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Künstlerrolle



Künstlerrolle, die Frage nach einer mutuellen Rolle des Künstlers { #2} tauchte wahrscheinlich erstmals 1960 im hamburger DESY vor einem ausdruckenden Plotter auf: druckt er meine Zeichnung oder "seine"? Es ist seine. Ich, Künstler, gab etwas und war total auf das aus, was ich von der anderen Seite bekomme. Die herrschende Kette "Künstler/Werk/Publikum" war grundlegend gestört: der Künstler begehrte Nachricht und ein Werk trat nicht auf. q1

Wenige Jahre früher wurde die Publikumsrolle neu bestimmt: Marcel Duchamp hatte verkündet, dass das Kunstwerk im Kopf des Betrachters entsteht und die %Partizipationskunst hatte den Betrachter an der Werkherstellung beteiligt. 1960 im DESY ging es komplementär um eine Neubestimmung der Künstlerrolle.

In der Netzkunst ist die neue Künstlerrolle unübersehbar. Um sie zu kultivieren ist es nötig, sie zu erkennen statt ihr halbherzig zu verfallen.

Das entscheidende an dieser Rolle ist, dass der Künstler nicht hauptberuflicher Sender ist, sondern ebenso zu empfangen begehrt.

Link: Im hamburger DESY machten Cord Passow und ich freie Computerzeichnungen q3 q6. Was ich vor mir entstehen sah, war ja etwas anderes als etwa ein Andruck einer Lithopresse,
es war ein selbsttätiger Ausdruck - (einer Denkmaschine oder künstlichen Intelligenz). Der Eindruck, dass es nicht meine Zeichnung sei, "unterlief" mir, weil ich keine professionelle Auffassung vom Künstler habe. Die Neugier auf das andere Wesen und seine eventuelle Mitteilung taten ein Übriges. Ich überlegte und diskutierte in Vorträgen, wie ich den Computer meine Wahrnehmungsweisen lehren könne, damit er sich so ausdrücke, dass ich ihn verstehe. (Dazu las ich bei Friedhard Klix q5 über phänomenale Metriken.)

In den folgenden Jahren verschoben sich meine Eindrücke von der "Neugier auf das anderen Wesen" auf die Erfahrung der Antwortnot.

Link: Der neue Künstler mag geschickter mit conversationellem Austausch umgehen können, als die anderen Conversanten und sich vielleicht auch die Aufgabe stellen, ihn besonders zu pflegen, aber seine Rolle ist doch nicht (!) die eines Moderators q2, das brächte ihn in eine Metaposition, er ist einer der Antwort begehrt. Für Künstler, die allgemein Applaus begehren, ist das unvertraut. Allerdings, dass Autorisches generell verschwinden werden, wird hier nicht behauptet. Die neue Künstlerrolle tritt hinzu.

Link: Es gibt von zwei Salonieren Texte, in denen sie ihre Rolle beschreiben:
1.- Madeleine de Scudery, siehe Stichwort Balance. q2

2.- Rahel Varnhagen 1813 in einem Brief an Clemens Brentano q4: »Ich liebe unendlich Geselligkeit von je und bin ganz überzeugt, dass ich dazu geboren, von der Natur bestimmt und ausgerüstet bin. Ich habe unendliche Gegenwart und Schnelligkeit des Geistes, um aufzufassen zu antworten, zu behandeln. Grossen Sinn für Naturen und alle Verhältnisse, verstehe Scherz und Ernst und kein Gegenstand ist mir bis zur Unschicklichkeit fremd, der dort vorkommen kann. Ich bin bescheiden und gebe mich doch preis durch sprechen und kann sehr lange schweigen und liebe alles Menschliche, dulde beynah alle Menschen.«

K. Alsleben

Bilder 1 bis 3: Computerzeichnungen von 1960 aus dem hamburger DESY von Kurd Alsleben und Cord Passow. Wir standen mit dem Rechner über Potentiometer in einer interaktiven Situation. Es war der Anfang einer %Circulating Art, einer Kunst als Verkehr.

q1 Alsleben, Kurd (1990): Computerkunst - Form als ethisches Fragen. In: Dencker, Klaus Peter (Hg.): Interface1. Elektronische Medien und künstlerische Kreativität. Hans-Bredow-Institut, Hamburg 1992
q2 Freimuth, Joachim und Fritz Straub (Hg./1996): Demokratisierung von Organisationen. Für Eberhard Schnelle. Gabler, Wiesbaden
q3 Frieling, Rudolf und Dieter Daniels (Hg./1997): Medien Kunst Aktion. Die 60er und 70er Jahre in Deutschland. CD-ROM. Springer, Wien
q4 Gerlach, Carola und Francois Melis (Red./1993): Rahel Varnhagen, eine jüdische Frau in der Romantik 1771-1833. Beratungsstelle für Frauen und Familien, Berlin
q5 Klix, Friedhard (1968): Kybernetische Analyse geistiger Prozesse. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin (DDR)
q6 Popper, Frank (1991): High Technology Art. In: Rötzer, Florian (Hg.): Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien. Suhrkamp, Frankfurt/Main



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