






flick_collection
Wie kann ich schuldig sein für etwas, das ich nicht getan habe?
(Friedrich-Christian Flick)
GÖRING COLLECTION
EINER ZEIT, DER EINE FLICK COLLECTION RECHT IST,
SOLLTE EINE GÖRING COLLECTION BILLIG SEIN!
http://www.carinhall-thecollection.de
"Office Baroque"
Stiftungspräsident Lehmann schließt politischen Hintergrund aus...
Missing File (/APA/uploads/Wachpersonal%20war%20%FCberford.htm)
Kunstwerke der Flick.htm
watch!

http://www.ccca.ca/mikidot/istvansite/blood/immortal.html
Anschlag bei Flick
Selbsternannter Künstler verspritzt Blut im Hamburger Bahnhof
Anschlag bei Flick.htm
Der Midas-Effekt
Von Patrick Bahners
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.09.2004, Nr. 222
http://www.faz.net/s/RubEBED639C476B407798B1CE808F1F6632/Doc~E6E005DCEF3FE4AF395BA38CE52B80254~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Man spricht nicht davon. Im Lichte der Beschwörung einer schonungslosen, aggressiven, zur Auseinandersetzung nötigenden Kunst war die altmodische Schicklichkeit, die in den Festreden an diesem einen Punkt obwaltete, beinahe anrührend. Nicht die Kriegsverbrechen Friedrich Flicks waren das Unaussprechliche auf der Eröffnungsparty der Friedrich-Christian-Flick-Collection im Hamburger Bahnhof.
Der Bundeskanzler sprach sogar das Wort "Zwangsarbeiter" aus, das Klaus-Dieter Lehmann, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in seiner verdrucksten, durch und durch defensiven Ansprache nicht über die schmalen Lippen gekommen war. Nein, im Hause des Henkers darf vom Strick längst die Rede sein. Der Wechsel im
Salon des Bankiers dagegen ist immer noch eine andere Geschichte. Das Tabu am festlichen Abend war das Geld. Schuld kann "man nicht erben, Verantwortung schon"
Der "Name Flick", erläuterte Lehmann, habe für die Stiftung ein Problem der "Glaubwürdigkeit" aufgeworfen. Man habe die "Belastung des Namens Flick" einrechnen müssen. Gerhard Schröder nahm diese Formulierung auf; die Sprachregelungen waren offenbar genau abgestimmt worden.Der "Name Flick" trägt nach Aussage des Kanzlers "die Last der Vergangenheit und der Erinnerung". Zustimmend zitierte Schröder ein
Diktum des Sammlers, Schuld könne "man nicht erben, Verantwortung schon". In Schröders Worten hat Flick "nicht abstrakt, sondern sehr konkret mit seinem Familiennamen die Pflicht zur Verantwortung vor der Geschichte geerbt". Diese Darstellung des Sachverhalts ist nun allerdings alles andere als konkret, vielmehr so abstrakt, wie es dem Wesen jenes Dings entspricht, um das die Redner ihren rhetorischen Bogen machten. Die Rede von der geerbten Verantwortung ist metaphorisch. Erben im
Wortsinn kann man Vermögenswerte, Geld, übrigens mit positivem und negativem Vorzeichen. Vermögen durch Sklavenhaltung vermehrt. Daß man Schuld nicht erben kann, ist vielleicht gar nicht so selbstverständlich, wie man immer meint. Man setze nur den Artikel davor oder bilde den Plural: Schulden vererben sich natürlich, und wer
ein Erbe nicht ausschlägt, auch wenn es mit Schulden belastet ist, für den rechnet sich eben per saldo die Fortführung der Geschäfte der Väter. Wäre Flick nur mit seinem Namen "belastet", wäre sein Großvaterenteignet worden, wäre der Enkel mit der Erfindung des Internets oder einem Patent für schmerzloses Piercing aus eigener Kraft schwerreich
geworden - dann wäre eine Sammlung Flick, die unter der Schirmherrschaft des Bundeskanzlers in die Obhut der mit der Pflege der Hinterlassenschaft des preußisch-deutschen Nationalstaates betrauten Stiftung überginge, zwar auch ein Anlaß für Glossen über den Lauf der Geschichte, aber nichts Anstößiges. Stein des Anstoßes ist, daß das durch Sklavenhaltung vermehrte Vermögen immer noch existiert und weiter
vermehrt worden ist, so daß der Erbe des Mitglieds des Freundeskreises des Reichsführers SS Heinrich Himmler sich begründete Hoffnungen auf die Ehrenmitgliedschaft im Verein der Freunde der Nationalgalerie machen darf.
"Schlußstrich-Mentalität"
Beifall brandete im Festzelt am Dienstag abend immer dann auf, wenn Friedrich Christian Flick gegen die "Selbstgerechtigkeit" (Schröder) einer "schrillen Berichterstattung" (Lehmann) in Schutz genommen wurde. Die gutbetuchten Festteilnehmer meinten gewiß nicht Bekundungen jener "Schlußstrich-Mentalität" zu applaudieren, der Flick nach dem Urteil von Michael Fürst, Mitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland, "das
Wort redet". Bei der Einweihung des Holocaust-Mahnmals werden sich dieselben Gäste
die Ehre geben; der Anfälligkeit für einen nationalpolitischen Revisionismus des Bauches sind die Spitzen unserer Gesellschaft nicht mehr verdächtig. Gleichwohl gehört zu ihrem Geisteshaushalt die Alltäglichkeit des Schlußstrichziehens. Kein Wohlstand ohne regelmäßige Bilanzen. Es gehört nun einmal zum Wesen des Geldes, daß es gegen
seine Herkunft neutral, daß es vergeßlich ist. Man kann Flick doch nicht vorwerfen, daß er Geld geerbt hat und nun etwas Nützliches damit anstellen will: In diese Worte wird man die Grundstimmung der Solidarität unter den sogenannten Eliten der Hauptstadt fassen dürfen, die dazu geführt hat, daß das Museumsprojekt - die Rede von einer
Ausstellung ist angesichts der zeitlichen und räumlichen Dimensionen verharmlosend - gegen allen Widerspruch durchgesetzt worden ist.
Postchristliche Ethik
Nicht Schuld, sondern Verantwortung: Flick hat eine Formel nachgesprochen, die seit Gründung der Bundesrepublik in Festreden kanonisch ist. Indem der Kanzler ihrer Aneignung durch Flick seinen Segen gab, komplettierte sich der rituelle Zirkel. Die Formel diente zunächst der Abwehr der Kollektivschuldthese und nahm in Kauf, daß eine Vielzahl von Schuldigen sich hinter ihrverstecken konnte und daß ausgedehnte Schuldzusammenhänge, vor allem die Verflechtungen von Kriegführung, Kriegswirtschaft und Massenmord, weitgehend unsichtbar blieben.
Das Prinzip Verantwortung macht den Umgang mit dem "Erbe" des Nationalsozialismus zum Fall einer allgemeinen, individualistischen, postchristlichen, erbaulichen Ethik. Verantwortung für die NS-Verbrechen kann dann auch durch Kritik am israelischen Mauerbau ausgeübt werden oder eben durch Gründung einer Stiftung zur Umerziehung von Rechtsradikalen in Brandenburg. Und wer will nach den Wahlen vom Sonntag behaupten, daß die Bekämpfung des Rechtsradikalismus dort überflüssig sei!
Schröder entlarvt sich selbst
Die Existenz des Zwangsarbeiterfonds, in den Flick nicht eingezahlt hat, ist das Ergebnis einer Krise des nationalen Gedächtnisses. Nach Jahrzehnten verantwortlichen Wirtschaftens entdeckte man, daß trotz Aussterben der Schuldigen die Schuld nicht abgegolten war. Nun wird auf die Freiwilligkeit der Beteiligung an den Entschädigungen verwiesen;
Flicks Nichtbeteiligung könne ihm nicht vorgeworfen werden. Freilich war es gar keine Option, die Unternehmen zur Zahlung zu zwingen. Es war vor Augen getreten, wie sehr die Gesellschaft von den Staatsverbrechen profitiert hatte; nur gesellschaftliche Selbstverpflichtung konnte diese Schulden symbolisch tilgen beziehungsweise mindern. Schröder weist den Versuch zurück, die "Lauterkeit der Motive" Flicks in Zweifel zu ziehen; unisono wünscht sich Lehmann "eine offene Debattenkultur ohne Verdächtigungen". Aber wo es um symbolisches Handeln geht, können Motive dahinstehen. Schröder entlarvt seinen Trick selbst, wenn er die von ihm inkriminierte Motivunterstellung im selben Atemzug seinerseits vornimmt und die Kritiker der Unaufrichtigkeit zeiht.
Frommer Spruch wird zur diffusen Provokation
Wer waren eigentlich diese Nörgler und Neider, die sich, folgte man Lehmann, in so skandalös geringer Zahl und so unverschämt spät gemeldet hatten? Von der in der gestrigen Ausgabe der "Welt" dokumentierten schriftlichen Fassung der Kanzlerrede wich das gesprochene Wort an einer Stelle ab. Die öffentliche Debatte sei "produktiv" und "lehrreich" gewesen, heißt es im Text. Schröder übersetzte den Satz in den Schröder-Originalton, indem er den für sein Denken charakteristischen Vorbehalt einfügte, gleich doppelt, damit auch jeder es merkte.
Aus dem frommen Spruch wurde eine diffuse Provokation: Die Debatte war "produktiv - gelegentlich, und lehrreich - nicht immer". Wer mag da unproduktiv belehrt haben? Salomon Korn vielleicht mit dem Bild vom Blutgeld? Flicks Bitte, man möge "tolerant und aufgeschlossen in die Zukunft schauen", gab Schröder als "klare Worte" an die Kritiker weiter. Man fühlte sich in die fünfziger Jahre versetzt, als die Überlebenden der
Konzentrationslager zur öffentlichen Zurückhaltung aufgefordert wurden, um den Wiederaufbau nicht zu gefährden. Die Schuldfrage aufzuwerfen war unverantwortlich.
Schröder als Flicks ranghöchster Advokat
"Herr Flick hat die Verantwortung ernst genommen", bescheinigte ihm der Kanzler, und zwar die Verantwortung, "die der Besitz dieser einmaligen Sammlung mit sich bringt". Schröder war nicht nur der ranghöchste Advokat, den Flick finden konnte, sondern auch der beste. Die doppelte Verwendung des Wortes "Verantwortung" war sein Meisterstreich.
Entgrenzung ist die Logik der Verantwortungsethik: Flick muß auch an die Künstler denken! Denn, so Schröder, "Künstler schaffen ihre Werke nicht für die Depots - sie wollen sie zeigen". Natürlich wurde nicht gesagt, daß die Künstler ihre Werke an Flick verkauft haben. Sie haben sie ihm "anvertraut". Dieser Fiktion vom Treuhänder, auf dem die Ausstellungspflicht lastet, fügte Lehmann gemäß einer Art von ästhetischem Nothilferecht die Verpflichtung der öffentlichen Hand hinzu, dem Sammler unter die Arme zu greifen. Demgegenüber sei gefordert worden, "die Kunst wegzuschließen". Das stellte nun die Debatte auf den Kopf. Als Privatmann mag Flick zeigen oder für sich behalten, was er will. Die Frage war, ob seine Sammlung - zunächst auf Zeit, aber nach dem Wunsch aller
Beteiligten für immer - einen Flügel jenes imaginären Weltmuseumsbilden soll, das die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin unterhält, um das Selbstverständnis unseres Staates anschaulich zu machen.
Flick hat sich dem Markt gebeugt
Die Gründe, die von den Patronen des Prestigeprojekts namhaft gemacht werden, halten der Prüfung nicht stand. Geht man dann aber durch die endlosen Fluchten der Rieck-Hallen, begreift man sofort, warum Berlin um keinen Preis auf diese Spolien verzichten wollte. Daß Flick vor allem arrivierte Künstler sammelt, die auch anderswo zu sehen sind, widerlegt zwar die Dringlichkeit der vom Kanzler beschworenen Zeigepflicht, ist aber aus Berliner Sicht kein Einwand. Das zusammengebrochene Modell der West-Berliner Wirtschaft ist hier konserviert: jede Investition eine bombensichere Anlage.
Auch den Kanzler muß die Objektivität der Kräfte trösten, deren Wirken kuratorisches Bemühen verewigt: Flick hat sich dem Markt gebeugt und sich gerade dadurch als starker Mann erwiesen. Das Berliner Bürgertum, das sich empört, weil Flick das Erben zum Vorwurf gemacht wird, sah in jüngster Zeit die Substanz des eigenen Vermögens schmelzen. So wird den Kanzler der Verdacht nicht loslassen, daß alle seine Ausgaben fürs
Fördern und Fordern spurlos verlorengehen. Während aus einem Arbeitslosen durch keine Umschreibung und keine Zuzahlung ein Arbeitender werden kann, wenn keine Arbeit da ist, wird in der Gegenwartskunst aus dem Zivilisationsmüll ein Wertstoff - durch
bloße Zuschreibung, die keineswegs willkürlich ist, sondern die höhere Rationalität des Marktes vollzieht. Agent dieser Vernunft ist der Sammler, der Midas unserer Zeit. Der Name des reichen Mannes gehört wirklich zur Sache.
Nur als Flick Collection zeigt die Sammlung, was man für Geld doch alles kaufen kann.
Das Ende der Geschichte
Der Umgang mit der Flick-Collection zeigt: Die Berliner Republik entledigt sich ihrer Vergangenheit. von jörg sundermeier
http://jungle-world.com/seiten/2004/38/3931.php
vom 15. September 2004
Ein 17jähriger erzählt von der Nazizeit: »Ich glaub’ auf jeden Fall, dass die meisten Leute trotzdem noch gedacht haben, dass zum Beispiel Juden oder so was Menschen sind und so. Aber als Einzelner konnte man sich ja nicht wehren. Als Einzelner konnte man ja nichts machen. Man konnte sagen: Ich finde das schlecht. Dann wurde man eingesperrt und wahrscheinlich danach erschossen.«
Diese Sätze, die das Forschungsprojekt »Tradierung von Geschichtsbewusstsein« der Universität Hannover aufgezeichnet hat, sind nicht das Ergebnis einer Einzelverblödung – es geht hier um einen kollektiven Wahn. Harald Welzer, der Leiter des Projektes, fasst zusammen: »Ich nenne den Vorgang, in dem aus antisemitischen Großeltern und Eltern in den Augen ihrer Kinder und Enkel Widerstandskämpfer werden, ›kumulative Heroisierung‹, und solche ›kumulativen Heroisierungen‹ kommen in 26 der 40 befragten Familien vor, also in knapp zwei Dritteln aller Fälle. Heroisierungsgeschichten machen etwa 15 Prozent aller erzählten Geschichten in den Interviews und Familiengesprächen aus, zusammen mit den Opfergeschichten, die etwa 50 Prozent ausmachen, handeln also zwei Drittel aller erzählten Geschichten davon, dass die Familienangehörigen aus der Zeitzeugengeneration und ihre Verwandten entweder Opfer der NS-Vergangenheit und/oder Helden des alltäglichen Widerstands waren.«
Also gab es seinerzeit kaum Täter. Die wenigen aber wurden allzu hart bestraft – mit den Bombenangriffen auf deutsche Städte, mit sowjetischer Lagerhaft, mit ein bisschen Enteignung, lästiger Befragung und wahrscheinlich sogar mit Care-Paketen. Und immer betraf es »die meisten Leute« gleich mit, Leute, die in den Krieg zogen, Massenerschießungen vornahmen, jüdische Wohnungen plünderten, polnische ZwangsarbeiterInnen auf ihrem Feld arbeiten ließen, auch noch im Volkssturm dienten und für alles nichts konnten, denn sie wurden ja zu ihrem Glück gezwungen.
Seit der Wiedervereinigung ist die Geschichte abgeschlossen, Deutschland findet zusehends zu sich selbst. Wie singt Peter Heppner von der Popgruppe Wolfsheim in seinem Hit »Wir sind wir« zu der Musik von Paul van Dyk? »Wir sind wir! Wir stehen hier! / Aufgeteilt, besiegt und doch, / Schließlich leben wir ja noch.« Der Auftrag des Duos war es, das »Lebensgefühl« der fünfziger Jahre zu beschreiben. Es ist ihnen bestens gelungen. Und es gelingt ihnen für das Jahr 2004 gleich mit. Sie lieben Deutschland, und sie entschulden es: »Wieder Eins in einem Land, / Superreich und abgebrannt. (…) Aufgeteilt, besiegt und doch, / Schließlich gibt es uns ja immer noch.«
Auch das ist nur noch ein Fall von vielen. Oliver Hirschbiegel, der Regisseur des Filmes »Der Untergang«, in welchem Hitler endlich als Mensch zu erleben ist, hat, sagte er der Berliner Zeitung am Samstag, keine Lust mehr auf das Gejammer: »Der vorverurteilende Umgang mit welcher Materie auch immer führt nirgendwohin. In Deutschland wird die Sicht auf das Dritte Reich seit 60 Jahren pädagogisch konditioniert – das führt nur in die Stagnation. Wir müssen jetzt entweder sagen: Schluss damit; das war damals, heute ist heute. Oder aber: Wir begeben uns in dieses Kapitel noch einmal neu hinein. Und gestehen uns ein: Daher kommen wir.«
Wir kommen also alle aus dem Führerbunker. Wir wurden besiegt, wir gingen unter. Nun sind wir wieder da, nicht nur 1954 wurde Deutschland wiedergeboren, nein, 1990 sogar noch mal. Und seine BewohnerInnen sagen mit nicht geringem Stolz, »daher kommen wir«, ja ja, wissen wir, und lassen sich nicht länger dreinreden.
Und das nicht nur im Feuilleton, sondern auch auf der höchsten politischen Ebene – ob am Grab seines Wehrmachtsvaters oder als Gast der Alliierten in der Normandie, stets ist der Kanzler gleich betroffen. Was ihn so traf, war einfach irgendeine Gewalt, irgendein Schock, irgendein Krieg, und es darf nie wieder geschehen. Darin sind sich inzwischen alle einig.
Was aber damals genau geschehen ist, wer wem was angedeihen ließ, das tritt in den Hintergrund. Über die Ausstellung der von NS-ZwangsarbeiterInnen unfreiwillig mitfinanzierten Flick-Collection, die im in solchen Fällen auch nicht besonders zimperlichen Zürich unmöglich war, in Berlin dagegen herzlichst begrüßt wurde, entsetzen sich einige professionelle Mahner, im Grunde aber bleibt es erstaunlich ruhig. Der ehemaligen FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher, der man nun wirklich nicht nachsagen kann, dass sie vaterlandslos sei, bereitet all das immerhin Magenschmerzen: »Es fällt mir auf meine alten Tage nicht leicht, noch einmal aufzubegehren. Ich tue es, weil ich die Sorge habe, dass unser Bemühen um einen anständigen Umgang mit unseren Geschichtslasten zu Ende geht. Nicht nur im Fall der Flick-Collection. Weil ich befürchte, das die Zeit abläuft, in der wir im biblischen Sinne bemüht waren, ›mit Tränen zu säen, um mit Freuden zu ernten‹. Weil ich ahne, dass die Zeit der Entsorgung dieser Lasten und des Vergessens der Opfer anbrechen könnte. Wenn wir nicht wachsam sind.«
Ihre Invektive ist redlich, doch trifft sie den Punkt nicht. Die Stadt und das Land, in der ein rot-roter Senat, ein rot-grünes Bundeskabinett, ein sozialdemokratischer Bürgermeister und ein sozialdemokratischer Kanzler einen Friedrich Christian Flick begrüßen, dessen ererbtes Vermögen ihm »nicht nur Freude« (Manager Magazin) bereitet, dessen er sich jedoch auch nicht schämt, dieselbe Stadt, dasselbe Land geben jährlich schon ein paar Millionen für so genannte »Erinnerungsarbeit« und Gedenkstätten aus, in die die »Geschichtslasten« verbannt sind. Das »Wachsamsein« wird aus der Portokasse bezahlt, seit einigen Jahren sogar beinahe gern. Denn es hilft, sich der Vergangenheit zu entledigen, die Geschichte zu beenden, es hilft auch dabei, Hitler ganz unverschämt als gebrochenen Mann betrachten zu dürfen.
Zugleich darf Deutschland sich in die Reihen der Alliierten im Kampf um die Menschenrechte und gegen ein »neues Auschwitz« einreihen und kann darauf zählen, dass Volkswagen, Deutsche Bank, Degussa, Siemens und auch der mittelgroße Landwirtschaftsbetrieb aus dem Siegerland bald nicht mehr daran erinnert werden, wem sie den Grundstock für ihren Reichtum, ihren Erfolg und ihre »gute Performance« geraubt haben. Dass Flick mit seiner billig erkauften Kunst als toller Mäzen empfangen wird, obschon er bis heute jeden ebenfalls nur billigen symbolischen Beitrag zur Zwangsarbeiterentschädigung verweigert hat, ist eklig; eklig ist aber auch der Großteil der Putzmittel, Glühlampen, EC-Karten und all der anderen Dinge, mit der sich der und die Deutsche täglich umgeben und die ebenfalls von Nutznießern der SklavenarbeiterInnen stammen.
Insofern hat es, bei aller Freude, dass es einem Flick nicht allzu einfach gemacht wird, die Geschichte seines Vermögens zu ignorieren, etwas außerordentlich Trauriges, wenn man sieht, wie wirkungslos die wenigen Proteste gegen die Ausstellung sind. Der Umstand, dass nach dem Krieg von den Westalliierten keine großen Enteignungen vorgenommen wurden, ist bedauerlich, doch nicht zu ändern. Am kommenden Dienstag, bei der Ausstellungseröffnung, werden Berliner Prominente vielleicht an protestierenden ZwangsarbeiterInnen vorbeischreiten müssen, sie werden beklommen sein, doch nicht aus Scham.
Die »Unverbesserlichen«, wie man früher immer im Elternton die Altnazis nannte, sind heute jene, die nicht zulassen wollen, dass die Geschichte vorbei ist. Heute ist heute, wir sind wir, Deutschland hat sich seiner Geschichte gestellt und entledigt. Was »Juden oder so was«, also die Opfer und ihre Nachfahren, dazu sagen, schert keine Sau.
Soll die Flick-Sammlung nach Berlin?
http://www.welt.de/daten/2002/08/18/0818ka351106.htx
Redaktion: Bettina Lüke
Darf in Deutschland Kunst ausgestellt werden, die angeblich mit Nazi-Vermögen finanziert wurde? Eine Debatte um Geld und Moral
Von Wolfgang Joop, Designer und Autor
Mick Flick ist Kunstmäzen und Sammler. Hätte er sein Geld für andere Dinge ausgegeben, hätten wir heute kein Objekt der Diskussion. Wäre das wünschenswert?
Selbstverständlich meine auch ich, dass man die Zwangsarbeiter unterstützen und abfinden sollte. Gestohlenes Leben und gestohlene Gesundheit kann man durch nichts ersetzen. Allerdings sollte man die Themen nicht vermischen. Hier geht es darum, Kunst Raum zu schaffen, und darum, ob Berlin die Sammlung von Herrn Flick als Leihgabe nehmen darf.
Die Kunst, die Herr Flick gesammelt hat, ist eine generell unpolitische. Dennoch sind es sehr wertvolle Kunstwerke: Emotionale Statements von Künstlern des 20. Jahrhunderts. Die Arbeit des Künstlers, ob nun gegenständlich oder abstrakt, ist ein Dokument seiner Sicht der Welt. Diese mag mitleidvoll, illusionär oder visionär sein. Auf jeden Fall gibt sie einen Ausblick aus unserer realen, "normalen" Welt. Der Künstler ist praktisch Vermittler zu Ängsten, Träumen und Humanität. Und auch ihr Übersetzer. Wir fragen nicht, unter welcher Not und Pein die Pyramiden gebaut worden sind, sondern wir schauen sie einfach an und sehen darin einen Ausdruck göttlicher Größe, einer Sehnsucht oder menschlicher Selbstüberwindung.
Es fehlt an Geld und an Möglichkeiten, Kunst nach Berlin zu holen. Bietet sich die Chance, sollte man diese Sammlung wirklich dankbarst annehmen. Berlin ist von Haus aus eine kontroverse, unhomogene Stadt - und kann auch kontrovers bleiben.
Die derzeitige Diskussion um die Flick-Sammlung strahlt eine geistige Unfreiheit aus. Ihre Halbherzigkeit und Un-Offenheit ist peinlich, sogar empörend. Sie ist typisch dafür, wie man hier mit kulturellen und damit gesellschaftspolitischen Fragen umgeht: Man kann sich zu keiner wirklichen Haltung, keinem wirklichen Ansatz durchringen - und das ist es, was das Engagement in Deutschland immer so mühsam macht. Wer es jedem recht machen will, macht es niemandem recht. Das deutsche Dilemma ist: Chronisch schlechtes Selbstbewusstsein ohne wirklich ein Gewissen zu haben.
Heinz Berggruen, Sammler
Ich sehe es als eine absolute Bereicherung an, wenn diese hochinteressante, wichtige Sammlung zeitgenössischer Kunst leihweise oder zum eventuellen Erwerb nach Berlin kommt. Das wäre ein Glücksfall. Und ich sehe keinen Grund, das mit politischen Überlegungen zu verbinden. Dieses Angebot ist eine sehr altruistische Geste von Herrn Flick, die ich als solche schätze.
Ich halte die Diskussion um die Sammlung Flick für absolut unnötig und in jedem Fall für übertrieben, denn wenn sich schon jemand die Mühe gibt, etwas Schönes machen zu wollen, dann sollte man ihm doch nicht vorwerfen, was seine Vorfahren, für die er nicht verantwortlich ist, irgendwann einmal getan haben.
Ich hoffe, dass die Sammlung nach Berlin kommt. Das wäre eine gute Sache. In jedem Fall ist es eine wichtige Sammlung, es ist eine Sammlung, die Tendenzen der zeitgenössischen Kunst in hervorragender Weise spiegelt, und ich sehe es als eine großzügige Geste von Herrn Flick an, Berlin diese Sammlung in der einen oder anderen Form zu vermitteln.
Christoph Schlingensief, Regisseur und Aktionskünstler
Zunächst einmal finde ich es gut, dass die Sammlung nicht in Zürich gelandet ist. Ich kenne die Thematik deshalb etwas, weil ich sie schon zu der Zeit als Christoph Marthaler und Stefanie Carp vom Schauspielhaus Zürich den Protest gegen die Ansiedlung der Flick-Sammlung mit unterstützten, hautnah mitbekommen habe. Mir hat ihr Protest damals sehr eingeleuchtet, weil die Sammlung nämlich in dieser korrupten Schweiz, in der genug Nazi-Geld gelandet ist und genug dieser verschmierten Typen leben, schön ruhig eingemeindet worden wäre.
Ich glaube, dass Flick etwas anderes will und braucht! Deshalb auch Berlin! Das muss man klipp und klar sagen. Dass die Sammlung jetzt nach Berlin kommen soll, finde ich - auch wenn man das vielleicht von mir nicht vermutet - richtig gut. Berlin ist genau der richtige Ort, um den Namen Flick mit seinem negativen Beigeschmack ins Zentrum zu rücken. Er steht nun mal im negativsten Sinne für die Verbindung von Großkapital und Politik. Ich bin gespannt, ob Flick junior den Mut hat, diesen Schritt nach Berlin zu machen, oder ob es nur ein Trick ist, Zürich nochmals für seine Sammlung zu interessieren.
Tim Neuger, Galerist (Galerie Neugerriemschneider, Berlin)
Ungeachtet der moralischen Debatte um Flick, die sicher notwendig, aber getrennt zu behandeln ist, finde ich es äußerst wichtig, dass eine Sammlung nach Berlin kommt, die die hiesigen sinnvoll ergänzt. Dem Hamburger Bahnhof täte es gut, der Dominanz der Sammlung Marx eine andere hochkarätige und wahrscheinlich zeitgenössischere im "Museum für Gegenwart" gegenüberzustellen. Es hat sich gezeigt, dass das Übergewicht einer Sammlung den Apparat nur blockiert. Die Flick-Kollektion würde das Berliner Spektrum mit Sammlungen wie Berggruen, Pietzsch, Hoffmann ... wunderbar ergänzen und für Berlin, das sich ja gern Kulturstadt nennt, wäre es nur gut, wieder an die Vielfalt anzuknüpfen, wie es sie vor dem Krieg kannte. Das sind Impulse, die die Stadt als Katalysatoren braucht, um hier neue Energien freizusetzen. Vor allem jetzt!
Harald Falckenberg, Sammler
Ich halte die Vorwürfe gegen Friedrich Christian Flick für weder sachlich noch moralisch haltbar. Sachlich nicht, weil die Aufforderung, Entschädigung zu leisten, sich nicht an Personen, sondern Firmen richtet, in diesem Falle an die Nachfolgefirmen des Flick-Konzerns, die nach meinen Informationen den Fonds überproportional bedient haben. Moralisch nicht, weil hier willkürlich ein Einzelfall herausgegriffen wird. Würde man recherchieren, wie, wann und mit welchem Geld öffentlich ausgestellte Kunst angeschafft wurde, wäre das eine "never ending story". Nur ein Beispiel: Tate, der einem der wichtigsten Museen der Gegenwartskunst seinen Namen gab, hat sein Geld mit Sklavenarbeit auf karibischen Zuckerrohrplantagen verdient. Und gar nicht zurückdenken mag man daran, wie und mit welchen Mitteln Fürsten und Kirchen vor langer Zeit ihre Kunstwerke erwarben. Heute befinden sich diese Arbeiten zur Freude vieler friedlich in Museen. Wahrscheinlich geht es im Falle Flick aber gar nicht um Ethik und Verantwortung, wie behauptet, sondern um das tiefe Unbehagen, ja die Wut von Kulturschaffenden, die nicht akzeptieren wollen, dass sich jemand in ihren Bereich, sei es aus Gründen der Repräsentation oder gar der Einflussnahme, einkauft. Darüber mag man denken, wie man will. Jedenfalls wäre die Sammlung ein Riesengewinn für Berlin und Deutschland.
Max Hollein, Direktor der Schirn-Kunsthalle, Frankfurt a.M.
Die Flick-Sammlung ist - so viel ist sicher - von außerordentlicher Qualität. Die Arbeiten in dieser Sammlung sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Sie muss raus aus den Lagerkisten, das verlangt die Qualität der Kunstwerke, das wollen sicherlich auch die Künstler selber und das will insbesondere in diesem Sinne erfreulicherweise der passionierte Sammler. Friedrich Christian Flick ist mit Sicherheit keine Persona non grata in der Kunstszene. Die Sammlungsschwerpunkte konnten nicht ohne die Zusammenarbeit und Zustimmung der Künstler beziehungsweise ihrer Vertreter zu Stande kommen. In vielen Ausstellungen, in vielen Häusern begegnet man seit langem Exponaten aus seiner Sammlung. Der Sammler Flick leiht gern und aus Überzeugung, viele Kuratoren suchen seine Zusammenarbeit.
Die Frage der Verantwortung ist eine andere - sie mit Vehemenz insbesondere auch an der Familie Flick festzumachen, ist verständlich und wichtig. In dem Erbe liegt eine Verantwortung, und die Frage, wie damit umzugehen ist, soll geklärt werden. Diese Diskussion - und hier gäbe es innerhalb der Familie Flick auch noch viel direktere Ansprechpartner - kann die Öffnung der Sammlung zum Anstoß nehmen, sollte aber separat geführt werden. Auf jeden Fall darf die Sammlung nicht als Faustpfand in einer Diskussion gefangen gehalten werden. Dass Flick dieser Diskussion nicht aus dem Weg geht, nach einer Lösung - auch abseits von der Gründung einer Stiftung gegen Rassismus - sucht, zeigt wohl auch der potenzielle Standort: Berlin. Das sollte a priori ein noch heißeres Pflaster als Zürich sein. Dass Berlin die Sammlung gut brauchen kann, ist sicher. Dass die Präsenz dieser herausragenden Sammlung aber noch immer nicht den dringend notwendigen institutionellen Brückenschlag zur hochaktiven Berliner Kulturszene ausmacht, ebenso. Das ist allerdings weder ein Problem der Sammlung noch des Sammlers, sondern vielmehr eins der Hauptstadt.
Christoph Stölzl, Vorsitzender der CDU Berlin
Ein Unternehmer, Milliardär, hat eine große Kunstsammlung zusammengetragen, die niemand genau kennt. Er will sie vielleicht in Berlin zeigen. Protest erhebt sich, weil Flick sich weigert, in den freiwilligen Zwangsarbeiterfonds der deutschen Wirtschaft einzuzahlen. Ich denke, das muss er mit den "grundsätzlich" argumentierenden Kritikern und seinem Gewissen, am besten aber mit seiner Klugheit ausmachen. Wenn er die Illusion hegt, ein großer Akt des Mäzenatentums erlöse ihn von den Vorwürfen der Familienverstrickung in der NS-Diktatur, so irrt er. Aber wie sieht es mit seiner zweiten Rolle, dem angedachten Mäzenatentum wirklich aus? Ich sage: Hic Rhodus, hic salta! Mäzenatentum, das den Namen verdient, bedarf immer der Schenkung. Nach allem, was wir wissen, geht es aber vorerst um eine Leihgabe. Das macht keinen guten Eindruck. Die Berliner Museen sind ein zu kostbarer Platz, als dass sie Herberge sein dürfen für Saisongäste. Was von unseren hauptstädtischen Museen adoptiert wird, das muss von untadeliger Bedeutung sein und für immer zur Familie gehören. Niemand muss sich von seinem Kunstbesitz trennen. Aber wer es tut, der sollte es mit einer großartigen, endgültigen Geste tun, wie sie zum Beispiel Peter und Irene Ludwig vorbildlich geübt haben.
Adrienne Goehler, Kuratorin für den Hauptstadt-Kulturfonds
Sehr geehrter Herr Flick, alle Argumente sind niedergeschrieben. Die unterschiedlichen Empfindlichkeiten, wie Sie mit Ihrem Erbe umgehen, welcher historischen Verantwortung sie sich nicht entziehen können, (oder eben doch, mit gutem Recht sogar, wie wir mit Erstaunen lesen durften) sind angezeigt worden, es hat keinen Mangel am Benennen von Entsetzen, aber auch von Wunden gegeben.
Ich halte es gar für wahrscheinlich, dass sich am Ende, leise, einige Standorte mit der Bereitstellung von besten Bedingungen für Ihre Sammlung gegenseitig überbieten werden, weil die Qualität der Arbeiten unbezweifelbar ist, und jeder Museumsmensch von ihr in Versuchung geführt ist. Auch viele Politiker werden der Versuchung erliegen. Aber die sich aufdrängende Frage ist doch, ob Sie nicht der Verdacht beschleicht, dass Sie den Künstlern aus Ihrer Sammlung die Verantwortung weitergeben, derer Sie sich selbst enthoben glauben. Denn wie auch immer Sie vor sich selbst begründen können, dass Sie als Enkel für die Taten Ihres Großvaters nicht belangt werden können, und keine Notwendigkeit spüren, sich am Fonds der deutschen Wirtschaft zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter beteiligen zu müssen, Sie verstricken die Künstler Ihrer Sammlung in eine delikate Lage, derer diese sich nicht erwehren können, weil sie nie befragt wurden.
Ich hielte es für angemessen, Sie würden zu einem Gespräch mit den Künstlern laden. Das könnte auch zu einem Zeichen einer anderen politischen Kultur werden. Mit freundlichen Grüßen, Adrienne Goehler.
Andreas Nachama, Direktor Stiftung Topographie des Terrors in Berlin
Die Sammlung Friedrich Christian Flicks ist eine Kunstsammlung, die nach dem Krieg entstanden ist und die, wie Flick selbst sagt, nicht mit während der oder durch die Naziherrschaft erworbenem Geld entstanden ist. Man sollte die Sammlung daher so behandeln wie andere Kunstsammlungen auch.
Redaktion: Bettina Lüke
Zur Person und Sammlung Friedrich Christian Flick
Der Jurist Friedrich Christian Flick, geb. 1944, bekam 1975 seinen Erbteil des Flick-Konzerns ausbezahlt, den Großvater Friedrich Flick gründete. Seit den siebziger Jahren hat der in der Schweiz lebende Deutsche eine der weltweit größten Sammlungen zeitgenössischer Kunst zusammengetragen. 2001 provozierte sein Angebot, in Zürich ein eigenes Museum zu bauen, heftige Proteste - Flick zog sein Angebot zurück. Flick wurde dafür kritisiert, dass er sich nicht am Fonds zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter beteiligt - die auch in Flick-Unternehmen arbeiteten. September 2001 gründete Flick eine Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit. Seit Juli 2002 führt er Verhandlungen mit den Staatl. Museen zu Berlin über eine zeitweilige Ausstellung. Parallel spricht er mit New York und - wieder - Zürich.
Die Evangelisierung des Museums
Barbara Basting
aus Tages-Anzeiger, 23.09.2004; Seite 61
http://www.xcult.org/texte/basting/04/flick.html
Seit gestern ist in Berlin die Friedrich Christian Flick Collection zu sehen: eine Sammlung, die um jeden Preis imponieren will.
Die Eröffnung der Friedrich Christian Flick Collection in Berlin ähnelte ein bisschen jenem Moment in Restaurants der gehobenen Preisklasse, wenn die Cloche gelüpft wird: Man ahnt zwar, was zum Vorschein kommt, weiss aber noch nicht, wie es angerichtet ist und ob es mundet. Die Namen der Künstler, die Flick seit seiner geradezu paulusartigen Bekehrung zur Kunst mit einem Budget, das jede öffentliche Sammlung blass aussehen lässt, einsammelt, kursierten längst; und da Flick ein grosszügiger Leihgeber war, weil das dem Ansehen der Kunst nie schadet, konnten eifrige Ausstellungsgänger sich allmählich ein Bild machen. So hält sich die Überraschung in Grenzen. Kommt man aus Zürich, macht sich sogar - selbst wenn das angesichts eines Wiedersehens mit qualitätvoller Kunst überheblich klingt - leichte Enttäuschung breit: Nicht nur fast alle Künstler, ja oft sogar exakt die Werke, die nun in Berlin ausgestellt sind, waren noch vor nicht allzu langer Zeit in den Galerien Hauser und Wirth sowie bei deren vorübergehender Geschäftspartnerin Eva Presenhuber in Zürich zu sehen. Oder in den kooperierenden Kunsthallen und Museen von Zürich, Basel, Baden-Baden, Karlsruhe.
Eingeschränkte Spielräume
Die Collection trägt so unübersehbar die Signatur des international einflussreichen und ingeniösen Iwan Wirth, dass man fast um die Autonomie von Flicks ästhetischem Urteil bangt. Oder sollte es umgekehrt so sein, dass sich Flicks Lieblingsgalerist an den Vorlieben seines besten Kunden orientiert hat? Egal. So oder so sind die beiden ein Power-Couple der Extraklasse. Ohne ihr Wirken sähe die Kunstlandschaft derzeit anders aus. Was nicht heisst: besser oder schlechter.
Der Sammler hat den unaufdringlichen, gelungenen Umbau (Kühn Malvezzi) der Rieck-Werkhalle zum Annex des staatlichen «Hamburger Bahnhofs - Museum für Gegenwart» in Berlin mit 8 Millionen Euro mitfinanziert. Die Hausherrin, die Stiftung Preussischer Kulturbesitz, kommt für den Betrieb auf. Sie greift dafür auch ihren Etat für Sonderausstellungen an. Das ist insofern kein Problem, als die Collection mit 2500 Werken und 150 vertretenen Künstlern genügend Material bietet. Unterschätzen sollte man den Preis dennoch nicht: Der Spielraum für anderes wird eingeschränkt. Das Museum tritt in nie da gewesenem Ausmass Definitionsmacht ab. Der Siegeszug der Privatsammler in steuerfinanzierten Museen erreicht damit einen vorläufigen Zenit.
Dabei ist das Neuere des Alten Feind: Für die Flick-Eröffnungsschau, die mit rund 13 000 Quadratmetern Fläche ungefähr so gross ist wie die letzte Documenta, wurden sogar die Hallen des Hamburger Bahnhofs geräumt, die sonst die Sammlung Erich Marx beherbergen, von der nur der Beuys-Block bleiben durfte. Der Leihvertrag mit Flick läuft für sieben Jahre. Bei der offiziellen Eröffnung äusserten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Flick, dass es dabei nicht bleiben müsse. Eine Schenkung würde wenigstens die Kritik an den Spekulationsabsichten Flicks entkräften.
Als «Kunstmaschine», als «eines der sensationellsten Museen für zeitgenössische Kunst» bezeichnet Direktor Eugen Blume die unter seiner Ägide entwickelte erste Präsentation eines ersten Teils (die Rede ist von einem Drittel) der Collection.
Kunstmaschine, Sensation: Beides stimmt. Die Schau ist in Umfang und Qualität sensationell. Man müsste trotz der wichtigen Diskussionen rund um die Reizwörter «Blutgeld» und «Steuerflucht» ideologisch schon sehr verbohrt sein, würde man dies nicht anerkennen. Sie ist aber, und dies passt angesichts der Herkunft ihres Urhebers fast zu gut ins Bild, auch eine monströse Macht- und Imponiermaschine. Aus welchen Motiven auch immer Flick die von ihm gesammelte Kunst so breit portiert: Hier findet eine enorme Evangelisierungskampagne statt, die nicht nur diesem Museum zeigen will, wo es in Sachen zeitgenössischer Kunst langgeht. Denn die erarbeiteten Sonderausstellungen sollen auch andere Häuser beglücken. In Zeiten knapper Etats greift da sicher mancher zu.
Der Wille, einen gültigen Kanon der Gegenwartskunst zu definieren und zu implementieren, findet seinen deutlichsten Ausdruck in der von Flick finanzierten 25-bändigen Serie opulenter Künstlermonografien à 69.90 Franken, die bei DuMont unter dem Titel «Collector's Choice» erscheint. Hat Kunst mit weniger Geld und bedrucktem Papier im Nacken da überhaupt noch eine Chance?
Auch ein Rundgang zeigt, dass hier nicht gekleckert, sondern geklotzt wird. F. C. Flick sammelt nicht Lieblingswerke oder Trouvaillen, sondern trägt zielstrebig Konvolute zusammen. Das Filetstück sind die beiden exzellenten Säle, die dem Amerikaner Bruce Nauman gewidmet sind. Sie zeigen, wenn auch seine Präsentation ausgerechnet in der immensen Kleihues-Halle des Museums additiv und voll gestopft wirkt, den derzeit umfassendsten Komplex dieses wichtigen Künstlers. Stark ebenso die grosse Gruppe mit Werken des sensiblen Berserkers Martin Kippenberger, kombiniert mit Arbeiten von Franz West, was gut passt, Letzterem eher schlecht bekommt.
Geklotzt wird auch, was die Dimensionen und Produktionskosten der Werke angeht. Nur schon Jason Rhoades' immens aufwändige Installation «Creation Myth» und Paul McCarthys aufgeblasenes «Saloon Theater» füllen die riesige Historische Halle des Hamburger Bahnhofs; Diana Thaters mehrteilige Videoprojektion «Delphine» nimmt eine Halle in Anspruch, ebenso Dieter Roths Gartenskulptur. Auch Werkgruppen von Pipilotti Rist, Rodney Graham, Fischli/Weiss, Luc Tuymans sind raumgreifend. Das Kleine, Feine, Diskrete, Bescheidene hat es schwer.
Nicht einfach, die Auswahlkriterien Flicks anhand der ersten Tranche zu definieren. Die Gliederung der souverän inszenierten «Ausstellungslandschaft» (Blume) in Kapitel mit elastischen Titeln wie «Hier und jetzt zufrieden sein», «Die Sicht des Szenografen» oder «Körpereinschreibungen» hilft kaum weiter. Dabei gehört das Körperkapitel mit drastischen Arbeiten von Cindy Sherman, Mike Kelley, Larry Clark und feineren Säureattentätern wie Raymond Pettibon und Marlene Dumas zu den besten Ensembles der Schau. Klar ist nur eins: Teuer durfte es sein. No-Names sucht man vergeblich. Alle vertretenen Künstler sind am internationalen Markt derzeit bekannt, die meisten spielen in der oberen Liga - manche wie Pipilotti Rist oder Franz West unter dezidierter Mitwirkung Flicks, andere wie Jeff Koons, Jeff Wall oder Dan Graham längst ohne ihn.
Von allem etwas
Auch die Sperrigkeit, Brisanz und Widerständigkeit auszumachen, die F. C. Flick für die von ihm bevorzugte Kunst in Anspruch nimmt, fällt auf den ersten Blick schwer. Sicher, süffige Malerei ist auffällig abwesend. Doch was Brisanz angeht, gibt es Positionen, die mehr ins Fleisch schneiden. Nur sind diese meist weniger marktgängig.
Wessen letzter Museumsbesuch nicht gerade dreissig Jahre zurückliegt, der wird kaum nachhaltig irritiert sein. Dafür findet sich von allem etwas: die Reflexion auf den Kunstbetrieb von Marcel Duchamp über Marcel Broodthaers bis zu Thomas Schüttes pfeffriger Kunstmarktsatire «Mohr's Life»; die Gesellschaftsdiagnose von Nauman über Larry Clarks berühmten Tulsa-Zyklus bis zu Wolfgang Tillmans Soldatenserie; die Befragung neuer Medien bei Nam June Paik, David Claerbout, Eija-Liisa Ahtila, Stan Douglas. Der gezielte Einbezug historischer Positionen - Duchamp, Picabia - spricht dafür, dass hier die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts in Ansätzen neu geschrieben werden soll.
Trotzdem geht man merkwürdig unberührt aus der Schau. Fehlt was? Wohl weniger bestimmte Namen - derlei lässt sich immer diskutieren, und heute mehr denn je - als Ecken, Kanten, vielleicht auch ein Quäntchen Verschrobenheit. Möglich, dass das an der perfekten, eher glatten Präsentation liegt. Daran, dass man schon (zu) vieles kennt. Oder dass es so penetrant nach Geld riecht.
Meint er es ernst mit der Vision?
Etwas ganz anderes kommt hinzu. In einer Dokumentation der «Blutgeld»-Debatte, die den Besuchern infolge der Kritik ausgehändigt wird, liest man ein langes Interview mit Flick. Darin macht er sich Gedanken über die Konturen eines zukünftigen Museums. Er skizziert die Idee einer «Öffnung des Museums für alle Fragen, für die es nirgendwo sonst eine Plattform gibt», eine «kontinuierlich tagende Konferenz, wo neue Ideen und Modelle in die Diskussion gebracht werden».
Das sind Visionen, die man nicht nur an den letzten beiden Documentas aufgreifen konnte. Umso mehr fragt man sich, wieso Flick solche zeitgemässe Ideen einer prozessorientierten Kunst nicht jetzt, hier und heute umsetzt; wieso er eine eher konventionelle Schau privilegiert, in der Experimentierlust, Offenheit, Frechheit im Giessharz einer musealen Präsentation erstarren.
Vielleicht geht es ja nicht anders. Doch wenn einer die Mittel hätte, mit solchen Visionen ernst zu machen und nicht wie gehabt der Kunst als Schatz und Ware zu huldigen, dann der Multimillionär Flick. Falls es ihm wirklich ernst ist mit dem, was er wortreich ausführt.
Erstpräsentation bis 23. 1. 2005.
Katalog (Du Mont) in der Ausstellung 29.90 Euro. Informationen unter: www.hamburgerbahnhof.de
Die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst hat die Flick-kritische Publikation «Die Kunst des Sammelns» (Hg.Renata Stih, Frieder Schnock, 66 Seiten, 4 Euro) herausgegeben sowie eine begleitende Plakataktion entwickelt (www.ngbk.de).
Das Prenzlauer Berg Museum zeigt die Ausstellung «Zwangsarbeit 1938-1945 + Das Beispiel Flick»(www.ausstellung-zwangsarbeit-berlin.de).
Mit Barem behilflich
http://www.jungle-world.com/seiten/2003/06/267.php
Die Debatte um Flicks Kunstsammlung | Hans Leyendecker
Berlin hat 47 Milliarden Euro Schulden. Der Kunstsammler F.C. Flick baut der Stadt ein Museum und leiht ihr seine Sammlung. Der Haken: Der Reichtum der Flicks begründete sich in der NS-Zeit, aber sie weigern sich, in den Fonds für die Zwangsarbeiter zu zahlen.
Menschen sind käuflich, Kunst ist käuflich und in Berlin waren zu allen Zeiten Politiker schon für kleine Erkenntlichkeiten zu haben. Mit melancholischen Idealisten ist kein Staat zu machen. Deshalb ist es nur konsequent, dass in der rot-rot-regierten Stadt der Steuer-emigrant Friedrich Christian Flick (»Mick«) nach langer vergeblicher Suche ein Domizil für seine Sammlung zeitgenössischer Kunst gefunden hat. Was in bedeutsam klingenden Worten als großer Schritt auf dem Weg zu einer Kulturmetropole gefeiert wird, entpuppt sich, von schmückenden Beiworten gereinigt, als Abweg und Heuchelei. Ein reicher Mann bekommt ein Denkmal gesetzt und darf den Familiennamen reinigen. Ein Politiker der PDS verteidigt das Unternehmen mit dem Hinweis, es handele sich um einen Anstoß zur Diskussion über deutsche Vergangenheit.
Neue Ebene.
Er sei davon »überzeugt«, hat Mick vor Jahren seinem Onkel Friedrich Karl Flick (auch ein bekennender Steuerflüchtling) geschrieben, dass mit einer solchen »kulturellen Leistung der Name Flick auf eine neue und dauerhaft positive Ebene gestellt« wird. Straßburg, Dresden, Zürich wurden als Ausstellungsorte genannt. Daraus wurde nichts. Der Name Flick steht für Geld, das nach Blut und Schweiß riecht. Micks Großvater Friedrich Flick sen. war Hitlers wichtigster Rüstungslieferant und hat Tausendschaften von Sklavenarbeitern in seinen Fabriken zu Tode schuften lassen. Heinrich Himmler war er regelmäßig mit Barem behilflich.
Mick Flick hat ebenso wie andere Familienmitglieder von dem Alten ein riesiges Vermögen geerbt und die üble Herkunft eines Teiles des Geldes zumindest ließ sich nie verbergen. Als Mick seine Bildersammlung in Zürich ausstellen wollte, gab es dort eine erregte Debatte, ob man diese Gabe von einem Flick annehmen dürfe. Dutzende Kulturschaffender fertigten einen Aufruf und protestierten gegen Flicks »private Ablasswährung«, die Kunst. Im englischen Oxford scheiterte Micks Bruder Gerd-Rudolf (»Muck«) am öffentlichen Widerstand, als er vergeblich versuchte, einen Lehrstuhl zu initiieren, der den Namen Flick tragen sollte. Geld stinkt nicht. Manchmal stinkt der Name.
Nun dürfen Enkel nicht mit den Sünden der Großväter belegt werden, aber bei den Flicks fällt auf, dass sie sich ihrer Familienvergangenheit nie gestellt haben. Anders als die Krupps, die Quandts oder die Siemens-Sippe haben sie ihre Familienarchive nie geöffnet und sind mit ihrer Geschichte, einer sehr deutschen Geschichte, nicht angemessen umgegangen. Während viele andere Privatpersonen Millionensummen in den Fonds für Zwangsarbeiter zahlten, haben sich die Flicks geweigert. Nur unter Druck hat Mick eine eigene Stiftung gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz gegründet, was eher ein Schachzug im Krieg um die Flick-Collection war.
Dass eine Flick-Collection nun ausgerechnet in der ehemaligen Reichshauptstadt ihren Platz finden soll, ist kurios und gleichzeitig eine Zustandsbeschreibung der Berliner Gesellschaft. Bei den Diskussionen in Zürich im Jahr 2001 war sich Christoph Marthaler noch sicher, dass die Kunst-Kollektion »in Deutschland wegen der Familiengeschichte der Sammler abgelehnt« würde. Aber im Souterrain des real existierenden Parlamentarismus in Deutschland ist die doppelte Moral der Normalzustand. Insbesondere der organisierten Linken haben Leute mit wirklich viel Geld immer schon mächtig imponiert. Moral ist auch nur ein Wort und die Umgehung von Moral und Regeln zum eigenen Vorteil gilt mittlerweile als pfiffig.
Bußrituale.
Antje Vollmer erklärt allen Ernstes, man bekomme heutzutage »keine Stifter, wenn sie erst durch unsere protestantischen Bußrituale müssen.« Als eine Art Personenschützerin des Herrn Mick fungiert seit einer Weile Monika Griefahn, die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien (SPD). Auf Leibwächter schießt man nicht und zudem ist es schon eine Weile her, dass die Aktivistin einen Ruf zu verlieren hatte.
Aber alles ist an seine Zeit gebunden. Vielleicht kann auch ein Flick einen Neuanfang machen. Er ist 1975 in die Schweiz gezogen und hat in dem Steuerparadies als »private investor« sein Vermögen vermehrt, das heute auf 500 Millionen Euro geschätzt wird. Grob über den Daumen gerechnet hat der 58jährige pro Jahr etwa fünf Millionen Euro an Steuern in Deutschland vermieden. Die Vermögensteuer nicht berücksichtigt, hat er den deutschen Steuerbehörden etwa 125 Millionen Euro vorenthalten. Das ist etwa der Wert seiner Sammlung. Einer wie Flick darf im Land der Steueramnestie nicht heimatlos in der Fremde bleiben. »Ich bin Deutscher. Da sind meine Wurzeln. Heimat, Beständigkeit, Halt« hat Flick neulich gesagt. Das »sind Werte, mit denen ich aufwuchs und die mich heute beschäftigen«. Die Schweiz sei nur seine »zweite Heimat«.
In der alten Heimat könnte Flick auch noch ein paar Kleinigkeiten ordnen. Neben der Sammlung sollte ein Dokumentationszentrum eingerichtet werden, das der Familiengeschichte gewidmet ist. Wahre Mäzene (wie das Ehepaar Inge und Peter Ludwig) leihen nicht, sondern schenken. Ansonsten darf an der Uneigennützigkeit des Gebers gezweifelt werden. Durch die Präsentation im Museum wird der Wert einer Sammlung gesteigert, was für den Verleiher profitabel ist. Auch stört Außenstehende, dass bei den Verhandlungen in Berlin eine mit Mick Flick verbandelte Firma eine Rolle spielte, die in einer Steueroase residiert. Auch wenn das Stil im Hause Flick ist – es gibt Grenzen des Zumutbaren.
Hans Leyendecker ist leitender Politischer Redakteur der Süddeutschen Zeitung.
Die Moral verliert
Warum die Kunst die Flick-Vergangenheit nicht verdrängen kann
Wenn sich mal eine Gelegenheit bietet, heißt es, zugreifen, ehe es zu spät ist, einsteigen, bevor der Zug abgefahren ist. Mit melancholischen Idealisten ist kein Staat zu machen. Deshalb ist es nur konsequent, dass im rot-rot-regierten Berlin der Steueremigrant Friedrich Christian Flick („Mick“) nach langer, vergeblicher Suche quer durch Europa endlich ein Domizil für seine Sammlung zeitgenössischer Kunst gefunden hat. Was von den Lokalgrößen in wohlgesetzten und bedeutsam klingenden Worten als großer Schritt auf dem Weg zu einer Kulturmetropole gefeiert wird, entpuppt sich, von den schmückenden Beiworten gereinigt, als Abweg und Heuchelei. Ein reicher Mann bekommt ein Denkmal gesetzt und darf den Familiennamen reinigen. Ein Politiker der PDS verteidigt das Unternehmen mit dem Verweis, es handele sich um einen Anstoß zur Diskussion über deutsche Vergangenheit. Braucht Berlin noch eine Leni-Riefenstahl-Sammlung?
Er sei davon „überzeugt“, hat Mick vor Jahren seinem Onkel Friedrich Karl Flick (auch ein bekennender Steuerflüchtling) geschrieben, dass mit einer solchen „kulturellen Leistung der Name Flick auf eine neue und dauerhaft positive Ebene gestellt“ wird. Straßburg, Dresden, Zürich wurden als Ausstellungsorte genannt, München auch. Daraus wurde nichts. Denn der Name Flick (daran muss ein paar Tage vor dem 60. Jahrestag der Machtergreifung durch die Nazis noch einmal erinnert werden) steht für Geld, das nach Blut und Schweiß riecht. Micks Großvater Friedrich Flick sen. war Hitlers wichtigster Rüstungslieferant und hat Tausendschaften von Sklavenarbeitern in seinen Fabriken zu Tode schuften lassen. Dem Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, war er regelmäßig mit Barem behilflich.
Mick Flick hat ebenso wie andere Familienmitglieder von dem Alten ein riesiges Vermögen geerbt, und die üble Herkunft eines Teils des Geldes zumindest ließ sich nie verbergen. Als Mick seine Bildersammlung in Zürich ausstellen wollte, gab es eine erregte Debatte in der Zwingli-Stadt, ob man diese Gabe von einem Flick annehmen dürfe. Dutzende Kulturschaffender fertigten einen Aufruf und protestierten gegen Flicks „private Ablasswährung“, die Kunst. In Oxford scheiterte Micks Bruder Gerd-Rudolf („Muck“) am öffentlichen Widerstand, als dieser vergeblich versuchte, einen Lehrstuhl zu initiieren, der den Namen Flick tragen sollte.
Nun dürfen Enkel nicht mit den Sünden der Großväter belegt werden, aber bei den Flicks fällt auf, dass sie sich ihrer Familienvergangenheit nie gestellt haben. Anders als die Krupps, die Quandts oder die Siemens-Sippe haben sie ihre Familienarchive nie geöffnet und sind mit ihrer Geschichte nicht angemessen umgegangen. Während viele andere Privatpersonen Millionensummen in den Fonds für Zwangsarbeiter zahlten, haben sich die Flicks geweigert. Nur unter Druck hat Mick eine eigene Stiftung gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz gegründet.
Dass eine Flick-Collection ausgerechnet in der alten Reichshauptstadt ihren Platz finden soll, ist kurios und gleichzeitig eine Zustandsbeschreibung der Berliner Gesellschaft. Andererseits: Insbesondere der organisierten Linken haben Leute mit wirklich viel Geld immer schon mächtig imponiert. Aber alles ist an seine Zeit gebunden. Vielleicht kann auch ein Flick einen Neuanfang machen. Mick ist 1975 in die Schweiz gezogen und hat in dem Steuerparadies als „private investor“ sein Vermögen vermehrt, das heute auf 500 Millionen Euro geschätzt wird. Grob über den Daumen gerechnet hat der 58-Jährige pro Jahr etwa fünf Millionen Euro an Steuern in Deutschland vermieden. Die Vermögenssteuer nicht berücksichtigt, hat er den deutschen Steuerbehörden etwa 125 Millionen Euro vorenthalten. Das ist etwa der Wert seiner Sammlung.
Einer wie Flick darf im Land der Steueramnestie nicht heimatlos in der Fremde bleiben. „Ich bin Deutscher. Da sind meine Wurzeln. Heimat, Beständigkeit, Halt“ hat Flick neulich gesagt. Da „sind Werte, mit denen ich aufwuchs und die mich heute beschäftigen“. Er soll wiederkommen und dem Fiskus geben, was des Fiskus ist. Bei dieser Gelegenheit könnte er auch noch ein paar andere Kleinigkeiten ordnen. Neben seiner Sammlung sollte ein Dokumentationszentrum eingerichtet werden, das der Familiengeschichte und der Vergangenheit gewidmet ist. Auch sollte es nicht bei der Leihgabe bleiben. Wahre Mäzene (wie das Ehepaar Inge und Peter Ludwig) leihen nicht, sondern schenken. Denn ansonsten darf an der Uneigennützigkeit des Gebers gezweifelt werden. Durch die Präsentation im Museum wird der Wert einer Sammlung gesteigert, was für den Verleiher profitabel ist. Solcher Vorverdacht wäre Flick doch sicherlich unangenehm. Auch stört Außenstehende, dass bei den Verhandlungen in Berlin eine mit Mick Flick verbandelte Firma eine Rolle spielte, die in einer Steueroase residiert. Auch wenn das Stil im Hause Flick ist – es gibt Grenzen des Zumutbaren.
HANS LEYENDECKER
Kunst ist nicht nur Kunst
Alice Ströver kritisiert die Berliner Schwamm-drüber- Mentalität
Alice Ströver, die kulturpolitische Sprecherin der Berliner Grünen, hat mit ihrer Kritik an der Übergabe der Sammlung Flick die Debatte um die Vergangenheit der Flicks nun auch in Berlin entfacht.
SZ: Kultursenator Flierl hat erklärt, die Flick-Collection mache die „historischen Brüche, mit denen Berlin und die ganze deutsche Gesellschaft lebt, zum Gegenstand der öffentlichen Auseinandersetzung.“
Alice Ströver: (lacht) Aber genau dieser Auseinandersetzung ist er bisher strikt aus dem Weg gegangen.
SZ: Sie haben nach der Qualität der Sammlung gefragt. Steht die nicht außer Zweifel?
Ströver: Ich kann die Qualität nicht beurteilen. Ich gehe davon aus, dass es sich um eine hochrangige Sammlung handelt. Meine Frage: Wie passt sie in den Berliner Kontext? Bürdet man Herrn Schuster (Generaldirektor der Staatlichen Museen), der schon jetzt seine Aufgaben nicht bewältigt, nicht noch mehr Lasten auf? Die Museen in Dahlem und am Kulturforum sind sich selbst überlassen. In der Neuen Nationalgalerie erleben wir nichts mehr an innovativen Ausstellungen. Was will man mit einer weiteren Ausstellung?
SZ: Um welche Lasten geht es?
Ströver: Flick stellt die Sammlung zur Verfügung und restauriert die Halle. Miete, Betriebs- und Personalkosten müssen wir selbst aufbringen.
SZ: Warum ist Berlin als Ort für diese Sammlung so problematisch?
Ströver: Dass Herr Flick einen repräsentativen Ort sucht, ist legitim. Doch die Hauptstadt der NS-Verbrechen hat eine besondere historische Verantwortung. Man nimmt in Kauf, dass ein Unrechtsname rehabilitiert wird. Ich habe nie gesagt: Niemals die Flick-Sammlung in Berlin – aber man kann die Geschichte nicht leugnen.
SZ: Hat sich das Verhältnis von Kunst und Moral nicht gewandelt?
Ströver: Ich finde diese Frage legitim. Ich würde auch nicht sagen: Diese Kunst ist schmutzig. Aber diese Sammlung ist mit einem Erbe erworben worden, das zu einem substanziellen Teil durch den Profit aus illegaler Zwangsarbeit entstanden ist, vor allem der von jüdischen Frauen bei Dynamit Nobel. Man kann nicht, wie Christoph Stölzl, einfach sagen: Kunst ist Kunst. Dass diese Fragen in Zürich, aber nicht in Berlin diskutiert werden, zeigt, wie stark die Schwamm-drüber-Mentalität hier schon verbreitet ist.
SZ: „Mick“ Flick hat ja eine Stiftung für Zivilcourage gegründet.
Ströver: Das finde ich ausgesprochen redlich. Mein Problem ist nicht Herr Flick. Was soll der arme Mensch machen? Nachkommen von Verbrechern haben nun mal ein Problem. Aber er hat die Stiftung natürlich erst auf öffentlichen Druck hin gegründet.
SZ: Warum gibt sich gerade ein Mitglied der PDS so locker im Umgang mit der Geschichte?
Ströver: Flierl steht unter dem Druck des Senats und des Bürgermeisters, der sich im Glanze von Flick und seiner Sammlung sonnen will. Dass sich Flierl der Debatte bisher feige entzogen hat, zeigt, dass er gegen seine innere Überzeugung argumentiert.
Interview: Jörg Häntzschel
Flick bleibt unter Beschuss
Wie weiter, Herr Flick?
http://www.woz.ch/artikel/inhalt/2001/nr25/Kultur/10492.html
Von Stephan Ramming
MitarbeiterInnen entlassen, Ausstellung abgesagt, Baupläne redimensioniert: Flicks Museumspläne geraten in Schräglage. Jetzt machen Persönlichkeiten aus Kultur und Kunst zusätzlich Druck.
Still ist es geworden in den letzten Wochen um Friedrich Christian Flick und dessen Museumspläne an der Zürcher Hardturmstrasse. Das soll sich ändern: Ein von bekannten Persönlichkeiten aus dem öffentlichen und kulturellen Leben unterschriebener Appell richtet sich an «( ...) Erben jener Vermögen ( ... ), die zu einem relevanten Anteil auf Firmen zurückzuführen sind, welche eingebunden waren in die völkerrechtswidrige Verschleppung und den menschenverachtenden Einsatz hunderttausender Frauen, Männer und Kinder als Zwangsarbeiter unter dem nationalsozialistischen Regime». Mit «Erben» meint der Appell nicht nur, aber vor allem und als einzigen namentlich erwähnt Friedrich Christian Flick. Denn weiter führen die unterzeichnenden AppellandInnen aus: «Nicht tolerierbar erscheint es uns, wenn etwa ein namhafter Erbe wie Herr Friedrich Christian Flick zumindest den Eindruck erweckt, sich unter anderem durch den Bau eines Ausstellungsgebäudes für seine private Kunstsammlung einer Unterstützung der Initiative und ihres Fonds entziehen zu wollen.»
Initiiert wurde der Aufruf durch Armin Huttenlocher von der Kommunikationsagentur Burson Marsteller in Berlin. Im Zuge der Initiative der deutschen Wirtschaft «Erinnern, Verantwortung, Zukunft» habe die Agentur Firmen oder auch Privatpersonen bei der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit beraten, um Klarheit darüber zu gewinnen, ob und wie in den Fonds eingezahlt werden soll. Wiederholt wurde dabei Unverständnis über jene Unternehmen und Personen aus der Erbengeneration geäussert, die nicht der Initiative beitreten wollen. Friedrich Christian Flick stehe geradezu symbolisch für diese Gruppe. Flicks Ignoranz gegenüber dem im Grundsatz politisch und gesellschaftlich breitestmöglich abgestützten Fonds habe in derart krassem Missverhältnis zum ehrlichen Bemühen vieler MandantInnen gestanden, dass man beschloss, aus einem persönlichen Anliegen heraus einen Appell auf die Beine zu stellen.
Keine Bereitschaft zum Dialog
Er wendet sich unter anderem gegen Flicks Taktik, auf Zeit zu spielen; seine Vorhaben also aus dem Schussfeld der öffentlichen Kritik zu nehmen, um im Stillen an seinem Traum von einem Flick-Museum zu werkeln. Somit ruft der Appell die zwar nicht neuen, aber nach wie vor offenen Punkte in Erinnerung: Flick zeigte bis heute in keiner Weise die Bereitschaft, sich mit der Geschichte seines Familiennamens und so auch mit der Herkunft des Grundstockes für sein immenses Vermögen auseinander zu setzen. Eine Kunstsammlung oder ein Museum mit dem Namen Flick bleibt somit im Ruch von Blutgeld, Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen oder Parteispendenskandal. Dass KünstlerInnen und öffentliche Personen, die mit ihrer Arbeit im und für gesellschaftlichen Dialog stehen, sich dagegen verwahren, wenn Flick als Kunstliebhaber über die Frage der historischen Belastung seines Namens hinweggeht, ist einleuchtend. Diesen Dialog, wie ihn der Konsens mit der Initiative der deutschen Wirtschaft als gesamtgesellschaftlichen Umgang mit der Vergangenheit vorschlägt, verweigert Flick beharrlich. Der erste, symbolische Schritt, diesen Dialog aufzunehmen, bestünde weiter darin, das zu tun, was ihm sogar Josef Estermann nicht als Zürcher SP-Stadtpräsident, aber immerhin als einfacher Privatmann geraten hätte: in den Fonds der deutschen Wirtschaft einzuzahlen.
Das ist nicht geschehen. Günter Gibowski, Sprecher der deutschen Stiftungsinitiative zur Entschädigung von Zwangsarbeitern, sagte auf Anfrage, dass sich Flick bis heute zur im März dieses Jahres abgeschickten schriftlichen Einladung zur Einzahlung in den Fonds überhaupt nicht geäussert habe. «Ich gehe nach wie vor davon aus, dass Flick Briefe wie auch Zeitungen lesen kann. Die Einladung bleibt von unserer Seite selbstverständlich bestehen», so Gibowski. Ebenso wenig wie Christian Friedrich haben sein Bruder Muck oder der Onkel Karl Friedrich Flick, der mit geschätzten 13 Milliarden Mark den grössten Teil aus dem Erbe des Grossvaters verwaltet, beim Fonds von sich hören lassen, obwohl es im Flick-Clan eine Fraktion geben soll, die mittlerweile für eine Einzahlung plädiert.
Standortfrage XY ungelöst
Friedrich Christian Flick hält offenbar an seinem Plan fest, eine eigene, mit einem Kapital von 10 Millionen Mark alimentierte «Stiftung gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz» zu gründen, die vor allem in den neuen Bundesländern tätig werden soll. Diese private Stiftung gibt sich «zukunftsgerichtet» und deckt sich damit mit der Initiative der deutschen Wirtschaft. Im Gegensatz zu ihr blendet Flick allerdings Fragen der Vergangenheit aus. Jörg Neef von der Zürcher Kommunikations- und Wirtschaftsberatungsagentur Hirzel, Neef, Schmid, seit März Flicks Berater in Sachen Öffentlichkeit, sagte gegenüber der WoZ denn auch, dass ihm weder bezüglich valabler Stiftungsräte, Standort noch hinsichtlich der konkreten inhaltlichen Ausrichtung der Stiftung Näheres bekannt sei. Flick sei in den letzten Wochen «viel gereist», derzeit «vielleicht in Andalusien», momentan aber «nicht zu erreichen». Neef hat derzeit auch keine Informationen zum Stand der Planungsarbeiten des holländischen Stararchitekten Rem Kolhaas für das Museum. Jedenfalls will sich Flick, wie Medienberichten zu entnehmen war, nicht mehr wie ursprünglich geplant ein grosses, öffentliches Museum für zeitgenössische Kunst bauen lassen, sondern nur mehr eine kleine Kunsthalle für ein exklusives Publikum nach dem Vorbild der «Hallen für neue Kunst» in Schaffhausen.
Selbst die Frage, wo Flick seine Kollektion präsentieren wird, bleibt grundsätzlich offen. Schon bevor sich Flick auf den Standort Zürich in unmittelbarer Nähe seines Hauptlieferanten Hauser & Wirth kaprizierte, sondierte er erfolglos an höheren Stellen. Flick erwähnte Kontakte auf Regierungsebene in Sachsen sowie ein Gespräch mit dem ehemaligen für Kulturfragen zuständigen Staatsminister und jetzigen Mitherausgeber der Hamburger Wochenzeitung «Die Zeit», Michael Naumann. Naumann schrieb auf Anfrage zu Flicks Behauptung: «Ich habe Herrn Flick nicht getroffen; vielmehr hat es - nach Auskunft meiner Büroleitung - ein Telefonat mit Herrn F. gegeben; an den Inhalt dieses Gesprächs kann ich mich nicht erinnern. Wahrscheinlich hat Herr F. mich eingeladen, seine Sammlung zu besichtigen - was aber nicht geschah.»
Flick hat aber direkt mit Naumanns ehemaligem Chef verhandelt: mit Bundeskanzler Gerhard Schröder. Das deutsche Bundespresseamt bestätigte das Gespräch und schreibt zu dessen Inhalt: «Anlass für das Gespräch des Bundeskanzlers mit Herrn Flick war die Idee, die Kunstsammlung eventuell im deutschen Expo-Pavillon zu präsentieren im Rahmen einer geeigneten Nachnutzung des Gebäudes. Es hat nach unserem Kenntnisstand darüber hinaus keine weiteren Gespräche zwischen Herrn Flick und der Bundesregierung gegeben. Die Idee wurde nicht weiterentwickelt.»
Merkwürdig dabei ist, dass sich Naumann nicht erinnern kann, Flick umgekehrt aber auch nie das jetzt offiziell bestätigte und öffentlich noch viel wirksamere Gespräch mit dem Kanzler ins Feld führte. Dass Schröder im Gespräch mit dem Neffen des wichtigsten Rüstungslieferanten Adolf Hitlers offenbar die Frage einer allfälligen Einzahlung in den Fonds nicht angesprochen hat, ist zumindest politisch eine pikante Fussnote: Immerhin ist der Bundeskanzler derjenige, der den Fonds politisch auf den Weg bringen und nach langen Auseinandersetzungen jetzt an vorderster Stelle zur Rechtssicherheit der Zahlenden beitragen soll.
Reise nach Nirgendwo?
Was Flick mit seiner Liegenschaft und mit seiner Sammlung in Zürich zu tun gedenkt, ist also mehr als fraglich. Offensichtlich scheint er sich und seine Sammlung organisatorisch neu zu sortieren. Mit der Entlassung von Eva Meyer-Hermann, Dörte Zbikowski und Peter Schüller wurde die hauseigene KuratorInnen-Truppe verkleinert. Grund dafür sei die für nächstes Jahr geplante, unter dem öffentlichen Druck aber abgesagte Ausstellung in München gewesen. Im Weiteren habe es Meinungsverschiedenheiten über die Frage gegeben, ob die Sammlung - wie von der abgesetzten Direktorin und ehemaligen Hauser-&-Wirth-Angestellten Eva Meyer Hermann vor einem halben Jahr behauptet wurde - in eine Stiftung eingehen soll. Flick will, wie er in einem Interview unmissverständlich zum Ausdruck brachte, keine Stiftung, weil damit ein Teil seiner alleinigen Verfügungsgewalt über die 2500 Kunstwerke verloren ginge. «Ich habe gesagt, dass ich in Zürich weitermachen möchte. Aber es gibt eine gewisse Schmerzgrenze, und wenn die erreicht ist, dann überlege ich mir Alternativen», sagte Flick. An gleicher Stelle nannte er auch die Namen dieser Alternativen: Dresden, Venedig, Monte Carlo.
WOZ 25/01
Die Flick-Sammlung komt nach Berlin
In Berlin verliert die Moral
http://www.woz.ch/artikel/inhalt/2003/nr03/Kultur/10495.html
Von Hans Leyendecker
Das rot-rote Bündnis zwischen PDS und SPD begrüsst die Flick-Collection in Berlin. Warum Kunst die Flick-Vergangenheit nicht verdrängen kann.
Menschen sind käuflich, Kunst ist käuflich, und im bettelarmen Berlin waren zu allen Zeiten so genannte Realpolitiker schon für kleine Erkenntlichkeiten zu haben. Da heisst es zugreifen, ehe es zu spät ist, einsteigen, bevor der Zug abgefahren ist. Mit melancholischen Idealisten ist kein Staat zu machen.
Deshalb ist es nur konsequent, dass in der rot-rot regierten Stadt der Steueremigrant Friedrich Christian Flick («Mick») nach langer vergeblicher Suche quer durch Europa endlich ein Domizil für seine Sammlung zeitgenössischer Kunst gefunden hat. Was von den Lokalgrössen in wohlgesetzten und bedeutsam klingenden Worten als grosser Schritt auf dem Weg zu einer Kulturmetropole gefeiert wird, entpuppt sich, von den schmückenden Beiworten gereinigt, als Abweg und Heuchelei.
Ein reicher Mann bekommt ein Denkmal gesetzt und darf den Familiennamen reinigen. «Besser als nix», hat der Komiker Karl Valentin mal gesagt, als er gefragt wurde, warum er ein Brillengestell ohne Gläser auf der Nase trage. Nix ist zu wenig für eine Stadt. Ein Politiker der PDS verteidigt das Unternehmen mit dem Verweis, es handele sich um einen Anstoss zur Diskussion über deutsche Vergangenheit. Braucht Berlin noch eine Leni-Riefenstahl-Sammlung?
Er sei davon «überzeugt», hat Mick vor Jahren seinem Onkel Friedrich Karl Flick (auch ein bekennender Steuerflüchtling) geschrieben, dass mit einer solchen «kulturellen Leistung der Name Flick auf eine neue und dauerhaft positive Ebene gestellt» werde. Strassburg, Dresden, Zürich wurden als Ausstellungsorte genannt. Daraus wurde nichts. Denn der Name Flick (daran muss ein paar Tage vor dem 70. Jahrestag der Machtergreifung durch die Nazis erinnert werden) steht für Geld, das nach Blut und Schweiss riecht. Micks Grossvater Friedrich Flick sen. war Hitlers wichtigster Rüstungslieferant und hat Tausendschaften von Sklavenarbeitern in seinen Fabriken zu Tode schuften lassen. Dem Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, war er mit Barem behilflich.
Geschlossene Familienarchive
Mick Flick hat ebenso wie andere Familienmitglieder von dem Alten ein riesiges Vermögen geerbt, und die üble Herkunft eines Teils des Geldes zumindest liess sich nie verbergen. Als Mick seine Bildersammlung in Zürich ausstellen wollte, gab es eine Debatte in der Zwingli-Stadt. Dutzende Kulturschaffender verfassten einen Aufruf und protestierten gegen Flicks «private Ablasswährung», die Kunst. In Oxford scheiterte Micks Bruder Gerd-Rudolf («Muck») am öffentlichen Widerstand, als er vergeblich versuchte, einen Lehrstuhl zu initiieren, der den Namen Flick tragen sollte. Geld stinkt nicht. Manchmal stinkt der Name.
Nun dürfen Enkel nicht für die Sünden der Grossväter zur Rechenschaft gezogen werden, aber bei den Flicks fällt auf, dass sie sich ihrer Familienvergangenheit nie gestellt haben. Anders als die Krupps, die Quandts oder die Siemens-Sippe haben sie ihre Familienarchive nie geöffnet und sind mit ihrer Geschichte, einer sehr deutschen Geschichte, nicht angemessen umgegangen. Während viele andere Privatpersonen Millionensummen in den Fonds für Zwangsarbeiter zahlten, haben sich die Flicks geweigert. Nur unter Druck hat Mick eine eigene Stiftung gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz gegründet, was eher ein Schachzug im Krieg um die Flick-Collection war. Der Enkel hat die Sturheit und Raffinesse seines Grossvaters geerbt.
Dass eine Flick-Collection nun ausgerechnet in der alten Reichshauptstadt ihren Platz finden soll, ist kurios und gleichzeitig eine Zustandsbeschreibung der Berliner Gesellschaft. Bei den Diskussionen in Zürich im Jahr 2001 war sich Christoph Marthaler noch sicher, dass die Kunst-Kollektion «in Deutschland wegen der Familiengeschichte der Sammler abgelehnt» würde. Aber im Souterrain des real existierenden Parlamentarismus in Deutschland ist die doppelte Moral der Normalzustand. Insbesondere der organisierten Linken haben Leute mit wirklich viel Geld immer schon mächtig imponiert. Moral ist auch nur ein Wort, und die Umgehung von Moral und Regeln zum eigenen Vorteil gilt mittlerweile als pfiffig.
Steuerflucht: 125 Millionen Euro
Die gelernte Pastorin Antje Vollmer, eine grüne Politikerin, erklärt allen Ernstes, man bekomme heutzutage «keine Stifter, wenn sie erst durch unsere protestantischen Bussrituale müssen». «Kunstpolitisch war Frau Vollmer immer auf einem Irrweg», sagt der Heidelberger Künstler Klaus Staeck, der auch 2001 den Zürcher Aufruf unterschrieben hat. Staeck, der sein Geld mit Kunsthandel verdient, war nie käuflich, und deshalb steht er bei manchen Leuten im Ruch, etwas verschroben zu sein. Als eine Art Personenschützerin des Herrn Mick fungiert seit einer Weile Monika Griefahn, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien (SPD), aber auf Leibwächter schiesst man nicht, und zudem hatte die Aktivistin mal vor einer Weile einen Ruf zu verlieren.
Alles ist an seine Zeit gebunden. Vielleicht kann auch ein Flick einen Neuanfang machen. Mick ist 1975 in die Schweiz gezogen und hat in dem Steuerparadies als «private investor» sein Vermögen vermehrt, das heute auf 500 Millionen Euro geschätzt wird. Grob über den Daumen gepeilt hat der 58-Jährige pro Jahr etwa fünf Millionen Euro an Steuern in Deutschland vermieden. Die Vermögenssteuer nicht berücksichtigt, hat er den deutschen Steuerbehörden etwa 125 Millionen Euro vorenthalten. Das ist etwa der Wert seiner Sammlung. Einer wie Flick darf im Land der Steueramnestie nicht heimatlos in der Fremde bleiben. «Ich bin Deutscher. Da sind meine Wurzeln. Heimat, Beständigkeit, Halt», hat Flick neulich gesagt. Da «sind Werte, mit denen ich aufwuchs und die mich heute beschäftigen». Die Schweiz sei nur seine «zweite Heimat». Flick soll in Deutschland dem Fiskus endlich geben, was des Fiskus ist.
Bei dieser Gelegenheit könnte er auch noch ein paar andere Kleinigkeiten ordnen. Neben seiner Sammlung sollte ein Dokumentationszentrum eingerichtet werden, das der Familiengeschichte und der Vergangenheit gewidmet ist. Auch sollte es nicht bei der Leihgabe bleiben. Wahre Mäzene (wie das Ehepaar Inge und Peter Ludwig) leihen nicht, sondern schenken. Denn ansonsten darf an der Uneigennützigkeit des Gebers gezweifelt werden. Durch die Präsentation im Museum wird der Wert einer Sammlung gesteigert, was für den Verleiher profitabel ist. Solcher Vorverdacht wäre Flick doch sicherlich unangenehm. Auch stört Aussenstehende, dass bei den Verhandlungen in Berlin eine mit Mick Flick verbandelte Firma eine Rolle spielte, die in einer Steueroase residiert.
Auch wenn das Stil im Hause Flick ist - es gibt Grenzen des Zumutbaren.
WOZ vom 16.01.2003
150.000 Besucher bei Flick in Berlin
Die neu eröffnete Friedrich Christian Flick Collection im Hamburger Bahnhof begeistert das Publikum. Am Dienstag konnte bereits der 150.000ste Besucher in der umstrittenen Sammlung gezählt werden. Seit dem 21. September präsentiert das Museum der Gegenwart bei den Staatlichen Museen zu Berlin 400 Kunstwerke von rund 40 zeitgenössischen Künstlern aus der Kollektion des Industriellenerben, dem vorgeworfen wird, aus dem Vermögen des ehemaligen NS-Rüstungskonzerns Flick die Arbeiten gekauft zu haben.
Insgesamt steuert Berlin auf einen Besucherrekord in seinen Museen und Gedenkstätten zu. Dank der Ausstellung „Das MoMA in Berlin“, die allein über 1,2 Millionen Menschen in die Neue Nationalgalerie gelockt hat, wird die Besucherzahl in den 153 Berliner Museen und Sammlungen über 10 Millionen liegen. Das gab diese Woche Kultursenator Thomas Flierl bekannt und fügte stolz hinzu: „Damit hätte Berlin erstmals die gleiche Zahl von Museumsbesuchen wie das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen.“ Schon für das vergangene Jahr meldeten 128 Kultureinrichtungen Berlins eine Besucherzahl von über 9,3 Millionen und damit eine Steigerung von 7,5 Prozent gegenüber dem Jahr 2002.
09.12.2004
Quelle: Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching
Hier liest der Markt über Kunst.
http://kunsthandel-draheim.kunstmarkt.com/pagesmag/kunst/_id72019-/news_detail.html?_q=%20150.000+Besucher+bei+Flick+in+Berlin
Kein Geld in der Zwangsarbeiter-Stiftung
Viele Flicks
http://www.woz.ch/artikel/inhalt/2001/nr11/Kultur/10487.html
Von Michael Stötzel
Vor der New Yorker Richterin Shirley Kram hat selbst ein Lautsprecher wie Ed Fagan Respekt. «Man kann sie nicht leicht einschüchtern», charakterisierte der berüchtigte Anwalt die 78-Jährige: Am Mittwoch letzter Woche machte sie ihrem Ruf alle Ehre und wandte sich gegen die Vereinbarung zur Entschädigung von ZwangsarbeiterInnen des Dritten Reichs, um die Vertreter der Regierungen in Washington und Bonn, der osteuropäischen Staaten und Israels sowie ganze Heerscharen von Anwälten achtzehn Monate gerungen hatten. Eine Stiftung «Erinnerung, Verantwortung und Zukunft» sollte 55 Jahre nach dem Zusammenbruch Hitlerdeutschlands endlich für eine gewisse materielle Entschädigung der vor allem aus Osteuropa ins Reich verschleppten ZwangsarbeiterInnen sorgen. Zehn Milliarden Mark wollten Bundesrepublik und deutsche Wirtschaft anteilig für die Stiftung aufbringen, zwischen 700 000 und 1,5 Millionen noch lebende ehemalige Sklaven sollten davon im besten Fall 15 000 Mark erhalten. Im Gegenzug sollten deutsche Unternehmen vor Sammelklagen der Naziopfer sicher sein. Wenn, nur wenn diese Rechtssicherheit gewährleistet sei, erklärte die von deutschen Wirtschaftsvertretern geführte Stiftung, werde sie das Geld auszahlen.
Der Haken dabei: Die Stiftung winkt mit Geld, das sie nicht hat. Von den von «der Wirtschaft» aufzubringenden fünf Milliarden Mark fehlen noch 1,4 Milliarden, im letzten halben Jahr kamen lediglich 400 Millionen Mark dazu. Nicht nur die Familie Flick weigert sich, «ein sichtbares Zeichen der Anerkennung unserer historischen Verantwortung» (Daimler-Chrysler-Finanzvor-stand Manfred Gentz) zu setzen.
Inzwischen sterben die Anspruchsberechtigten, allein in Polen täglich dreissig. Die Dringlichkeit der Auszahlungen und andererseits der kaltschnäuzige Geiz der deutschen Unternehmen wa-ren für Richterin Kram entscheidend, als sie im Gegensatz zu Kollegen in vergleichbaren Fällen eine Sammelklage gegen deutsche Banken in den USA nicht einfach abwies.
In Berlin hofft man nunmehr, den «eigenwilligen Entscheid» (Wolfgang Gibowski, der Sprecher der Stiftung) in einer «Blitzrevision» (emergency appeal) wieder vom Tisch zu bekommen. Ohne Sicherheit vor weiteren Klagen gebe es jedenfalls kein Geld. Damit scheinen die unvereinbaren Positionen abgesteckt: Ohne Geld keine Sicherheit vor Klagen, heisst es aus New York, ohne Rechtssicherheit kein Geld, kontert die deutsche Wirtschaft.
Eine politische Intervention von höchster Stelle - noch im Laufe dieses Monats reist Bundeskanzler Gerhard Schröder nach Washington - soll das Dilemma jetzt lösen. Im Erfolgsfall wird die Angelegenheit für die deutschen Unternehmer allerdings erst richtig eklig. Denn dann müssen sie die vereinbarten fünf Milliarden vorweisen können, und dass die Stiftung den Betrag noch zusammenbekommt, bezweifeln mittlerweile selbst die zum Betteln angestellten Manfred Gentz von Daimler-Chrysler und Wilfried Feldenkirchen von Siemens.
WOZ 11/01

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