Geräusch und Klang stellen nicht selten einen Garant für materielle Präsenz, Dichte, für ein authentisches Aufeinandertreffen von Eindrücken dar. Besonders deutlich wird das in der Akustik des Films, wo die Ebene der Geräusche einen wesentlichen Anteil an der Empfindung von Authentizität ("fidelity" ) hat.
Der Film Alles was wir haben (All That We Have) thematisiert das Bedürfnis, lokale Identität durch eine Naturalisierung von Geschichte ("Heimatgefühl") zu erreichen, das sich in immer neuen Wiederholungen der Brandstiftung am schon so oft rekonstruierten Heimatmuseum von Rothenburg/Wümme aktualisiert. Die Problematik einer solchen Konstruktion spiegelt sich dabei in einer Akustik, deren Herkunft sich nicht auf eine "Eingebung" einer Originalaufnahme zurückführen läßt. Indem alle Geräusche im Film ausschließlich synthetisch durch algorithmische Verfahren erzeugt sind, problematisiert "Alles was wir haben" die Kulisse des dokumentarischen Filmtons und verunsichert die Grenze zwischen diegetischen und extradiegetischen Elementen.
Bei der Herstellung der Tonspur spielte die Methode der interaktiven Programmierung eine wichtige Rolle. Dabei werden Teile eines Algorithmus während der Laufzeit des Programms umgeschrieben, wobei der Programmtext direkt sichtbar ist und ohne weitere Vermittlung im Verhältnis zum synthetisierten Geräusch gebracht werden kann. Die Vorgehensweise, sich in gemeinsamer Arbeit durch Konversation und Programmierung schrittweise an Portraits imaginierter akustischer Phänomene anzunähern, führt zu einem interessanten Kreislauf der Beeinflussung zwischen der schriftlichen Repräsentation des Programmtextes in seiner potentiellen Veränderlichkeit, dem sich parallel verändernden Klangbild und dessen gleichzeitiger Diskussion.