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Mitschnitt vom 11.12.10

Autor: Mitschnitt und Fotos Antje Eske

11.12.2010. Konversation 10 im ZKM: Social Web vor dem Social Web. Kunstgeschichte.

Beteiligte: Kurd Alsleben, Dietlind Alsleben-Quiblier, Zorah Mari Bauer, Antje Eske, Michael Kania, Stefanie Körner, Sabine Kullenberg, Matthias Lehnhardt, Karen Scholz, Bernhard Taureck, Arno Quiblier

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Heute sind Dietlind und Arno 4.u.5.von links dabei und Kurd vorne rechts beginnt mit dem, was Arno ihm erzählt hatte.
In den Anfängen habe es einen wirtschaftlichen Kampf zwischen analogen und digitalen Computern gegeben, wobei die analogen Computer damals einen hohen Bedarf an Justierern hatten. Arno: ich komme ja von der technischen Seite, hatte einen technischen Beruf. In der Produktion war die analoge Technik mit viel Lohnkosten verbunden und bei der digitalen Technologie ist es gelungen, diese Lohnkosten zu minimieren. Die Chips werden heute vollautomatisch hergestellt. Durch die Umstellung von analog auf digital sind ganze Säle leer geworden und ich habe Kurd auch gesagt, dass die analogen Rechner eigentlich anspruchsvoller waren. Nicht nur von der Arbeit her, sondern auch wissenschaftlich. Zu jener Zeit, als die Umstellung kam, hatten die Analogrechner einen höheren wissenschaftlichen Stand. Also sie konnten besser rechnen, ihre Aufgaben tüchtiger machen. Sie sind dann aber durch die Integration in der Digitaltechnik irgendwann überholt worden. Kurd: ja, die analogen konnten immer schon dialogisieren, die digitalen konnten es in der Frühzeit nicht und deshalb denke ich, dass es ein ökonomischer Faktor war. Arno: ja, es ist primär ein wirtschaftlicher Grund gewesen. Es gibt das Analoge schon noch, aber das sind mehr so Nischen, ganz spezielle Wissenschaften. Ich hatte das Glück, dass ich, Dank dieser Umstellung von analog auf digital, frühzeitig pensioniert wurde, mit 60. Alle lachen. Zorah: darf ich fragen, was da justiert werden musste bei Analogcomputern? Arno: das ist wirklich ein weites Feld. Ich habe nicht direkt mit Computer gearbeitet, sondern es ging um Kommunikation, also Nachrichtenübertragung, Nachrichtenvermittlung. Das beginnt mit dem Telefonieren, geht über Richtfunk, usw. Da ich nicht speziell mit Rechnern gearbeitet habe, kann ich die Frage in dem Sinne auch nicht präzis beantworten. Kurd: man kann doch auch sagen, dass analog wie ein Rechenschieber ist. Und Rechenschieber, die müssen immer genau stimmen. Die muss man justieren. Arno: ja, das ist ein guter Vergleich. Zorah: eine Eichung, o.k. Arno: aber das ist rein technisch und ich glaube, mit dem Thema hier hat das vielleicht nicht allzuviel zu tun. Es ist mehr so ein peripheres Wissen.

Antje: vielleicht könnten wir unsere Konversation von gestern nochmal ein bisschen rekapitulieren. Außerdem waren wir bei dem, was Stefanie und Matthias eingebracht haben, nicht so richtig weitergekommen. Da könnten wir auch anknüpfen, wenn ihr Lust habt. Matthias: wir haben das als Anregung verstanden. Wo das dann hingeht, ist eine andere Sache. Antje: ihr hattet doch gesagt, wir könnten das eventuell mal praktisch machen. Ist das immer noch drin? Beide: ja, klar! Antje: Das fände ich toll, denn mal los! Die Beiden lachen. Matthias: Wir müssten Spielregeln vereinbaren, wie wir was machen. Stefanie: es gibt hier ein Raster und damit ist die Reihenfolge, wie die Beiträge erscheinen, schon vorgelegt. Man könnte jetzt sagen, entsprechend zu den Cadavre-Exquis-Zeichnungen, wo lässt man das jeweils überstehen für das nächste Bild? Bernhard: ich wollte euch heute ein kleines Manifest vortragen. Wenn das genehm ist. Antje: es dauert ja eine Weile bis Stefanie und Matthias die Anwendung aufgebaut haben, wäre es eine Möglichkeit, Bernhard, dass du jetzt Dein Manifest vorträgst? Bernhard: ich bin noch nicht ganz fertig mit den Vorbereitungen. Einen kleinen Augenblick noch.

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Bernhard: also das ist jetzt improvisiert. Er schlägt 3 mal mit dem Hammer auf den Tisch:
“Wie man mit dem Hammer philosophiert“. Das ist ein Zitat von Nietzsche. Man soll sich vorstellen, dass man damit etwas abklopft und es dabei eventuell auch zerstört. Bei Shakespeare gibt es eine Metapher in ´Richard the Second´. In dem großen Monolog, wo er sagt, indem er etwas herausfinden will: “I will hammer it out!“ Also ich will das heraus hämmern. Der Hammer als Symbol des Bildhauers, der aus seinem rohen Stein etwas heraushämmert. Ich lege jetzt den Hammer weg und komme zur Sache: Liebe Freunde und liebe Freundinnen, wir sind zusammengekommen und sollten jetzt ein kleines Manifest des Zurückgebliebenen (in Bezug auf Konversationskunst?) hören zum Thema ´Kunst ohne Publikum´. - Einige aus der Runde klatschen. - Allein die Formulierung ´Kunst ohne Publikum´ ist schon eine Formulierung, die viel mehr enthält als man ihr normalerweise zuschreibt. Denn wir haben hier zwei Elemente: Kunst und Publikum. Gestern haben wir gehört, wir sind in einer latinisierten Welt. ´Publikum´ ist wieder lateinisch. Wir bekommen das Wort nicht weg. Publicus, res publica und all das ´public´ hat einen Gegensatz, nämlich ´privat´. Publikum ist immer das Öffentliche und das andere ist das Private. Die Lateiner haben alleine diesen Begriff des Privaten geprägt, den gibt es im Griechischen gar nicht. Man kann ihn nicht rückübersetzen. Wir haben den Begriff auch nicht, wir müssen ihn latinisiert nehmen. Das Private ist also das, was nicht öffentlich ist. Nun gibt es dazwischen noch dieses Offiziöse, das will ich jetzt erstmal nicht ansprechen. Also wir haben Kunst ohne Publikum, ein lateinisches Element, aufrufend auch die ´res publica´, die öffentliche Angelegenheit. Auf der anderen Seite haben wir das Wort ´Kunst´. Das Wort Kunst ist eine deutsche Besonderheit. Man kann sie nicht übersetzen in andere Sprachen. Wenn ich es tun will, habe ich ´art´ oder ´ars´. Das ist aber was anderes, das ist nämlich eine Kunstfertigkeit, Handwerkertum und dergleichen. Oder im Griechischev habe ich: Techne. Das ist nochmal wieder anders. Z.B. schreibt Aristoteles seine Schrift: Peri Poetique Technes (?).´Über die Dichtkunst´ wird das übersetzt, aber eigentlich meint er auch das know how, wie man etwas anlegt, um etwas zu erreichen. Das ist das griechische ´Techne´. Wir haben mit Kunst eine deutsche Besonderheit, die ähnlich wie Bildung, auch nicht ins Englische übersetzbar ist. Da muss ich education, liberal education sagen, etwas völlig anderes als Bildung. Also haben wir hier entweder eine provinzielle Insel oder eine Chance, die die Anderen nicht haben. Kunst kommt, wie alle sagen, von ´Können´. Das ist aber eine ´Onkel-Bräsig-Philosophie´, denn es kommt genau so gut von ´Kennen´. Kunst ist ein Wort, das hat Panofsky immer wieder betont, das etymologisch sowohl gespeist ist von können als auch von kennen. Indem man etwas kennt, auch kann, ist es Kunst. Kein Künstler, oder keiner, der von sich sagt ´ich bin Künstler´, wird auch von sich sagen: ich kann bloß, aber ich kenne nicht. Das geht gar nicht.

Kunst verbinden wir viel mit Illusion. Kunst ist das Reich der Illusionen, traditionell jedenfalls, im Unterschied zur Wahrheit und zur Realität. Ich darf jetzt mal einen Autor, den ihr alle kennt, zitieren. Am Ende der Französischen Revolution ist in Deutschland folgendes gedichtet worden: “Man danket ihrs (der Muse), dass sie das düstere Bild der Wahrheit in das heitere Reich der Kunst hinüberspielt. Die Täuschung, die sie schafft, aufrichtig selbst zerstört und ihren Schein der Wahrheit nicht betrüglich unterschiebt.“ Ein ganz berühmtes Wort, aber keiner wird sich jetzt dran erinnern, wo es steht, nämlich im Prolog zum ´Wallenstein´ von Schiller. Es enthält aber eine ganz gewichtige Ästhetik. Nicht bloß Illusion kontra Wahrheit, sondern es ist sozusagen eine sich ihrer selbst bewusste Illusion. Der Kunst eignet also eine eigentümliche Desillusionierung, eine Aufklärung über ihren eigenen, imaginären Status, schrieb Schiller. Und kein geringerer als Fernando Pessoa schreibt im 20. Jahrhundert: “Aber in der Kunst gibt es keine Illusion. Denn die Illusion ist ja von Anfang an zugestanden worden.“ Nun noch zu dem, auf das Kurd vielleicht schon wartet. Er sprach gestern von Social Software. Ich nehme nochmal den Hammer in die Hand und zitiere ein Gedicht, was ich in letzter Zeit mit Mühe auswendig gelernt habe. Es handelt davon, dass ein ganz berühmter Dichter uns auffordert: verlasst doch die Höhle des Geistes, die platonische Höhle. Verlass doch die Höhle, in der du wohnst. Geh in das Sonnenlicht. “What if I bade you leave the cabin of the mind? There is better exercise in the sunlight and wind.“ Das ist William Butler Yates, der berühmte irische Dichter. Also nochmal zurück zu dieser Revolution, die Kurd mit der Social Software verbindet. Da ist mir folgender Gedanke gekommen: Es kann ja sein, dass das Potential von sozialem Plasma hat, wie ich es ausdrücke. Von sozialer Erschütterung, die es freisetzen könnte, wenn man es denn passend nutzt. Da glaube ich, Kurd richtig zu verstehen, wenn er es so meint. Das ist ein Potential, bei dem wir noch gar nicht wissen, was damit verbunden werden könnte. Diese Interaktivität zwischen dem Benutzer und dem, was da die Maschine tut. - Ich versuche jetzt, so wenig Englisch zu reden, wie möglich.

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Antje: zweite von rechts ich habe noch nicht verstanden, inwiefern da soziales Plasma freigesetzt wird.
Bernhard: wenn der Nutzer bemerkt, dass er nicht bloß Rezipient ist, sondern auch Produzent, dann ist das ja schon eine Interaktion auf zwei Ebenen. Er kann mit der Maschine dialogisieren, wenn er sich als dialogisch erlebt. Das heißt, das Gegenüber, das Andere, die Maschine, ist wie ein Mensch. Aber das nimmt er ja von der menschlichen Kommunikation her. Also wird die zwischenmenschliche Kommunikation auch durch die Mensch-Maschine-Kommunikation verändert. Das ist das Neue. Bisher haben wir nur kommuniziert zwischen Gehirnen, zwischen natürlichen Subjekten. Jetzt haben wir Kommunikation zwischen einer Software und dem Menschen. Ist das richtig so? Zorah: nee, inzwischen ist es zwischen Benutzer und Benutzer. Stefanie: über die Software läuft es aber doch. Bernhard: o.k., dann ist es eine Zwischenschaltung. Zorah: aber die Software ist nicht der Mittelpunkt der Kommunikation. Stefanie: es ist eher das Medium. Ich benutze die Software, möchte aber wieder richtige, echte Kommunikation haben. Bernhard: ach so, dann ist es sozusagen ein dritter Term zwischen zwei Subjekten. Zorah: genau! Bernhard: so wie es bisher Sprach-Schallwellen waren, ist es dann dieses Medium, was aber auch neue Möglichkeiten freisetzt. Da kann man sagen: das ist jetzt neu, das kann vieles ändern.

Nur, jetzt kommt die Gegenrechnung: Platon hat schon gesagt, wenn man die Wahrheit sucht, dafür aber keine methodischen Voraussetzungen geklärt hat, dann wird man dann, wenn man das Wahre findet, nicht wissen, das es das ist. Also wenn man nicht ausgerüstet ist, zu wissen was man finden wollte, dann nützt einem das nichts. Goethe hat das später nochmal anders ausgedrückt. Antje: kann ich mal was zwischenfragen? Wieso sollte man von vornherein wissen, was man wissen wollte. Das weiss ich doch nicht. Bernhard: das ist jetzt eine Frage ´beside the point´, das ist genau daneben. Aber es muss so daneben gehen, weil man es erst dann verstehen kann. Es meint nicht, dass ich vorher schon weiß, was ich finden werde. Sondern ich weiß nur, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ich, wenn ich etwas finde, sagen kann, es ist so oder so und so. Das ist ein Unterschied. Die Bedingungen der Möglichkeit, etwas zu erkennen, sind nicht das Erkannte selbst. Das ist so wie Geld. Ich sage, ich habe jetzt 1000 Euro in der Tasche und will mir davon etwas kaufen. Völlig egal, was ich mir kaufe. Aber 1000 Euro müssen es schon sein. Das ist die Metapher des Geldes, mit dem ich mir unzählige Sachen kaufen kann, die käuflich sind. Antje: ich würde aber sozusagen noch weiter zurückgehen. Ich weiß noch nicht mal, ob ich mir was kaufen will. Also ich weiß noch nicht, was ich will. Bernhard: wenn ich nicht weiß, was ich will, dann bin ich verloren. Denn dann will alles Andere mit mir etwas. Dann kann ich mich natürlich verändern und sagen, ich lasse mich treiben. Karen: Du hast grade gesagt, dann bin ich verloren. Die Frage ist, was ist das, was da verloren geht? Bernhard: das, was verloren geht ist, dass ich eine Richtung habe, in die ich gehe. Ich habe keine Richtung mehr, wenn ich nicht weiß, was ich will. Sabine: aber bin ich Richtung? Bernhard: nein, ich bin nicht Richtung, ich habe eine. Karen: was ist das Ich, das da verloren geht? Bernhard: ich bin immer ich! Jeder ist immer ´ich´, das kann er nicht ändern. Aber entweder, er treibt und gibt jedem Impuls nach, der kommt. Dann wird er nach einer gewissen Zeit vollkommen das Objekt von Anderen sein, die sagen: du machst jetzt das und das. Auf geschickte Weise natürlich. Alle machen ja mit Allen irgendwas. Wenn ich aber weiß, was ich nicht will, zumindest das, was ich nicht will, dann habe ich eine Richtung. Sabine: das ist aber was anders, ob ich weiß, was ich nicht will oder ob ich weiß, was ich will. Bernhard: das ist eine Komplementär-Struktur. Wenn ich weiß, was ich nicht will, dann weiß ich auch in etwa, was ich will. Antje: aber es könnte doch auch sein, dass ich mich mal eine Weile treiben lassen will, um aus meinem alten Topf rauzukommen und danach dann wieder sage: o.k., jetzt vielleicht ein bisschen in diese Richtung. Bernhard: ja, das ist aber bereits methodisch. Wenn ich sage: ich will mich treiben lassen, dann ist es ja intentional. Dann habe ich mich ja sozusagen entschlossen, ich will mich jetzt treiben lassen, weil ich mich bereichern lassen will. So wie ich mich treiben lasse, wenn ich auf meine Reisen gehe. Dann sage ich so, ich fahre jetzt, ich fließe jetzt die Loire entlang. Ich weiß natürlich, was ich will, aber auf der anderen Seite lasse ich mich auch treiben und dann entdecke ich Neues. Dann will ich mich öffnen. Ein Wille ist schon da. Wer sich bloß treiben lässt, ist reif für die Psychiatrie - leider - oder die psychologische Behandlung, weil man da ganz schnell in Zwänge kommt. Zorah: das ist auch eine Kultur, sich treiben zu lassen und da, wo es dann zufälliger Weise Schnittstellen gibt, wird man aktiv. Das ist im Bereich dieser neuen Medien sogar eine richtige Kulturform. Also Flowting. Bernhard: da sind wir uns sicher einig. Es gibt nicht mal einen Tag, wo man genau das, was man möchte, erreicht. Es gibt immer Zufälle, das Unvorhergesehene. Ich kann aber sagen, ich freue mich heute schon auf das Unvorhersehbare, z.B. wie ihr jetzt reagiert. Aber diese Freude des Unvorhergesehenen, die muss ich auch wollen. Wenn ich mich darauf nicht vorbereite, dann nehme ich sie nicht wahr. Hinterher sage ich: hättest du mal! Wärst du mal offener gewesen!

Matthias: aber ist nicht selbst dieser Strom von Intentionalität abhängig von anderen Leuten, zumindest von den Bildern, die ich von andern Leuten habe? Dieses nackte Ich, oder der freie Wille oder wie immer man das nennen will, existiert das überhaupt? Ist das nicht auch wieder aus Erfahrung zusammengebaut, die ich mit anderen Leuten mache? Also ich unterstelle den Anderen Bilder von mir und erzeuge dadurch ein Bild von mir. So dass, wenn ich die Leute wechsele, ich eben auch ein Anderer bin. Der feste Maßstab, der da als Intention lang läuft, den sehe ich so auch nicht. Ich denke, man kommt nicht ohne ihn aus, aber selbst der schwankt. Bernhard: also diese Frage: freier Wille oder Determinismus, die hat man sich, seitdem es Menschen gibt, gestellt. Die Frage erweist sich als unbeantwortbar. Das heißt, es hat keinen Sinn, zu sagen, ich bin Determinist. Der weiß gar nichts. Der kann nur sagen, da ist alles, aber er kann´s nicht benennen. Und der, der jetzt den freien Willen verkündet, der kann auch nur sagen, ich habe die Hypothese, dass es so geht. Zu entscheiden, das gelingt uns Menschen nicht. Wir können nicht entscheiden, ob wir frei sind oder nicht. Aber recht gebe ich Dir insofern, als wir im Grunde alles den Anderen verdanken. Ich habe neulich bei Goethe gelesen, dass er sagt: “Ich habe mir jetzt angewöhnt - ich war so undankbar -, ich will jetzt immer dankbar sein. Ich verdanke eigentlich alles den Anderen.“ Wir sind so undankbar. Allein dass wir hier sitzen können.

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Arno: wenn ich das noch einwerfen darf. Die Psychoanalyse kennt ja beides.
Jung sagt ´das Unbewusste´ oder Freud sagt ´das Unterbewusste´. Wir sind gesteuert von beidem. Wir haben einerseits den bewussten Willen, mehr oder weniger zielgerichtet, nicht konsequent. Andrerseits sind wir aber auch stark beeinflusst vom Unbewussten. Was ist das? Ich sage jetzt mal: die genetischen Veranlagungen. Ein bisschen wissenschaftlich, aber es ist noch viel komplizierter. Oder wie Jung sagt: das ist die Erfahrung aller Generationen vor uns, die in uns irgendwie schlummert. Und bei jeder Therapie geht es den Therapeuten darum, diese unbewussten Bilder als Unterstützung des eigenen Ichs hervorzuholen. Es ist erstmal sicher von Mensch zu Mensch verschieden, je nach Veranlagung, aber es ist auch immer dieser Kampf zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten. Das Unbewusste ist schon fast geburtsmäßig irgendwo da. Das macht unsere Wesensart aus. Und das Bewusste, ob das in der Kunst ist, in der Kultur allgemein oder in der Technik, das ist natürlich ganz entscheidend wichtig. Und die Beeinflussung von anderen Menschen, die ist auch ganz wichtig. Das spielt alles zusammen- Man kann nicht sagen, dieses eine allein, wenn man es jetzt z.B. auf die Mitmenschen projiziert. Die beeinflussen einen sicher, aber nicht nur. Wir werden auch von unserem Inneren beeinflusst, von unseren Archetypen, wie z.B. Jung das schreibt. Matthias: wir werden auch ganz schlicht von der Biologie beeinflusst. Stimmungsmäßig, was ich gegessen habe oder ob ich ausgeschlafen habe. Zorah: eine Frage, die bei mir immer wieder auftaucht ist, wenn jetzt andere Verhältnisse wären, wie NS-Zeit oder andere politische Konstellationen z.B., wie würden ich und meine Freunde dann reagieren. Arno: das ist wichtig. Das beschäftigt uns immer: was sagen die Mitmenschen dazu. Zorah: es gibt so Situationen, wo sich das dann scheidet. Auch in sich selbst scheidet. Arno: aber ich meine, es gibt noch etwas Anderes, was in uns schlummert, was uns drängt irgend etwas zu machen. Das kann ein technisches Wunderwerk sein, das kann in der Kunst sein. Und das wäre, pathetisch gesagt, eine Berufung . Die kommt aus uns selber heraus. Bernhard: aber wenn ich Dich jetzt zurückfrage, Du hast das eben so emphatisch ausgeführt: Freud, Jung, Unbewusstes, welches Unbewusste hat Dich dazu gebracht, eben so zu reden? Arno: es dünkte mich, dass es nicht das Ganze umfasste. Ich bin eigentlich immer ein bisschen Generalist. Ich komme immer von der Analyse wieder ins Allgemeine. Das ist vielleicht nicht ganz die richtige Art, aber ich möchte damit, dass ich auf´s Allgemeine komme, auch den Horizont, den Blickwinkel nicht einengen. Bernhard: aber damit hast Du nicht auf die Frage geantwortet, die ich Dir gestellt habe. Welches Unbewusste hat Dich dazu gebracht, so zu reden? Arno: vielleicht meine Veranlagung als Besserwisser, sagen wir es mal so. Weil ich alles so genau weiß. Antje: ´unbewusst´, der Name sagt es doch schon. Es ist uns nicht bewusst. Bernhard: er hat beansprucht, dass das unbewusste Kräfte sind, die uns dazu drängen. Wir wissen über die aber nichts, also können wir auch nicht darauf zurückgreifen, dass sie uns beeinflussen. Dann nützt es uns nichts, dann ist es eine Hypothese. Ich habe darüber auch publiziert, Lacan, Freud, und kenne mich ein bisschen aus. Das habe ich inzwischen alles hinter mich gebracht. Für mich ist das absolute Vergangenheit. Das ist eine moderne Mythologie in einer entfremdeten Gesellschaft. Arno: ich kann sie nicht teilen, das ist die persönliche Freiheit. Ich wollte ja nur gesagt haben, die Frage Determination, Freier Wille lässt sich nicht entscheiden.

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Bernhard: es hat auch keinen Sinn, darüber zu diskutieren, es führ immer zu den gleichen sterilen Argumentationsketten.
Die einen schießen sich auf Determinismus ein, wissen aber nicht, was uns determiniert. Die Voluntaristen, die den freien Willen verkünden, sagen, wir sind spontan, wir fangen bei uns an. Können aber auch nur hypothetisch argumentieren. Und so sage ich jetzt hypothetisch, es bewährt sich in der Praxis selbst, wenn ich sage, - Antje hat das Stichwort gegeben - ich will mich jetzt treiben lassen. Schon die sprachliche Formulierung sagt alles. Ich will mich treiben lassen. Dann habe ich den Entschluss, mich zu öffnen. Akzeptiert! Aber irgend etwas muss da sein, denn sonst passiert das, was Goethe gesagt hat. Ich kenn´s nicht ganz auswendig: ´und wenn sie den Stein der Weisen fänden, der Weise mangelte dem Stein. ´ Also die hätten zwar den Stein, aber der Weise wäre dann nicht da. Oder noch anders, wenn es denn mal Gold oder Geld regnet, dann haben sie alle keinen Topf, um das aufzufangen. Zorah: ich muss dazu was sagen. Ich finde das ganz spannend. Ich empfinde es hier als bildungsbürgerlich, auch als unglaublich selbstreflektiv. In Berlin, da gibt es eine ganz junge Szene, die sich sehr intensiv in dieser Social Software beschäftigt. Die ist sehr, sehr innovativ. Es ist eine kosmopolitische Szene und in der würde man völlig befremdlich mit dem umgehen, was wir jetzt hier machen. Zum Teil verstehe ich auch selber nicht ganz, was sie meinen, aber ich finde da geistig schon auch meine Heimat. Die wollen das richtig ´grassrootmäßig´. Also die wollen, dass das, was man sagt, auch mit dem Machen zusammenhängt. Auch bei jedem Gespräch, das man da hat, wollen sie, dass da was zum Anfassen rauskommt. Nicht nur ein Zettel, wo ein paar Notizen draufstehen, sondern die wollen Modelle haben. Das ist für mich spannend, weil das so auseinanderklaffende Welten sind. Bernhard: dann haben wir doch endlich mal, was wir so wenig in der Gesellschaft haben, wirkliche Kontraste und Gegensätze. Denn wenn die nur das Sagen hätten, dann würden wir laufend irgendwie herumfummeln und nicht mehr denken. Wenn ich das Sagen hätte, dann würden alle denken. Ich finde es ja besser, wenn alle denken würden, aber ... Alle lachen. Matthias: sie denken, dass sie denken würden.

Bernhard: ich habe seit August eine neue Geliebte. Jetzt oute ich mich mal. Ich habe noch nie eine so intensive Beziehung geführt, wie mit dieser Dame und das wird sich auch fortsetzen, weil sie nämlich schon seit 180 Jahren tot ist. Das ist eine Dame, die ich allen, die sich mit Zwischenmenschlichkeit und Öffnung für den Anderen, mit Kommunikation beschäftigen, dringend empfehle, auch zu ihrer Geliebten zu machen. Dazu braucht es nur der Lektüre einiger Sätze und einiger Briefe. Wenn man denn dafür offen ist, dann wird man diese Dame nie wieder vergessen und mit ihr ständig Kontakt pflegen. Sie schreibt z.B.: “Ein Strahl der Erkenntnis erbaut das gesamte Universum.“ Das ist nur herausgegriffen, um zu zeigen, welcher ungeheure Geist da bestand. Diese Dame hat es geschafft, zwischen Aufklärung und Romantik eine Brücke zu stiften und die Revolution dabei nicht auszuklammern. Es ist Rahel Levin Varnhagen. Antje zu Karen: ach, Du wusstest es schon? Karen: ja, das ist meine Arbeit gewesen. Bernhard: dann haben wir ja eine gemeinsame Geliebte, wahrscheinlich. Ich kann allen nur empfehlen, sich mit dieser Dame zu beschäftigen. Sie ist auch eine große Goetheverehrerin, die Goethe erst bekannt gemacht hat in Deutschland, in Preußen. Sie hat Goethe mit 24 Jahren in Tipplitz getroffen und er war schon über 46. Und er schreibt über sie: “Ein Mädchen, das immer denkt. Unglaublich liebenswürdig, aber immer denkt.“ Er hat es genau durchschaut. Da ist jemand, der immer denkt. Der nicht sagt, ich verlasse mich auf Vorurteile, oder so. Und Jean Paul schreibt ihr Briefe. Sie sei die absolute, heute würde man sagen, Kommunikationsmanagerin. Zum Glück gab´s das damals noch nicht. Mit anderen Woren, wenn es jemand gibt, eine Brücke von der Aufklärung über die Revolution in die Romantik zu stiften, dass das nicht auseinander fällt, auch sozial, - diese großen Salons in Berlin - dann ist das Rahel Levin Varnhagen gewesen. Es freut mich, dass ich jemanden habe, dem das auch so nahe geht.

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Karen: links wobei mich an ihr besonders dieses Verbindende interessiert hat.
Bernhard: das Verbindende der Menschen untereinander? Zorah zu Karen: kannst Du ein paar Stichworte zu ihr sagen? Karen: einmal in der Korrespondenz und in dieser Salonkultur. Also dieses ´Menschen zusammen zu bringen´. Kurd: sie hat ja ihre Rolle schön beschrieben. Die Rolle des konversierenden Menschen. Antje: sie war doch das mit: ´ich liebe alle Menschen ... ´ Kurd: konversierende Menschen hat sie sehr gut beschrieben. Da gibt es eigentlich bloß zwei, die das beschrieben haben, die wir kennen. Eben Rahel Varnhagen und Madeleine de Scudéry. Keiner von uns kennt diese Rolle: wie man überhaupt sein soll, wie man so leben kann? Und die zwei haben das beschrieben. Das steht alles im ´NetzkunstWörterBuch´. Da ist aus einem Brief von ihr an Clemens Brentano zitiert. Sie schreibt u.a.: “Ich liebe unendlich Geselligkeit von je und bin ganz überzeugt, dass ich dazu geboren, von der Natur bestimmt und ausgerüstet bin. ... Ich bin bescheiden und gebe mich doch preis durch sprechen und kann sehr lange schweigen und liebe alles Menschliche, dulde beinah alle Menschen.“ Bernhard: das ist aber schön, dass das im ´NetzkunstWörterBuch´ steht. Das habe ich natürlich jetzt nicht in Erinnerung.

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Kurd: links das sind alles nur kurze Stücke, auch von Scudéry, wo beide schreiben, dass sie sich als einen Menschen unter Menschen erleben und wie dieser Mensch sein kann.
Karen: bei dem, was Du jetzt grade gesagt hast, fällt mir folgendes ein. Ich bin heute morgen ganz früh wach geworden und musste noch an unserem ´Gestern´ weiterdenken, oder es hat sich eher so im Halbdämmern weitergedacht. Für mich ist eine ganz relevante Frage, was trennt uns von Anderen und was verbindet uns mit Anderen? Als ein Kriterium für Begegnung, auch für künstlerische oder kommunikative Arbeit. Zu sehen, wo ist der Punkt, wo mich was von Anderen trennt. Antje: meinst Du jetzt persönlich? Was trennt mich speziell vom Anderen Oder was trennt Menschen von Anderen und was verbindet sie? Karen: ich kann´s ja immer nur von mir aus für mich beantworten. Wenn wir uns mit den Gedanken ein Stück nach oben schrauben, dann entfernen wir uns wieder von den Anderen. Und in dem Moment, wo es uns gelingt, eine Offenheit einzunehmen, also wo es weiter und offener wird, wir offener werden, da entsteht auch sozusagen eine Verbundenheit, die wieder ein Stück ins Universum zeigt. Also die uns das wieder ertragen lässt, dieses ´klein sein´. Zorah: also diese Besucherin gestern fand ich total toll, weil sie was hatte, was jeder versteht. Sie hatte soziale Kompetenz. Und die soziale Kompetenz war so intelligent. Mit der kann man jeden ansprechen. Sie kann wahrscheinlich jung und alt, egal welche Bildungsschicht, ansprechen. Also Authentizität und Spontaneität sind zwei ganz wichtige soziale Qualitäten, mit denen man auf Leute zugehen kann. Zorah wendet sich an Bernhard: Ich bin nicht so belesen wie Du, aber ich empfinde bei Dir die Brüche sehr stark und das finde ich total warmherzig. Einerseits so ganz anders zu sein aber irgendwie dann dieser Bruch. Das finde ich unglaublich sympathisch. Sabine: ich würde doch noch mal um eure Hilfe bitten. Ich will dieses Manifest von Bernhard verstehen und ich kann es überhaupt noch nicht greifen. Bernhard: ich wollte ja auch noch weiterreden. Aber ihr seid so interessiert an der Sache, dass ihr gleich eingegriffen habt und es mitschreibt. Ihr habt es mit euren Beiträgen mitgeschrieben. Was machen wir jetzt? Wollen wir alle an dem Manifest durch Beiträge weiterschreiben oder soll ich noch mal kurz resümieren? Sabine: bist du gestört durch diese Zwischenbeiträge? Bernhard: nein, gar nicht. Es kann ja nichts Besseres passieren, als wenn alle sich einschalten. Sabine: kannst du für mich, die nicht so belesen ist, Dein Manifest auf den Punkt bringen? Das würde mich echt interessieren. Bernhard: also für Dich alleine kann ich das, aber das ist natürlich unsozial, wenn ich alle anderen ausschließe und das nur auf Dich beziehe. Zorah: mach´s trotzdem! Alle lachen.

Bernhard fährt mit seinem Manifest fort: “Unter welchem Blickwinkel man sie auch betrachtet, die Gegenwart ist ausweglos. Das ist nicht die unwichtigste ihrer Eigenschaften. Denen, die unbedingt hoffen wollen, raubt sie jeden Halt. Diejenigen, die vorgeben, Lösungen zu besitzen, werden auf der Stelle widerlegt. Es besteht Einverständnis, dass alles nur noch schlimmer werden kann. Das Künftige hat keine Zukunft mehr, ist die Weisheit einer Epoche, die hinter ihrer Fassade extremer Normalität auf dem Erkenntnisstand der ersten Punker angekommen ist.“ Ende des Zitats, aus dem Buch, was ich nahezu allen zu lesen auferlege: ´Der kommende Aufstand´, das ist inzwischen schon fast ein Bestseller. Zorah: von wann? Bernhard: 2010. Es gibt keinen Autor, das ist ein Kollektiv. Das Buch hat extreme Wirkung. In den USA wird es bereits gehandelt als geheimer Insider-Tipp. Das Buch ist selber ausweglos, aber gekonnt ausweglos. Es ist ein Buch, was so nicht geht, ein unmögliches Buch, aber es hat Fesseln, die einen festhalten, weil es in der Tradition der französischen Moralistik geschrieben ist. Mit extremen Gegensätzen. Es ist nicht diese Rhetorik von links, wo man nach 3 Sätzen in Tiefschlaf verfällt, weil man das alles schon kennt, sondern wo man nach 3 Sätzen sagt: jetzt werde ich wach. Das ist im Grunde schon das ganze Manifest. Aber da es das ja nicht sein kann, wiederhole ich nochmal meine Punkte: Es geht um Kunst ohne Publikum. Kunst ohne Publikum kann erstens bedeuten, es gibt kein Publikum mehr. Wir sind selbst das Publikum geworden. Das, was da geschieht, saugt das ganze Publikum auf. Publikum als das öffentliche verstanden, was die Dimension des Privaten wegnimmt. Das ist die eine Dimension und die andere ist eben: Publikum ohne Kunst, wenn man das jetzt umkehrt. Das ist die Gegenposition, die aber dazugedacht werden muss. Sind wir nicht eine Gesellschaft, die ein Publikum ohne Kunst ist. Wir sind alle Publikum, reden alle von Kunst und von Kultur. Aber Kunst usw. ist uns entgangen. Das als offene Frage. Das ist das eine. Punkt zwei ist zusammengefasst: Kunst und Illusion. Ist Kunst Illusion? Dagegen schon Schiller und dagegen noch zugespitzter, Pessoa. Der sagt, die Illusion ist schon immer eingebaut. Kunst ist immer reflexiv darauf, dass es ein imaginäres Fiktionales ist. Und das Dritte ist und damit endet das Manifest: Wenn man ein Projekt hätte, das lautet ´Kunst ohne Publikum´, dann darf man nicht jenen alten Fehler begehen, dass man sagt, man lässt sich treiben, man lässt alles darauf ankommen, sondern dann kommt es darauf an, grade in diesem Meer des Unbekannten zu sagen, ich brauche aber ein Schiff oder ein Floß oder was auch immer. Irgendwas brauche ich, sonst kann ich da nicht durchkommen. Platon sagt streng: ich brauche eine Methode. Methode heißt ja nichts anderes, als ein Verfahren. Etwas, mit dem ich fahren kann, damit ich auf dem Weg bleibe. Oder Goethe noch mal. Dass man keinen Topf hat, wenn es dann Gold regnet. Das waren die drei Punkte. Ich danke für die Aufmerksamkeit. Alle klatschen.
Antje: um vielleicht mal auf eine andere Ebene zu kommen, hättet ihr Lust, ein konversationelles Spiel zwischendurch zu machen, bevor wir dann wieder zu Stefanie und Matthias kommen?

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Matthias: Mitte darf ich kurz einen Vorschlag machen? Angesichts der Technik und der Situation dachte ich, dass es doch ganz nett wäre, wenn ich meine ´Filmkamera´, also mein Handy ´rumgebe.
Wir bleiben im Raum. Wir sind 10, also muss ich nicht unbedingt mitmachen. Und jeder filmt vier, fünf Sekunden aus der Situation raus irgendwelche Details hier. Jeder macht eine kleine Auswahl. Es muss nicht so ´ne klassische Totale sein. Und dann gucken wir, ob es was Gemeinsames wird oder nicht und können später drüber reden. Steffi bräuchte dann aber Zeit, um das alles zu verarbeiten. Antje: und wenn sie das macht, dann machen wir das Konversationsspiel. Super! Matthias erklärt jedem von uns sein Handy und das Prinzip des Spiels. Dann filmt jeder von uns mit dem Handy eine kurze Sequenz aus dem Raum, in dem wir uns befinden. Während der Programmierung von Stefanie machen wir das Konversationsspiel der Fragen und Antworten, das schon die Surrealisten gespielt haben: Jeder von uns schreibt eine Frage auf, knickt sie nach hinten, gibt das Blatt weiter und der Nächste schreibt eine Antwort. Auf die Antwort erfolgt vom Nächsten eine Frage. Die wird auch nach hinten geknickt, das Blatt wird weitergegeben und die nächste Antwort wird aufgeschrieben, usw.

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Nachdem die Blätter vollgeschrieben sind, legen wir sie auf einen Stapel, von dem sich der Reihe nach jedeR ein Blatt nimmt und es den Anderen vorliest:

Wie kann ich mit Anderen konversationell zusammenkommen?
Die Karte der Gefühle sagt mir mehr als das Reden.
Wo soll das hinführen? Was macht dich glücklich?
Wenn Feuer entsteht, war die Frage gut.
Que sais-je? (Was weß ich?)
Ich bin o.k.

Was ist soziale Software oder Social Software?
Nachts ist es dunkel.
Was wird, wenn man darin nicht weiter weiß?
Es ist 12 Uhr 40 Minuten.
Was kann ich tun, um wirklich bereichert zu sein?
Was weiß ich. Was soll das bedeuten.
Fühlst Du dich?
Am Ende des Tages bin ich bereichert.

Wer weiß, warum man weiß, wer Marilyn Monroe umbrachte, es aber verheimlicht wird?
Ich denke nicht, also bin ich!
Das ist Möglich.
Wie wär´s denn schön?
Ist das ZKM Commonsense?
Keiner hilft mir.
Wenn man die Frage ganz lebt, wächst man vielleicht eines Tages in die Antwort hinein. Frei nach Rilke
Wie anregend sind Konversationen?
Ich habe keine Antwort.
Auf der Rückseite des Blattes steht noch: Ich denke nicht, also bin ich

Missing File (/Netzkunstaffairen/uploads/11.2010.jpg)
Was für Techniken der Gemeinschaftsproduktion können uns zufriedener machen?
Der erste Schritt ist die Einsicht, dass ich allein nicht weiter weiß.
Was wird in 1000 Jahren wichtig sein?
Cadavre Exquis ist der Knigge der Konversationskunst. Zorah erläutert: weil es um´s Knicken geht.
Geht es mir gut?
Ja, ich möchte auf eine gehobene Problemhöhe kommen.
Wie soll es weitergehen?
Das Blatt ist voll.

Wann bekommst du Herzklopfen?
Sokrates war´s. Wehe!
Wie lebst Du?
Bin ich auf der Erde oder im Universum?
Das ist gut so.
Wie wär´s denn schön?
I am determinated to prove a villain. Bernhard: das ist Shakespeare, ´Richard II´. Auf Deutsch: Hiermit bin ich entschlossen, ein Bösewicht zu werden.
Hinten steht: Wer kann mir das Wasser reichen?

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Sozialitätssinn?
Die Menschen waren, vor der technischen Entwicklung, sich menschlich weniger fremd.
Brauchen wir Antworten?
Inne-halten als Voraussetzung zur Selbsterkenntnis, ohne die wir vielleicht nicht frei sind uns der Anderweite zu öffnen.
Was ist eine gute Frage/Antwort?
Wer ist stärker, Ich oder Ich?
Wer Anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein!


Zorah: Schön! Das war jetzt richtig erfrischend! Mir kommt das so vor, als ob da eine bestimmte geistige oder kreative Muskulatur trainiert würde, die man sonst nicht ohne weites trainiert. Denn man meidet normalerweise ja extrem unterschiedliche Situationen. Man sucht schon eher Leute, oder Situationen, bei denen man einen Anknüpfungspunkt hat. Karen: ich kann mir aber auch vorstellen, dass man das, was wir gestern in der Runde gemacht haben, spielregelmäßig vielleicht auf eine gewisse Art noch fester macht und gleichzeitig aber auch offener, indem man sagt: jedeR sagt einen Satz. Der kann so lang sein, wie er will, aber nicht zu lang und der andere spricht genau da weiter. Dann braucht man sich nicht vorzubereiten, sondern man nimmt den Faden auf. Dass man dann wirklich das, was vorher war, vergisst. - Wir pflichten ihr bei. - Antje: Steffi ist noch nicht fertig. Dann können wir das doch mal probieren. Alle stimmen zu. Karen: und vielleicht wirklich nur einen Satz. Ohne Anspruch auf Vollendung. Zorah: die Regel ist, sich nur auf den Vorgänger zu beziehen und nur einen Satz zu sagen? Bernhard. kann es auch ´ne Frage sein? Antje: egal. Nur auf das beziehen, was der Andere vor dir gesagt hat und nicht was ganz Neues anfangen. Bernhard: es muss einen inhaltlichen Bezug haben.

Bernhard fängt an: ich hasse und ich liebe. Karen: das Gegenteil von Liebe ist Gleichgültigkeit. Sabine: Gleichgültigkeit ist schlimmer als Hass. Arno: Hass vergiftet. Dietlind: wie kommen wir da wieder heraus? Matthias: indem wir über was Schönes reden. Antje: an sich ist das doch schon ganz schön, über was wir hier reden. Kurd: wechseln wir das Thema. Zorah: warum eigentlich? Bernhard: wenn du mir sagst, wie du Deine Frage verstehst, dann sage ich dir, wer du bist. Karen: ja, ich frag´mich, ist das überhaupt das, was ich wissen muss: wer ich bin. Sabine: ich glaube, das ist meine Lebensaufgabe. Das ´rauszufinden. Arno: so lange der Mensch lebt, sucht er. Dietlind: ich möchte gerne wissen, wer ich bin. Matthias: ich hab´ nicht aufgepasst. Antje: ich denke, also bin ich. Kurd: er schweigt lange und Zorah fragt: ist das ein nonverbaler Satz? Bernhard: wenn ich denke, dann muss ich existieren. Aber wenn ich existiere, dann muss ich nicht auch denken. Karen: vielleicht liegt grade das Glück darin, gedankenlos zu sein. Sabine: schmeißt was runter. Arno: was war das? Sabine: mein Satz! Arno: dann war das mein Satz. Alle lachen. Dietlind: ja, ich träume gern so vor mich hin. Matthias: ich war noch so beeindruckt, von dem Satz da ganz vorne. Antje: klatscht rhythmisch in die Hände. Kurd: nein, wir wollen keinen Applaus. Zorah: klopft rhythmisch auf den Tisch. Matthias: herein. Bernhard: zitiert eine französischen Satz von Dante. Übersetzt: als wir in des Lebens Mitte angekommen, befand ich mich in einem dunklen Wald. Karen macht rhythmische Schüttelbewegungen. Sabine: meine Oma hieß Burowski und hat behauptet dass es russisch wäre und ´Wald´ hieße. Das stimmt aber nicht. Dietlind: nein, es heißt ´les´. Sabine: und meine Oma war Analphabetin. Dietlind: da kann ich drauf antworten, dass Wald auf russisch ´les´ heißt. Matthias: ich kann kein russisch. Dielind lacht: kann ich wenigstens mal irgendwas! Antje seufst. Kurd: ich hab´s verstanden.

Zorah: gibt´s auch ´ne Ausstiegsmöglichkeit? Bernhard: Aussteigen! Zweite Tür links! Karen: nicht öffnen, bevor der Zug hält. Sabine: auf welchen fahrenden Zug soll ich aufspringen? Arno: nicht aus dem Wagen spucken! Dietlind: nichts aus dem offenen Fenster werfen. Matthias: der Zug ist schon lange abgefahren! Antje singt: ich möchte auf Reisen geh´n. Kurd: es ist nicht wahr, dass ich ankommen möchte. Zorah: oh, jetzt bin ja ich d´ran, auf welchen Zug spring ich auf? Bernhard: erst eintreten, dann austreten! Karen: da ist nichts. Sabine: was für ein beneidenswerter Zustand. Arno: wir wünschen ihnen weiterhin angenehme Reise! Dietlind: ich bin in einen falschen Zug gestiegen. Matthias: vielleicht ist es nicht so wichtig, wo man ankommt. Antje: da kommt der Schaffner und ich hab´keine Fahrkarte. Kurd: meine Frau hat die Fahrkarte. Alle lachen. Zorah: und mich hat man wie einen Koffer auf dem Bahnsteig vergessen. Bernhard: Deutsche Bundesbahn. Karen: Vorsicht! Affen greifen nach Hüten und Brillen. Sabine: Handtaschenräuber, Handtaschenräuber, überall, überall Handtaschenräuber. Arno: sogar im Internet. Dietlind: jetzt ist der Haken von der Jacke abgerissen. Matthias: die Handtasche ist weg, der Hut ist weg und jetzt ist auch noch der Haken abgerissen. Ich bin bald nackt. Antje: eine kleine Spende für etwas zum Anzieh´n. Zorah: singt einen hohen Ton. Bernhard: auf dem Bahnsteig läuft ein Herr, der einen Zylinder in der Hand hat auf dem der Name des Besitzers steht: Reinsch. Und der sagt dann immer: ist hier jemand der Reinsch heißt? Karen: ein Kaninchen aus dem Hut zaubern. Sabine: jetzt haben wir in der chinesischen Medizin das Jahr des Metalltigers und das nächste Jahr wird das Jahr des Metallhasen. Das finde ich eine sehr lustige Kombination in der Folge. Arno: Paracelsus ist auch wieder im Kommen.

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Dietlind: links ja, die Gradeinteilung ist immer wichtig.
Matthias: Gradeinteilung in Paracelsius? Alle lachen. Arno: du meinst Fahrenheit! Antje: als wir gestern in Hamburg losgefahren sind, war es 1 Grad unter Null. Kurd: wir kamen 80 Minuten zu spät an. Zorah: but better late than never! Bernhard flüstert: how to speak or not to speak. Arno: kann es sein, dass alles, was man Shakespeare zuschlägt, auch von Shakespeare geschrieben ist? Dietlind: tja, es kann auch von einer Theatergruppe sein. Matthias: when shall we meet together again? In thunderlightning or hale, when the hurdygurdy is done. Das waren ´Die Hexen´ von Shakespeare. Antje: Aha, I´ve never heard about that. Kurd: mein Gerät ist jetzt wieder eingeschaltet. Bernhard: wie fährt man nach Afghanistan? Mit der Tali-Bahn! Karen: und wohin kommt man mit der Transsibirischen Eisenbahn? Sabine: kommt man da an Talin vorbei? Arno: vielleicht durch die korsischen Berge? Dietlind: nein, nein. Es geht durch den Ural. Matthias: nach Afghanistan durch den Ural? Und dann wie weiter? Ich will eigentlich gar nicht nach Afghanistan. Antje: ich war schon mal am Schwarzen Meer und hab da eine Panne vorgetäuscht, damit ich ein bisschen bleiben durfte. Ich musste eine ´Marschrut´ abfahren.Kurd: Marschrut ist russisch. Zorah: nemanie, nemanie. Bernhard: sagt auf russisch, dass er russisch spricht. Karen: Nastrowje! Sabine: Druschba! Arno: Druschba. Njet! Dietlind: Kakaija sewonje karoscha ja pagoda (?), Was für ein schöner Tag ist heute, übersetzt. Matthias: hört sich aber nicht so an. Alle lachen.

Antje: ich muss passen. Lachen. Kurd: und ich hab nicht´s mehr in dem Kasten. Zorah: mir passt das auch ganz gut. Bernhard: Butterbrot, Schlagbaum , niemietsky i ruskiasiek (?). Karen: als ich anfing zu studieren, da lagen in der Typo so Reste von Drucksachen. Eins habe ich mir mitgenommen und das hieß: Und dachte an die vielen Senfbrote, die er hatte essen müssen. Sabine: in Ungarn habe ich immer nur Schmalzbrote gegessen. Arno: warum denn ich? Mach doch du! alle lachen. Dietlind: Schmalzbrote kenne ich nur von Sylt. Matthias: Syltbrot? Schmalzbrot? wir haben hier ein kleines Sortierungsproblem, darum passe ich nicht so richtig auf. Antje: mit Problemen werden wir fertig. Kurd: es gibt keine Probleme, sondern nur Lösungen. Zorah: und Problemhöhen. Bernhard: es gibt keine Lösungen, es gibt nur Probleme. Karen: und was ist mit den gesättigten Lösungen? Sabine: Zuckerwasser ist schlecht für die Zähne. Arno: tja, das nützt nichts, wenn es schon zu spät ist. - Lachen daraufhin. - Dietlind: mein Großvater hatte noch mit 76 alle Zähne. Max, er war aber Konditor. Matthias: ist das der mit den Butterschiffchen? Alle rufen: ja! Antje: ich weiß nur: Freilein, was kost´ denn des? Und dabei stippte Max seinen Finger in ein Butterschiffchen und hielt es hoch. Kurd: und dann hat sich Großmutter immer geärgert. Zorah: ich würde natürlich gerne mehr von den Familiengeschichten hören, aber toll wäre es auch, wenn wir später vielleicht noch ´ne Runde in doppelter Geschwindigkeit machen, weil es dann noch intuitiver ist. Bernhard: ich denke auch, dass mein Vater mit 70 noch alle seine falschen Zähne hatte. Karen: ich gebe direkt weiter.

Sabine: ich finde Zähne ein gaaanz schwieriges Thema. Arno: vor allem sehr unerfreulich. Kann ich mich anschließen. Dietlind: Max guckte seiner Frau hinterher und sagte dann: ist das nicht ein schönes Weib? Matthias: das war der Max? War der Zahnarzt? Mein Zahnarzt ist ganz nett, der heißt ´Wolkenhauer´, und ich glaube, er ist ganz schön reich. Antje: mein Zahnarzt ist auch ganz nett und heißt Rosendahl. Zorah: Themenwechsel! Mein Steuerberater hieß Bettelmann. Matthias: wie hieß der? Zorah: Bettelmann. Nee, Bettelheim. Bernhard: der Zahn der Zeit, der schon manchem Fass die Krone aus dem Gesicht geschlagen hat, hat auch über diese Affäre Gras wachsen lassen. Karen: der Zahn der Zeit hat ein loses Gebiss. Sabine: Kampfhunde sind mir unsympathisch. Arno: tja, das ist des Pudels Kern. Dietlind: aber sie haben spitze Zähne. Sabine ruft dazwischen: ihr wollt nicht von den Zähnen weg! Alle lachen. Matthias: vielleicht kommen wir über Kampfhunde und Zähne doch zu Goethe. Antje: ich wollte grade zu Katzen kommen. Alle lachen. Matthias: Kampfkatzen. Sabine: Metalltiger. Kurd: ja, ja. Zorah: und ich wünsch mir jetzt das doppelt Tempo und dann Schluss. Bernhard: Ende gut, alles gut! Karen: gut, gut, gut, gut, gut! Sabine: gutural. Arno: ich bin nur gespannt, wie man das zusammenschneidet. Dietlind: da fällt mir nix mehr ein. Matthias: manchmal schadet das gar nicht. Antje: ei jei jei jei jei! Kurd: ich bin der Schluss! Zorah: ach so, Nur noch ein Wort. - Lachen - Bernhard: beim letzten Schnitt, mach ich nicht mit. Stefanie: Mitmach-Wunder. Karen: Mitmach-Runde. Sabine: rund. Arno dreizehn zwanzig. Dietlind: ich bin dabei. Matthias: ich auch. Antje: 13 ist meine Glückszahl. Kurd: es ist soweit. Zorah: 4711. Bernhard: ich ziehe andere Parfüms vor. Karen: 007. Sabine: 006. Arno: 008. Dietlind: 1, 2, 3. Matthias: 7 ist meine Glückszahl. Antje: es ist gleich halb 2. Kurd: 15. Zorah: Punkt. Bernhard: Komma. Karen: Doppelpunkt. Sabine: Fragezeichen. Arno: Doppelpunkt. Dietlind: Ausrufezeichen. Matthias: so weit haben wir es jetzt. (die Installation der neun Filmbilder auf dem Computer). Antje: ahh! Gedankenstrich. Kurd: entweder, oder. Zorah: Stille. Bernhard: Kierkegaard.
Antje: wir können aufhören! Es ist fertig.

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Matthias: was heißt fertig. Man kann was sehen. Steffi ist fertig.<-Link
Zorah: das sind ja schon unsere Sachen! Matthias zeigt auf den Bildschirm: es gibt keine Absprachen darüber. Das ist sozusagen der Schnappschuss der Situation. Bernhard: das sind wir? Zorah: das sind unsere Schnappschüsse. Und gestern wurde noch gezweifelt, was jetzt daran social sein soll. Wenn man es selber erlebt hat, dann begreift man, was es ist. Der Sound ist auch wichtig. Ein kollaborativer Schnappschuss. Stefanie: es gibt auch noch eine zweite Seite. Wir betrachten alle das Gemeinschaftsergebnis und geben unseren Kommentar ab. Karen: das Schöne ist ja daran, dass viele zufällige Sachen entstehen und zufällige Bezüge. Da entsteht sozusagen unendliche Vielfalt. Sabine: das Spannende für mich ist die Frage, ist das Zufall? Oder was wird da eigentlich über die Situation ausgesagt. Kurd: wir sagen, wir haben nicht nur den visuellen Sinn, den gustativen Sinn oder den propriozeptiven Sinn, sondern wir haben auch den Sozialitätssinn. Und der hat seine eigenen Valeurs. Die sind ja, weil man nicht gewohnt ist ihn zu beachten, unheimlich schwer wahrzunehmen.

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Und weil das hier jetzt ein Bild ist, guckt man es mit dem visuellen Sinn an.
Das ist, finde ich, ein Problem. Zorah: das ist bei Cadavre Exquis genauso. Man zeichnet zusammen und nachher guckt man sich das Ganze mit dem visuellen Sinn an. Der Sozialitätssinn und die Valeurs des Sozialitätssinns spielen gar keine Rolle mehr. Aber es dokumentiert in dem Fall. Das ist ja ganz normal, das man erstmal ´ist´ und dann zoomt man raus und reflektiert. Und dann zoomt man wieder ´rein und ist sozial. Man könnte ja genauso gut ´social life´ machen. Jeder spielt von seinem Handy eine soziale Interaktion raus. Matthias: das Wichtigste vom sozialen Interagieren ist Kontext. Auch wenn es nur dokumentiert ist, ist es ein Medium, das Kontext in den Vordergrund stellt. Es ist nicht ein Bild, sondern es sind viele Bilder, die eine Situation beschreiben, unterschiedliche Sichtweisen zulassen und dadurch Kontext von Vielen schaffen. Sabine: aber das Problem ist doch, dass das rein visuell ist. Ich habe Kurd jedenfalls so verstanden, dass er das als Problemfeld sieht. Und in der Kommunikation spielt einfach die Melange von den verschiedenen Sinnesausdrücken eine viel größere Rolle. Kurd: sozusagen ein Gesamtsinn. Man weiß ja, seit Scheurle, dass in jedem Fall immer alle Sinne zusammenwirken. Und Scheurle sagt, aber ein Sinn dominiert. Zorah: aber dazu muss ich sagen, wenn Facebook schon Social Network ist, warum soll das hier nicht auch ´social´ sein. Da treffen die Leute ja auch nicht direkt zusammen und haben körperlichen Austausch. Kurd: das wollen wir ja ´rauskriegen Wir können nicht einfach sagen, Social Web und das ist es schon. Matthias: meine Frage ist auch, wenn man sich jetzt absprechen würde, wäre das sowas? Das hier ist ja nur, um es kennenzulernen. Das ist ja mehr eine Information. Die Frage, die wir haben ist, in welche Richtung kann es denn jetzt gehen? Wenn Kurd sagt, visuell ist das nicht abzugreifen, was ich meine, wie geht´s denn dann? Wie sieht der ganze Komplex aus? Es ist ja nicht nur dieses eine technische Medium, worum es geht. Es geht ja sozusagen um uns. Und wie kommt das rein? Ich weiß es nicht, habe aber das Wunschbild, dass es sowas gäbe, damit ich das auch hinterher sehen kann. Kurd: aber das wollen wir ja jetzt hier rauskriegen. Deshalb sitzen wir hier. Zorah: ich sag nur ganz kurz was, weil ich nicht provozieren möchte. Wir sprechen von Millionen Menschen. Allein in Facebook sind glaube ich 500 oder 600 Millionen Menschen. Für die ist das social. Wenn´s für uns nicht social ist, aber für 600 000 000 ist es das. Wir sind hier 16. Matthias: für mich ist Facebook nicht social, ich quäle mich da ab. Zorah: wo liegt denn die Deutungsmacht. Es ist ja o.k., wenn´s für uns was anderes ist. Aber wir dürfen die Realität nicht verschieben. Matthias: ich möchte es aber erstmal für die Leute, die ich kenne, klären. Sabine: also die Deutungsmacht liegt doch immer da, wo ich für mich etwas deute, oder mit euch etwas deute. Es ist doch nicht so, weil 600 000 000 das als Social Net bezeichnen, dass es für mich ein wirklich soziales Netz ist. Ich habe mit Facebook auch Mühe.

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Kurd: vorn wir sind an einem schönen Punkt und jetzt ist schon wieder Schluss.
Antje: ne halbe Stunde haben wir noch. Kurd: aber dafür haben wir ja nachher ein Buch, wo wir das reinschreiben können. Sabine: ich glaube, dass das ein Werkzeug ist, dass das ein Kanal ist, der aber nicht die Präsenz ersetzen kann. Und ich glaube, dass es andere Werkzeuge gibt und dass es auch darum geht, vielleicht mit neuen Werkzeugen die durch Web 2.0 möglich werden, umzugehen. Aber ich glaube, dass es immer noch wichtig ist, sich auch tatsächlich im realen Leben zu treffen. Kurd: mir fiel bei dem, was du sagtest ein, es gibt Mitschnitte, die sind nicht die Konversation. Jetzt kommt ein Künstler und sagt, bezogen auf die Mitschnitte, ich mach es so, dass das Publikum mitgerissen und gefangen wird und glaubt, es war dabei. Und das wäre dann ein Bericht, oder irgend sowas. Antje: und was wolltest Du damit sagen? Kurd: ja, was ist es? Die Konversation selbst, die war hier ja da. Sie ist nicht weg, sie hinterlässt was, was nicht die Konversation ist, sondern ist die Spur, die sich abgesetzt hat. Zorah: für mich ist es ´ne soziale Skulptur, die ein soziales Event dokumentiert. Weil sie einen ganz wichtigen Parameter hat, sie ist kontextbezogen und sie zeigt, dass Vieles nebeneinander existiert, ein ganz wichtiger Parameter von Social Art. Sabine: ich würde hier den Begriff Dokumentation in Frage stellen. Das ist für mich keine Dokumentation. Matthias und Stefanie: nee, ist es nicht. Zorah: warum nicht? Matthias: das ist ein Augenblick. Zorah: aber es dokumentiert ja auch was. Sabine: bei mir ist die Infragestellung der Dokumentation so gemeint gewesen, dass ich finde, dass die Auswahl und die Zusammenstellung der Bilder schon ein eigenes Werk sind und nicht mehr eine Dokumentation. Kurd: also ein Dokumentarfilm ist eine Dokumentation und auch ein Werk.

Karen: für mich ist das ein Spiel. Antje: ja, für mich auch. Karen: und ein Ausprobieren dieser Methode. So ein erster Eindruck, was damit vielleicht möglich ist. Das, was Du die ganze Zeit gesagt hast, man muss es einfach mal machen, um überhaupt ein Gefühl dafür zu kriegen. Kurd: sind sich denn da wenigstens alle einig, dass es ein Werk ist? Sabine: Werkchen, vielleicht. Zorah: ich bin nicht wirklich einverstanden. Das sind ja alles spontane Ästhetiken. Wenn viele Leute an einer Sache partizipieren, dann kann jeder nur einen Satz sagen. Das ist auch ein Bestandteil des Sozialen. Da sind die Ästhetiken auch schneller. Und eine Auswahl war das im Grunde genommen auch nicht, denn wenn es konsequent gelaufen wäre, hättest Du es der Reihe nach, wie´s kommt, da rein gestellt. Stefanie bestätigt, dass sie das gemacht hat. Zorah: und der nächste Schritt wäre eigentlich, dass jeder ein Handy hat und wer was hochlädt, kriegt den nächsten freien Platz. Jedes Filmchen steht 10 Sekunden und dann muss es wieder Platz machen für das nächste. Das ist die neue Form der Dokumentation, dass sie spontan ist und intuitiv. Ich wollte nur sagen, dass da ästhetisch auch ein totaler Wandel stattfindet. Man hat kein durchkomponiertes Bild mehr, sondern ein Zufallsbild. Und das ist ganz, ganz wichtig, wenn wir darüber sprechen. Karen: also eigentlich so ein assoziatives Dokumentieren. Sabine: Schwarmintelligenz. Zorah: ja, die Grenzen lösen sich auf. Es gibt nicht mehr die Dokumentation, das Werk usw. Das löst sich alles auf und lässt sich auch gar nicht mehr so trennen. Kurd: da muss man bloß vorsichtig sein, dass man mit diesem Gedanken, der sehr plausibel und auch angenehm ist, nicht wieder reinflutscht in das, was der Commonsense für Kunst und Publikum, usw. hält. Das ist ja alles auch wieder für Publikum und das Problem ist, dass ich und Du und wir alle als Menschen Lösungen für das Leben, für die Praxis, fürs Zusammenleben finden müssen. Und nicht, dass wir mit der neuen Technik das machen, was wir immer schon gemacht haben. Das wäre jetzt mehr die Frage, wie komme ich zu neuen Formen. Und das ist wieder Werk für Publikum und nicht für uns selbst. Zorah: aber das ist doch nicht für Publikum. Leute, die jetzt nicht dran teilnehmen können, die können sich das im Internet anschauen. Matthias: nee, nee. Im Augenblick nur wir. Zorah: ich spreche jetzt von der theoretischen Form. Ihr könntet es online stellen und dann könnten die wieder irgendwo drauf klicken und wiederum ihre Gesprächskreise da reinstellen. Wenn ihr das weiterentwickeln würdet, so dass die Anderen da andocken können. Kurd: das gab´s in der Renaissance. Wenn du Pierro della Francesca nimmst, der hat Gesichter gemalt, die wie leer waren. Und da haben die Menschen dann ihre Freunde reinprojiziert. Diese Beschreibung gibt es für die leeren Köpfe. Bezaubernd! Man kann gar nicht verstehen, wie schön das ist. Aber das waren Projektionsflächen fürs Publikum. Zorah: das ist ein Missverständnis. Ich habe gemeint, dass die Anderen im Grunde genommen genau das machen können, was wir machen, aber angedockt auf uns reagieren. Bei Schnee hunderte Kilometer irgendwo hinzufahren, um lokal, physisch präsent zu sein, das ist ein unglaublich ausschließender Ansatz. Warum kann man nicht diesen anderen Ansatz nutzen. Ihr stellt das online - jetzt nur rein theoretisch - und die anderen treffen sich in Berlin, die nicht kommen konnten, oder irgendwo. Wenn ihr das online stellt und die Anderen vernetzen sich weiter, ist es in dem Sinne kein Werk mehr, sondern es ist ein Impuls für weitere Vernetzung.

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Matthias: rechts Kontext. Ich sag´s noch ein paar Mal: Kontext, Kontext.
Für mich ist es im Augenblick interessant in einem bestimmten Kontext. Du kannst es nicht einfach ´rauslösen, wie Kurd es macht. Er löst es raus und sagt, was ist es denn alleine? Das geht nicht! Es ist hier von uns für uns gemacht. Das ist der Kontext dafür. Kurd: wir haben ja auch das Problem mit dem Bilderchat. Natürlich gucken wir uns den nachher gerne an, und zwar die, die teilgenommen haben. Wir sagen, das ist die retrospettiva. So sehe ich das jetzt, was Du sagst. Wir gucken uns das hier an und für uns ist das schon was. Matthias: jetzt ist aber Zorahs Frage, wenn ich einen anderen Kontext habe, wie könnte es dann aussehen. Da habe ich keine Antworten.

Michael Kania aus Frankfurt kommt dazu. Wir hatten uns bei Stefan Beck im multi.trudi kennen gelernt. Arno: die ersten 20 Jahre nach dem Krieg, da hatte ich das Gefühl, dass die Menschen sich nach diesem unsäglichen Elend näher kommen. 1965 oder 68, da waren dann die Studentenunruhen und da hatte ich das Gefühl, der Zeit wird vorgeworfen, sie ist total verkrustet. Unfreie Menschen, und Frauen wurden unterdrückt. Alles war die Hölle. Aber ich glaube, das ist meine persönliche Überzeugung, dass die Menschen durch die viele Technik, die wir seitdem entwickelt haben, eben speziell Internet - ich habe 2000 Fernsehkanäle vom Satelliten zuhause -, sich so nicht näher kommen. Der Mensch hat immer schon gewisse Probleme mit dem Humanismus gehabt. Er ist nicht dazu gemacht, den Humanismus, wie er von den Denkern beschrieben wurde, zu verwirklichen. Aber ich denke, die ersten 20 Jahre nach dem Krieg war er weniger weit davon entfernt als heute, wo wir so unsäglich viele technische Kommunikationsmittel wie noch nie haben. Frage ist: wie nutzen wir die? Wir können mit dieser Vielfalt gar nicht umgehen. Das ist jetzt die Meinung eines inkompetenten Außenseiters. Karen: kann man das nicht als Frage in den Raum stellen, welche Erfahrungen hast Du, Steffi, damit? Ist das für Dich ein Medium, Anderen näher zu kommen? Stefanie: schwierig, weiß ich gar nicht so genau zu beantworten. Manchmal fühle ich mich denen auf einmal ein bisschen näher. Es kommt durchaus vor, dass da Kontakte entstehen auf der anderen Seite der Erde. Die werde ich wahrscheinlich niemals persönlich kennen lernen. Ich habe auch gar keine Stimme, ich habe kein Bild, ich habe nur diese schriftliche Kommunikation. Ich fühle mich denen manchmal nahe, also so´n bisschen befreundet, verbunden. Und dann verschwinden die wieder und andere Kommunikationen poppen auf und so gibt es immer ein kleines, vorsichtiges Netzchen aus leichten Fäden. Das löst sich dann wieder auf und wandert anderswo rüber. Also ich habe nicht wirklich das Gefühl, dass ich denen direkt nahe bin. Aber für den kurzen Moment, wo da was passiert, sind sie mir näher als andere. Im engeren Freundeskreis ist das Netz manchmal sehr hilfreich. Wir sind alle so´n bisschen chaotisch, haben nicht viel Zeit und sehen uns selten. Das heißt, wir schmeißen uns gern mal Nachrichten hin und her. Dann weiß man aha, die denken an mich. Ich würde sagen, so richtig verbunden ist man da nicht. Zorah: wenn ich da ansetzen darf. Ich habe vorgestern z.B. von wildfremden Menschen über Wikileaks ´ne Petition erhalten, dass ich unterschreiben soll und ich habe unterschrieben. Das heißt, mit wildfremden Menschen kann ich mich über die Vernetzung vereinigen, um einer politischen Idee zu entsprechen. Will ich mehr? Stefanie: aber ich finde, das sind die seltenen Ausnahmen. Normaler Weise hast du nur, dass jeder was reinschmeißt. Ob die Welt das hören will, ist was ganz anderes. Es wird auch sehr viel reingepackt, was, glaube ich, niemand interessiert. Und wenn ich dann jemand erreiche und sage, prima, wir machen mal irgendwas zusammen, dann verebbt das auch wieder. Das sind immer nur so ganz kurze, temporäre Momente. Vielleicht ist es sogar noch eine Kooperation, vielleicht aber auch nicht mal mehr. Das ist für mich nicht wirklich was.

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Zorah: aber das kann die Welt bewegen.
In den ersten paar Stunden 600 000 Unterschriften. Stefanie: ja, aber wie ich sage, dass ist nicht der Normalfall. Es ist nicht so, dass jede Sekunde eine Petition unterschrieben wird. Der Normalfall ist, es wird getwittert: ich bin grade auf´m Balkon und esse Müsli. Boah! Zorah: aber das ist dieses Schlechtmacherisch-Reden, wo ich ein bisschen zornig werde. Du kannst ja auch was Schlaues twittern. Wenn ich Twitter lese, in dem jeder sagt, was er macht, dann entscheide ich, was ich für wichtig halte und was nicht. Ich habe Twitter schon so hochintelligent erlebt. Das sind Argumente von Leuten, die nicht wirklich drinnen sind. Jetzt bin ich wirklich total gemein. Ich möchte gemein sein, weil ihr mir ständig mein neues, schönes Medium kaputt macht. Alle lachen. Stefanie: ich glaube, man kann es sehr intelligent nutzen und es kann Leute, auch über längere Distanzen sehr gut vernetzen und verbinden. Ich glaube, dazu ist es sehr gut geeignet. Im Kreis versichern wir uns grade, dass wir uns gegenseitig nicht die Meinung nehmen wollen und dass die Technik an und für sich nicht schlecht ist, sondern dass es darauf ankommt, wie wir sie nutzen.

Matthias: mir fällt noch ein Beispiel ein, das ich kurz zum Besten geben will. Ich war mal für die Hochschule in einem E-Learning-Konsortium. Da geht es auch um medienvermitteltes Studieren und aus Tradition ist Lernen für mich sozial gebunden. Da habe ich immer geschimpft über all die möglichen Kanäle, die da auf sind und die man nicht braucht. Dann ereignete sich in Hamburg der Studiengebühren-Boykott. Und auf einmal wurde ein Kanal genutzt. Das habe ich zum Anlass genommen, in diesem Konsortium zu sagen, schaut mal auf die sozialen Zusammenhänge. Also die Studierenden, die artikulieren jetzt ihre Interessen und organisieren sich über das Netz. Das ist doch ein schönes Beispiel für die Nutzung. Aber das wollte man nicht hören. Warum? fragen Einige aus der Runde. Matthias: na ja, weil es gegen die Institution geht. Die Institution hält die Hand auf für Kohle und da kommt ´ne Interessenvertretung. Mir ist in dem Augenblick klar geworden, da liegen möglicherweise hunderte von Kanälen, die mich nerven, aber es gibt dann wieder Ereignisse, Zusammenhänge und auf einmal geht es. Für mich ist es nicht der Kanal, um den es geht. Für mich ist es schon der Kontext, um nochmal d´rauf zu kommen. Und wenn da ein sozialer Zusammenhang ist, dann funktioniert es auf einmal. Aber ich muss dieses Zeug pflegen, das ist ja das Dumme. Ich kann nicht einfach sagen: schaff´s ab! Ich muss Erfahrungen sammeln, muss da Kultur ´rein probieren, wie auch immer. Und es kann sein, dass das langweilig ist, mühsam, nicht funktioniert, weil der Kontext nicht da ist. Ich habe zu Kontext noch eine ganz praktische Frage. Ich werde jetzt diese Filme löschen. Zorah: warum? Matthias: weil die nur für diesen Kontext waren. Antje: eine Möglichkeit wäre doch, da das ja alles im swiki dokumentiert wird, dass man da einen Link hinlegt, so dass das in dem Kontext erhalten bleibt? Matthias: das hier gibt es nicht im Internet. Das gibt es nur für uns auf diesem Gerät. Man kann für die Dokumentation einen screenshot machen- Dann ist das für mich eine Dokumentation davon. Aber der Ablauf selber ist für mich situativ. Die Welt ist so voller Datenmüll. Michael: das ist doch kein Müll! Man kann es mit dem Situativen auch übertreiben, dass man dann gar nichts mehr festhält und auf nichts mehr aufbauen kann. Das ist ja genau der Kritikpunkt. Deswegen ist eigentlich der Schritt nicht, zu diesem konsequenten Situativen hin, sondern zum Fortwährenden. Matthias: ich sage das ja nur mit dem Tenor, ich fühle mich dann besser. Antje: dieses ganze Gespräch wird ja im Swiki dokumentiert und dann wäre es ganz schön, wenn man wüsste, worum es geht. Matthias: ja, ja. Screenshot finde ich o.k. Antje: aber auch so´n kleinen Film. Alle lachen. Zorah: jetzt wird gedealt!

Bernhard: aber die ganze Diskussion jetzt setzt voraus: dass der Sinn des Lebens darin besteht, dem bestehenden Sinn noch etwas hinzuzufügen. Wie gering das auch immer sei. Kurd: und das andere verschwindet dann. Bernhard: nein! Ob das dann weniger wird, das Ganze, das können wir nicht wissen. Jeder gesprochene Satz ist ja ein Hinzufügen zu dem, was bisher gesagt worden ist. Ob das, was seit der Entwicklung der Menschheit gesagt wurde, dadurch abnimmt, gelöscht wird oder was, das wissen wir nicht. Kurd: das wissen wir nicht. Aber die Wissenschaft hat es ja damit zu tun, dass es nicht verschwindet. Nur fürs praktische Leben verschwindet es. Bernhard: es verschwindet nicht, weil jeder ein Gedächtnis hat. Wir sind so eingerichtet, dass jeder einen Zugriff auf das hat, was gewesen ist. Das ist das Gedächtnis. Arno: er hätte es. Aber Shakespeare, wer kennt den von den Jungen noch, wer kennt noch Molière? Dieses Wissen droht von der nächsten Generation vergessen zu werden. Wenn wir nicht in diesem Kontext sind, dann ist die Gefahr groß, dass wir uns verlaufen. Jede Generation will etwas hinzufügen, das ist legal und ist auch richtig. Aber ich finde es persönlich schade, wenn dabei das Kulturerbe unserer Väter und Großväter und Großmütter vergessen wird. Zorah: tut´s ja nicht. Wenn alles dokumentiert wird, ist es ja omnipresent. Arno: es nützt mir nichts, wenn ich es im Internet abrufen könnte. Ich kann es nicht abrufen, weil ich keine Zeit habe, weil ich so gehetzt bin, weil ich immer wieder was anderes mache. Zorah: dann musst Du auswählen! Arno: schau mal, wie unruhig die Leute heute sind. Vor allem die, die sehr viel und sehr lange im Internet sind. Wie die fast spastisch sind. Bernhard: man kann sie vergleichen mit den Gefangenen im Höhlengefängnis Platons. Die angeschmiedet sind, sich nicht mehr wenden können und die vielleicht auch gar nicht befeit werden wollen. Arno: ich sage das deshalb, weil ich leidenschaftlicher Anhänger der Kultur bin. Kunst und Kultur, und zwar in allen Bereichen. Und das ist alles erreichbar im Internet. Aber dazu nochmal die Frage, wer nutzt es, wenn es nur erreichbar ist? Müssen wir nicht auch noch etwas dazu tun, dass die Menschen wieder Zugang haben? Vielleicht indem das Neue mit dem Alten verknüpft wird. Zorah: das haben wir ja hier die ganze Zeit. Hier haben wir jemand, der aus alten Meistern zitiert in einer Runde, in der es um Social Software geht. Ich finde den Mix gut. Wenn diese Brücke da ist zwischen dem Alten und dem Neuen, und dann auch noch interaktiv ansprechbar, das finde ich toll. Kurd: wir sind ausgegangen von der Frage und unserem Wunsch, dass wir, so wie wir im swiki die Text- und Bild-Dokumentation haben, auch unsere heutige Filmkonversation dort einstellen möchten. Ihr sagt, ja, das geht. Nicht so unmittelbar, weil es nicht im Netz ist. Nun sage ich, das möchten wir eigentlich, um uns das Ganze wieder vergegenwärtigen zu können. Wir bitten Euch, uns zu helfen, dass das geschieht. Matthias: da gibt es eine Frage. Steffi hat grade Aufnahmen von dieser Seite gemacht. Die Bilder stehen, da laufen keine Bilder. Das ist das eine. Jetzt könnte man einen Film von dem Bildschirm machen. Das ist aber ein Film, keine Internet-Seite, das sieht niemand, aber ich weiß es. Das sind verschiedene Medien. Wenn ich Dir einen Film gäbe, müsste ich mir von Dir, Kurd, die Kritik gefallen lassen, dass es nur um´s Werk geht. Und mein Problem ist, dass ich auch lernen will, zu löschen.

Antje: es ist 10 nach 2 Uhr und vielleicht sollten wir langsam mal ans Schluss machen denken. Zorah: aber die Frage des Löschens ist auch ´ne ganz wichtige. Wir müssen jetzt nicht d´rüber reden, weil es schon so spät ist. Aber diese Social Networks, die funktionieren ja darüber, dass du nicht löschst. Darum ist das schön, dass Du das jetzt ansprichst, weil Löschen im Social Network eigentlich ein brutaler Akt ist. Zorah fasst noch mal zusammen: die Frage fand ich spannend. Genauso wie Bernhard, wenn er diese Zitate gebracht hat. Und dann diese Spiele hinterher. Die Gegensätze finde ich so wunderbar, weil einem dann die Grenzen, in denen sich ´Social´ abspielt, erlebterweise so schön bewusst werden. Oder - zu Arno - dass Sie ein ganz anderes kulturelles Verständnis haben als ich z.B. Die Unterschiedlichkeit, die wir hier haben, die ist unglaublich. Bernhard: wird noch ein Abschlusswort gewünscht? Kurd: wir waren bei der Frage, sind wir mit Fotos zufrieden oder sollten wir einen Film reinbringen. Ich denke, man sollte einen Film reinbringen. Matthias: ich habe da gar nichts zu sagen. Steffi hat das auf ihrem Rechner. Ich würde mich beim Film sehr unwohl fühlen. Ich will keine Filme verkaufen. Es wird eifrig hin und her diskutiert.
Wir landen bei einem ganz kleinen Video.<-Link
Antje: ich möchte das hier nicht endlos ausdehnen. Es geht schon auf halb 3 Uhr zu. Vielleicht noch ein kurzes Schluss-Statement.

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Bernhard: vieles Ungeheure gibt es, aber nichts ist ungeheurer als der Mensch.

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