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Mitschnitt vom 07.01.11

Autor: Mittschnitt und Fotos Antje Eske

07.01.2011. Konversation 14: Gibt es einen Unterschied zwischen Menschen und Maschinen? (Human Computer Interaction | Mensch/Mensch-Kommunikation)

Beteiligte: Kurd Alsleben, Julian Baumgärtner (Besucher), Alexandre Bouriant (Besucher), Wolfgang Coy, Tanja Döring, Antje Eske, Torsten Juckel, Tilo Kremer, Margit Rosen, Roland Schröder-Kroll, Axel Sylvester, 2 Besucherinnen, 1 Besucher

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Wir fangen mit einem kleinen konversationellen Spiel an,
das Antje einbringt. Jeder bekommt ein Blatt und schreibt einen Satz und das erste Wort des nächsten Satzes auf. Antje: und zwar darüber, was ihr für Vorstellungen habt, was ihr für Wünsche habt. Unseren Austausch hier betreffend oder auch ganz allgemein. Danach wird jeweils der Satz nach hinten geknickt, es ist immer nur das eine Wort vom nächsten Satz sichtbar und der oder die Nächste schreibt den Satz zuende und schreibt in die nächste Zeile wieder das erste Wort eines neuen Satzes. Danach wird der geschriebene Satz wieder nach hinten geknickt und das erste Wort des neuen Satzes weitergegeben, der wiederum vom Nächsten vollendet wird. Ein Besucher kommt hinzu. Antje: Ich erkläre nochmal, was hier vonstatten geht. Sie ruft laut in die Runde: möchte noch irgendjemand mitkonversieren? 1.Besucher: was ist denn das: konvertieren? !. Besucherin: bitte nicht. Antje: lacht. Sie erklärt den Vorgang noch einmal. Es kommen noch zwei Besucherinnen dazu, die auch in das Spiel eingeweiht werden.

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Eine ganze Weile wird in der Runde geschrieben. Von links: Wolfgang, Besucher und zwei Besucherinnen.
Die Blätter werden weitergereicht. Es herrscht eine angeregte und konzentrierte Stimmung. Schließlich sind die Blätter vollgeschrieben. Abwechselnd liest jeder dann das Blatt den Anderen vor, das zuletzt bei ihm gelandet ist.

Es fängt an mit: “Ich wünsche mir zu erfahren, wie andere mit dem Commonsense umgehen hinterher laufen, lernen nur die Bilder doch durch die Technik laufen sie auf jeden Fall schneller durch die Gemeinschaft, durch die Nutzung der vielen neuen Medien. Die Schnelligkeit bietet Risiko. Riskant. Übrigens was ist denn ein Risiko? Bereitschaft zum Risiko? Wieviel davon? Verwirrung sollte in diesem Fall nicht eintreten. In die Hallen der Verständigung. Ende & Anfang gehen ineinander über. Ringvorlesungen besuchen könnte helfen. Sonne, Regen, Schnee, Nebel - alles! Deshalb hilft Konversation. Vielleicht ist das so, vielleicht?
Wolfgang liest: Ich wünsche mir eine anregende Konversation. Aber wohin führen uns alle diese Gedanken, die unerwartet begegnen wir uns selbst. Trotzdem es nur Anschlüsse geben kann. Fortsetzung folgt. Das sagt sich leicht. Wieso ist es so,so. Es läuft weiter und weiter ... immer weiter, aber bis wohin? Konversationell und voyeuristisch betrachten wir die Themen sind oft nebensächlich. Hauptsache, der Text bleibt nicht nur lesbar, sondern auch verständlich. Gefühlssache kann es sein, hier am Tisch zu sitzen. See you later, alligator! Kurd geht´s ganz gut.“
Weiter geht´s: “Können wir mit Maschinen reden? Der Mensch, er strebt, solang er lebt. Der Mensch, als Konstruktion ist recht mangelhaft. Niemals funktionieren! Auf ein Ausrufezeichen muss auch etwas Wichtiges folgen, oder? Ich muss zugeben, dass ich nicht zugehört habe nur die klugen Menschen, die gelernt haben zu reflektieren. Der Spiegel ist das beste Beispiel eines entwickelten menschlichen Verhaltens. Verhalten ist unterschiedlich und spannend. Grenzerweiterung sollte in allen Lebenslagen die Wahrnehmung täuscht, aber was sonst? Bereitwillige Ergänzung - naheliegender Schluss.
Als Nächstes: “Maschinen sollen wie Menschen werden- Umgekehrt umgedreht möchte wissen, wie ich überhaupt wünschen kann man sich ja viel Mühe geben um was zu erreichen ist eine ganze Menge. Andererseits ist es fraglich, ob wir auf diese Art oder Gattung, Eigenarten? Politik als System ändert sich momentan. Verdrossenheit und Bosheit, na ja. Überall sollte es schön sein liegt auch im Auge der Betrachtung ist ein Synonym für Dirndl und Lederhosen sind nur bei jungen Menschen ansehbar, aber nicht verständlich.

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Als Nächstes: “Neue Einblicke in die Mensch-Maschine-Kommunikation wünsche ich mir.
Des Weiteren ist der Verlauf dieser Konversation ungewiss ist anregend. Aber nicht zuviel davon. Vielfalt und Fülle erwartet meine Seele. Die Seele lebt, aber nicht ohne den Körper. Geister dieser Zeit, leiht therapeutisch uns euer Ohr. Ohren, aber auch Augen täuschen schnell. Trotz allem scheint es Wünschen als Problem nicht zu geben oder auch zugegebenermaßen sollte es eigentlich gar nicht gibt es eine Lobby für die Bildung, was ihr jedoch sehr zuträglich wäre. In finanzieller Hinsicht, was im Übrigen nie betrachtet werden sollte. Aber wollte ich das auch? Ende des Ganzen!“
“Als Nächstes: “Ich suche und finde eine Station auf meinem Weg, den ich noch nicht kenne. Werde ich bis zuende gehen. Wohin wirst du heute gehen? 3 Könige nutzten das himmlische Navi. Freilich, wünschen tue ich ja sowieso nicht (oder doch?) So wichtig kann es dann aber auch nicht sein. Pferd reitet am Strand und wird von einer Öl-verpesteten Welle mitgerissen. Die Ölkrise ist die Matrix, wir können auch anders. Aber vielleicht doch ähnlich? Realität - was könnte das wohl sein? Wirklichkeit oder Realität? Vorwärts wohin zu riskieren und zu vertrauen ist wichtig. Wie ist es mit Glauben?“
“Als Nächstes: Streben nach Erfüllung erhoffe ich mir in dieser Runde. Mit Begeisterung erfahre ich diese Konversation, von der ich nicht weiß, was sie mir entfachen wird. Die Frage ist was? Ansinnen stellen werde, das ich gerade formulierte, jedoch ohne Sachkenntnis. Ohne weiteres kommen wir zum Hypertext. Links oder rechts, was soll das noch heißen? Frage: gibt es das Thema Folgeabschätzung noch? zu retten? Aber wovor sollte man sich retten? Sehr wahrscheinlich ist eine Rettung nur möglich, wenn nichts mehr zu hören ist außer dem Schweigen.“
Als Nächstes: “Unsere Welt braucht mehr Mut zu Individualität! Aber auch Gemeinsamkeit! Anregung durch dieses unerwartete Ereignis. Daher - woher - wozu? Einfühlung - wie Tuchfühlung also. Kontakt mit fremder Intelligenz, schön & gut. Gestern hatte ich viele Wünsche mir und Dir viel Lärm um nichts denkt man sich. Sich einmal ein neues Buch kaufen, kann sehr erweiternd sein für den gesunden Geist. Geistig ist was bleibt wenn alles verschwunden ist. Wohin? Weshalb? Wieso? Sinneskonstellation - Sinneskonstellation gilt wie Sternkonstellation nur im menschlichen Gehirn. Aber auch Gefühl! Beides ist wichtig war immer die Sache selbst.“

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Als Nächster liest Tilo:
“Ein langes und glückliches Leben mit Bewusstsein, Klarheit und Bescheidenheit ist eine Zier. Doch es ist noch nicht genug gesagt. Wer zählt die Sterne? Niemals wirst du im Paradiese ankommen. Schlangen, aber eigentlich nur Würmer waren überall. Keineswegs so wie geplant ist aber leider nichts im Leben kann jeder ist beteiligt, keiner ist außen vor. Menschen alles Nationen sind beteiligt, Der Grund genug, aufzuhören! Ermüdung kann eintreten nach langen Wanderungen. Berg, wer soll das lesen? Ach so!“
Letzter Text: “Was sollen wir nun hierzu sagen - liebe Brüder. Was übrig bleibt ist immer ein Anfang. Wieso ist alles immer so, da haben wir den Salat, denn ohne Dressing ist auch das Leben etwas fad wird die Individualität vieler Menschen. Eine Rückbesinnung in sich hinein rückkehren, wiederkommen, neu anfangen. Rechthaberei und Egozentrik sind die Sünden der Menschen - Taten der Götter. Abschiede seien die kleinen Tode. Ende des Tunnels seh´ ich nicht. Aber andererseits geht es doch meist anders als man denkt. Fazit: Nichts denken!“

Besucher: gibt´s noch Folgeabschätzung? Wolfgang: interessante Frage. Eher nicht. Natürlich gibts das. Es gibt den Technikfolgeabschätzungs-Ausschuss des Bundestages, natürlich. Und man muss fairerweise auch sagen, dass die Idee, darüber nachzudenken, was aus einer neuen Technik wird, sich doch ein bisschen verbreitet hat. Also es ist nicht ganz so, dass jeder sagt: toll, das kann ich ja im Labor, also soll die Menschheit damit beglückt werden. Aber was rede ich. Wenn Dioxin halt billiger in das Hühnerfutter zu bringen ist, dann ist die Folgeabschätzung völlig egal. Besucher: wobei es ja eigentlich kurzsichtig ist. Wolfgang: ja, wenn es auffliegt, ist es bei Betrug immer schlecht. Also Lügen ist dumm, weil man alles behalten muss, was man falsch gesagt hat. Wahrheit reden ist einfacher. Und Betrügen ist dumm. Wenn es auffliegt, hat man richtig Ärger, vielleicht. Tilo: vielleicht ist die Zeit für Lügen auch so langsam zuende. Antje; hej, woraus schließt du das? Tilo: die Lügen, die halten alle nicht mehr so lange. Antje: hielten die früher länger? Tilo: viel länger! Antje: ist mir noch nicht aufgefallen. Tilo: das fällt mir im Moment so auf. Antje: hast du ein Beispiel? Tilo: Politik, oder .. Antje: ach so, wegen der Veröffentlichungsgeschichten. 1.Besucherin: klar, klar! Man kann nicht mehr so leicht lügen. Alexandre: aber andererseits verliert das auch an Wert. Wenn heutzutage ein Politiker lügt, hat das keine Auswirkung darauf, ob er von den Menschen gewählt wird. Er wird nicht schlechter gewählt. 1.Besucherin: ja, das eine schließt das andere nicht aus. Alexandre: das spielt überhaupt keine Rolle, fast wird es positiv angesehen. 1.Besucherin: ja, der muss lügen. Sonst wird er nicht gewählt. Wenn ein Politiker die Wahrheit sagt, wird er nicht gewählt, weil er den Menschen die Matrix vorspiegeln muss durch seinen Beruf. Der Beruf des Politikers ist nicht gut.

Kurd: ich habe nochmal eine andere Frage. Kann man überhaupt wünschen? Geht das überhaupt? Nehmen wir mal an, ich wünsche mir was. Wenn das eintritt, kenne ich ja nicht das Umfeld. Wie das dann sein wird. Es kann doch nicht sein, dass wünschen keinen Sinn hat. 1.Besucherin: Wünsche sind der Motor der Seele und des Menschen. Wenn man Wünsche hat, ist man erwärmt, erhitzt. Alexandre: aber wünschen ist eine Gehirnvorstellung. Es gibt auch Impulse, die sind weniger durch das Gehirm geschaltet. 1.Besucherin: ja, das ist Intuition. Alexandre: das greift vielleicht mehr direkt ins Leben. 1.Besucherin: ich denke, Wünsche sind der Motor für alles. Für das Leben, für den Fortschritt. Wolfgang: Norbert Wiener schreibt in der Kybernetikgeschichte über den Menschen, der sich Geld wünscht. Es klingelt an der Tür und draußen steht jemand und sagt: ich bin von der Versicherung. Ihr Sohn ist grade tödlich verunglückt und sie kriegen jetzt das Geld. - Entsetzensschreie aus der Gruppe. Wolfgang: und Norbert Wiener schreibt, das mit dem Wünschen sei eine schwierige Sache. Libuše Moníková hat in einem Essay darüber geschrieben: wir brauchen eine Wünschbarkeits-Lehre. Ich glaube, das wäre die Antwort. Aber ich habe keine Wünschbarkeits-Lehre. Ich weiß auch nicht, ob´s eine gibt. Wir riskieren unglaublich viel, wenn wir uns was wünschen. Alexandre: für mich ist es die Wurzel vom Unglücklichwerden. Wenn ich nichts wünsche, dann ist alles offen. Ich habe keine Vorstellungen und alles was kommt, ist ein Wunder. Wenn ich aber was wünsche, und dann passiert was anderes, dann bin ich automatisch enttäuscht. Das ist für mich die Wurzel unseres Menschenübels, dass wir zuviel wünschen. Wolfgang: also Handke hat dieses schöne Buch über seine Mutter geschrieben. Das heißt: Wunschloses Unglück. Er beschreibt seine Mutter, eine Bäuerin, oder Magd in den Bergen, die nicht weiß, wieso sie so unglücklich ist. Sie hat aber auch keine Wünsche mehr. Das ist ein sehr trauriges Buch. Das Leben hat sich von den Wünschen entfernt. Es ist eben nicht das wunschlose Glück, sondern ein wunschloses Unglück. Antje: aber jetzt ist man ja total zwiegespalten. Du hast eben das Beispiel mit dem Vater erzählt und nun das wunschlose Unglück. Was möcht´ ich denn jetzt? Wolfgang: das ist eine hochgefährliche Geschichte mit den Wünschen.

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1.Besucherin vierte von links: Sie beschreiben den Idealfall, Alexandre. Ich bin ohne Wünsche.
Alexandre: ja, da sind wir noch nicht. Wir sind meistens ganz, ganz weit entfernt davon. Antje: kommen wir dahin? Torsten: wollen wir dahin? 1. Besucherin: wenn wir allem entsagen, und das tun wir nicht, dann kommen wir dahin. Und keiner von uns tut es! Torsten: ohne Wünsche ist man ja wirklich nichts mehr. Das wäre das Ende auch der Menschheit. Denn die Wünsche sind ja die treibende Kraft. Ohne Wünsche würden keine Wissenschaftler forschen, würde gar nichts mehr an Innovation kommen. Natürlich kommt durch Wünsche auch was Schlechtes raus. Alexandre: ja, es gibt vielleicht auch den Bedarf ... Torsten: aber wenn man keine Wünsche hat, hat man auch keinen Bedarf. Denn man ist zufrieden mit dem, was man hat. Tilo: Leiden funktioniert auch gut als Antrieb. Wolfgang: wenn man keine Wünsche hat, ist man nicht zufrieden. Handke weist ja im ´Wunschlosen Unglück´ d´rauf hin. Die Frau ist nicht zufrieden. Sie ist unglücklich. Aber sie hat auch keine Wünsche mehr. Antje: ich hatte grade die Vorstellung, wenn man eine bestimmte Offenheit hat, alles aufnehmen kann und von manchen Sachen sehr erfreut oder darüber sehr zufrieden ist, würde das nicht auch glücklich machen? Da würde ja auch reinspielen, dass man nicht enttäuscht ist. Irgendwas kommt, was man nicht erwartet hat. Wow! Das ist ja toll! 1.Besucherin: wie die Menschen im Paradies, bevor der Tourismus einbricht. Sie sind glücklich. Sie haben keine Bedürfnisse. Dann kommt Internet, Tourismus, ... Alles kommt dazu. Besucher: Da hat man ja Wünschen gleich Erwartung gesetzt. Ist das wirklich so dasselbe? Antje: ja, es hat sich manchmal so angehört. 1.Besucherin: ich denke, dass fast alle unter ´Wünschen´ wahrscheinlich was Verschiedenes verstehen. Die einen haben es mehr im Sinne von ´Erwartungen´, die anderen mehr im Sinne von ´Sehnsucht´, andere auch im Sinne von ´Gier´ gebraucht. Was sind Wünsche eigentlich? Sehnsüchte? Oder Begierden? Antje: oder nur einfach Antrieb? Besucher: man könnte ja eine Reichweite der Wünsche aufmachen. Es muss ja nicht gleich global die ganze Menschheit betreffen. Man wünscht sich eine warme Dusche und eine gute Tasse Kaffee, wenn man morgens aus dem Bett kommt.

1.Besucherin: also ich denke, Handke hätte auch schreiben können ´Sehnsuchtsloses Unglück´. Wolfgang: Sprachgefühl! 1. Besucherin: Hermeneutik. Tilo: ich glaube, so ein Zustand von ´wo nichts passiert´, ´wo man sich nichts mehr wünscht´, den man als statisches Equilibrium begreift, der kann überhaupt nicht glücklich sein. So wie ich das wahrnehme, liegt eine analoge Wahrnehmung immer in der Veränderung und nicht darin, dass ich einen statischen Zustand habe und darin plötzlich was fühlen sollte. Das heißt: wenn ich was als ´heiß´ wahrnehme, dann dadurch, dass plötzlich irgendwo was wärmer wird. Dann habe ich eine Möglichkeit, was zu fühlen, was wahrzunehmen. Glück sozusagen wahrzunehmen als´ich sitze jetzt hier in diesem Paradies und muss per Definition glücklich sein, weil sich nichts verändert´. Das funktioniert glaube ich nicht. Torsten: also man kann es nur im Vergleich zu was Anderem gut einschätzen? Tilo: in der Veränderung. Wolfgang: na ja, buddhistische Mönche würden das vielleicht schon als einen Weg sehen, um dahin zu kommen. Und auch als einen Wunsch, keine Wünsche mehr zu haben. Tilo: ich wollte nur das Statische dabei ein bisschen mit Fragezeichen versehen. Das glaube ich nach wie vor nicht. Ich glaube auch, dass bei buddhistischen Mönchen irgendwo eine Bewegung d´rin ist. Alexandre: ja, selbst wenn es keine Bewegung bei mir gibt, die Welt geht weiter. Es gibt ständig Bewegung. Antje: ja, das meine ich auch. Es ist doch nicht statisch, wenn ich mich auf die Welt einlasse. Dann habe ich immer die Wahl: hej, das mache ich! Und ich bin dann ganz erstaunt, was dabei rauskommt, ohne dass ich es mir vorher gewünscht habe. Das ist doch dann nicht statisch. 1.Besucherin: statisch für den Betrachter. Die sehen und entscheiden die Statik der Menschen, die vielleicht das gar nicht so empfinden. Tilo: ich war vielleicht ein bisschen provokant. 1.Besucherin: ich vielleicht auch. Aber das ist ja grade das Schöne: die Provokation. Wunderbar! Tilo: dieser Wunsch, glücklich zu sein als ein statisches Ziel, das war das, was ich ein bisschen karikieren wollte. Julian: also das Glück auf Dauer gestellt? 1.Besucherin: gibt es Glück auf Dauer? Julian: eher Zufriedenheit. Glück ist ein Moment und Zufriedenheit ... 1.Besucherin: Zufriedenheit ist wunderbar. Alexandre: genau. Man kann traurig sein und gleichzeitig zufrieden. Julian: eigentlich strebt man ja eher Zufriedenheit an. Glück ist zu kurzfristig. Besucher: aber wäre Zufriedenheit - jetzt einfach mal provokativ - nicht einfach der Fatalismus als ´Glück im Winkel´? 1.Besucherin: wenn der Fatalismus der Person, die ihn ausübt, gefällt, ist sie auch glücklich und zufrieden. Besucher: lebt man dann noch? 1. Besucherin: die Person, ja! Der Betrachter würde sagen, nein! Alexandre: aber ist Fatalismus nur das Annehmen des Äußeren oder ist es auch die Passivität des Individuums. Wie verstehen Sie das? Besucher: man kann Fatalismus verstehen als Ausgeliefertsein an die Bedingungen, die Verläufe, die Prozesse, die einem entgegen kommen. Wie wenn man selber stillstehen würde und das Leben läuft an einem vorbei, ohne die Möglichkeit einzugreifen. Fatalistisch! Man nimmt es hin. Alexandre: ganz ohne Reaktion? Antje: was wäre denn, wenn man sich ohne Wünsche dem ausliefert, aber dann doch auch immer Entscheidungen trifft. Was wäre das? 2.Besucherin: ohne Wünsche Entscheidungen treffen, geht das? 1.Besucherin: das ist das Ideal der Seelenruhe. Die Stoiker, also von Xenon, zum Beispiel, gibt es eine berühmte Anekdote: nach einem Schiffsbruch, wo er alles verloren hat, sagt er: das Schicksal will, dass ich mich noch mehr der Philosophie widme. Das ist Fatalismus, aber auch eine Entscheidung für das Fortsetzen einer Grundhaltung. Alexandre: also integriert in seine Entscheidung. 1.Besucherin: Fatalismus kann auch eine Charaktereigenschaft sein. 2.Besucherin: dann wäre es ja angeboren. 1.Besucherin: ja! So wie Schwermut, so wie positiv denken, ... Besucher: also ich wünsche nichts, ich erwarte nichts, ich bin frei, sagt der Autor von Alexis Sorbas. Antje: aber was heißt angeboren? Ich meine, man entwickelt doch auch durch seine ganze Geschichte Eigenschaften. Das heißt, die sind nicht unbedingt angeboren, sondern durch die Umstände erworben. 1.Besucherin: aber Fatalismus ist, meine ich, auch etwas was man erwirbt. Etwas was man sich erarbeitet, wenn man den Begriff positiv versteht, oder was man resignativ über sich verhängt, wenn man den Begriff negativ versteht. Also fatalistisch wird kein Wesen geboren. Antje: deswegen fand ich angeboren auch nicht so passend. 1.Besucherin: es war nur eine Rückfrage. 2.Besucherin: ich bin die Quelle dieser Verwirrung, weil ich einfach behauptet habe, es werden Menschen geboren, die auch fatalistisch sind. 2. Besucherin: das meinte ich eben nicht! Antje: ich schließe mich dem an. Besucher: vielleicht ist eine Maschine fatalistisch? Leidenschaftslos.Antje: jetzt sind wir bei Maschinen angelangt.

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Alexandre vorne links: ich sehe positiven Fatalismus als die Art und Weise, mich zu fragen, was ist daran das Gute, wenn etwas auf mich zukommt, das ich zuerst gegenüber meinen noch übrigen Wünschen nicht als optimal bewerte.
Aber da braucht man erstmal Bewusstsein und Denken. Also eine Maschine kann das nicht. Kurd: mal was Schlichtes dazu: wenn man sagt, die Technik entwickelt Dinge oder die Maschinen entwickeln sich und die Elektronik entwickelt sich und ich muss immer darauf reagieren. Er wäre ja auch fantasierbar, ich wünsche mir dies und dies und erteile dem Ingenieur den Auftrag: mach mir das. So ist es ja zur Zeit nicht. Bei Brecht gibt´s eine Stelle, wo das auch angesprochen wird. Also dass etwas geschieht, ohne dass es ausdrücklich gewünscht ist. Besucher: etwa durch Zufall? Kurd: jaaah ... Antje: oder durch höhere Interessen, Menschen die Macht haben und dadurch ihre Interessen durchsetzen, was entwickeln lassen, das wir dann ordentlich bezahlen müssen, damit wir es bekommen. Die uns auch den Wunsch einimpfen und wir schmeißen dann das Geld ´raus. Aber ich dachte grade noch, auf Kurd bezogen, dass ich mir das sehr kompliziert vorstelle, wenn jeder die Möglichkeit hätte, seinen Wunsch an irgendeinen Ingenieur zu vermitteln. Sowas kann ich mir grade gar nicht vorstellen. Kurd: das hast du doch auch gesagt. Wenn es Interesse gibt und das Interesse von genug Vermögen getragen ist, dann kann es doch geschehen. Besucher: das skizziert so ein bisschen den Gott in der Maschine. Also deus ex machina als programmierte Wunscherfüllung, als programmiertes Glück. Antje: wir brauchen unbedingt eine Maschine, um glücklich zu werden. 1. Besucherin: haben wir doch, das Internet! Torsten: das IPhone. Ein Mann hat gesagt, die ganze Welt soll eine Sprache sprechen. Der Wunsch und er wurde wahr. Margit: aber wenn ich nochmal auf den Auftraggeber zurückkommen kann: es gibt natürlich Bereiche, wo sozusagen die Konsumenten, die normalerweise nicht an der Entwicklung beteiligt sind, zu Auftraggebern werden. Zum Beispiel Leute, die sich zusammenschließen, wenn ihr Kind eine spezielle Krankheit hat, die nicht erforscht wird. Da gibt es Gruppen, die sich dann international bilden und die auch Geld sammeln und diese Forschung in Auftrag geben. Das gibt es auch im Bereich der Landwirtschaft. Dass bestimmte Bauern, die eigentlich nicht mit der Entwicklung beschäftigt sind, sich dann zusammenschließen. Das ist natürlich nicht der Regelfall, aber im Prinzip gibt es das. Antje: ja, so könnte ich mir das auch vorstellen. Wenn diese Aufträge nicht ganz privat kommen, sondern wenn es Gruppeninteressen gibt und die Menschen sich dann zusammentun.

Wolfgang: also es gibt ja in der Technik prinzipiell zwei Wege, wie etwas entsteht. Entweder ´push oder pull´. Entweder hat einer eine geniale Idee und sagt: das will ich jetzt unbedingt umsetzen und jetzt stinkt´s aber es rollt und hat keine Pferde vorne dran: nennen wir Auto. Das wäre eine Pull-Technologie. Oder aber das Umgekehrte: es gibt einfach das Gefühl, mit dem, was da schon existiert könnte man doch auch .... und dann fängt einer damit an, der Nächste probiert´s. Das ist das, was wir im Moment ganz stark im Umfeld von Computer und Netz erleben. Wir haben eine Basistechnologie, die aber eine riesige Projektionsfläche ist. Es ist ja nicht so, dass wir weder die Netze noch den Rechner mit einem klaren Ziel entwickelt hätten. Da haben Leute Ziele gehabt, da gab es Aufträge. Manche waren olivgrün uniformiert dabei, andere hatten tolle Ideen. Die Bundespost hatte solche Ideen mit BTX. Das war Push-Technologie. Dann ist aber in diesem akademischen Umfeld das Internet aus dem militärischen entkommen und ist missbraucht worden, sozusagen. Leute haben sich alles Mögliche ausgedacht. Du sitzt grade unter einer Liste, wo ich dauernd lese, was es alles so gibt (Wolfgang meint eine der Schautafeln über die Social Web-Entwicklung). Auf dieser Liste stehen ganz viele Sachen, die einfach auf Zuruf passiert sind. Wo jemand gesagt hat, das können wir doch, probieren wir das! Das ist die spannende Situation, in der wir sind. Auftraggeber in dem Sinne gibt es nicht, aber es gibt Leute, die probieren es. Hacker oder wie immer man sie nennen will. Die probieren es einfach und es geht. Das ist eine neue Situation, dass man mit Technik so umgehen kann. Die ist erst 30, 40, 50 Jahre alt. Einzeln hat es das vorher schon gegeben, aber dass wir so eine Projektionstechnik haben, wie diese Mikroprozessoren und die Netze, das ist schon eine neue Situation. Und da brauche ich keinen einzelnen Auftrag mehr. Also der Kunde geht nicht hin und sagt: ich will das von dir, sondern der Kunde sagt: ich überlege mir mal, wie das gehen könnte und ich zeige dir das mal. Und dann kommt jemand anderes und sagt: das kannst du aber noch besser machen. Die Power dabei entsteht eigentlich in der Gemeinschaft. Tilo: auch in den nicht wirklich funktionierenden Einzelteilen. Wolfgang: aber das ist nicht so schlimm. Tilo: das ist super! Wolfgang: Wenn der erste Ansatz nicht geht, kommt jemand und macht´s besser. Tilo: ich sehe das eher als Störung, die Sachen ´reinbringt, auf die man vielleicht selbst nicht gekommen wäre. Also von mir aus im Sinne eines Gen-Defektes, den man positiv sehen kann. Wolfgang: es entsteht viel Unsinn dabei, das ist ja klar. So lange er nicht sehr schädlich ist ... Tilo: ich sehe das eher wie ´ne Evolution. Es mag Sachen geben, die funktionieren und es mag Sachen geben, die gar nicht funktionieren und damit dann auch nicht weiter benutzt werden. Aber jegliche Art von Missbrauch oder Fehlfunktion hat auch das Potential, dass daraus wieder was anderes entsteht. Wolfgang: Missbrauch war von mir mit ganz großen Anführungszeichen gesagt. Friedrich Kittler hat diesen Satz furchtbar gern: “Der Rundfunk sei durch Missbrauch von Heeresgerät entstanden.“ Was historisch nicht stimmt. An der deutsch-französischen Front haben die ihre Funksender Weihnachten zusammengeschlossen und haben Weihnachtslieder über die Funksender geschickt. Eigentlich war es für Sprechfunk gedacht und dadurch ist der deutsche Rundfunk entstanden an der deutschen Front, wenn man so will. Ich will jetzt Friedrich nicht zu nahe treten, wenn man historisch weitersucht, war es anders. Aber es gab diesen Missbrauch von Heeresgerät. Es steht auch tatsächlich in einem Tagesbefehl, dass das zu unterlassen sei, weil es die Franzosen ebenfalls hören. Das gab es ja, dass es an der Front plötzlich gemeinsame Weihnachtsfeiern gab in diesem furchtbaren Stellungskrieg. Und wo soll das hinführen. 1.Besucherin: und dann schreit ein Verblendeter: es ist wieder Krieg! Und schon ist wieder Krieg. Kurd: wo soll das hinführen. Was mag das wohl heißen?

Wolfgang: tut mir leid, das ist jetzt nicht mehr die Wünschbarkeitslehre. Oder vielleicht wäre es sehr wünschbar, dass die Leute gemeinsam Weihnachten feiern. Andererseits: Weihnachten als soziologisches Urübel, Quelle aller Scheidungen. Das ist nun wieder ´ne andere Sache. 1.Besucherin: wie verstehen Sie das denn: gemeinsam Weihnachten feiern? An einem virtuellen Ort, alle Nationen dieser Welt? Oder wie gemeinsam? Wolfgang: an einer Front, die einen Grabenkrieg macht und sich wechselseitig Giftgranaten über diesen Graben schickt. Wenn die gemeinsam Weihnachten feiern, dann ist, glaube ich, ein Schritt nach vorn gemacht worden. 1.Besucherin: auch wenn das nur ein kleiner Bereich ist. Denn alle sprechen ja von Weltfrieden und in der Familie ist kein Frieden. Wolfgang: das ist der Zeitpunkt, wo die meisten Scheidungen entstehen. Antje: das wusste ich noch gar nicht. Wieso? Torsten: weil die Familien aufeinander hocken. Wolfgang: die Leute haben endlich Zeit. Margit: und Morde. Bei Scheidungen dachte ich, das wäre jetzt euphemistisch gemeint. Gewalt in der Familie über die Feiertage ist auch sehr populär. 1.Besucherin: immer wenn man nicht abgelenkt ist durch seinen Beruf, wird man konfrontiert mit dem Ich und mit dem Anderen und dann geschieht das. Das heißt, es hat eigentlich nie gepasst, aber durch die Ablenkung hat es lange funktioniert. Alexandre: Weihnachten ist ein Katalysator. Antje; da kriege ich ja ´ne Gänsehaut. 1.Besucherin: so leben viele! Über 80 % vielleicht. Das ist aber nicht schlimm. Man soll sich nur nicht umbringen. Wer passt schon ideal zum anderen. Das ist ja eine Aufgabe. Man muss ewig Kompromisse schließen. Tag für Tag. Antje: ja, aber das ist ja auch das Schöne, finde ich. Alexandre: ich bin gar nicht sicher, dass es das Schöne ist. Antje: ich aber. Alle lachen. 1.Besucherin: es ist eine Aufgabe, sagen wir es mal so. Alexandre: ja, das kann man sich als Aufgabe stellen. Ich hab´s auch versucht. Nicht sehr lange. Die Idee ist eigentlich, wenn man zu seiner besten Individualität kommen will, dann darf man keine Kompromisse machen. Dann gliedert sich das Leben um die eigene Linie und man kommt dann mit den richtigen Leuten zum Ziel. Wenn man festlegt, dass man das mit einer bestimmten Person machen will, dann geht es gar nicht. Und dann muss man die Kompromisse eingehen. 1.Besucherin: das heißt, der Single hat die besten Bedingungen. Alexandre: ja, definitiv! Kurd: du bist ja unter mehreren Personen. Du bist nicht bloß mit einer Person zusammen. 1.Besucherin: und dann kommen die Kompromisse wieder zum Tragen. Antje: ja, da frage ich Alexandre, wie das ohne Kompromisse geht? Torsten: wenn man keine Kompromisse eingehen möchte, dann wechselt man. Das ist die einfachste Entscheidung. Alexandre; ja, eben, wenn die Kompromisslosigkeit sich mit der Gesellschaft oder den Leuten, die da sind, nicht verträgt, dann muss man halt weitergehen. Antje: aber das würde doch bedeuten, dass man von vornherein fertig ist und keine Kompromisse macht. So! Alexandre: nee, nee, das kommt mit der Zeit, dass man immer kompromissloser wird. Das ist lange Übung. Alle lachen. 1.Besucherin: genau so ist es! Alexandre: ich möchte dazu mein Lieblingszitat einbringen, das ein großer indischer Meister gesagt hat: wenn heiraten gut wäre für den Menschen, dann hätte Gott wohl eine Frau. 1.Besucherin: oder Woody Allan hat gesagt, man heiratet nur, um die Probleme zu lösen, die man nicht hätte, wenn man nicht verheiratet wäre. Das kann man alles so oder so sehen. Das ist Zynismus, aber er hat das gesagt. Julian: es ist doch erwiesen, dass man zufriedener ist, wenn man in einer festen Partnerschaft lebt. 1.Besucherin: es ist gesünder. Man lebt länger. Julian: und die Menschen sind auch zufriedener. Ich weiß nicht, ob es so ist, aber das ist meine Information. Alexandre: also wenn ich überlege: die meisten Leute, die ich sehe, und die verheiratet sind, die scheinen mir durchschnittlich weniger glücklich als ich. Julian: es geht nicht um verheiratet sein. Eine kinderlose Partnerschaft, das ist das, wo man langfristig am zufriedensten ist. Margit: am längsten leben Männer allerdings, wenn sie ins Kloster gehen. Es gibt die sogenannte Klosterstudie, wo man untersucht hat, ob das statistisch kürzere Leben von Männern genetisch bedingt ist oder nicht. Und die Menschen, also die Nonnen und Mönche, die lebten plötzlich gleich lang. Julian: vielleicht, weil die sich dann mal gesund ernähren. Männer an sich ernähren sich ja ungesund und im Kloster dann vielleicht mal gesünder. Torsten: weil sie die ganze Zeit nur Bier trinken. Alexandre: beziehungsweise, man kann denken, dass die in solchen Klostern eine andere Nahrung haben, nämlich die geistige Nahrung. Julian: ja, dass sie einen besseren Einklang zwischen Körper und Geist haben. 1.Besucherin: aber auch geistige Getränke. Die Benediktsregel sagt, man soll jedem soviel geben, wie er verträgt. Alle lachen. Wolfgang: das ist die goldene Regel des Saufens. 2. Besucherin: ja gut, der Abt muss das dann natürlich ein bisschen hierarchisch regeln. Kurd: aber dafür gibt´s doch kein Maß, das ist ja dann vom Kontext, also vom Commonsense abhängig, was der Abt sagt. Also da glaube ich nicht dran, dass man das statistisch feststellen kann. Denn das ist ja ein ganz begrenzte Betrachtung, ein begrenzter Fokus. Das wird dann gezählt und was sonst noch einwirkt, das wird gar nicht berücksichtigt. 1.Besucherin: trau nur der Statistik, die du selber gefälscht hast. Jede Statistik ist anzuzweifeln, egal welche. Antje: die will ja was Bestimmtes beweisen. 1.Besucherin: immer die drei Worte: wem nützt es?

Kurd: jetzt habe ich nochmal ´ne Frage. also Wiener wurde hier ja schon erwähnt und der sagte: alles messen, was messbar ist und das nicht Messbare messbar machen. Und dann kam - so weiß ich das - die Frage, wie sollen wir es denn messbar machen? Wie soll das denn gehen? Mit der Statistik! Da geht alles, da kann man dann auch das Unmessbare messbar machen, was ja ein bisschen bekloppt ist, denn das geht ja nicht. Das Nichtmessbare, das kann man ja nicht messbar machen, denn dann ist es doch messbar! Und dann kam so um 1960 die Statistik auf, vielleicht auch 1970? Und die entwickelte neue Methoden. Egal, sie kriegte einen unheimlichen Aufschwung. Ich entsinne mich noch an einen Psychologen, Haseloff, der darauf kam: ich muss jetzt Statistik lernen, sonst bin ich out. Er war seinerzeit schon ein gesetzter Mann und fing dann an, ein Buch zu schreiben und schnell darüber noch Statistik zu lernen, um nicht out zu sein. Aber ich wollte eigentlich bloß sagen, die Statistik ist eine Methode, die zu einer bestimmten Zeit in der Wissenschaft großen Aufschwung erhielt, und weiter nichts. Andere Methoden sind dann eben zurückgetreten ... hat das einen Sinn, was ich sage? Wolfgang: also ich würde es zeitlich ein bisschen anders setzen. Ich glaube auch nicht, dass Norbert Wiener dabei der Schurke ist. Es gibt da ja einen naturwissenschaftlichen Flügel der Psychologie. Nur worauf soll der sich berufen? Mathematische Modelle sind da sehr schwer zu machen. Also hat man gemessen und da insbesondere Menschen sich ganz unangenehm benehmen, wenn man sie ausmisst, kamen die statistischen Ergebnisse. Nicht alle verhalten sich in gleicher Weise. Und dann ist die Statistik eher in den 10er und in den 20er Jahren in die Psychologie reingegangen und hat da eine riesige Rolle gespielt. Spielt sie heute noch. Und die zweiten sind die BWLer. Also die Betriebswirte haben das gleiche Problem. Auch die haben eine absurde Aufgabe, nämlich alles, worüber sie reden, soll sich in Geld ausdrücken. Das ist auch ein Messbarkeitsproblem. Ich messe alles in Geld. Dazu muss ich auch wieder so einen verrückten Schritt machen. Also ich behaupte, dass es prinzipiell messbar ist und dann kommen da ganz komische Ideen. Und der Markt muss das dann erweisen, oder irgend so etwas. Und es klappt alles immer nicht. Aber in beiden Fällen ist dahinter so ein starker Drang, Wissenschaft sei das, was die Physiker machen. Und die Physiker haben ihre großen Erfolge - wenn man genauer hinguckt bei weitem nicht den einzigen Anteil ihrer Erfolge - indem sie Mathematik eingesetzt haben. Da gibt es zwei physikalische Antworten. Die eine ist: das stimmt nicht. Und die andere ist: ja, das stimmt, aber die Mathematiker verstehen nicht, was Mathematik ist. Es gibt ja eine physikalische Mathematik, mit der Mathematiker sehr große Probleme haben. Da gibt´s immer wieder neue Versuche, sich zu einigen. Also Physiker haben da eine lockere Hand im Umgang mit Mathematik. Das haben aber die Psychologen und die BWLer gar nicht mitgekriegt. Soweit sind die nie gekommen, - die Biologie hat das ja inzwischen auch sehr stark - die haben alle diese Phantasie gehabt, es müsse eine mathematisierte Grundlage ihres Faches geben. Kurd: ja, ja. Ästhetik auch. Wolfgang: das klappt vorne und hinten nicht. Besucher: ja, weil so scheinbar unangreifbare Ergebnisse zu erwarten sind. Wolfgang: ja, ein bisschen aus der Idee heraus, die ja sehr hübsch ist, dass die Mathematik eine Beweistheorie hat: die formale Logik. Dass man damit etwas behaupten kann und dann kann niemand mehr widersprechen. Besucher: dann kann man´s belegen. Und man hat nichts mehr damit zu tun. Hat keine Verantwortung dafür. Man hat es ja ausgerechnet, also ist es so. Wolfgang: ja, ja, ja, Also es ist eine Angriffsstrategie. Ich habe hier ein mathematisches Modell! Ich habe gemessen! Ich habe festgestellt, dass Verheiratete ohne Kinder glücklicher sind als ... Ich habe das auch mal gelesen. Ich kann da nichts zu sagen, außer dass ich verheiratet bin und Kinder habe. Alle lachen.

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Wolfgang rechts: aber ich habe diese Statistik nicht gefälscht.
Alexandre: interessant ist, Statistik ist zwar stimmig, aber für ein System. Nicht für den Menschen. Das heißt, für eine Firma, die z.B. 10 000 Kunden hat, die kann tatsächlich was berechnen, weil sie weiß, das ist statistisch passiert. Julian: das ist ja immer so, Es bezieht sich nur auf die Masse, nicht auf den Einzelnen. Torsten: das ist ja das Problem, das die BWL hat: den vollkommenen Markt - so nennen die das. Dass man halt ein kleines Modell hat, wo Verkauf, Kauf funktioniert, aber das in der Realität gar nicht funktioniert, weil es diesen vollkommenen Markt gar nicht gibt. Wolfgang: da ist vieles einfach, weil es immer wieder auf Geld zurückfallen muss. Und wenn man am Schluss mehr Geld hat, ist es völlig egal wie die Theorie ausgesehen hat. Man hat gewonnen. Das ist das Schöne daran. Es ist völlig wurscht, ob die Marketing-Abteilung erfolgreich war, weil ihr Erfolg nur in Geld gemessen wird. Das heißt, sie kann erklären, wir müssen jetzt alle in lila Anzügen mit grünen Brillen rumlaufen und dann wird unser Umsatz größer. Wenn der Umsatz größer wird, hat sie gewonnen. Ein Mathematiker hätte dann Probleme. Der würde sagen, habe ich jetzt das richtige Modell genommen? Ist das nicht nur Zufall? Während diese angewandten Wissenschaften diese Frage nicht mehr stellen müssen. Tilo: man kommt da aber auch nicht mehr raus, das ist auch ganz schön. Man kann dann das nächste Modell ausprobieren und irgendwann hat man die Illusion, dass man ´ne Approximation an die Wirklichkeit total gut hinbekommen hat. Wolfgang: und dann geht man in Rente und hat erfolgreich gearbeitet. Torsten: aber auch die Mathematiker haben ja das Problem. Wenn sie irgendwo nicht weiterkommen, definieren sie oder setzen irgendwelche Lemmas auf und dann passt es irgendwie. Bis irgendjemand kommt, um die dann doch zu widerlegen. Das sind ja auch Modelle, mehr oder weniger, die dann im geschlossenen System funktionieren und besser vielleicht, als in irgendwelchen Geisteswissenschaften.

2.Besucherin: die Mathematiker interessieren sich ja nicht für die Anwendung. Die Gauß-Kurve hat ja viel Unheil angerichtet. Normalverteilungskurven heißt ja immer: stärker normieren und sagen das ist überdurchschnittlich, das ist unterdurchschnittlich. Das entspricht der Norm, das ist außen vor. 1798, glaube ich, ist die Gauß-Kurve entstanden. Ich glaube auch, dass diese Extremfiguren der Romantik Gegenbewegungen für das waren, was durch solche Normalverteilungskurven normiert wurde. Aber Gauß war das egal. Torsten: aber die Gauß-Kurve ist ja auch nichts Weiteres als ein mathematisches Modell für einen, ich sage mal, educated guess. Sozusagen: ich erhebe soundsoviel und dann passt das schon. Wolfgang: na ja, für physikalische Messungen funktioniert das ja auch. Es gibt da schon eine sehr intensive Diskussion, ob die Voraussetzungen erfüllt sind oder nicht. Physiker reden darüber, Astronomen auch und Gauß war ja Astronom neben seiner Mathematiker-Tätigkeit und konnte dadurch genauere Messungen machen. Das ist schon ein wichtiger Punkt. Und er konnte auch begründen, warum diese Messungen funktionieren. Nur die Übertragung in die Psychologie, die hat er nicht gemacht. Besucherin: ja, das wollte ich damit auch betonen. Alexandre: aber das ist jetzt wieder aktuell, die Verbindung zwischen Gauß und der Psychologie. Da gab es dieses neue Experiment vor einem Jahr in den USA, wo sie wirklich bewiesen haben, dass ein Mensch, der mit einer Intention denkt, wirklich diese gaußsche Verteilung beeinflussen kann. Und zwar ist folgendes gelaufen: sie haben eine Riesenwand gehabt mit Ping-Pong-Bällen, die runtergefallen sind durch ein Netz mit Stäbchen. Und bei einem normalen Experiment, nach einer gewissen Zahl von Millionen Ping-Pong-Bällen, gab es die gaußsche Verteilung. Dann haben sie Leute von der Straße geholt, auf einen Stuhl vor der Wand gesetzt und zur Hälfte der Leute gesagt: jetzt versuchen sie mal, mehr Bälle nach links zu ziehen. Die hatten überhaupt keinen Kontakt, das war nur gedanklich. Und zu den anderen: versuchen sie, die Bälle mehr nach rechts zu ziehen. Und das hat geklappt. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Wolfgang: wenn sie gleichzeitig nach rechts und nach links gedacht haben, ist ne Gauß-Kurve raugekommen. Alexandre: nee, die wurde verschoben. Das war nicht mehr die normale gaußsche Verteilung, sondern da wo die Leute nach links intentional gezogen haben, hat sich die Verteilung nach links verschoben. Wolfgang: ich glaub´ kein Wort. Alexandre: also das ist ernst. Ich finde das absolut interessant. Wolfgang: ich auch. Alexandre: weil es die erste wissenschaftlich bewiesene Beziehung ist zwischen Geist und Materie oder Realität. Torsten: aber das ist diese Logik, die Spieler auch beim Glücksspielen einsetzen: es ist jetzt beim Roulette 5 x die 5 gekommen, dann wird sie wahrscheinlich in der nächsten Zeit gar nicht mehr kommen. Dabei ist das ja völliger Schwachsinn, denn bei jedem Drehen gibt es die gleiche Vorraussetzung. Wolfgang: ja gut, aber da müsste man jetzt schon genau gucken. Ich glaube es nicht, aber ich glaube, dass es veröffentlicht ist. Und ich glaube auch, dass diese Leute, die das gemacht haben, glauben, dass sie das so gemessen haben. Solche Geschichten gibt´s allerdings sehr regelmäßig. Das ist nicht so neu. Alexandre: aber das kann man nicht ´glauben oder nicht glauben´. Man kann eventuell zweifeln, dass es eine Kausalität gibt, aber das es passiert ist und wissenschaftlich bewiesen ist ... Wolfgang: die Frage ist, kann man das Experiment wiederholen und unter welchen Bedingungen. Aber es gibt eine lange Geschichte solcher naturwissenschaftlich aussehender Versuche, wo auch durchaus sehr anerkannte Wissenschaftler beteiligt waren. Das ist eine lange Tradition. Nur eine Mehrheitsmeinung ist das nicht. 1.Besucherin: nur Fakten. Antje schlägt vor, eine kleine Pause zu machen. Alle sind einverstanden.

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Nach der Pause schreibt jedeR das Wichtigste aus der vorangegangenen Konversation auf eine vorbereitete gelbe Karte.

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Danach hängen wir die Karten an eine Wand. Hier sind grade Tanja und Roland zu sehen.
Abwechselnd liest jedeR seinen Beitrag vor und wir konversieren darüber. Julian fängt an: “Macht das Leben mit Maschinen den Menschen zufriedener? Früher, im Mittelalter usw. gab´s ja noch keine Maschinen. Die Gesamtheit der Zufriedenheit der Menschen, ich weiß nicht, ob sie sich verändert hat. Damals waren die Menschen ja genauso zufrieden oder vielleicht zufriedener oder weniger zufrieden als jetzt und es ist eben die Frage, die ich mir stelle, ob uns die Maschinen zufriedener machen. Oder das technische Zeitalter an sich.“ Torsten: da ist natürlich ´ne Definitionsfrage, was eine Maschine ist. Auch eine Erntemaschine ist eine Art von Maschine. Julian: ja schon, aber das ist ja erst seit 100 Jahren, dass wir überhaupt Maschinen haben. Wolfgang: na, ja. Das ist jetzt aber eine sehr elegante, technische Einteilung. Lacht. Maschinen sind in der Antike schon da. Julian: ja, o.k. Man muss das genau definieren, was Maschine bedeutet. Also ich habe schon mehr das heutige Zeitalter mit Internet und so einbezogen. Torsten: also ab der industriellen Revolution. Wolfgang: das Internet gab´s damals noch nicht. Alexandre: aber Yoghurt-Becher, verbunden mit so ´nem Wollendraht dazwischen. Wolfgang: zur Kommunikation! Antje: ach ja! Das haben wir auch gemacht. Wolfgang: anscheinend bin ich älter. Mit Dosen haben wir das gemacht. Antje: ja, Blechdosen haben wir auch genommen. Roland: ein Standpunkt dazu ist, zu sagen: Technologie hat keine Moral. Man kann Technologie so oder so einsetzen. Sie kann das Leben komfortabler machen oder es kann ein Kriegsgerät sein. Antje: ach so. wir Menschen sind die Moral dahinter. Roland: ob man zufriedener wird, hängt davon ab, wie man damit umgeht. Julian: also der Schöpfer ist quasi verantwortlich für die Zufriedenheit. Roland: nicht der Schöpfer der Technologie, sondern natürlich auch der Nutzer. Wolfgang: das stellt aber eine hohe Autonomie der Menschen gegenüber der maschinellen Umwelt dar, die vielleicht so nicht gegeben ist. Also das ist ja eine Funktionshierarchie: Menschen bestimmen über die Technik. Das tun sie aber nicht. Roland: also man kann sich dem nicht entziehen? Wolfgang: wenn ich von Berlin bis hierher komme, bin ich sehr vielen Maschinen ausgeliefert gewesen und ich habe keine Auswahl gehabt, ob ich die nun nehme oder nicht nehme. Roland: das ist doch ´ne Frage von Komfort. Man kann auch mit einem Fahrrad hierher kommen. Wolfgang: dann wäre ich zu spät gekommen und hätte Antje und Kurd nicht angetroffen. Torsten: man muss dann sehr viel früher aufbrechen und sein Leben ganz anders planen. Wolfgang: ja, da hätte ich sehr viel früher losfahren müssen, irgendwann im November. Tanja: ich glaube, du hast gar keine Wahl. Torsten: ich glaube, das ist ´ne Komfortfrage, wo ich sagen würde, da macht mich die Bahn zufriedener. Wolfgang: diese Wahl gibt es nicht. Sie sind nicht Mitglied dieser Gesellschaft, wenn sie dies zur Wahl stellen. Sie haben die Wahl gar nicht. Roland: ich müsste mein Leben sehr viel anders leben. Alexandre: wenn Sie die Wahl haben wollen, dann müssten Sie Aussteiger sein. Wolfgang: nebenbei, die Gesellschaft muss Aussteiger akzeptieren.

Antje: wir waren ja mal in Dresden, bei den Informatikstudenten und die haben uns erzählt, wenn du heute nicht in den ganzen Internetforen bist und in Facebook, Flickr, usw., dann bist du tot! Dann bist du out. Tanja: das geht schon noch. Antje: haben die aber völlig überzeugt gesagt. Alexandre: oder umgekehrt: vielleicht bleibt man im Leben eben. Julian: ja, wieso. also ich nutze ja Facebook und lebe trotzdem noch und nehme auch an dem gesellschaftlichen Leben teil. Antje: aber vielleicht ist das für die Informatikstudierenden noch ´ne andere Sache. Kurd: das gibt es doch auch, dass du nicht teilnimmst an irgend einer Technik, z.B. haben wir kein Fernsehen, trotzdem sind wir Fernseher. Antje: was heißt, wir sind Fernseher? Ich seh´ nicht fern. Tanja: das heißt ja nur, dass man bestimmte Sachen nicht mehr mitkriegt. Also ich habe auch noch nicht so lange einen Facebook-Account. Ich habe seit einem Jahr einen und in meiner Arbeitsgruppe wird sehr viel über Facebook gemacht. Julian: ich denke, es bietet einfach eine neue Ebene von Selbstdarstellung. Wenn man es nicht macht, hat man nicht weniger, sondern die anderen haben eine neue Ebene der Selbstdarstellung. Tanja: ja, aber es kann schon sein, dass du Sachen verpasst. Also dass die Informationen auf einmal darüber gehen und du nichts mitbekommst. Roland: oder dass du zumindest denkst, dass du Sachen verpasst. Alexandre: entscheidend ist auch, ob das, was du verpasst, dir wichtig ist. Sonst kannst du es ruhig verpassen. Roland: auch das ist doch eine Frage des Umgangs mit der Technologie und der Gesellschaft. Nicht die Technologie selber. Torsten: oder ob sie uns bereichert. Also nicht zufrieden macht, aber ob sie uns bereichert. Man kann bestimmt ohne Facebook leben, man kann auch mit Facebook leben, da ist ja kein wirklicher Wert dahinter. Es bereichert einen vielleicht persönlich, wenn man dann die Möglichkeit hat, Sachen zu machen. Aber man wird dadurch, glaube ich, nicht zufriedener. Denn es ist wieder so eine Technologie-Schwelle, die man überwinden muss. Man ist bestimmt am Anfang erstmal unzufrieden. Vielleicht ist es auch nur dadurch, dass man sich anmeldet und erstmal keine Freunde hat. Oder hat man Freunde? Alexandre: was ich in die Diskussion bringen möchte ist, dass ich glaube, die höchste Glückseeligkeit, die der Mensch bisher erfahren konnte, die lag wirklich an nichts. Nicht mal an anderen Menschen, nicht mal an Maschinen. Es sind Leute, die wirklich glückselig geworden sind, erleuchtet wurden und die waren´s einfach per se. Weil sie lebendig waren. Mehr nicht. Tilo: für mich ist sowas immer eine Abschätzung. Ich könnte sagen, wenn ich Facebook nutzen würde, hätte ich total viele Freunde, die aber bestimmt nicht zu meinem Begräbnis kommen würden. Ich habe vielleicht auf der anderen Seite auch ´ne Menge Möglichkeiten an Kommunikation und vielleicht gleichzeitig auf einmal gar keine Zeit mehr. Alexandre: um dich mit einem Freund zu treffen. Tanja: wie ist das dann mit e-mails? Wer von euch würde sofort aufhören? O.K., ab heute keine e-mail mehr, für immer. Würde das jemand hier machen? Das war am Anfang vielleicht auch eine Schwelle. Mit dem Handy war es so ähnlich. Es gibt vermutlich noch weniger Menschen, die keine e-mail-Adresse haben, als Leute, die kein Handy haben. Eine e-mail-Adresse brauchst du inzwischen. Man hat da nicht immer unbedingt die Wahl. Man kann zwar sagen, ich mach das alles nicht mit! Aber dann bist du irgendwie draußen. Dann musst du wieder in den Wald gehen. Torsten: wenn du keinen vernünftigen Spam-Filter hast, dann ist e-mail sicher ´ne Belastung und macht dich nicht zufriedener. Tanja: e-mail ist auch ohne Spam-Filter eine Belastung. Ich arbeite ja an der Uni, auch in der Informatik und das gehört zu meinem Job und wird irgendwie erwartet. Manchmal lese ich 3 Tage lang keine e-mails und wenn ich im Urlaub bin auch länger nicht, aber da gehe ich dann schon das Risiko ein, dass man böse auf mich ist. Roland: aber wenn ich tatsächlich einen Brief schicken muss, dann muss ich den irgendwo einstecken. Briefmarken! Ja, verdammt! Umstand! Also das kann man so oder so sehen. Tanja: ja, Brief ist halt ein anderes Medium. Also, es würde niemand seine e-mail aufgeben, oder würde doch jemand aussteigen aus der e-mail? Antje: nee! Tanja: könnte man doch machen. Alle lachen. Tanja: Facebook ist ja noch jünger. Vielleicht ist das auch irgendwann mal so, vielleicht auch nicht. Vielleicht entwickelt es sich ganz anders. Alexandre: auf Facebook kann ich ganz locker verzichten. Torsten: ja, heute. Tilo: mal abgesehen davon. Bei der e-mail habe ich einen eigenen Server, wo meine Daten drauf liegen und bei Facebook schmeiße ich meine ganzen Daten bei Herrn Zuckerberg ein, der 15 Jahre jünger ist als ich und total keine Ahnung davon hat, was er von meinen Daten gerne verteilen darf und was vielleicht nicht.

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Tanja liest jetzt ihre Karte vor und Julian und Roland hören gespannt zu:
“ist das so, dass heute die Mensch-Mensch-Kommunikation mit Hilfe von Maschinen gesellschaftlich eine größere Bedeutung hat, als die Mensch-Maschine-Kommunikation?“ Torsten: das würde ich sogar unterschreiben. Denn wenn man das mal ein bisschen im geschichtlichen Zusammenhang sieht: die ersten Telegraphenmasten, das war ja auch eine Kommunikation zwischen zwei Menschen mit Hilfe einer Maschine. Und wie lange das gedauert hat damals, dass Informationen von einem Kontinent zum anderen gewandert sind, auch mit den ersten Telegraphenmasten, mit den Überseekabeln, die gelegt wurden. Dann wurde das über Island geleitet und hat immer noch ´ne Woche gedauert. Und dadurch, dass jetzt so eine starke Vernetzung ist, hat man eine wesentlich bessere Möglichkeit, mit anderen Menschen überall auf der Welt zu kommunizieren als noch vor 100 Jahren. Wolfgang: Per Telegraph hat überhaupt niemand kommuniziert. Man ist auf´s Postamt gegangen und hat den Text für´s Telegramm aufgeschrieben. Und die Techniker waren dazwischen. Es gab natürlich jemanden, der da getippt hat, aber das spielte keine Rolle. Torsten: einfach dadurch, dass wir jetzt die Möglichkeit von so einer Vernetzung haben, haben wir sofortigen Zugriff auf alle möglichen Informationen überall auf der Welt. Roland: auf fast alle Informationen, ja. Wolfgang: also so weit Wikileaks sie schon veröffentlicht hat. Torsten: oder auch zwischen Wissenschaftlern. Früher musste man auf Konferenzen gehen, um überhaupt irgendwelche ... Tanja: muss man immer noch. Torsten: ja. Aber man kann sie in der Regel schon vorher lesen. Also sobald die Leute sie veröffentlicht haben, hat man Zugriff auf so was. Alexandre: also ich stelle in Frage, dass es Mensch-Maschinen-Kommunikation gibt. Tanja: o.k., darf ich meine zweite Karte vorlesen? Alexandre: das ist doch wirklich ´ne Frage: kann überhaupt ein Mensch mit einer Maschine kommunizieren? Der kann vielleicht Befehle eingeben und er kriegt eine Reaktion. Julian: genau. Und das ist eine Art von Kommunikation. Alexandre: nee, also für mich ist das noch keine Kommunikation. Wolfgang: das ist ein scheußlicher Begriff. Alexandre: das ist Aktion/Reaktion. Vielleicht gibt es was dazwischen. Julian: ich nehme grade an einer Studie teil und da habe ich auch getestet: Ich in einem Auto und neben mir eine programmierte Maschine, ein virtueller Beifahrer. Und der hat mir Sachen erzählt. Ich konnte ihm auch Fragen stellen, z.B.: was machst du gerne? Oder er hat mich gefragt, was ich für einen Sport mache. Dann habe ich gefragt, was machst du für´n Sport. Und er sagte dann: ja, ich mach´ Bettsport, ha ha. Natürlich ist es programmiert, aber irgendwie ist es doch ne Art von Kommunikation. Roland: aber ist es die Kommunikation mit der Maschine? Oder irgendwie mit dem Programmierer? Julian: ja, natürlich, der Programmierer sitzt dahinter. Ich weiß es nicht, aber ich glaube, das entwickelt sich noch weiter. Das hat mich nur erstaunt, dass der so gut reagiert hat. Alexandre: ich würde ein bisschen mehr unter Kommunikation verstehen. Kommunikation zwischen zwei Menschen. Wenn sie wirklich kommunizieren, dann ist das sicher so ein schöpferischer Austausch über eine Vision der Welt. Julian: ich denke, das geht schon noch weiter mit der Maschine. Und ich denke, irgendwann kann der Mensch nicht mehr unterscheiden, ob er mit einer Maschine oder mit einem Menschen kommuniziert. Kurd: das ist doch nicht interessant. Interessant ist doch deine Not, wie kommst du im Leben zurecht. Und da kannst du fragen: wie machst du es denn? 1.Besucherin: und hoffen, dass du einen Menschen fragst. Julian: aber die Maschine hat ja z.B. einen größeren Pool an Wissen, auf den der Mensch zurückgreifen kann. Kurd: aber er will es doch vom anderen Menschen wissen. Dieser größere Pool ist ja auch für andere Menschen da, der ist ja nicht nur für dich da. Du willst aber doch vom Anderen, von ihm und auch von ihm wissen, wie kommst du überhaupt zurecht. Alexandre: du greifst dann auf ein erlerntes Wissen zurück, aber nicht auf eine Erfahrung von einem anderen Menschen. Julian: das ist schon richtig. Aber es suggeriert dir eine Erfahrung. Also ich denke, später kann man das nicht mehr unterscheiden. Kurd: das geht doch aber jedem so. Es kann doch jeder auf dieses Maschinenwissen zurückgreifen. Also nützt es ja nichts. Gut, der Commonsense, der sagt dir schon, wie du es machen sollst. Aber das ist dann doch nicht dein Leben. Alexandre: das Individuum ist dabei total verleugnet, weil mich einerseits bei der Konversation deine Erfahrung interessiert und dass du mir das sagst - an mich gerichtet und nicht an alle. Das macht das Besondere für mich aus. Julian: ja, schon. Aber das kann der bestimmt suggerieren. Auch dass er zum einen Menschen das sagt und zum anderen Menschen das. Alexandre: eine Einbildung. Das ist Fake! Julian: das ist richtig, aber ich glaube, irgendwann kann man das nicht mehr feststellen, ob es ein Fake ist.

Wolfgang: im Deutschen sind das alles Übersetzungsprobleme. Die Amerikaner haben das sehr locker genommen mit Communication und auch mit Interaction. Eigentlich heißt es eher Human Computer Interaction. Es gibt auch eine deutsche Konferenz, die so heißt, die sind totunglücklich, dass sie das vor 25 Jahren so genannt haben und betonen immer, dass sie es gar nicht mehr so sagen wollen: Man-Machine-Communication. Was im Militärbereich ja gar nicht mal so falsch ist. Weil, was da mitgeteilt wird wahrscheinlich im Regelfall nicht die persönliche Not ist, sondern schlicht die Mitteilung eines Befehls. Und dann ist das schon wieder ´ne andere Geschichte. Tilo: um andere Menschen in Not zu bringen. Wolfgang: aus der technischen Sicht war das kein Problem, das Communication zu nennen. Diese tiefen Fragen sind nie gemeint gewesen. Die sind dann aber durch die Anwendung ´reingekommen. Kurd: darf ich mal fragen: also ich erinnere mich an die MMk, Mensch-Maschine-Kommunikation, das ist eine tolle Gruppe. Wolfgang: die es noch immer gibt. Kurd: die treffen sich regelmäßig und unfinanziert. Und da erinnere ich mich - Nake hatte mich da eingeladen -, dass es unheimlich toll war. Auch die Methoden sind toll. Du musst vorher schriftlich einreichen, was du denkst, sonst kannst du nicht kommen. Wir kamen dort auch zu dem Punkt mit der Kommunikation. Dann war so ein Rumdrucksen. Ich sagte, das kann man doch nicht Kommunikation nennen. Und dann haben sie mich zu dem vom Normenausschuss geschickt: “Der da, der da hinten!“ Ich bin zu dem hingegangen und es war mir nicht möglich, mich irgendwie überhaupt verständlich zu machen. Für den war das so selbstverständlich. Nun frage ich: ist das die Übersetzung? Ist es eine absichtliche Übersetzung, frage ich dich, Wolfgang. Wolfgang: nein, das war eine extrem unabsichtliche Übersetzung. Es war die dümmste mögliche Übersetzung von dem, was Informatiker für Englisch halten.

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Kurd vorne links: kann man nicht auch so denken: verdammt, gab es da nicht Absicht dahinter?
Ich habe zum Beispiel gelesen in der Zeitschrift der Informatik, oder irgendwo, dass irgend eine Gruppe überlegt hat wie man das nennt, wenn der Programmierer ein Script macht. Und dann sind sie darauf gekommen, wir nennen das ´schreiben´. Denn schreiben hat ja ein höheres Ansehen, Dichter und so. In dem Fall war doch irgendwas Absichtliches dabei. Wolfgang: so simpel auch nicht. Also da gibt es einen sehr guten Aufsatz von Pflüger über die frühe Geschichte. Es hieß ja nicht Programm am Anfang, da hatte es andere Namen. Das tauchte irgendwann auf. Und ´to write a program´ ist dann tatsächlich auch wieder eine Wahl gewesen, die aber tief unabsichtlich passiert ist. Nix davon ist wirklich jemals diskutiert worden, bevor es eingesetzt wurde. Nachher ist es diskutiert worden, war das vernünftig und so. Dann haben alle gesagt: nein, es war nicht vernünftig. Aber es ist egal. Alexandre: aber es gibt einen neuen Blödsinn in die Richtung, das ist die Virtuale Realität. Das ist für mich der größte Blödsinn, der im Moment besprochen wird. Antje: weil das auch Realität heißt. Alexandre: ja. Entweder ist das Realität oder es ist virtual. Aber virtuale Realität. Wolfgang: Techniker haben das Problem. Aber nochmal: dieses Communication, also die amerikanischen Militärs reden von Control, Command and Communication, bzw. neuerdings auch noch Computation, C3 oder C4. Die sagen dann auch nicht mehr Communication, das ist C3, ci three. Das sind standardisierte Floskeln, das ist das Stottern eines Militärs, das ist keine überlegte Sprache. Wenn die Academie Française das in die Hände kriegt, dann dauert es 12 Jahre und es wird ein wunderbarer Begriff werden, den leider niemand außer der Academie Française benutzt. Kurd: Wolfgang, aber ein Militär hat doch Absichten. Das will siegen, das will über seine Feinde siegen. Wolfgang: aber nicht sprachlich! Kurd: das geht doch gar nicht. Wolfgang: nein, das Sprachliche spielt keine Rolle. Es gibt keine Alternative, außer dem von einem General geäußerten Wunsch, dass das so heißt. Oder dem von einem Kommité geäußerten Wunsch. Weil es ein Papier gibt, wo das draufsteht, heißt es von da ab so! Ich glaube, es hat nicht viel Sinn, dass jetzt so auseinander zu nehmen. Antje: was ich ein bisschen komisch finde ist, dass bei diesen ganzen Übersetzungen immer dasselbe auftaucht: dass alle diese technischen Begriffe auf eine menschliche Ebene gezogen werden. z. B. Papierkorb. Wenn ich was wegschmeiße im Computer, dann heißt es Papierkorb und alle Begriffe haben so eine menschliche Nähe. Das kann doch nicht alles nur Zufall sein. Wolfgang: nee, der Papierkorb ist kein Zufall. Torsten: das ist sogar wirklich gedacht. Wolfgang: das ist wirklich eine andere Ebene. Diese Wörter, wie Kommunikation, sind passiert, aber der Papierkorb kam viel später. Xerox PARC, die haben absichtlich gesagt, wir wollen so etwas wie einen Schreibtisch darstellen. Der Schreibtisch ist sehr komisch, weil da ein Papierkorb drauf steht. Auf meinem steht glücklicherweise noch keiner! Es hat vorn und hinten nicht geklappt, aber es war der Wunsch, dass man über diese Metaphern das handhabbarer macht. Ob das eine Metapher ist, ist wieder ´ne interessante Frage. Tanja: dass Menschen das besser verstehen können, das war so der Gedanke.

Wolfgang: aber deine Frage ist doch, glaube ich, eine ganz andere. Tanja: ja, wir sind da jetzt hingekommen. Wolfgang: aber auf dem Zettel steht ja was ganz anderes. Die Frage betrifft das Verhältnis des Menschen zur Maschine. Inzwischen ist eine Transition entstanden: es reden Menschen mit Menschen über dieses technische System. Das ist eine andere Zugangsweise. Und warum? Wir sprachen vorher schon darüber. Weil es aus dem Telefonnetz kommt. Weil das Internet tatsächlich ja eine Kombination von Computer und Kommunikationsnetz ist. Du hast es genau beschrieben. Die beiden Sachen treffen aufeinander. Aus der Computertradition ist es das Verhältnis: ich gehe mit der Maschine um. Und aus dem Telefon ist es das Verhältnis: Schniefke, kommen sie mal ans Rohr, ich muss ihnen was sagen. Das ist eine ganz andere Sache. Und die beiden Sachen kommen jetzt zusammen. Ich würde dir recht geben, dass das Verhältnis von Mensch zu Mensch für uns inzwischen das Wichtigere ist. Für die Struktur der Gesellschaft ist es natürlich ziemlich wurscht, was die Menschen da reden.
Antje: meine Frage passt dazu. Sie schließt da zufälliger Weise genau an: “Wie vollzog sich der Paradigmenwechsel von HCI, also Human Computer Interaction, zu MMK, Mensch Mensch Kommunikation?“ Erst war es ja so, dass klar war, Menschen tauschen sich mit der Maschine aus und jetzt ist es auf einmal Mensch-Mensch-Kommunikation. Und wie hat sich dieser Paradigmenwechsel vollzogen. Wolfgang: ach so, MMK soll Mensch-Mensch-Kommunikation heißen. Üblicherweise heißt es Mensch-Maschine-Kommunikation. Antje: weiß ich, aber wie soll ich Mensch-Mensch-Kommunikation abkürzen? Wolfgang: o.k., da habe ich nichts dazuzufügen. Das ist genau der Zusammenprall von Telefonsystem und Computer. Antje: a-a-a-aber - ich habe so den Eindruck, dass man zuerst quasi am Computer saß und sich mit der Maschine austauschte und jetzt, dadurch dass das Internet und diese ganzen Netzwerke da sind, hat man mehr den Eindruck, man tauscht sich mit Menschen aus. Und wie ist das so langsam da hingekommen? Kurd: so plötzlich auch. Oder wieso waren vorher die Begriffe, sowas wie Interface, tiefergreifende Probleme. Andere Begriffe fielen einem gar nicht ein. Die waren da und wenn du einen anderen Begriff sagtest - das kennt man ja, das ist fast so ähnlich wie das, was ich erzählt habe: wenn du außerhalb des Paradigmas oder des Commonsenses sprichst, versteht dich keiner. Und zwar nicht bösartig, sondern: was redet der denn? Ich habe das in meinem Leben etwa dreimal erlebt. Du sagst etwas und das versteht der Andere nicht. Z.B. erlebte ich es das erste Mal mit der Kommunikationskette. Auf einem Mal hatte sich der Commonsense geändert und dann drehte sich das um. Also Paradigmenwechsel sind sowas wie Sprünge. Die Anderen wissen das längst. Wieso das so schnell gehen kann? Ich verstehe es auch nicht. Verstehst du, was ich meine? Tilo: ja, ich würde fast euch zitieren. Für mich ist das so eine Geschichte: wenn man von der technischen Seite aus guckt, dann hat man eine Maschine als funktionales, technisches Gebilde, wo irgendwo Input/Output passiert und wenn man sich dann das Netz anguckt, dann hat man viele Maschinen, bei denen genau das stattfinden kann. Der andere Blickwinkel ist, zu sagen, das Netz ist ein Medium und diese Rechner sind Endgeräte. Das heißt, ich habe plötzlich einen anderen Blickwinkel auf das Ganze. Damit ist sozusagen Medium für mich von der Anwendung her auch eher was für Kommunikation. Torsten: Genau. Das ist viel transparenter geworden. Also früher hatte man ´ne relativ hohe Technikschwelle, die man erstmal überschreiten musste. Man musste erstmal die Mensch-Computer-Interaktion überwinden, um überhaupt mit jemand anderem zu kommunizieren. Also die ersten Anfänge mit e-mail. Da musste man dann ein Modem und was nicht alles einsetzen. Das war unglaublich umständlich. Und wenn ich so meine Mutter sehe, wie die damit gekämpft hat, am Anfang. Und heutzutage, Stecker rein, anmachen, funktioniert. Antje: als wir nach Urbino gefahren sind, zum Urbino-chat 1999, ging das noch mit Modem, Handy und dem Computer, Torsten: das ist sehr transparent geworden und man muss sich keine Gedanken mehr machen, was für ein Medium habe ich eigentlich dazwischen, den Computer oder das Netz. Sondern dadurch, dass die Technik darin so transparent geworden ist, ist es eine direkte Mensch-zu-Mensch-Kommunikation geworden. Ein Zeichen dafür, ob ´ne Technologie funktioniert ist, ob du d´rüber redest, oder nicht. Keiner redet darüber, wie ein altes Telefon funktioniert hat oder wie ein Buch funktioniert.

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Wolfgang zweiter von links: das ist ganz interessant. Das ist schon ein klassischer Heidegger.
Wenn das Werkzeug zerbricht, dann stehe ich davor und muss über das Werkzeug nachdenken. Aber ich will noch mal zu dem Verhältnis was sagen. Bei den großen DV-Anlagen, den großen IBM-Anlagen, da gab es Programmierer und es gab Operator. Im Deutschen: Bediener, Maschinenbediener. Also die Maschine wurde bedient. Eine sehr vornehme Sache. Es wurde nämlich ein Stapel Lochkarten ´reingesteckt und dann kam ein Stück Papier raus oder es musste vielleicht ein Band eingelegt werden. Dann ist das von dieser Bedienung übergegangen zu den Laborgeräten, wo man einen Bildschirm hatte und eine Tastatur. Und in der Programmiertechnik geht das nämlich auch anders weiter. Wir haben dieses klassische Schema: Input/Processing/Output, das ist die DV-Anlage. An dem Ding ist es ein Eventloop, d.h. die Maschine tut eigentlich gar nichts, sie wartet unglaublich lange, dass jemand mal die Tastatur bedient. Und dann tut sie was und dann sieht derjenige auf dem Bildschirm was und drückt deswegen eine andere Taste. Und wenn man dafür ein Programm schreibt, muss man ein Programm schreiben, das nicht mehr Input/Processing/Output macht, sondern einen Event-Loop hat, der dann immer fragt: passiert was, passiert was, passiert was? Und wenn was passiert, dann muss ich jetzt folgendes ... Völlig andere Programmierung. Dann kommt das Netz. Und jetzt haben wir wieder ein neues Phänomen. Es ist gar nicht mehr wichtig, was die einzelne Maschine da tut, sondern wir warten darauf, was Menschen tun. Antwortet jemand? Geschieht da was? Plötzlich sind die Menschen diejenigen, die als Input da sind. Tilo: die Interrupts. Wolfgang: ja, ja , das sind die Interrupts. Die Menschen stören die Maschine. Ganz klar, Störfaktor Mensch. Kurd: Klasse! Wolfgang: und die Menschen glauben jetzt, dass sie wichtig sind. Aus der Sicht des Netzes sind die Menschen eigentlich wirklich nur ´ne Störung. Aus der Sicht der Telecoms ebenfalls, das könnt ihr an euren Rechnungen, an der Art und Weise wie auf Störungen reagiert wir, sehen. Na ja, es gibt verschiedene Sichtweisen. Und es ist ein globales Netz entstanden, das nicht nur die Perspektive hat, wir können uns jetzt alle Informationen irgendwoher besorgen, sondern einfach auch ein Riesennetz ist, das alles überwacht, das alles unter Kontrolle hat, das alles miteinander verbindet, vereinheitlicht, und so weiter. Diese technische Kultur hat durchaus ambivalente Seiten. Roland: weil viele Führungen, Regierungen, Systeme auch manche Menschen als Störung empfinden.
Torsten: aber das ist ja eigentlich auch wieder die Sache: wie hoch ist diese Technikschwelle? Es wird über solche Technologien wie Web 2.0 geredet. In gewissem Sinne ist es ja nur eine Möglichkeit, ein technisches Hilfsmittel, was möglichst einfach gestaltet sein sollte, damit die Leute neue Ideen verwirklichen können. Das ist ja jetzt der primäre Fokus. Früher war es so, wir brauchten Technik, die uns vorantreibt und heutzutage ist uns die Technik dahinter erstmal egal. Wir haben sie und wollen jetzt sehen, was wir als Menschen damit machen können, in der Hoffnung, dass vielleicht was Gutes rauskommt. Wolfgang: wenn denn diese Möglichkeit für die einzelnen Menschen das Wesentliche an dieser Technik ist. Das möchte ich ja doch noch mit einem kleinen Fragezeichen versehen. Vielleicht geht es in Wirklichkeit nur darum, dass wir alle über unserem Bildschirm ´ne Kamera haben. Nein, komm, das wäre jetzt ´ne platte Geschichte. Es entsteht ein riesiges Soziotechno-System, das nebenbei die Funktion hat, dass Menschen Freunde finden. Das war vorhin ja eine sehr schöne Definition: Friends sind Freunde, die nicht zur Beerdigung kommen.

Antje: ich sehe grade, es ist 20 Minuten vor 18 Uhr. Wenn wir das noch durchkriegen wollen, dann müssen wir uns sehr beeilen. Tilo: ich habe da auch noch so´n Klopper. Tanja: wir müssen überziehen. Antje: macht mal weiter. Tilo: also wenn wir ein bisschen pessimistisch drauf wären, dann würde ich glatt meinen vorlesen. “Asimovs Gesetze der Robotik sind gebrochen.“ Tilo erklärt: Asimov hat Gesetze der Robotik postuliert unter anderem - ich kann jetzt nicht logisch aufeinander aufbauen, was sie eigentlich tun, aber die Quintessenz davon ist - dass man, wenn man Maschinen baut, ihnen einbauen muss, dass sie z.B. das menschliche Leben bitte nicht kaputt machen sollen. Das ist so eine Idee. Jetzt gibt es Drohnen, die genau das Gegenteil machen. D.h. damit ist für mich sozusagen diese Idee erstmal extrem angegriffen. Das als Einleitung. Jetzt werde ich noch ein bisschen böser: “Wird uns das kommende Skynet - Skynet ist ein Terminus aus ´Terminator´, das heißt das Maschinennetz, das sich selbstständig macht und gegen die Menschen arbeitet - evolutionär abhängen oder besteht für uns die Möglichkeit, das Fortbestehen des Kontaktes zur Maschinenwelt hilfreich zu nutzen ohne dabei rauszufallen?“ Torsten: also zu dem ersten Teil würde ich sagen: die Drohnen haben ja noch keine eigene, unabhängige Intelligenz. Die sind ja programmiert. Sie machen das, was irgend jemand ihnen gesagt hat. Torsten: ja, aber auch die künstliche Intelligenz ist programmiert! Roland: das hängt von deiner Definition ab. Tanja: das Wort ´künstliche Intelligenz´ ist vielleicht auch ´ne geschickte Wortwahl von Technikern, die nicht darüber nachgedacht haben. Tilo: das ist schon provokant gefragt. Roland: also wenn Maschinen sozusagen ihren eigenen Willen hätten, dann würde man ihnen trotzdem diese Regeln einimpfen, weil man Angst vor ihnen hat. Tilo: genau. Braucht man diesen Willen überhaupt? Kann man das nicht reduzieren auf Pattern-Matching? Z.B. einen Bart und einen Turban. Wolfgang: setz´ nie ´nen Turban auf! Alexandre: aber der Mensch kann immer noch die Maschine ausschalten. Stecker rausziehen, oder? Tilo: wenn sie über dir fliegt und eine Maschinenpistole hat? Torsten: bei einem verteilten Netz auch nicht mehr. Wolfgang: die Drohnen werden typischer Weise ferngesteuert. In Nevada kommt jemand mit einem neuen Server. Um fünf geht er wieder. Zwischendurch schießt er Leute ab mit den Drohnen, die Kameras eingebaut haben. Aber das Problem taucht auf, wenn die Drohnen oder andere Kampfroboter Störungen unterliegen, so dass die Kommunikation mit der Steuerung nicht mehr stattfindet. Dann muss man ja irgendwas mit dem Ding tun. Also man könnte es senkrecht in den Boden rammen, aber wenn man weiß, dass das vielleicht 15 Millionen kostet, überlegt man das noch. Und in dem Moment kann ein automatischer Status eintreten. Der automatische Status kann heißen: ´such dir jemand mit Bart und Turban´ - heißt das sicher nicht! Fliege das Ziel X1 Y1 an, das wir dir vorher gesagt haben. Und diese Maschinen haben eine Teilautonomie, das kann man nicht bestreiten. Inzwischen gibt es 40 Staaten, über 40 Staaten, die solche Maschinen herstellen. Das sind nicht nur die Amerikaner. Die haben die größten, die schnellsten und die schlimmsten. Aber alle Militärs der Welt wollen sowas haben. Es ist ein Riesenproblem. Was macht man mit dem automatischen Kill-Befehl? Das ist genau der Punkt. Darf überhaupt geschossen werden? Hat die DDR auch schon gehabt. Das SM 70 war eine Waffe, die an der Grenze aufgebaut war und wer in den Schussbereich kam, ist beschossen worden.

Wolfgang: aber diese Bots sind natürlich etwas raffinierter und treffen auch. Und zwar ziemlich gut. Es gibt zwei Bücher drüber, wie man Ethik programmiert. Ich habe die Kollegen kennengelernt und ich war entsetzt. Das sind amerikanische Forschungsprojekte. Aber es gibt bereits kaufbare Bücher, wo drinsteht, wie man die Regeln der Genfer Kriegsführung in Programme umsetzt oder wie selbständige Kampfbots arbeiten können. Als ich das erfahren habe, ist mir schlecht geworden. Tanja: Ethik programmieren? Wolfgang: das ist eine programmierte Ethik. Das Völkerkriegsrecht hat juristische Regeln, was man nicht tun darf und tun darf. Und diese Regeln werden weiter runterspezifiziert. Wo dieses Völkerkriegsrecht so umgesetzt wird, dass eine automatische Waffe danach tötet oder nicht. Ich halte das, mit Verlaub, für grauenvoll und entsetzlich. Völlig unmachbar. Die Kollegen, die die Bücher geschrieben haben, haben mir direkt gesagt: Soldaten machen ja auch Fehler. Torsten: aber Soldaten haben immer noch ihr eigenes Gewissen, ihren Spielraum. Wolfgang: es geht nicht um Gewissen bei juristischen Regeln. Sie bauen die Maschinen. Der Zustand ist schon viel weiter. Die Militärs halten sich ans Kriegsvölkerrecht. Die Bastler, die solche Dinger bauen - die man ja auch sehr gut für Attentate verwenden kann - halten sich an kein Recht dabei. Wir sind in einem maschinellen Zustand, in dem der Einsatz automatischer Tötungswaffen technisch möglich ist und bereits gemacht wird. Und da können wir jetzt nicht groß drüber nachdenken, ob wir das überhaupt wollen oder nicht wollen, sondern wir müssen damit leben, dass es das gibt. Wir können natürlich hingehen und sagen, ich werde alles tun, damit sich das nicht verbreitet, - das fände ich auch richtig - aber wir können nicht sagen, das gibt´s nicht. Die Büchse der Pandorra ist offen! Torsten: das eigentliche Problem ist ja nicht, dass es möglich ist einer Maschine eine Ethik einzubauen, sondern das eigentliche Problem ist das Weglassen der Ethik.

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Tilo links: es ist schon unmöglich, eine Ethik zu definieren.
Wolfgang: ehrlich gesagt, empfinde ich den Einbau einer Ethik in eine Maschine ebenfalls als Weglassen einer Ethik. Antje: es ist ja auch nur eine Absicherung des Programmierers. Der kann sagen, ich habe alles getan. Wolfgang: es ist eine Absicherung der kriegsführenden Parteien. Torsten: es muss ja nicht unbedingt eine kriegsführende Geschichte sein. Jetzt sage ich mal, ein Roboter, der in einem Altenheim eingesetzt wird und dort zur Pflege von alten Menschen eingesetzt wird, der wird ´ne Regelmaschine bekommen, ´ne Ethik, wonach dann wahrscheinlich als höchste Direktive auch drin ist, die Menschen müssen geschützt werden. So, dann leidet da eine alte Oma und dann hat man genau die Sache, die sich auch Mediziner stellen: darf ich das machen? Ist Euthanasie gerechtfertigt? Wolfgang: nein, solche Maschinen werden noch nicht gebaut und da bin ich auch relativ überzeugt, dass sie nicht gebaut werden. Torsten: es ist technisch möglich. Antje: aber ich finde die Idee schon so absurd. Dass es toll sein soll, wenn alte Menschen eine Maschine haben, die sie pflegt. Ich meine, das ist doch ein Verlust, wenn da kein Mensch mehr ist. Torsten: aber die werden genauso gebaut. Antje: ja, ich weiß. Tanja: in Japan gibt es für Kinderbetreuung Roboter. Wolfgang: ich will jetzt keine Vermutung äußern, aber einige, die hier anwesend sind, kommunizieren vermutlich sehr heftig mit intelligenten Maschinen und mit sehr starken Gefühlen. Es gibt ja Leute, die spielen mit dem Computer. Und da gibt es Game-Engines und diese Game-Engines benehmen sich als menschliche Gegner in bestimmten Spielen. First Person Shooters und sonstwas. Und da akzeptieren die Spieler sehr wohl, dass ihnen da eine Intelligenz gegenüber tritt. Ein heikler Punkt. Wolfgang erzählt von einem Roman, in dem eine Game-Engine die Weltherrschaft übernimmt, die nicht so viel intelligenter ist, als das, was man in guten Spielen findet. Wolfgang: die ganze Science Fikcion ist, dass sie im Netz alle Daten, die da sind, benutzt und dass sie allen Beteiligten klar macht, schalte nicht das Netz ab, dann ist alles im Arsch. Du kommst ohne Netz nicht mehr aus, und ich bin das Netz. Ich finde das gar nicht so science-fiction-haft. Torsten: um nochmal auf diese Sky-Net-Geschichte zurückzukommen, da hat ja auch die Maschine Parameter bekommen, sollte auch das Leben schützen und hat sich überlegt, ohne Menschen wird´s besser.

Antje: die machen hier gleich zu. Hat jemand noch den Wunsch, seinen Satz einzubringen? Torsten: es schließt ein bisschen daran an. Mir ging es darum: “Was passiert, wenn man eine Maschine als intelligent oder gleichwertig akzeptiert.“ Denn das tue ich nicht mit Computerspielen. Ich bin Informatiker, vielleicht sehe ich immer dahinter: das hat einer so und so programmiert, damit das so wirkt, als ob sie sich irgendwie wie ein Mensch verhält. Noch hat ja kein Programm den Turing-Test bestanden, auch wenn es bei manchen Leuten bei Eliza und ähnlichen Sachen ein bisschen länger dauert, bis ihnen klar wird, was los ist. Turing-Test heißt, du kommunizierst mit 2 Leuten, einer ist ein Mensch, der andere ist eine Maschine und du kannst es nicht mehr unterscheiden. Wolfgang: heute sagt man, nach einer halbe Stunde, typischer Weise, musst du die Entscheidung immer noch nicht zuverlässig treffen, dann hat sie bestanden. Und dann gibt es jedes Jahr diesen amerikanischen Wettbewerb und die sind sehr weit, inzwischen. Also diesen Turing-Test kann man anscheinend bestehen, mit ´ner guten Programmierung. Torsten: gut, dann muss man das anders formulieren: Wenn es irgendwann einen künstlichen Organismus gibt, der sich nicht mehr unterscheidbar zum Menschen verhält. Wolfgang: gibt es beim Spielen nicht Situationen, wo du wirklich diese Unterscheidung nicht mehr seriös triffst? Also ich glaube, manche Game-Engines sind so. Du hast sicher noch eine Kontrollebene, aber das rückt schon näher. Torsten: in meiner Wahrnehmung werden Teilaspekte nachgebildet. Eben ob ein Mensch auf unterschiedliche Situationen unterschiedlich reagieren kann. Und das habe ich noch nicht gesehen. Alexandre: also was mir fehlt, in dieser Diskussion ist eigentlich, egal ob das ein Roboter oder ein Mensch oder was auch immer ist, ich glaube, dass wir vergessen, dass wir Individuen sind. Und wie die Welt sich ändert, hat damit zu tun, was ich daraus mache. Das heißt, ich habe die Verantwortung, dass ich mir als Mensch jedes Mal bei irgendeinen Einsatz von Technik überlege, was hat das für Konsequenzen? Also ich nehme mal ein ganz konkretes Beispiel: der Einsatz von Robotern für Pflege. Es gibt was ganz Einfaches, was ich mir täglich überlege. Wenn ich ein Buch kaufe, will ich das im Internet bestellen oder gehe ich zu einem Buchhändler. Und was passiert, wenn ich ständig im Internet bestelle? Dann sind alle Buchhändler pleite. Und dann gibt es eine Stadt ohne Buchhandlung. Was ist dann? Vielleicht muss man wirklich zurückkommen auf diese Eigenverantwortung. Jeder Akt, den ich tue hat in größerem Maße eine Wirkung. Genauso, was einen Roboter betrifft. Brauche ich einen Staubsauger-Roboter? Wolfgang: nur, wenn du den ganzen Tag nicht zuhause bist. Weil der zu laut ist. Es ist fürchterlich-
Wir machen Schluss, gehen zusammen zum Italiener essen und reden über die Thematik beim Essen noch weiter.



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