaberei der Schulen befreit. ... Der Fehler ist nur, wir betreiben das Lachen einseitig. Der falsche Ernst wird verlacht, allein der falsche Spaß geht unbehelligt durch und wird zur selben entschiedenen Täuschung. ... Denn wer lacht und selbst belachenswert ist, macht sich doppelt lächerlich.“

Spott:

S.19, S.21, S. 23, S. 103, S. 105,
„ die Gespenster können uns täuschen, solange wir es verschmähen, sie nach allen Seiten zu wenden und ihre Gestalten und Gesichter in jedem Lichte zu betrachten. ... Die Wahrheit, darf man annehmen, kann jedes Licht vertragen: und eines von jenen vornehmen Lichtern oder natürlichen Mitteln, kraft derer man die Dinge ansehen muss, um sie gänzlich zu erkennen, ist der Spott selbst oder jene Prüfweise, durch die wir entdecken, was an einem Gegenstand zu recht verspottenswert ist.“
...
„Es gibt fürwahr so etwas wie Schutzspott (wenn ich es so bezeichnen darf), den ich gern in allen Fällen erlauben will, wenn der Geist der Neugier die Enthüllung von mehr Wahrheit erzwingen würde, als füglich geäußert werden kann. Denn wir können der Wahrheit niemals größeren Schaden zufügen, als wenn wir bei einigen Gelegenheiten zu viel davon enthüllen.
... Es ist vielleicht gegenwärtig wie vordem notwendig, dass weise Männer in Parabeln und doppeldeutig reden, auf dass der Feind unterhalten werde und nur diejenigen hören, die Ohren haben zu hören. Es ist jedoch eine erbärmliche, unwirksame und trübe Art des Witzes, alle gleichermaßen zu unterhalten und den vernünftigsten Mann, ja selbst den Freund über unsere wirkliche Meinung von einer Sache in Ungewissheit und Verständnislosigkeit zu lassen. ... Denn der Witz ist seine eigene Arznei. Freiheit und Umgang erst bringen ihn wahrhaft zu sich selbst. Die einzige Gefahr besteht darin, ein Embargo auszusprechen ... nichts ist so vorteilhaft für ihn wie ein Freihafen.“
...
„ Unterdessen werdet Ihr Euch (mein Freund) vermutlich, wie ich hoffe, überzeugt haben, dass ich, so sehr ich allen Ernstes den spöttischen Scherz verteidige, auch im Gebrauch desselben Besonnenheit zeigen kann. ... Es ist ein großer Unterschied zwischn dem Bestreben, aus jeder Sache ein Lachen zu pressen und dem, an jeder Sache das zurecht Belachenswerte herauszustellen. Denn nur das Ungestalte ist lächerlich: genauso wie nur das Schöne und Rechte vor dem spottenden Scherz sicher ist. ... Wenn wir eben die italienischen Possenreißer in diesem Falle als Richtschnur nehmen wollen, würden wir erkennen, dass in ihrer niedrigsten und gemeinsten Ausformung des Witzes über nichts so erfolgreich hergezogen werde wie über die Leidenschaften Feigheit und Geiz. ... Und wenn der Spott Völlerei, Geiz und Feigheit trifft; so seht Ihr die Folgen. Ein Mensch muss durch und durch lächerlich sein, der allen erdenklichen Witz aufbietet, um die Weisheit zu verspotten oder Rechtschaffenheit und die feine Lebensart zu verlachen. ... die Anmaßung, sich an Gesellschaft und einem freien Geiste zusammen mit einem Bubenherzen zu erfreuen, ist ebenso lächerlich wie das Verhalten von Kindern, die ihren Kuchen aufessen und ihm dann nachweinen.“

Sophisterei:

S. 23
„Wir haben in unseren Tagen den Verfall und Untergang einer falschen Art des Witzes miterlebt, der unsere Vorfahren so sehr erbaute, dass ihre Gedichte und Schauspiele wie auch ihre Predigten davon überquollen. Jene Laune neigte zur Sophisterei. Die Sprache des Hofes selbst bestand aus Wortspielen. Nun aber ist er aus der Stadt und aller guten Gesellschaft verbannt. ... Und so wird sich in mancher Hinsicht der Witz unter unserer Pflege veredeln und die Laune sich verfeinern; wenn wir nur Sorge tragen, uns nicht einzumischen. ... Alle Verfeinerung rührt von der Freiheit her. Wir verfeinern einander und schleifen unsere Ecken und Kanten gewissermaßen durch freundschaftliche Zusammenstöße ab.“

Schönheit:

S. 111, S. 113, S. 115, S. 117
... Unter Herren von feiner Lebensart verstehe ich diejenigen, denen ihre naturgegebenen guten Geistesanlagen oder die Macht guter Erziehung einen Sinn für das von Natur her Schöne und Geziemende eingegeben haben. ... Von allen anderen Schönheiten, welche die Virtuosi verfolgen, die Dichter feiern, die Musiker besingen und die Baumeister oder Künstler aller Art beschreiben oder schaffen; ist die köstlichste, die einnehmendste und ergreifendste die aus dem wirklichen Leben und aus den Leidenschaften gewonnene. ...; wie die Schönheit der Empfindung; die Anmut der Handlungen; die Beschaffenheit der Charaktere sowie die Maße und Züge des menschlichen Geistes. ... Mögen ... [die Bewunderer der weiblichen Schönheit] diese Sache unter sich ausmachen; und nach ihrem Gutdünken die Verhältnisse festlegen, die diese verschiedenen Schönheiten gegeneinander haben: jedoch müssen sie einräumen, dass eine Schönheit des Geistes existiert, die in unserem Falle wesentlich ist. ... Wir können von einer gewichtigen Seite der Schönheit denken, was wir wollen: allein würde der Gegenstand einer eingehenden Kritik unterzogen, so würden wir vielleicht herausfinden, dass das, was wir am meisten bewunderten, selbst bei der Bildung äußerlicher Züge, ledigleich ein geheimnisvoller Ausdruck und so etwas wie ein Abbild des das Gemüt bestimmenden Inneren sei ... Die Bilder des Schönen, Edlen, Wohlgestalten werden sich bei tausend Gelegenheiten und an tausend Gegenständen offenbaren. Seine Erscheinung wird uns weiter in der einen oder anderen Gestalt heimsuchen ...“

Wahrheit:

S. 12, S. 1251
„Und so ist am Ende die natürlichste Schönheit auf der Welt die Rechtschaffenheit und moralische Wahrhaftigkeit. Denn alle Schönheit ist Wahrheit. ... Welche Nachsicht wir auch unseren elenden Dichtern oder anderen Verfassern regelloser und kurzlebiger Werke bezeigen mögen; so wissen wir doch recht gut, dass die dauerhaften Stücke großer Künstler nach einer einheitlichen Verfahrensweise gebildet sein müssen. Jedes rechte Werk von ihnen fällt unter jene natürlichen Regeln der Verhältnismäßigkeit und Wahrheit. ... So ist die poetische und so (wenn ich es so nennen darf) die malerische oder plastische bildende Wahrheit beschaffen. Die erzählerische oder historische Wahrheit muss notwendigerweise sehr schätzenswert sein; besonders wenn wir bedenken, wie sehr die Menschheit, die so tiefes Interesse an dem Gegenstand gefunden hat, durch die mangelnde Klarheit darin gelitten hat. Sie ist Teil der moralischen Wahrheit.“

Sensus Communis:

S. 65, S. 71, S. 73, S. 77
„ Ich kann mir schwerlich ausmalen, dass [die Menschen] sich jemals auf scherzhafte Weise ihre Liebe zur Gesellschaft ausreden oder Humanität und Gemeinsinn wegräsonnieren ließen. ... [Shaftesbury setzt sich im Folgenden mit dem Sensus communis-Zitat eines röm. Satirendichters auseinander:] Sie machen aus diesem Sensus communis des Dichters mithilfe griechischer Ableitung den Sinn für das öffentliche Wohl und das gemeinsame Interesse; Liebe zum Gemeinwesen oder zur Gesellschaft, natürliches Wohlwollen, Menschenliebe, Zuvorkommenheit oder jene Art bürgerlicher Gesinnung, welche aus dem rechten Sinn für die gemeinsamen Rechte der Menschheit und der naturgegebenen Gleichheit erwächst, ... Es war schwer, auszumachen, was für eine Gemeinschaft unter Hofleuten vorhanden war; oder welches öffentliche Gemeinwesen zwischen einem absolutistischen Fürsten und seinen versklavten Untertanen. Und wirkliche Gesellschaft konnte unter Menschen nicht bestehen, die nur Sinn für ihr privates Wohlergehen hatten. ..
Eine öffentlichkeitsorientierte Geisteshaltung kann nur aus einem gesellschaftlichen Empfinden oder aus dem Gefühl der Verbrüderung mit dem Menschengeschlecht erwachsen. ... Sonach gehen Sittlichkeit und gute Regierung Hand in Hand. Es kann keine wirkliche Tugendliebe ohne Kenntnis des öffentlichen Wohles geben. Und wo unumschränkte Gewalt herrscht, gibt es kein öffentliches Gemeinwesen. ...
Daher müssen Vertrauen, Gerechtigkeit, Rechtschaffenheit und Tugend bereits im Naturzustand existiert haben oder sie hätten überhaupt nicht existieren können.«

Gemeinschaftsgefühl:

S. 79
Wenn ein Verlangen oder Gefühl natürlich ist, so eben das Genmeinschaftsgefühl. Wohnt der Zuneigung zwischen den Geschlechtern etwas Natürliches inne, so ist die Zuneigung zu dem daraus entspringenden Nachwuchs gewiss ebenso natürlich; und so wiederum unter der Nachkommenschaft selbst, als Verwandten und Gespielen, aufgezogen unter einer Aufsicht und Haushaltung. Und so bildet sich allmählich ein Stamm oder Geschlecht; man erkennt eine öffentliche Gemeinschaft: und neben dem Vergnügen, das man an gesellschaftlichem Verkehr, Sprache und Unrerhaltung findet, ist die Notwendigkeit, diese guten Beziehungen und Verbindungen weiter zu pflegen, so augenscheinlich, ... Ich für meinen Teil glaube, das Herdenprinzip und der Hang, sich zusammenzuschließen, wird von den meisten Menschen als so natürlich und mächtig erfahren, dass man ohne weiteres behaupten kann, gerade die Heftigkeit dieser Leidenschaft verursache so viel Aufruhr in der umfassenden Gesellschaft der Menschen.“

Offiziosität:

S. 81
Im kleineren Kreis können die Menschen enge Vertraute und Bekannte sein. Dort vermögen sie die Gesellschaft besser auszukosten und sich am allgemeinen Wohl und Interesse einer eingeschränkten Öffentlichkeit zu erfreuen. Sie überschauen den ganzen Bereich und Umkreis ihrer Gemeinschaft; und gewahren und erkennen genau, wem sie dienen und zu welchem Endzweck sie sich verbinden und zusammenwirken. Allen Menschen ist dieses vereinigende Prinzip naturgegeben: und denjenigen mit den lebhaftesten und tätigsten Geisteskräften ist so viel davon eigen, dass es, sofern es nicht von der Vernunft geschickt gelenkt wird, niemals in einem so entfernten Bereich wie dem Gemeinwesen als Ganzem Beschäftigung finden kann. Denn hier ist vielleicht kaum der Tausendste Teil von denen, um deren Interessen es geht, vom Sehen her bekannt. Kein sichtbares Band ist geknüpft; kein enges Bündnis: sondern die Verbindung wird mit unterschiedlichen Menschen, Klassen und Ständen gebildet; nicht sinnfällig, vielmehr ideenhaft: jener allgemeinen Ansicht oder Vorstellung von einem Staat oder Gemeinwesen zufolge. ... Enge Anteilnahme und gemeinsames tugendhaftes Handeln verflüchtigen sich wegen mangelnder Ausrichtung leicht in einem so weiten Bereich.“

Der gesunde Menschenverstand:

S. 107, S. 108, S. 109,
„Die Wahrheit ist, dass die Rechtschaffenheitnach den Begriffen, die man sich gegenwärtig in der Welt von der Moral macht, wohl wenig von der Philosophie oder irgendwelchen tiefsinnigen Spekulationen profitieren kann. Meistenteils ist es das beste, am allgemeinen Menschenverrstand festzuhalten und nicht weiter zu gehen. Die ersten Gedanken der Menschen in dieser Angelegenheit sind gewöhnlich besser als ihre zweiten: ihre naturgegebenen Begriffe besser als die durch Studium oder Beratschlagung mit Haarspaltern verfeinerten. ... Ein Mann von gewöhnlichem Zuschnitt, der dem allgemeinen Menschenverstand gemäß von einer niederen Handlung redet, sagt natürlich und von ganzem Herzen, >>er wolle sich um alles in der Welt einer solchen Sache nicht schuldig machen. Allein spekulative Geister finden große Einschränkungen in dieser Angelegenheit; viele Ausflüchte; viele Gegenmittel; viele Erleichterungen.“