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Mitschnitt vom 29.12.10

Autor: Mitschnitt und Fotos Antje Eske

29.12.2010. Konversation 11: ´Globophagia´, konversationelle Netzwerkmusik.

Beteiligte: Kurd Alsleben, Patrick Borgeat, Antje Eske, Heiko Idensen, Jan-Kees van Kampen, Julian Rohrhuber, Ester Alzate Romero, Juan Gabriel Alzate Romero, Valentina Vuksic, Renate Wieser.

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Julian: wir von ´Powerbooks unpluged´ sitzen hier zusammen,
die Besucher zwischen den Musikern mit den Rechnern. Wir kommunizieren mit Codes. Wir lesen unseren Code. Code heißt in dem Fall kleine Algorithmen, die Sound produzeren. Bei uns ist es so, dass jeder auf jedem Rechner spielen kann. Also, was auf einem Rechner ist, ist nicht unbedingt das, was jemand gemacht hat. Außerdem sind Algorithmen die laufen, sowieso nicht, was jemand macht, sondern die laufen eben und man fängt an, daran was zu verändern, und zuzuhören und zu hören, wie die Veränderungen sich auswirken. Vielen, vielen Dank noch mal an Kurd und Antje. Es ist eine große Ehre, dass wir jetzt hier zusammenspielen können, weil wir ja auch schon viel an Konversationskunst von euch gelernt haben. Und eines dieser Dinge, die wir von euch gelernt haben ist, dass daraus letztlich auch dieses Ensemble geworden ist. Zu wissen, dass man das so machen kann, ist sehr wertvoll. Renate (zu den BesucherInnen): vielleicht eine Sache: es macht sehr viel mehr Sinn, sich da in die Mitte reinzusetzen. Wir spielen mit diesen Computer-Lautsprechern und von daher macht es mehr Sinn, sich dazwischen zu setzen. Julian: wir sitzen auch immer im Publikum. Das ist die Grundregel. Heiko Idensen: es gibt ja kein Publikum.

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Erwartungsvolle Stille.
Das Konzert beginnt. Wir lauschen eine gane Weile den unterschiedlichen Klängen, die den Raum erfüllen. Nach einer Weile ist wie von selber Schluss. Renate: wir haben jetzt einfach aufgehört. Selbst wenn dann irgend ein Ton einfach noch nach kommt. Valentina: wir haben uns abgesprochen, aber die Anderen haben nichts mitgekriegt. Lacht. Renate: aber normaler Weise kommt dann immer irgendwas doch noch. Patrick: etwas mit delay, oder? Alle lachen. Kurd: hat mir sehr gefallen und ich muss sagen, ich bin glücklich, dass ihr hier seid. Das ist ein wichtiger Teil hier. Julian: wir haben keinen festen Plan, wie wir die Konversation morgen machen. Also wir könnten morgen so´ne Mischung aus dem, was wir jetzt machen und einer Unterhaltung machen. Das wäre eine Möglichkeit. Oder wir können das jetzt machen. Ne Mischung aus dem, was wir gemacht haben und ´ner Unterhaltung. Und uns jetzt darüber unterhalten und morgen was anderes machen. Kurd: der Wunsch, darüber zu sprechen: ´was ist es jetzt´, wäre bei mir morgen auch da. Heiko: es ist eine Frage, ob die Anderen morgen da sind? Julian: wir können ja heute d´rüber reden und morgen auch noch. Jetzt gibt´s grade die Gelegenheit, dass wir direkt d´rüber reden können. Patrick: ich würde gern was hören von euch. Ich weiß nicht, ob ich morgen noch da bin. Also wie ihr (die Musiker) daüber redet. Julian: ich meine, du spielst ja selber in Netzwerkmusiken ... Patrick: ich mach das selber, genau, aber ´Powerbooks unpluged´ ist ja schon so ein bisschen ´ne spezielle Angelegenheit. Ihr habt darüber geschrieben. Z.B. würde mich mal interessieren: die klassische Besetzung seid ihr jetzt nicht. Aber habt ihr überhaupt die klassische Besetzung. Oder gibt´s bei euch überhaupt ´ne Besetzung oder kommen die Gruppen immer einfach so zusammen wie es irgendwie passt? Jan-Kees: du meinst, wie typische Musikanten? Meinst du das? Patrick: nein, nein. Ich meine mit Alberto und mit Hannes z.B. Die sind ja heute nicht da. Jan-Kees: ja, es ist so: derjenige, der kann, der kommt. Aber weniger als drei geht eigentlich nicht gut. Es geht wirklich um das Zusammenspielen, Co-Sharing, sage ich mal, und das ist auch eine Art Konversation. Und dafür muss man dann doch in demselben Raum sein. Patrick: es geht auch ein bisschen um Präsenz, oder? Jan-Kees: ja! Heiko: also es sind noch nicht Leute von außen mit einbezogen worden? Was ja theoretisch auch ginge, wenn ich es richtig verstanden habe. Jan-Kees: wir haben das schon einmal gemacht, mit Hannes. Aber grundsätzlich machen und mögen wir das nicht. Renate: was meinst du mit außen? Heiko: die nicht hier sind und mitspielen. Renate: über´s Netz? Heiko: ja, ja. Julian: wenn man an Netz denkt, dann denkt man ´weit weg und verbunden´. Also ganz große Abstände. Jan-Kees: Telepräsenz. Julian: dass man die äußerste Grenze immer weiter schiebt. Man kann große, weite Strecken verbinden. Ich habe aber von Anfang an, auch als ihr in der Telematik schon Netzwerkkunst gemacht habt, immer gemerkt, dass an einem Ort zu sein und trotzdem ein Netz zu haben viel faszinierender ist. Oder mich hat das immer mehr fasziniert, weil man plötzlich merkt, dass ein und derselbe Raum völlig verschiedene Räume sein können. Dass das, was selbstverständlich ist, plötzlich fremder wird. Valentina: und vielleicht nochmal kurz zu deiner Frage. Ich glaube es ist schon speziell. Oder dass ihr heute so Gastspieler habt, wie mich.

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Ich spiele jetzt das erste Mal mit,
habe mir eigentlich nur den Code angeguckt von früher, habe ein paar Teile geklaut oder ein paar Teile selber modifiziert. Für mich ist es jetzt schon eine ziemlich neue Erfahrung, meinen Rechner vor mir zu haben, aber andere Leute spielen d´rauf. Und ich spiele auf anderen Rechnern. Das war jetzt das, was mich am meisten bewegt hat, mal unabhängig von der Distanz. Heiko: du hast ein Saxophon und plötzlich spielt John Coltrane. Valentina: ja, genau. Kurd: das ist ja eigentlich das Sozialästhetische daran. Es ist ja viel akustisch. Für mich war es auditiv. Julian: vielleicht auch sozialästhetisch in dem Sinn, dass man auch in der Konversation nicht selber spricht, sondern man antwortet oder es passieren Dinge, die man nicht erwartet hat. Antje: aber für mich war es nicht nur musikalisch. Ich habe immer die Gesichter angeguckt. Man merkte richtig, dass euch da irgendwas begeisterte Wir haben zugehört, wir anderen, die wir nicht beteiligt waren. Also die Beteiligten waren anders eingebunden als wir, die wir gehört haben. Insofern sah man auch was Soziales zwischen euch auf den Gesichtern oder in der Haltung. Renate: was ich kenne ist, dass sich Leute so direkt hinter mich setzen und auf den Bildschirm gucken. Antje: und da rein gucken um was mitkriegen zu können. Ja, ich hatte ja bei dir auch mal reingeguckt, Das war noch wieder anders, weil da wieder eine neue Ebene war. Renate: ja man sieht es dann so ein bisschen vom Rhythmus her. Man merkt dann immer so ein bisschen, jetzt macht da jemand was und das könnte in bestimmter Weise zusammenhängen. Valentina: aber es war jetzt schon richtig ein Gespräch. Es wurde nie so laut, dass man gar nicht mehr gewusst hat, was wo, wie herkommt. Ich fand es eigentlich recht überschaubar. Nicht einfach, aber auch nicht so, dass es jetzt irgendwie ´ne Masse ist, wo einfach irgendwas bei rauskommt.

Julian: das ist auch interessant bei Musik, dass man gleichzeitig reden kann, ohne sich zu unterbrechen. Antje: ach so. – ja, ja. Jan-Kees: das geht halt eigentlich sehr gut. Antje: man merkt auch, wie ihr euch so gegenseitig anregt. Also plötzlich kamen solche Töne: ´brrrrrrr´. Das war vorher nicht und auf einmal kam es in eine andere Ecke und das griffen alle in irgend einer Weise auf. Das fand ich ganz eindrucksvoll. Jan-Kees: ja, dann versucht man mitzumachen. So ist das. Antje: ja, genau. Renate: man freut sich vielleicht auch, dass jetzt was anderes ist. Wenn irgendwas gelaufen ist, man fand´s ganz schön und denkt: ah, jetzt wird´s grade langweilig. Ohh, jetzt macht jemand was anderes. Jan-Kees: und es entsteht wirklich in dem Moment. Es ist nicht so, dass wir uns vorher sage: o.k., lass uns das so machen - ich frage mich, ob das überhaupt gehen würde, aber es entsteht wirklich, wenn wir spielen und wir darauf reagieren. Antje: ja, das merkt man. Valentina: was ich auch extrem schön fand - ich hab die ´Powerbooks unplugged´ mal draußen auf einer Wiese gehört und dann haben sie angefangen, die Vogelgeräusche oder anderen Geräusche aus der Umgebung mit aufzunehmen und nachzumachen. Und dann kommt halt nochmal irgendwie eine Ebene dazu. Antje: das kann ich mir vorstellen. Juan Gabriel: aber ihr redet auch, während ihr performed, oder? Jan-Kees: ein bisschen. Valentina:

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da kommen dann große rote Buchstaben.
Juan Gabriel: von dieser verbalen Kommunikation haben wir nichts mitgekriegt. Man hat eher mehr gehört, dass einer ´ne musikalische Idee gehabt hat. Aber nicht diese verbalen Gespräche. Antje: die kannst du ja auch nicht hören, die sehen sie ja auf ihren Bildschirmen. Julian: das ist auch nur so´n Notkanal. Weil alles andere in der Musik funktioniert. Valentina: heute war es auch eigentlich nichts Musikalisches, was besprochen wurde, sondern eher: wie lange noch? oder solche Dinge. Julian: wir haben kurz Kurd interviewt, wie lange er das denn noch hören will. Und haben das dann weiter gegeben. Kurd: und wie habt ihr das gemacht? Julian: ich zeige dir das mal - Er demonstriert Kurd, wie die Schrift auf die beteiligten Computer gesendet wird. Er erläutert noch, dass sie es hauptsächlich verwenden, wenn irgendwo mal ein Stück Musik hängen geblieben ist. Dieses Mal hätten sie die Grundregel gehabt: viel zuhören und voneinander klauen, wenn´s geht. Juan Gabriel: das haben wir bei unserer musikalischen Arbeit auch gesehen: dass diese musikalische Ebene schnellere und bessere Ergebnisse hat, als wenn man die Sachen irgendwie genauer abspricht. Julian: manchmal ist es schön, abstrakte Themen zu haben, so´ne abstrakte Partitur. Ich glaube schon, dass das Spaß macht, aber dazu muss man viel zusammen arbeiten. Patrick: es kommt auch immer auf die Zeit an, die man hat. Wenn man nur 10 Minuten hat, dann kommt man nicht weit genug. Jan-Kees: ja, wenn man nur 10 Minuten hat, dann muss man eigentlich viel mehr verabreden. Antje: macht ihr sowas nur 10 Minuten? Jan-Kees: das Kürzeste, was wir gespielt haben, waren 15 Minuten, glaube ich. Valentina: und das Längste? Jan-Kees: das Längste ... Julian: wahrscheinlich schon mal 2 Stunden. Jan-Kees: so etwa, ja. Heiko: nicht mal ´nen ganzen Tag? Julian: könnte man schon. Jan-Kees: oder eine ganze Woche. Alle lachen. Jan-Kees: wie die New Yorker Process-Spieler. Antje: und essen die zwischendurch auch mal? Jan-Kees: nein, wir brauchen kein Essen. Heiko: oder die Satie-Konzerte damals waren, glaube ich, immer 16 Stunden. Dieses ´Extension´ Satie, von Padeluun und Rena. Das wurde öfter in Hannover aufgeführt. Das ist ja noch mit klassischer Partitur und dann 860 mal aufgeführt, hatte Satie d´runter geschrieben. Das wurde öfter aufgeführt bei uns in so ´nem Performance-Space. Wenn man auf Toilette ging, fehlte einem die Melodie. Man kam wieder rein und dann war wieder alles o.k. Jan-Kees: aber in den 60er Jahren hat der La Monte Young wirklich eine Woche mit vielen Musikern eine Note gespielt. Das bringt dann auch etwas, denke ich. Alle lachen. Heiko: auf jeden Fall. Julian: ab dem dritten Tag. Jan-Kees: da fängt´s an. Juan Gabriel: aber mit so wechselnder Besetzung, wie´s bei euch ist, kann man das schon gut machen. Da muss man nur irgendwie reinkommen in das, was grad so war, sich drauf einstellen und der Andere kann während dessen auf´s Klo gehen. Julian: das sowieso: man fehlt nicht so, wenn einer fehlt, weil ja alle immer noch auf allen Laptops spielen. Es ist auch das Schöne, das Gefühl zu haben, dass das nicht so wichtig ist. Aber dann ist es schon interessant, wenn man versucht, mit ganz anderen Leuten zu spielen, geht´s plötzlich nicht. Jan-Kees: aber was grundsätzlich auch schön ist, ist, dass es nicht mehr so wichtig ist, was woher kommt. Es gibt in dem Sinne keine Virtuosität oder Identität, wie in einer klassischen Band. Kurd: aber da ist ja die Frage: gibt es den Impetus jetzt dazu. Dass du sagst: ich will durchklingen. Wir haben nämlich mal zusammen gezeichnet, da waren wir im Urlaub, und dann merkte man: verdammt nochmal, ich wollte doch das! Das waren Landschaften. Jan-Kees: das geschieht schon ab und zu, aber spielerisch und nicht so lange. Es ist irgendwie nicht so schön, wenn man sagt: und jetzt! Das haben wir alle nicht. Aber ab und zu einen komischen Ausbruch. Kurd: warum habt ihr das nicht? Jan-Kees: weil wir nette Typen sind. Antje: das verliert sich auch, Kurd. Beim Zeichnen war das auch nur am Anfang. Nachher freut man sich mehr an dem Gemeinsamen. Zuerst denkt man, man müsste sich darstellen und auf einmal merkt man, dass es darum nicht geht. Das ist beim Bilderchat auch so. Wir machen Bilderchat, abwechselnd mit Bildern und Texten. Zuerst ist es so, wer neu ist, will sich dort erstmal produzieren. Und später merkt man, es ist viel schöner, wenn du dieses Netz siehst und das Gesamte. Und es ist völlig egal, wo dein Beitrag ist. Jan-Kees: ja, ja! Antje: du weißt nachher auch gar nicht mehr: von wem was ist. Wenn du es hinterher anguckst. Valentina: aber ich finde es trotzdem auch wichtig, dass hin und wieder der Einzelne mal Platz hat, weil sich sonst alle zurückhalten. Ich weiß es nicht, ob´s so ist. Antje: nee, das schwingt doch zusammen. Also man erfreut sich viel mehr an den Zusammenklängen, finde ich, als an einzelnen Beiträgen. Valentina: aber ich will ja auch etwas ´reingegeben in die Gruppe und nicht einfach mitschwingen. Also beides. Antje: ja , aber du wirst doch auch beeinflusst von dem, was auf dich zukommt. Valentina: klar, aber wenn ich zu zurückhaltend bin und mich nur zurücknehme und mich einpendle, dann kommt vielleicht auch nichts von mir. Antje: ja, ich finde aber, es ist noch ein Unterschied, ob ich mich jetzt so ´reingebe oder ob ich mich da produziere und den Anderen imponieren will. Julian: wer ist ´ich´ dann überhaupt. Wenn ich plötzlich inspiriert bin von was, dann ist es ja nicht ´ich´, was mich inspiriert. Jan-Kees: dieses Set-Up hält die Leute auch davon ab, sowas zu machen. Man müsste wirklich sagen: ich spiel jetzt auf meine Rechnung, dieses Geräusch, sehr laut und dann denken bestimmt alle Anderen: was ist mit dem los? Julian: man kann das natürlich faken. Das sollten wir mal machen. Alle lachen. Renate: ich hatte das mal aus Versehen. Irgend jemand hatte auf meinen Rechner was geschickt und es war immer gleich und ich musste dann den Ton von meinem Rechner ausschalten, ich hab´s nicht weggekriegt, weil´s ja jemand anderes zu mir geschickt hat. Und das ´aus Versehen´. Heiko: Mobbing. Alle lachen. Jan-Kees: aber dafür gibt´s dann auch wieder den Chat. Da kann man sagen: Heh! Weg. Heiko: nimm deinen Ton aus meinem Kopf. Julian: manchmal hilft auch das nicht. Renate: sowas gehört auch dazu. Ich glaube, deswegen ist man auch so vorsichtig, weil es so ein bisschen unbeherrschbar ist. Jan-Kees: ja, man kann es auf jedem Computer kaputt machen, für jeden. Das ist nicht so leicht mit einer normalen Band, aber hier geht das ganz einfach. Heiko: mit einem Orchester oder mit einer Schulklasse. Das wären interessante Experimente. Ein Abbild der sozialen Sachen, die laufen. Julian: ich habe neulich von Ligna´s Musicbox gelesen. Ligna, diese Gruppe, die hat eine Aussage gemacht - ich hab die fotografiert und auf meinen Computer getan und wieder vergessen - die ich ganz interessant finde: dass ´ne öffentliche Situation eine unkontrollierte Situation ist. Antje: wieso? Julian: ich glaube nicht, dass es eine ungeregelte Situation ist, das wäre falsch, Kontrolle mit Regellosigkeit zu verwechseln, aber irgendwie stimmt irgendwas daran. Antje: ich hab´s noch nicht verstanden, wieso unkontrollierbar. Julian: also die meinen das so, dass der öffentliche Raum nur dann öffentlich ist, wenn er nicht unter Kontrolle steht. Also im Bahnhof oder in der Fußgängerzone - das ist jetzt ein klassisches Beispiel - wenn man da alles machen kann, was man will, im Prinzip.

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Renate: das ist auch spannend, weil es ja immer schwierig ist, zu definieren, was öffentlich ist
. Das ist ja so´n ganz komisches Wort, was man irgendwie schlecht hinkriegt. Für Kunst ist es ganz spannend, Kunst im öffentlichen Raum, was ist das dann? Heiko: ja, angenommen, ihr macht das im ICE, das wäre schon interessant. Würdet ihr alle eure Laptops auspacken und dann plötzlich was anfangen. Patrick: Flashmop. Valentina: da müsst ihr zuerst ein Casting bei der Polizei machen. Renate: ja, aber so laut ist es ja gar nicht. Jan-Kees: wir können es ja auch mit Kopfhörern machen. Nur für uns. Alle lachen Heiko: das ist die rücksichtsvolle Variante. Julian: man kann auch die Töne so hoch machen, dass es an der oberen Hörgrenze liegt oder so ähnlich wie die ICE-Geräusche Dass man nie genau weiß, ob´s nicht doch der ICE ist. Juan Gabriel: gestern habe ich angefangen, im Zug was auszuprobieren Ich hatte meine Kopfhörer an und ich dachte: ja, das klingt cool, das klingt cool. Und dann habe ich Esther aufgeweckt und dann hat sie mir schnell meine Kopfhörer angeschlossen. Heiko: hattest du vergessen sie reinzustecken? Esther: aber ich habe es am Anfang auch nicht gemerkt, ich dachte auch erst, das wäre der ICE. Heiko: aber du bist nicht über den Bordlautsprecher gegangen? Juan Gabriel: nee und anscheinend haben es die Leute nebendran auch erst nicht gemerkt. Esther: nee, gar nicht.

Valentina: und du bist auch in einer Band? Was macht ihr? Patrick: wir tun auch life coden, aber wir betreiben das ein bisschen anders. Wir betreiben das mit Lautsprechern, mit Kabeln. Ihr habt ja euren Code-Pool und variiert den. Wir versuchen immer quasi bei 0 anzufangen. Wir sind vier Leute und bauen dann quasi immer auf und machen das auch in Ausstellungen, dann auch verteilt oftmals, aber mit Lautsprechern, manchmal aber auch eher konzertant. Valentina: also ihr bespielt alle gemeinsam dieselben Lautsprecher. Patrick und Juan Gabriel: ja, meistens. Antje: und ihr seid ´ne Vierergruppe? Patrick: genau. Also wir sind eine Vierergruppe. Juan Gabriel: wir sind ´ne Band. Und wir haben auch gemerkt, dass es bei uns, ab einem gewissen Punkt durchaus Rollenverteilungen gibt. Weil wir ´ne Band sind. Das ist alles über die Musik gekommen. Wir haben nie wirklich unsere Rollen besprochen. Das ist durch das viele Proben dann irgendwann gekommen. Also wir spielen manchmal in Kneipen, wo man mehr so Tanz- oder Beatmusik braucht. Und dann fängt man an, so einen Beat zu machen. Es ist irgendwann langweilig und dann sage ich zu ihm, er soll´s übernehmen und ich mache lieber den Bass. Und darüber wechseln wir dann life und das klingt wie ein DJ, wenn er zwei Lieder mischt. Irgendwie kommen wir auf etwas anderes, wir besprechen das immer so ein bisschen chat-mäßig. Patrick: wenn wir in einer Kneipe spielen, erfüllen wir auch eher quasi Konventionen, weil dann natürlich die Leute auch ´ne Erwartungshaltung haben, was in der Kneipe für eine Musik läuft. Wir versuchen algorhythmisch alles life zu machen und geben dem trotzdem auch unseren experimentellen, eigenen Sound. Es geht viel schief. Ist dann aber doch irgendwie so, dass es klassische Begriffe gibt: er macht die Baseform. er macht den Bass, er macht dann tss, tss, tss, Valentina: wie heißt ihr? Patrick: ´Benoit and the Mandelbrots´ Esther: also bei den ersten Konzerten von ihrer Band war´s als Zuhörer ganz ganz schwer, weil man - also das fand ich jetzt grade so faszinierend, weil du (Valentina) sagst, du hast zum ersten Mal mitgespielt, und ich konnte trotzdem der Konversation folgen. Was bei ihren ersten Konzerten nicht der Fall war. Das war für einen Zuhörer ganz schwer. Jetzt, wo sie oft zusammen gespielt und geprobt haben, jetzt kann ich da sehr gut folgen. Das fand ich hier überraschend, weil ich immer gedacht habe, wenn Musiker ganz neu aufeinander treffen und es nicht wie im Jazz schon irgendwelche Grundbausteine gibt, dass es dann ganz schwer ist für einen Zuhörer. Das war jetzt die Erfahrung mit euch.

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Juan Gabriel: vierter von links am Anfang waren wir auch schlecht. Patrick: erster von links die technische Schwierigkeit, die muss man erstmal etwas weiter ´runterdrücken.
Am Anfang hat man die halt und irgendwann kommt dann mehr das Künstlerische vor. Valentina: aber heute tretet ihr nicht auf? Patrick: heute nicht, nee. Am 28. im Kubus. Jan-Kees: spielt ihr auch in Supercollider? Patrick: wir spielen alle auch in Supercollider. Juan Gabriel: und inspiriert durch Julian und die Republic-Sachen vorm Konzert, werden wir alle Erstsemester und weiteren Semester in einer großen Republic - hoffentlich nicht über 32 - ausprobieren lassen. Alle haben Macbooks. Es wäre lustig, wenn ein paar 17ner Zoll hätten, so als Bass oder Kontrabass-Laptops. Kleine Laptops als Sopran. Jan-Kees: so ein Desktop-Replacement. Valentina: ich habe noch eine lustige Superkollider-Band gesehen, in Japan. Das waren drei Frauen. So´ne japanische Girlie-Tanzband. Kennt ihr die auch? Jan-Kees: ja, du meinstTakeko? Valentina: war das Takeko?

Kurd: ihr könnt reden und keiner braucht aufzuhören. Ihr könnt durcheinander reden. Das ist beim Zeichnen schwer gewesen. Du fängst an, siehst irgend ein Stück aus der Landschaft, zeichnest die Wolken und dann hörst du nach ´ner Weile auf und tauscht. Wir waren zu zweit. Antje: haben´s aber auch schon zu Mehreren gemacht. Kurd: ja, o.k. aber jetzt denke ich mal an ´zu zweit´. Und dann hast du ja was anderes gesehen, was du dann zeichnen willst. Das sind irgendwie schon schwere Momente; ja, das sollte doch auf der Zeichnung drauf sein. Antje: aber findest du nicht auch, dass sich das verändert hat? Kurd: ja, das verändert sich. Aber am Anfang ist es schwer. Antje: ja, das stimmt. Julian: beim Musik machen ist es auch schwer am Anfang. Antje: ja eben, glaub ich auch. Jan-Kees: die Hauptsache ist, es so ein bisschen offen zu lassen, auch beim Zeichnen. Das man nicht schon alles einfüllt, dass der Andere nur etwas falsch machen kann. Kurd: wir haben nachher gedacht, sollten wir vielleicht in den zeichnerischen Mitteln einen Unterschied machen. Einer zeichnet mit dem Pinsel - den hatten wir nicht - aber ich gerne mit Bleistift und du mit Buntstift. Also ich wüsste nicht, ob das besser ist. Das haben wir auch noch nicht gemacht. So weit sind wir noch nicht gekommen. Renate: was ich auch mal lustig fand: ich kannte das mit einem großen Blatt und alle malen auf einem Blatt gleichzeitig. Und dass dann am Anfang alle so in irgend einer Ecke lehnen und irgendwann kommt irgend jemand und fängt an, so ´rüber zu greifen. Eigentlich ist das total nett. Und dann fängt man an, so in das andere ´reinzugehen. Antje: bei der vorletzten Konversation hat Mike Hentz so´n Blatt auf den runden Tisch gelegt und angefangen, zu pinseln. Und alle fingen dann auch an, zu pinseln und das ist dann dabei rausgekommen. - Sie zeigt auf das große Blatt, das als Untergrund für die Dokumentation der Konversationen am 26. u. 27. November im ZKM jetzt an der ´zuwachsenden Wand´ hängt. - Das ist so ein Gemeinschafts-Konversationsblatt. Renate: ja stimmt. Das hatte mir Frank oder Julia erzählt. Antje: die waren auch dabei. Renate: und dass es auch recht spannungsreich war.

Julian: das ist auch so was, was bei Bands so´ne ganz eigenartige Triebfeder ist: die sozialen Spannungen auch mit auszuhalten und die auch mit zu produzieren. Es wird ja immer ganz viel erzählt. Die ganzen dramatischen Neid- und Liebesgeschichten. - Die Anderen staunen. - Julian: ja, das gehört irgendwie zur Musik eigenartiger Weise dazu. Zu´ Powerbooks unplugged´ nicht so direkt. Vielleicht ist es ja auch so, dass es eine bestimmte Art gibt, sich Rollen zu verteilen und dadurch ein Zusammenspiel zu bekommen oder immer so unfertig zu sein, dass man sowieso immer erst zusammen fertig werden kann. Also beim Sprechen könnte man sagen: man muss so allgemein sprechen, dass immer noch jemand was dazu sagen muss, sonst wird´s sowieso nicht klar oder man sagt: der eine redet halt immer über das und der andere über jenes. Jan-Kees: wir machen das Erste. Julian: ja, ja, Deswegen müssen wir uns auch nicht vorbereiten oder meinen, das nicht zu müssen. Kurd zu Jan-Kees: ich habe dich eben nicht verstanden. Jan-Kees: Julian hat gesagt, entweder man hat klare Rollen. Das haben wir nicht. Wir haben keine typische musikalische Rolle. Wir denken alle: o.k. jetzt ist es das. Es könnte schön sein, noch ein bisschen Rhythmus dazu zu haben oder ein bisschen Tonalität. Julian: das ist auch überhaupt keine Wertung. Nur jetzt mal so´ne Idee, wie man überhaupt zusammen spielen kann. Das ist ja ein offenes Problem. Valentina: aber habt ihr dann nicht eine andere Form von Rollen? Jan-Kees: wir haben nicht echte Rollen. Valentina: oder dass der eine eher so arbeitet, z.B. mehr zuhört? Julian: wahrscheinlich gibt es die, aber die sind nicht explizit. Jan-Kees: wenn es um das Musizieren geht, glaube ich nicht so wirklich. Die Entwicklung der Software ist ein bisschen anders, aber das Spielen selbst. Antje: ach, entwickelt ihr die Software immer weiter? Jan-Kees: ja, die ist grundsätzlich von Alberto und Julian gemacht. Aber die Geräusche machen wir alle selbstständig. Die Systemsoftware ist hauptsächlich von Julian gemacht. Antje: und wird sie noch weiterentwickelt? Oder was hattest du da eben angedeutet? Julian: ja, unser Set-Up für das hier ist ein bisschen speziell, weil das immer irgendwie funktioniert und wir ja nur selten zusammenkommen. Deswegen ist es jedesmal so ein kleiner Schritt, den wir parallel zu anderen Sachen machen. Eigentlich technologisch ziemlich rückständig. Aber es funktioniert gut. Wir wollen immer keinen Stress, kein Risiko und weil es schon so gut funktioniert, lassen wir das so. Weil es sonst sehr viel Aufwand wäre. Dann müsste man sich wirklich treffen und lange üben, um auch die Fehler kennen zu lernen. Patrick: hört ihr denn, wer welchen Klang gemacht hat? Weil das Vorlieben des Einzelnen sind, oder so? Man macht sich ja sicher Gedanken. Wenn was Neues kommt, denkt man: ach so! Renate: man kann nachgucken. Patrick: ach ja, stimmt ja. Jan-Kees: wenn es Klänge sind, die sehr bestimmt sind, weiß man, die sind vielleicht nicht von diesem gespielt, aber von ihm gemacht. Weil es jeder natürlich spielen kann. Aber es gibt auch Klänge, das sind so atmosphärische Geräusche, kleine Dinge, die wirklich von jedem kommen können. Und das ist für uns auch nicht wichtig, von wem es kommt. Aber so einzelne, bestimmte Dinge, die kennen wir auch schon. Patrick: schreibt ihr auch manchmal Klänge von Grund auf komplett neu? Oder geht ihr immer von eurem Pool aus und modifiziert dann nur. Jan-Kees: es kommt darauf an. Wenn wir Zeit haben, also wenn wir für eine Stunde spielen, dann machen wir das eher, als wenn wir wenig Zeit haben. Ich habe bemerkt, wenn wir 20 Minuten gespielt haben, gibt es ab da eine sichere Ruhe, wo dann ganz viele neue Dinge entstehen. Aber wenn wir nur 20 Minuten spielen, kommt das nicht. Das ist ein anderer Modus. Renate: oft ist es auch schön, wenn man was spielt und es kommen so drei Variationen zurück. Das ist immer ziemlich lustig. Das ist irgendwie angenehm, das Modifizieren von Material, aber dabei kommt jeder irgendwie auf ´ne andere Idee dazu. Das finde ich dann auch überraschend.

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Jan-Kees: das ist sogar notwendig, auch für heute, aber ich meine überhaupt, dass Sachen wiederholt werden, Variationen also.
Denn wir haben schon keinen festen Rhythmus, keine feste Tonalität. Das gibt es alles schon, aber es ist nicht fest. Das heißt, wenn wir nichts wiederholen, dann ist es amorph. Das ist problematisch. Also Wiederholung ist schon wichtig, aber nicht genauso wie es war, sondern mit kleinen Änderungen. Valentina: das war aber etwas, was ich jetzt als Gastspielerin nicht machen konnte. Dazu habe ich keine Erfahrung mit der Band. Ich konnte halt nur zuhören und gucken, was Passendes zu spielen, aber ich konnte noch nicht auf die Schnelle was aufgreifen von jemand anderem. Da fehlt mir noch das Gefühl.

Patrick: kommuniziert ihr dann über Klang oder über Quellcode? Ihr seht ja auch beides. Julian: das ist grade das Zusammentreffen von beidem. Man hört was, was man interessant findet und guckt mal nach: ah, o.k. Was war das denn. Und dann nimmt man sich das entweder und variiert das oder man weiß halt: ah, das ist das und hat es im Hinterkopf. Renate: also mir geht es schon so, dass der Quellcode relativ schnell weitergeht und wenn ich jetzt grade mit was Anderem beschäftigt war, dann komme ich da nicht mehr hin.

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Dann müsste ich finden, wo es wirklich nicht nur ´ne Zeile spielt, sondern auch ein ganzes Pattern.
Manchmal ist es bei manchen Klängen so, dass sich die einfach mischen. Dass die einfach gemischt klingen. Das sind dann mehrere Patterns die ... Julian: zusammenwirken. Renate: für mich hat´s schon eine gewisse Unbeherrschtheit. Julian: also der Rahmen von dem System als Social Software sozusagen, ist schon immer sehr speziell und ich glaube eigentlich, dass jeder Rahmen immer auch ´ne Art von Komposition ist. Und unser ´Powerbook unplugged´ ist eigentlich ´ne Komposition von uns allen, und eine kleine Änderung kann schon ganz viel auslösen. Es gibt ja von ´The Hub´, dieser Netzwerkband aus den 70ern, 80ern, ein Stück, das heißt glaube ich: Boss. Da ist auf einem Rechner ein Mischpult. Auf dem Rechner kann man alle anderen Instrumente oder Rechner mischen. Aber jeder kann für sich jederzeit dieses Mischpult beanspruchen und dann ist es weg. Dann ist es beim Anderen. Und das erzeugt so eine bestimmte Dynamik. Deswegen heißt das Stück ´Boss´ und das funktioniert auch so. Es ist auf eine Art unendlich und auf eine Art sehr begrenzt. Ich finde, es ist eine sehr typische Eigenschaft von dieser Art von Kunst, die nicht fertig ist. Dass sie immer unendlich ist und doch total eng. Man merkt oft, wie eng es ist, aber grade in dieser Enge kann man eben sehr viel bewegen. Heiko: sonst würde man ja sagen: der Komponist oder irgend wer ist am Mischpult und mischt das nach seinem Gusto zusammen. Ich kann mich an Sachen erinnern, z.B. von Ponton, solche interaktiven Fernsehgeschichten, wo ganz viele uns was zuspielten. Und nach dem dritten, vierten Mal merkte man - Ponton hat das natürlich zusammengemischt, weil der Mischer in Linz bei der ARS Electronica stand und von überall was reinkam - aber die am Mischer, die hatten natürlich die Macht. Das konnten noch so schöne Sachen sein - dann kam da so´ne Performance und da kam so´ne Frauengeschichte, die sie nicht haben wollten - dann mischten sie einfach rüber. Wenn die Konstruktion so sozial ist, dass selbst der Mischer ´rumgeht, dass alle Parameter jeder haben kann, das ist schon eine entscheidende Änderung gegenüber dieser anderen Geschichte. Renate: das habe ich versucht, in einer Arbeit zu thematisieren. Da hatte ich nur Metronome angeschlossen an einen Mischer und Effektgerät und habe dann nur Mischer und Effektgerät gespielt. Dass man das mal sieht. Heiko: dass der Mischer die Konstruktion ist. Jan-Kees: ja, genau: Input-Mixing, das ist sein Genre. Julian: no Input-Mixing, kennt ihr das? Man spielt nur mit einem Mischpult und macht Feedback-Schleifen. Sehr kybernetische Musik. Jan Kees: in einem Mischpult sind natürlich Oszillatoren. Ein Mischpult ist ein Syntheziser. Man muss ihn halt nur richtig nutzen. Heiko: das haben die Rockgruppen auch immer wieder probiert. Die sind immer wieder an den Lautsprecher ran mit dem Mikrofon ... oder mit der Kamera ins Bild. Julian: das ist das erste, was man mit ´nem Medium macht. Als erstes mal auf sich selber. Heiko: Feedback-Schleife ausprobieren - bis es kaputt ist. Julian: genau. Erst das und dann kaputt machen. Heiko: das haben wir hinter uns. Renate: eben war mir noch eingefallen: wir haben es schon einige Male gemacht, dass wir so´n bisschen überlegt haben wie wir anfangen, so´n bisschen wie der Verlauf sein soll. Also so´ne ganz ganz grobe Struktur hatten wir schon. Valentina: habt ihr die später auch wieder erkannt? Renate: ja! Heiko: hattet ihr schon gesagt, wie lange ihr spielt? Renate: 24 Stunden. Heiko: habt ihr mal gemacht? Alle lachen. Renate: ich glaube 1 1/2 Stunden vielleicht mal als Längstes. Aber Julian meinte vorhin 2 Stunden. Julian: keine Ahnung. Genau weiß ich´s nicht mehr. Jan-Kees: ja und jetzt machen wir oft nur generative Sachen, also Sachen, die von dem Computer erzeugt werden. Aber wir haben auch Sachen mit Feedback zwischen den Computern gemacht. Also wenn zwei Leute nebeneinander laufen mit den Computern, dass die die Mikrofone und die Speaker von den Computern zusammenkriegen und man läuft wieder auseinander und das geht wiederr weg.

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Aufgenommene Geräusche nutzen wir eigentlich nicht.

Kurd: in der Musik gibt es ja, wie überall, auch - ich nenne es mal, um es ein bisschen kompliziert zu sagen, Commonsense - also Konventionen und sowas wie ´wie geht ihr damit um´ oder ´wie kommt ihr davon weg´ oder so. Das ist auch Ästhetik. Wir leben ja alle in einem Commonsense, ganz eng, gucken fern und sind die Leute, die wir sein sollen. Mehr oder weniger, natürlich. Nun ist doch die Frage: wie wird man damit fertig? Wie kommt man davon los, oder bis zu welchem Grad kommt man davon los. Wenn man weit weggeht, kommt man ins Krankenhaus. Dann ist man erledigt. Jan-Kees: ich glaube auch - was wir vorher besprochen haben - man gibt schon ein bisschen auf, damit etwas entstehen kann, was für alle ist. Also die meisten von uns haben einen musikalischen Hintergrund und wir haben natürlich alle einen eigenen Geschmack, sagen wir mal. Aber was ´rauskommt, ist nicht Musik von einer Person. Vorher können wir nicht wissen, was das ist. Wir haben ein Interesse an einer Methode von Sound-Synthese, z.B. Granular Synthesis, kleine Teilchen von Geräuschen, mit denen man Geräuschen Farben oder Formen geben kann. Das ist sehr offen und das war eigentlich unser erstes Interesse. Und dann bringt jeder seine eigenen Interessen so ein bisschen ´rein. Das können neue Geräusche sein, aber auch eine Weise, wie man mit diesen Geräuschen spielt. Also ein Pattern, oder so etwas. Aber grundsätzlich geben wir ein bisschen von unserer Eigenheit auf und geben es an die Band. Stimmt´s? Julian: ja, ich glaube schon. Code macht ja auch viel Formalisierung oder über Code gibt man ja auch automatisch vieles in eine ganz andere Welt von Konventionen. Das sind ganz andere Beschränkungen als der Commonsense, weil Code nicht dem Commonsense entspricht. Etwas anderes ist vielleicht auch, dass man dem vorauseilenden Gehorsam entgegen läuft. Also ich habe ganz viel das Gefühl, dass der vorauseilende Gehorsam der Commonsense ist. Antje: ja, das finde ich gut. Julian: dass gar nicht so viel Macht da ist, sondern dass nur immer geglaubt wird, dass soviel Macht da ist und alle sich dann schon so verhalten, vorauseilend. Und wenn man mal ein bisschen was anderes macht, merkt man ja: oh, das geht! Gut, ich gebe zu, es gibt schon Sachen, die sollte man besser nicht machen. Aber es gibt dazwischen andere Sachen, die sind völlig problemlos und niemand kann was dagegen sagen. Auch kann niemand was dafür. Das ist vielleicht das Problem. Das sind so komisch ambivalente Sachen, wo niemand sagt: ja, das ist es. Sondern erst rückwirkend merkt: ha, das war´s. Aber wir wussten vorher gar nicht, dass es das werden würde. Vielleicht ist das ein bisschen das Problem. Jan-Kees: ich habe mal einen Klang gemacht, der war ziemlich o.k. aber dann hat Alberto auf einem Konzert den mitgespielt und das klang so schön. Da habe ich gedacht: Wow! Irgendwie soll das so gespielt werden. Das ist total schön, das kann man in einer normalen Band natürlich nicht erleben, weil man nicht die Instrumente tauscht und so.

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Patrick: ist es nicht auch das Schöne an Computerkunst allgemein, dass man eigentlich oftmals über seine Vorstellung hinaus greifen und das dann neu bewerten kann.
Julian: ja, das ist auch so. Man macht was, was grade knapp über das Verständnis ´raus geht. Nicht total, dann wär´s einfach nur Chaos, aber man versucht immer an die Grenzen zu gehen: das verstehe ich jetzt grade nicht mehr. Das ist dieses Ambivalente, da weiß man auch nicht, was man darüber sagen soll und dann merkt man rückwirkend: ah, o.k. Und dann fängt man auch an, das zu verstehen, wenn man ein bisschen damit arbeitet. Aber immer eigentlich erst rückwirkend. Patrick: Ich finde, dass das eigentlich eine Chance ist, gar kein Problem. Julian: ja, Probleme sind ja immer Chancen. Oder? Kurd: ja, schön. Renate: womit ich schon Schwierigkeiten habe ist ja in so einem Bereich wie Musik, oder auch anderen Bereichen von Kunst, wenn ich das, was du jetzt Commonsense genannt hast, erreichen will. Das ist schon harte Arbeit. Z.B. Schlager oder Volksmusik, das kann ich nicht. Ich kann nicht ´ne Guitarre nehmen und einen Schlager singen. Es ist besonders schwer, wenn ich es schrecklich finde, aber es wäre auch schwer, wenn ich das gut hinkriegen wollen würde. Da ist ja dann auch schon ´ne ganz komische Ambivalenz d´rin. Weil du (Kurd) beschrieben hast, dass man da so festgehalten ist. Mit den Hörgewohnheiten und den Sehgewohnheiten schon, aber mit dem selber machen ist es dann auch wieder schwierig, das, was da so als die Norm gesehen wird, dann auch zu erfüllen. Julian: es ist auch das Schwierige, wenn man durch die ganze Schulung gegangen ist, um diese Norm zu erfüllen, ob man dann noch die Freiheit hat, sie nicht zu erfüllen. Jan-Kees: Miles Davis hat darüber gesagt, man soll alles, alles lernen und aufschlucken und dann wieder vergessen. Antje: leichter gesagt, als getan. Jan-Kees: ja, genau. Ich glaube er hat es geschafft, weil er auf eine Weise sehr minimalisch spielt. Davor war es ziemlich kompliziert, Hip-Hop uns so. Er hat es geschafft. Einfach ist es natürlich nicht, weil der Kopf voll ist mit Konstruktionen, wie es sein soll, oder dagegen, wie es nicht sein soll. Es ist genau dasselbe, es ist nicht frei. Renate: wo ich das ganz auffällig fand war bei einem präparierten Klavier. Wo jemand das Klavier spielte, aber sehr viel in das Klavier reingriff und Gegenstände reinlegte. Das kann sehr schön sein. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es nur toll ist, wenn das jemand auch wirklich übt und dann auch was erreicht. Juan Gabriel: man sollte wissen, was man erreichen kann, dann hat man die Freiheit, zu machen, was man will. Man sollte wissen, dass Whiskeyflaschen anders klingen als Plastikflaschen. Man weiss halt wie das reagiert, wenn sie voll oder leer sind und dann hat man die Freiheit, damit zu improvisieren. Renate: und es ist auch körperlich. Du musst auch diesen bestimmten Schwung haben, wie du in dieses Klavier reingreifst. Diese bestimmte Routine musst du haben. Jan-Kees: Körpergedächtnis! Sehr wichtig für die Musik.

Kurd: Steinbuch, kennt einer Steinbuch? Nee. Der hat `Automat und Mensch´ geschrieben in den 70er Jahren und der sagte, es genügt nicht, dass man was Neues macht, man muss auch erkennen, dass es neu ist. Julian: und was daran neu ist. Kurd: dass man es überhaupt entwickelt. Julian: ja, das Neue ist immer erst der Anfang. Dann die Geschichte rückwirkend neu zu schreiben, das ist dann das Schwierige. Kurd: das macht ja dann der Commonsense. Julian: nein, nicht der Commonsense. Die Geschichte rückwirkend neu zu schreiben, ist total wichtig, Denn erst dabei erkennt man, dass das mit allem anderen verbunden ist. Was Neues ist ja sehr sozial. Das ist ja nicht was total Individuelles. Und das zu erkennen, ist schwierig. Was finde ich wo wieder. Plötzlich entdecke ich meine Liebe für die Farbe blassorange. Das ist was völlig Neues, aber völlig bedeutungslos. Erst wenn ich überall finde, wo diese Liebe für blassorange schon früher sonst noch realisiert ist, dann wird´s interessant. Beknacktes Beispiel, aber ... Heiko: du meinst, du realisierst das Neue oder das Revolutionäre erst hinterher? Also den Paradigmenwechsel merkst du nicht in dem Moment, wo du ihn tust, sozusagen. ... Ich meine, wir haben ja alles schon durch in der Musik. In der Kunst das Bild aufschlitzen und die Zuschauer umbringen, sich selbst umbringen. Na gut, es ist still und jeder sagt was, alle machen mit, die Bühne ist leer. Neulich erzählte mir einer, ich glaube, es war sogar Hartmut Fink, er war im Theater, in Darmstadt glaube ich, und der Vorhang geht auf. Die haben sich schon gewundert, denn die einen mussten da rein gehen und die anderen da. Also der Vorhang geht auf und dann dachten alle, sie gucken in einen Spiegel, aber sie guckten nur in einen anderen Zuschauerraum, der auf der anderen Seite war. Und sie guckten sich gegenseitig an. Wenn man das vorher gewusst hätte. Total sinnlos. Man guckt sich wieder selbst im Theater zu. Was ja das Normale eigentlich ist, im Theater. Aber dadurch, das die das nicht wussten, war das so: häh. da ist ja gar kein Spiel. Da sind wirklich Leute. Und das war das Stück, mehr oder minder. Also das Setting. Julian: also Ignoranz gehört auch dazu. Heiko: oder 4. 33. Ich kann mich erinnern, dass bei Rockfestivals dann plötzlich 4.33 aufgeführt werden sollte, aber dass das nie funktionierte, weil es immer diese Rückkoppelung gab. 4 Minuten 33. Immer das Rauschen der Geräte sozusagen. Oder im Radio 4.33. Juan Gabriel: Radio ausgefallen. Kurd: aber es gibt ja: das will ich. Das gibt´s doch auch. Das Wort ´neu´ will ich wieder zurückziehen, was ich durch den Steinbuch reingebracht habe. Ich weiß noch nicht, wie ich´s zurückziehen soll. Antje: ist alles aufgenommen.

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Kurd lacht. Kurd: ´das soll´s sein´ oder ´das will ich´. Das gibt´s doch auch. Sonst ist ja gar nichts.
Man strebt ja nicht immer einfach nach Neuem. Antje: aber wenn es ein Zusammenspiel ist, oder eine Konversation und du kommst da rein: ´das will ich´, das finde ich auch ein bisschen eigenartig. Alle lachen. Kurd: ja doch, hört doch auf! Wir wollen das doch! Julian: was wollen wir? Kurd: na, hier, die Konversation, oder?. Antje: was schummelst du denn da jetzt. Aus ´das will ich´ wird ´wir wollen´. Kurd: ich meine, wir sitzen doch hier, oder was meinst du? Antje: es ging doch um: das will ich. Und jetzt geht´s auf einmal um: das wollen wir. Kurd: ach so, jaaa, jaaa. So leicht ist das ja alles nicht. Julian: ich will das, was wir wollen werden. Antje: wir wollen das, was ich will. Ha, ha, ha. Ja, ja. Julian: wollen wir Kaffee trinken? Alle lachen. Ja! Renate: was wollen wir denn morgen machen? Noch einmal Musik spielen, ist die Antwort. Renate: vielleicht kann man es auch ein bisschen mehr mischen. Wir beenden die Konversation des heutigen Tages und gehen gemeinsam essen.

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