Balance
Balance, das Gleichgewicht halten, Schweben, Balancieren, ausgleichen.q1
Balance verkörpert die ästhetische Erkenntnis, "dass es zwischen Materie und Form, zwischen Leiden und Tätigkeit einen mittleren Zustand geben müsse und dass uns die Schönheit in diesen mittleren Zustand versetzt."q2 Balance ist Schönheit!
Dieses Spiel mit der Schönheit, das Ausbalancieren der Mittellage, war Bestreben für die Conversationskunst in den Pariser Salons {#Salonkultur}.
Link: Richtlinien für die ausgewogene Conversation im Barock sind bei Madeleine de #Scudery zu finden, einem fiktiven Gespräch zwischen mehreren beteiligten Frauen entnommen:
"Die Hauptregel, antwortete Valerie, lautet: Sage niemals etwas, das gegen den Takt verstößt. Aber setzte Nicanor hinzu, ich würde gern genauer wissen, wie ihr Euch die rechte Konversation vorstellt. Ich finde, nahm sie wieder das Wort, dass die Konversation ganz allgemein öfter von alltäglichen und galanten als von großen Dingen handeln sollte. Aber trotzdem, denke ich, gibt es kein Thema, das in ihr nicht zugelassen wäre. Die Konversation sollte frei und voller Abwechslung sein, der Zeit, dem Ort und den Personen gemäß, mit denen man zusammen ist. Ihr Geheimnis ist: immer gehoben von niederen Sachen reden, ziemlich einfach von erhabenen und sehr galant von den galanten, ohne Nachdruck, ohne Künstelei. Obgleich also die Konversation immer gleichermaßen natürlich und vernünftig sein soll, möchte ich doch darauf beharren, dass gelegentlich auch die Wissenschaften Eingang finden können, mit Maßen natürlich; dass auch für gefällige Scherze Platz ist, vorausgesetzt, sie sind angemessen, bescheiden und galant. Um also vernünftig zu reden, kann man ganz offen sagen, dass sich in der Konversation alles sagen läßt, gesetzt, man hat Geist und Takt und bedenkt gut, wo man ist, mit wem man redet und wer man selber ist.
Balance. Bild 1: Das Ausbalancieren der Mittellage beschreibt die lebendige Bewegung zwischen den Extremen als Auseinandersetzung und Konversation mit Anderen. Je mehr sich das eigene Blickfeld erweitert, desto schöner ist die Aussicht.
Antje Eske, 1980: Die Theorie der Schönheit. Bleistiftzeichnung.
[...] In diesem Verstande also möchte ich, dass man niemals wisse, was man sagen wird, und trotzdem immer genau weiß, was man sagt. [...] Aber außer alldem, was ich bisher gesagt habe, möchte ich noch, dass im ganzen eine fröhliche Stimmung herrsche, nicht die Torheit der ewigen Lacher, die so viel Lärm um nichts machen, sondern eine Fröhlichkeit, die jedem aus der Gesellschaft ans Herz gehen soll, eine Disposition, sich mit allem zu unterhalten und sich bei nichts zu langweilen."q3
Link: Erfahrungen mit heutiger Konversationskunst in Computer und Netz ergeben nachfolgende Ausrichtung. Angestrebt wird:
- Geschichten zu erzählen (hypermedial und verbal)
- sich gegenseitig kennenzulernen und
- der Anderweite der Andern gewahr zu werden,
- verschüttete Ausdrucksmöglichkeiten freizubuddeln und
- sich z.B. zeichnerisch mitzuteilen,
- poetische Möglichkeiten zu erproben.
- Eindrücke zu schildern,
- subjektiven Empfindungen Ausdruck zu geben,
- Empfindungen (für) wahr zu nehmen und
- sie ernst zu nehmen,
- sich selber ernst zu nehmen in allen Bereichen
- eine Form für Inhaltliches zu finden,
- der Anderen Raum zu lassen und
- zusammenzuarbeiten,
- sich anregen zu lassen,
- spielerisch miteinander umzugehen
- sich über schöne Subjektionen miteinander zu freuen
- äesthetische Ergebnisse zu genießen
- Entwicklungsschritte zu bemerken,
- Witziges und Komisches herauszulocken,
- Fremdes zu bestaunen,
- sich "anders" auszudrücken,
- zu probieren eine Andere zu sein,
- anzuknüpfen,
- Gedankensprünge zu machen,
- vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen
- Medien zu wechseln.
Antje Eske
q1 Meyers Lexikon Band 3, Mannheim 1977
q2 Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen. 18. Brief, Stuttgart 1965 in: Cramer, Friedrich: Symphonie des Lebendigen Versuch einer allgemeinen Resonanztheorie, Frankfurt a.M. und Leipzig 1998
q3 Schmölders, Claudia (Hrsg.): Die Kunst des Gesprächs, Nördlingen 1979
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