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Das Hamburger Studienprogramm Gender und Queer Studies: Geschlechterforschung und Gleichstellungsstrategie

Das Hamburger Studienprogramm Gender und Queer Studies:
Geschlechterforschung und Gleichstellungsstrategie


Als Dagmar Filter, Leiterin der Hamburger Koordinationsstelle Frauenstudien/Frauenforschung, gemeinsam mit der Frauenforscherin Heike Kahlert im Jahr 1999 der damaligen Hamburger Wissenschaftssenatorin Krista Sager das Konzept eines Master-Studiengangs zur Frauen- und Geschlechterforschung vorlegte, ahnte wohl keine der Beteiligten, welche Dimensionen die Sache einmal annehmen sollte. Anfang 2003 können Studierende an Hamburgs Hochschulen in gleich zwei hochschulübergreifenden Studiengängen Gender und Queer Studies betreiben. Damit nicht genug: Konzeption und Realisierung des gesamten Gender-Studienprogramms werden unter anderen von so genannten Gender-Professorinnen geleistet. Hamburg verknüpft somit ein ambitioniertes Programm zur Geschlechterforschung mit konkreten Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter im Hochschulbereich – eine in der Bundesrepublik sicher einzigartige Strategie.


Wie es dazu kam

Ende der 1990er besteht Frauenförderung nach dem Hochschulsonderprogramm (HSP) III in Hamburg vorrangig in stipendienfinanzierten Qualifizierungsstellen. Zugleich wird das Lehrangebot in der Frauenforschung an Hamburgs Hochschulen immer anspruchsvoller. Das Konzept eines hochschulübergreifenden Master-Studiengangs zur Frauen- und Geschlechterforschung an Hamburgs Hochschulen liegt kaum auf dem Tisch, da entwerfen Krista Sager und ihre Staatsrätin Marlis Dürkop einen kühnen Plan: Die beiden Politikerinnen wollen für die Zukunft Maßnahmen auflegen, die hochqualifizierten Wissenschaftlerinnen den direkten Weg ins Zentrum akademischer Macht eröffnen, - per C 3-Professur mitten hinein in die Spitzen der Fachbereiche von Universitäten, Technischer Universität, Künstlerischen und Fach-Hochschulen und insbesondere dorthin, wo Frauen in Lehre und Forschung nach wie vor kaum anzutreffen sind: in die natur-, technik- und ingenieurwissenschaftlichen Bereiche.
Sager und Dürkop möchten jedoch vermeiden, dass die zukünftigen C 3-Professorinnen als reine „Quoten-Frauen“ angesehen werden. Die Lösung: Die Wissenschaftlerinnen sollen neben disziplinärem Wissen eine spezifische Kompetenz in Lehre und Forschung einbringen, nämlich theoretische wie praktische Gender-Kompetenz. Ausgestattet damit und unterstützt von jenen Frauen, die an Hamburgs Hochschulen seit mehr als anderthalb Jahrzehnten Frauen- und Geschlechterforschung betreiben, wird es ihre Aufgabe sein, die Idee eines Studiengangs zur Frauen- und Geschlechterforschung in die Tat umzusetzen.
Wir schreiben das Jahr 2000. Die Landeshochschulkonferenz setzt einen Gründungsbeirat für den Studiengang Gender Studies ein. Die Idee eines hochschulübergreifenden Studiengangs erweist sich allerdings schnell als kaum realisierbar. Sowohl die Bildungs- und Berufsinteressen des AdressatInnenkreises wie auch die institutionellen Voraussetzungen der beteiligten Hochschulen sind allzu unterschiedlich.
Inzwischen, im April 2003, verfügt Hamburg über ein umfangreiches Studienprogramm, das den Interessen verschiedener Gruppen von Studierenden und den Gegebenheiten der jeweiligen Hochschulen entspricht: Das Nebenfach „Gender Studies“, von vielen sehnlich erwartet, nimmt zum Sommersemester 2003 offiziell den Studienbetrieb auf; der Master „Gender und Arbeit“ hat einen ersten Durchlauf mit über 20 Studierenden bald schon wieder hinter sich. Beide Studiengänge, formal an je einer der Hamburger Hochschulen angebunden, sind Bestandteile des Studienprogramms „Gender und Queer Studies“, damit interdisziplinär und hochschulübergreifend konzipiert und unter Beteiligung von etwa 70 Lehrenden aus nahezu allen Hamburger Hochschulen realisiert, darunter derzeit fünf Gender-Professorinnen.


Das Hamburger Studienprogramm Gender und Queer Studies

Der Lehrangebotspool

Zentrales Merkmal des Studienprogramms ist die hochschulübergreifende Nutzung des vorhandenen Gender-Lehrangebots. Seit der Einführung eines Lehrangebotspools, der sich aus Lehrveranstaltungen der beteiligten Hochschulen speist, können Studierende systematisch einschlägige Seminare und Vorlesungen an verschiedenen Hochschulen besuchen. Die Einrichtung eines solchen Pools hatte auch pragmatische Gründe: Der Auftrag zur Entwicklung eines Studiengangs sah über die Gender-Professuren hinaus praktisch keine Ressourcen zur Durchführung eigenständiger Lehrveranstaltungen vor. Nur folgerichtig also, auf das vorhandene Lehrangebot zurückzugreifen! Der Pool illustriert in beeindruckender Weise das Gender-Lehrangebot in nahezu allen Hochschulen. Mehr noch: Die Einbindung vieler Lehrender - die es in ihren Veranstaltungen mit einem hochmotivierten Studierenden-Kreis zu tun haben und so über die Fachbereiche hinaus breite fachliche Anerkennung erfahren - hat einen enormen Synergieeffekt. Schließlich stellt der Zugang zum Lehrangebot anderer Hochschulen insbesondere für Studierende der sogenannten kleineren Hochschulen eine große Bereicherung dar.

Die Studiengänge

Der an der Universität Hamburg angesiedelte grundständige Teilstudiengang Gender Studies ist interdisziplinär und interhochschulisch konzipiert; das Studium ist im Rahmen eines Magister-Studiengangs ebenso möglich wie als Neben-, Wahl- oder Zusatzfach in einer Reihe von Diplom-Studiengängen – auch dies ein Novum in der Bundesrepublik. An der Konzeption des Studiengangs war auch die studentische Queer-AG beteiligt. Ihr verdankt die
Universität maßgeblich, dass es in Hamburg möglich ist, neben Gender auch Queer Studies zu betreiben – mit einer eigenen Professur! Queer Studies fragen nach der „Normalität“ der Zweigeschlechtlichkeit oder den sozio-kulturellen Ursachen so genannter Heteronormativität; sie thematisieren, wie sexuelle Minderheiten, besonders Schwule, Lesben oder Transsexuelle/Transgender, aber auch Mehrheiten mit Normalitätserwartungen umgehen.

Das Curriculum des Teilstudiengangs definiert drei Schwerpunkte (Grundlagenfächer):

4 Feministische Theorienbildung, Gender und Queer Studies
5 Geschichte ausgewählter sozialer Bewegungen unter besonderer
Berücksichtigung der Geschlechter- und Sexualitäten-Bewegung
6 Technoscience

Der an der HWP – Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik angesiedelte Master-Studiengang „Gender und Arbeit“ ist ein dreisemestriger Aufbaustudiengang; er sieht zwei Studien- und ein Abschlusssemester vor. Leistungsprüfungen finden studienbegleitend statt. Nach erfolgreichem Studium wird der M.A. (Master of Arts) verliehen. Der postgraduale Studiengang legt den inhaltlichen Schwerpunkt auf die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Zusammenhang von - gesellschaftlich organisierter - Arbeit und Geschlecht. Das Curriculum sieht im Kernangebot vier Module vor:

7 Geschlecht als soziale Konstruktion
8 Geschlecht und Macht im Wohlfahrtsstaat
9 Geschlecht in betrieblichen Organisationen
10 Geschlecht und Care.

Im zweiten Studiensemester ist die Teilnahme an der Lernwerkstatt obligatorisch. Im verbindlichen Zusatzangebot können Studierende aus folgenden Schwerpunkten wählen: Genderforschung – Theorien und Methoden; Geschlechterverhältnisse – Männlichkeiten; Human Resource Management; Europastudien. Besonderheiten des Studiengangs sind u.a. die intensive Betreuung der Studierenden durch MentorInnen sowie die systematische Selbstevaluation des Programms unter Mitwirkung der Studierenden.
Die Gender-Professuren
Das von der Wissenschaftsbehörde gemeinsam mit den acht beteiligten Hochschulen entwickelte Konzept für Gender-Professuren und Studiengang sah die Anbindung von 10 C 3-Professuren an sechs Hochschulen vor. Die disziplinäre Palette reichte von Arbeitswissenschaft (TU Hamburg-Harburg) über Betriebswirtschaftslehre (HWP), freie Kunst (Hochschule für bildende Künste), Informatik (Uni Hamburg), Medienwissenschaft (Uni Hamburg), Mathematik (Uni Hamburg; TU Hamburg-Harburg), Medientechnik (HAW) und Musikwissenschaft (Hochschule für Musik und Theater) bis zu Soziologie und Queer Studies (Uni Hamburg). Aus einer Reihe von Gründen, insbesondere infolge der langwierigen Abstimmungsprozesse und Berufungsverfahren innerhalb der Hochschulen, sind noch nicht alle Professuren besetzt. Aber: Fünf Professorinnen sind bereits berufen, zwei Vertretungsprofessorinnen wirken mit einem spannenden Lehrangebot im Studienprogramm mit.

Zukunftsmusik

In den nächsten Semestern geht es unter der intensiven Mitwirkung der Gender-Professorinnen mit der Feinarbeit am Studienprogramm weiter: Die Profilbildung mancher Programmteile und Grundlagenfächer ist noch lange nicht abgeschlossen, das Master-Programm hat den Gang durch das Akkreditierungsverfahren vor sich. Weitere maßgeschneiderte Studienangebote stehen zur Konzipierung und Umsetzung an. Das Gesamtkonzept erfordert dabei sowohl hochschulübergreifend als auch intern eine Gremienstruktur, die einen effizienten Ressourcen-Einsatz ermöglicht. Noch viel Arbeit also für alle Beteiligten. Ganz wichtig wird schließlich die Besetzung der letzten noch offenen Professuren sein. Hieran arbeiten Hochschulen, Gender-Beirat und Wissenschaftsbehörde mit Hochdruck.

Alles in allem - ein gelingendes Konzept

Das Hamburger Studienprogramm Gender und Queer Studies verknüpft grundständige und postgraduale Lehre in einer systematischen hochschulübergreifenden Kooperation. Es verbindet das vielfältige Gender-Lehrangebot von Universitäten, Fachhochschulen und künstlerischen Hochschulen zu einem aufregenden Ganzen. Lehrende wie Studierende profitieren von dieser Öffnung, sind hochmotiviert und engagiert. Das erleben nicht zuletzt die Gender-Professorinnen: Die Einbindung in einen spannenden interdisziplinären Arbeitszusammenhang eröffnet ihnen wie allen anderen Beteiligten neue Perspektiven über den akademischen Tellerrand ihrer Hochschulen, lässt sie neue Möglichkeiten in Lehre und Forschung entdecken. Das Hamburger Studienprogramm Gender und Queer Studies ist in dieser Sicht ein gelingendes Beispiel zeitgemäßer Hochschulentwicklung und Geschlechterpolitik.

Martina Spirgatis


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