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Mitschnitt vom 27.11.10

Autor: Mitschnitt und Fotos Antje Eske

27.11.2010. Konversation 8: Ansinnen. Bonusanerkennung. Taktgefühl. Ästhetischer Sensus Communis.

Beteiligte: Kurd Alsleben, Julia Bonn, Antje Eske, Hans Fehn (Besucher), Mike Hentz, Michael Kress, Margit Rosen, Heidi Salaverría, Claudia Schmölders, Frank Wörler

Heidi: wenn ihr alle einverstanden seid, würde ich vorschlagen, das Spiel von gestern noch ein bisschen weiterzuspielen. Alle sind einverstanden. Wir suchen die Begriffe-Stapel, die wir am Tag vorher erstellt hatten, um anzuschließen an ihre Darstellung mittels Zeichnung, Pantomime oder Worten. Claudia fragt nach: habt ihr dieses Spiel bei der Planung der ganzen Sache im Pool gehabt? Oder ist das eine Augenblicks-Idee? Heidi: wir waren eingeladen - wer wollte – Impulse oder Spiele mitzubringen und das hatte ich mir zuhause überlegt. Claudia: ich frage nur, weil Stichworte gegeben waren für das, was wir heute besprechen wollen. Heidi: ich habe mich mit Kants Ästhetik beschäftigt und glaube, dass man das verknüpfen kann mit der Konversationskunst: u.a. das interesselose Wohlgefallen nichtbegrifflich anzusinnen. Ich glaube, dass man mit diesem Spiel ansinnen üben kann, das konversationelle Ansinnen üben kann. Das war sozusagen der Hintergrund, wehalb ich Lust hatte, das mit euch auszuprobieren.

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Claudia: was versteht ihr unter konversationellem Ansinnen?
Heidi: Ansinnen bedeutet, dass es nicht nur um argumentativen Schlagabtausch geht, um das jetzt mal so zugespitzt gegenüberzustellen. Claudia: sowas wie andenken? Heidi: ja, nein, jein. Ja, vielleicht. Mike: wir geben uns gleich mal die Kante, zugespitzt! Claudia: probeweise erörtern? Ich frag ja nur, weil das Outline für heute vorgesehen hat: Sensus Aestheticus und so etwas. Und nun ist meine Frage, ob dieses Spiel im Dienste dieser Sache steht? Heidi: Vielleicht noch mal ganz kurz zum Begriff des Ansinnens und was das mit Konversationskunst zu tun hat: bei Kant ist es so, dass er sagt: wenn wir etwas schön finden, dann entsteht ja dieser Moment, wo man noch nicht so genau weiß. Noch bevor wir entschieden haben, ob wir etwas schön finden. Eigentlich wie angesichts eines Rätsels. Die rätselhafteste Frage dabei ist: wenn ich etwas schön finde, für das ich noch keine Begriffe habe, wie kann ich das Anderen vermitteln? Denn hätte ich die Begriffe, bräuchte ich das Schöne nicht. Und Kant sagt, wir können das nicht begrifflich argumentativ erörtern, sondern wir können es Anderen nur ansinnen. Ich verstehe das als eine Form von ´Zeigen´. Claudia: das steht in der Kritik der Urteilskraft? Heidi: genau! Also abzüglich der Anwendung auf das Konversationelle. Das ist jetzt sozusagen meine Lesart. Claudia: aber anwendbar auf das Regelwerk des Geschmacks. Heidi: genau. Wie entsteht das Geschmacksurteil. Und das appelliert an einen Gemeinsinn, an einen Sensus Communis. Und bei Kant bleibt offen, in wiefern es ein utopischer oder ein empirischer ist. Und ich glaube, dass das was Antje und Kurd machen, eine Form von real existierendem Gemeinsinn ist, in dem Dinge angesonnen werden. Claudia: und jetzt sag mal, was das Spiel mit dieser Idee verbindet? Heidi: das Spiel zeigt verschiedene Formen, das heißt wir können erfahren, auf welche Weise wir Anderen etwas ansinnen können, z.B. gestisch, z.B. zeichnerisch. Es ist eine andere Form der Kommunikation. Claudia: also mitteilen, nicht ansinnen? Wir sollen ja was übersetzen. Heidi: na ja, die Anderen sollen etwas raten. Claudia: aber das ist ja eine Ermessensfrage. Heidi: jetzt ist es fast ein bisschen wie eine freundliche Inquisition. Alle lachen. Claudia: na ja, ich muss mich einfach ´reinfinden, weil ihr so erprobt im Improvisieren seid. Und ich komme geleitet von den Schlagwörtern auf der Einladung. Und mehr weiß ich ja gar nicht. Deshalb muss ich mich einfach orientieren. Heidi: alles klar. Kurd: was haltet ihr denn von dem Begriff ´infizieren´? Es gibt ja in Lüneburg Kulturwissenschaftlerinnen, die Analogien aus dem Mediziischen nehmen. Also: Anstecken und Infizieren und solche Wörter und dagegen auch: Immunisieren oder Impfen. Wisst ihr da was drüber? Heidi: ich finde, es klingt so nach Krankheit. Frank niest. Antje: Gesundheit! Kurd: es ist ja ein bisschen erhellend. Warum soll nicht der Gemeinsinn durch Infizierung oder durch solche Übertragung weitergegeben werden. Mike: ganz gemeiner Sinn! Claudia: das siehst du am allerbesten beim Gähnen. Das Gähnen steckt wahnsinnig an, das Lachen steckt wahnsinnig an, selbst das Weinen steckt an und infiziert, ohne Krankheit zu sein. Es wird eine Kollektivstimmung erzeugt durch solche Sachen. Julia: wollen wir das ausprobieren? Frank: Gähnen? Claudia: also beim Gähnen ist es ja besonders komisch. Aber auch beim Kotzen auf einem Schiff. Antje: ihh, echt? Das steckt auch an? Claudia: ja das steckt auch ganz furchtbar an. Erwiesenermaßen, wenn einer anfängt zu reihern, reihern sie alle auf dem Schiff. Heidi: mir wird auch schon ganz blümerant. Kurd: die Frage ist, kann man auch beim Commonsense, beim kritiklosen oder fabrizierten Commonsense das Wort anstecken benutzen? Claudia: eben! Das nennt man auch in der Wissenschaft so. Es gibt ja Experimente. Besonders mit diesem Gähnen.
Schon dieses Beispiel steckt an und wir versuchen amüsiert in der Gruppe eine Runde zu gähnen.

Kurd: man wundert sich doch, wenn sich irgend ein Paradigma oder auch eine Mode durchsetzt. Das ist doch verwunderlich. Claudia: da gibt´s ja einen tollen Theoretiker, den wollte ich euch hier eigentlich vorführen. Aber da es hier alles so anders angelegt ist, als ich es gedacht habe ... einen französischen Philosophen: Gabriel Tarde. Von dem habt ihr vielleicht gehört. Heidi: ja, von dem habe ich gehört. Mike: der über die Bestrafung geschrieben hat. Claudia: ja, der war jahrelang Kriminalanthropologe, Jurist und hat allmählich eine wirklich riesenhafte Philosophie entwickelt, eine Soziologie, die Herr Sloterdijk hier wiederentdeckt hat. Und der Herr Sloterdijk hat Sorge getragen, dass viele Bücher von Herrn Tarde beim Suhrkamp-Verlag jetzt auf deutsch erscheinen. Mike: jetzt streiten wir uns wieder. Heidi: aber wir reden ja jetzt über Tarde. Mike: also bei Infektion fiel mir gleich René Girard ein mit ´Die Gewalt, das Heilige und die Opferkultur und die Infektion bei einer Kollektivgewalt. Claudia: aber der Tarde hat den Begriff der Imitation stark gemacht. Der hat gesagt, die Menschen machen überhaupt immer alles nach, was sie von vorbildlichen anderen Leuten sehen. Alles wird immerfort imitiert. Kurd: aber manches ist irgendwie gewichtig. Claudia: und deshalb wird es nachgemacht. Kurd: ja, aber es ist doch nicht alles gewichtig, was vorgemacht wird.

Mike an Claudia: wer bist du jetzt? Wie möchtest du genannt werden. Claudia: ich rede jetzt von der Philosophie. Mike: wir haben hier: King Kong Kurd, Queen von Quantje, Geheimagentin Bonn. Ich bin Sir Mike. Wir müssen jetzt Titel einführen, wenn wir weiterreden wollen und sprechen uns eine Weile mit den Titeln, in Sie-Form und gehobenem Sprachduktus an. Claudia: also was bin ich? Lady Berlin. Mike: Michael, von dir brauchen wir noch was: Der Vorschlag ist: Meister Mikel oder Mighty Mikel. Meister Mighty Mikel? Micheal: ich muss noch mal d´rüber nachdenken. Noch mal d´rüber schlafen. Heidi: ich finde, du siehst ja auch aus wie ein Kaiser. Julia: für Frank ´Herzog von Franken´. Heidi: Michael, du bist der Kaiser Kress und ich bin Doña Salaverría. Mike: und Monsieur? Er fragt Hans. Hans: das ist besser, wenn es aus dem Kreis kommt. Meine Phantasie reicht da nicht so. Claudia macht den Vorschlag: Herzog von Baden. Hans: Großherzog, bitte. Mike schreibt alles auf das Tischpapier. Frank: akademische Titel wurden jetzt gar nicht vergeben? Julia: die musst du dir erarbeiten. Claudia: nur ererbte und gefakte. Kurd: ich weiß doch die Titel nicht, wenn ich jetzt jemand ansprechen will. Mike: mein lieber King Kong Kurd, es gehört zur Etikette - ohne sie zurechtweisen zu wollen, dass einem die Namen der Leute in der Runde bekannt sind. Kurd: du bist der Zeremonienmeister.

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Wir müssen jetzt alle rausgehen, kommen dann rein und werden von Sir Mike vorgestellt.
Nach der Vorstellung nehmen wir alle wieder Platz am runden Tisch während Heidi erneut in das Spiel von gestern einführt, Vorher führt Claudia noch in die Arbeit von Gabriel Tarde ein, indem sie darum bittet, wieder in den Jagon der Philosophenrekapitulation verfallen zu dürfen: der Mann hat ganz viel geschrieben und die Hauptthese ist: jeder macht jeden nach und vor allem vertikal, also von der Hierarchie nach untern ist die Nachahmung die überwältigende, sozialisierende Gebärde von uns allen. Und es stimmt natürlich für jedes Baby. Jedes Wort, das gesprochen wird, wird nachgesprochen. Alles wird überall imitiert. Und wenn man das so sieht, dann muss man natürlich sagen, dass ein Widerspruch ganz schwer ist. Wenn das Gesetz der Nachahmung grundsätzlich für alle Gesellschaften gilt, dann ist jeder, der etwas anders macht als die Anderen und nicht nachahmt, gegen den Mainstream. Das hat er auch länglich erörtert, den Widerspruch und den Einspruch, aber generell ist die Nachahmung das, was die Gesellschaft wie ein Kitt zusammenhält. Und das inbegriffliche Beispiel bei ihm ist die Konversation. Diesen Text habe ich wirklich auch erst vor zwei Monaten durch Zufall gefunden und werde ihn auch editieren und kommentieren. Es ist ein Text von 1901. 1898 in der ´Revue de Paris´ erschienen und handelt vom Verhältnis zwischen Öffentlicher Meinung und Konversation. Das ist ein ganz wunderbarer, hochinteressanter, tiefsinniger Text über diese Verteilung von Wiederholung und Innovation in dem Maschinenwerk der Konversation. Und diese Idee hat er aber nun wiederum von einem Deutschen: Moritz Lazarus. In meinem Buch von 1979 habe ich Moritz Lazarus als Schlusskapitel und es ist interessant, dass Gabriel Tarde von ihm ganz viel geerbt hat. Ich wollte sagen, dass es eine Ideengeschichte der Konversation gibt, mit der ich mich befasse, obwohl ich es nicht praktiziere, und die bei Gabriel Tarde hochinteressant angesiedelt ist. Das ist aber noch nicht bekannt. Damit habe ich meine Ausführungen abgeschlossen. Der Text liegt noch nicht vollständig übersetzt vor. Es gibt bis jetzt nur eine gekürzte englische Fassung.

Wir sprechen uns nach Claudias Einführung jetzt wieder mit den jeweiligen Titeln an. Bei der Transkription wurde das weggelassen und nur die inhaltlichen Aussagen sind festgehalten. Julia: in Konversationen und in Gesprächen lässt sich ja auch oft beobachten, dass eine bestimmte Art zu Sprechen den Stil prägt und wenn jemand tatsächlich ganz anders spricht, dann fällt er da erstmal irgendwie raus und muss sich reinfinden oder sehen, wo er bleibt. Vielleicht kommt er auch nicht in die Schnelligkeit rein oder in den Duktus oder auf die Problemhöhe - wie auch immer hoch die grade ist. Da muss dann ja eigentlich eine langsame Annäherung aller Beteiligten stattfinden und das kann auch nur über eine gewisse Imitation stattfinden. Man probiert auf irgendeine Art zu imitieren, sei es über die Körperhaltung, sei es über die Art, wie man spricht oder wie man versucht, zu argumentieren oder anzusinnen. Also es zu schaffen, dass das eine angenehme Konversation wird. Wenn jeder anders spricht, dann kommt man nicht zusammen. Claudia: alleine die Entscheidung, welche Sprache gesprochen wird. Und wer dann rausfällt, weil er die nicht kann.

Mike macht drauf aufmerksam, dass wir ja eigentlich unser angefangenes Spiel weiterspielen wollten. Inzwischen ist Margit dazugekommen, die als ´Fürstin von Rosen´ eingeführt wird. Heidi erklärt noch einmal das Spiel als philosophisches Passivity, in dem wir das gemeinsame Ansinnen und vielleicht auch die Frage, wann man weiß, was man imitieren will, möglicherweise sogar erproben können. Gestern sei es so gewesen, dass die Gruppe um sie die Führung erlangt hatte. Heute sind wir 10 Beteiligte, so dass es zwei gleichmäßig starke Gruppen gibt: 5 zu 5. Julia wird aufgefordert, die Seiten zu wechseln. Daraufhin meint sie, dass sie u.U. ihren eigenen Begriff erklären könne. Wir sind inzwischen mit dem Spiel auf der begrifflichen Ebene gelandet, d.h. der nächste Spieler umschreibt den Begriff, den er aus dem Stapel zieht, mit Worten. Mike hat heute eine Stoppuhr dabei, so dass wir die eine Minute jeweils genau einhalten können.

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Mike hat den runden Tisch mit einem großen weißen Blatt überdeckt,
hat chinesische Tusche dabei und fängt während des Spiels an, zu zeichnen, was wiederum ansteckend auf andere Beteiligte wirkt, so dass am Ende dieser Konversationsrunde der Tisch vollgemalt ist.
Hans fängt an, seinen gezogenen Begriff mit Worten zu beschreiben: es ist ein Gewürz oder es sind Kräuter, die die Italiener gern verwenden. Antwort aus seiner Gruppe: Oregano? Nein! Basilikum? Ja! Was, das war es schon? Ganz offensichtlich war das die Lösung in 40 sec. und die Gruppe kann auf dem Spielbrett weiter vorrücken. Die andere Gruppe klatscht Beifall und ist jetzt mit Julia dran. Die Geheimagentin muss sich auf der neuen Seite bewähren, meint Claudia. Diese Gruppe ist noch beim Begriffe zeichnen. Julia zeichnet und ihre Gruppe rät: Gesicht ... Ausrufungszeichen ... ohne Ohren ... Ausdruck ... Warnschild. Achtung ... Warnung ... Verkehrshinweis ... Parkverbot ... Julia: So ähnlich. Respekt ... Ausfahrt ... Anerkennung ... Öhrchen ... Zuhören ... Anerkennung hören ... Ansinnen ... Bis hierhin und nicht weiter ... Achtsamkeit ... Neunsam ... Vorsicht ... Mobilitä. Und aus! Das war´s. Die Lösung wäre gewesen: ´Aufmerksamkeit´. Claudia meint: dann bleiben wir ja ewig im Bereich des Zeichnens.
Jetzt ist wieder die erste Gruppe dran und Margit erläutert den Begriff pantomimisch. Viele Vorschläge, keine Lösung dabei. Margit meint zwischendurch: ich glaube, ich muss die Dynamik ein bisschen verringern, weil ihr eh nicht drauf kommt. Die Zeit läuft ohne Ergebnis ab. Die Lösung heißt: ´omnimorph´. Heidi rügt Michael: Kaiser Kress, das ist nicht fair, denn sie ahnt, dass er die Ursache für diesen Begriff ist. Anerkennend und einstimmig loben alle Margit für die Darstellung. Das geht noch eine Weile zwischen den Untergruppen hin und her. Alle sind sehr bewegt und heiter. Mike weist immer mal wieder nachdrücklich daraufhin, die Anrede und die Etikette zu wahren. Noch sprechen wir uns ja mit den anfangs eingeführten Titeln an. Inzwischen hat die Gruppe, die anfangs schlechter abschnitt, die andere überholt. Als sich die Begriffe anfangen zu wiederholen, beenden wir das Spiel und machen eine Pause.

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Heidi bei der pantomimischen Darstellung ihres Begriffs.
In der Pause sitzen wir zusammen im ZKM vor der Bar an einem der Tische, haben uns Getränke geholt und unterhalten uns. Das Gespräch kommt auf Salonlöwen. Kurd. wieso Salonlöwen? Du, Claudia, hast eben von Macht gesprochen. Jetzt ist es auf einmal ein Salonlöwe. Claudia: du musst es beziehen auf eine bestimmte Geselligkeit. Es gibt Gesellschaften mit Millionen Menschen und da sind Machtstrukturen, usw. Es gibt aber kleine, intime Gruppen, wie unsere. Da kann man nicht sagen, dass da eine Verfassung vorliegt mit einer Machtanordnung. Da setzt sich einer durch oder es setzen sich mehrere durch und agieren und bewerben sich um den Posten des besten Causeurs. Mike: aber Salonrevoluzionär ist ja ´ne Beschimpfung. Claudia: Salonlöwe. Mike: aber -revoluzionär ist ´ne Beschimpfung. Weil man da nichts macht. Der war nie in einer Revoluzion, der quatscht immer nur drüber. Julia: und was ist mit dem, der im Salon Revoluzion macht? Claudia: der ist natürlich ganz besonders gefährlich. Mike: und der knackt die Veranstaltung. Heidi: das ist eine Revolutionsrosine. Mike: der schaltet den Strom aus. Julia: aber ich meine, es muss ja auch eine Kunst des Zuhörens dabei geben. Das wird ja dann oft auch eher weiblich konnotiert. Mike mit hoher Stimme: ja, unterhalte mich. Julia: wenn keiner zuhört, dann kann sich der Andere noch so weit abkaspern. Alle sind mit was Anderem beschäftigt oder in Gedanken ganz woanders. Das bringt ihm dann auch nichts. Ich würde sagen, das Zuhören ist genau so eine Kunst. Und wenn ich mich gestern nicht so verbal beteiligt habe, dann auf jeden Fall mit Zuhören. Heidi: Guter Punkt, Agentin, finde ich, ist die Kunst des Zuhörens! Mike: ja, Geheimagenten müssen immer zuhören. Claudia: jedenfalls empfehle ich euch allen Theodor Fontane zu lesen. Die schönsten Gespräche der deutschen Literatur sind bei Theodor Fontane zu finden. Er hat einen Club gegründet, der hieß: Tunnel über der Spree. Effi Briest, ein berühmter Roman. Alle Romane Fontanes sind wunderbare Beispiele preußischer Konversationskultur. Heidi: ich dachte immer das ist langweilig. Claudia: nein, es ist sehr tiefgründig, witzig, unverschämt. ... Das Gespräch geht eine Weile weiter über die heutige Auffassung von Fotografierem mit Digitalfotos, die irgendwo auf der Festplatte rumliegen und nie aufgearbeitet werden. Antje widerspricht, weil sie in diesem Zusammenhang die Fotos jeder Konversation aufarbeitet, z. T. an die Wand im ZKM-Konversatorium hängt, z.T. sind die Fotos auch im Netz. Julia fragt: wie muss man so ´ne Art von Kunst festhalten. Muss man das überhaupt festhalten? Wie trägt es sich dann weiter an jemand, der nicht dabei war. Das sind doch alles Fragen. Mike: wir haben das Glück in einer oralen Tradition zu leben, wo wir dann auch eine schriftliche und bildliche Dokumentation haben. Und die wird ja nicht schlecht. Alle lachen. Mike: na ja: Negative gehen kaputt nach 80 Jahren. CDs halten 3, 4 Jahre. Claudia: aber was macht ihr mit den Sachen, die ihr bewahren wollt. Müsst ihr die regelmäßig umkopieren? Die Antwort: ja und rechtzeitig. Claudia muss sich verabschieden und die anderen gehen wieder zurück ins Konversatorium.

Um wieder reinzukommen, entschließen wir uns das gestrige Spiel von Mike in abgewandelter Form zu spielen. Wir wollen dieses Mal nicht mündlich aneinander anschließen, sondern schriftlich.

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Jeder hat ein A4-Blatt vor sich liegen und schreibt drei Wörter oder einen kurzen Satz auf
und gibt den Zettel nach rechts weiter an den Nächsten. Der oder die schließt wieder an mit drei Worten oder einem Satz, gibt weiter usw. Wenn die Blätter vollgeschrieben sind, liest jeder der Reihe nach den Gemeinschaftstext, der dann bei ihm oder ihr zufällig gelandet ist, der Gruppe vor. Und so machen wir es jetzt:
• WEINENDE SCHILDKRÖTEN TRAUERN. Um den Reichstag - zum Denken - Liebe, verschenken, - ein Wollen spricht nie alleine. Hingegen das Geschmacksurteil singulär einem Anderen anzusinnen das gibt keinen (chinesische Schriftzeichen!) Ezra Pound: verstehen, versehen, Zugspitze, - und die Schönheit? Die bleibt! Schlumpfine isst Suppenterrine. Satt ist sie immer, wenn sie ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? (Darunter gezeichnete Symbole) Pfanne, Panne, Penne
• der Streit im Wasserglas, das glücklich erzeugte, gemeinsame Gemenge. Wir sehen alles Frag die Geheimagentin, die sieht mehr: wählen zum Lenker! Wer zum Henker. bestimmt die Richtung, - Wir wollen das! - in die es ohne Wollen treibt! Wir bestimmen, was hier gemacht wird. STROMZÄHLER X1B 22735X0 b.
• geht das reihum? Dann liest er vor: Reichstag und Lobby, Hobby, Interessant, Artverwandt Gründe für ein Hamsterrad gegen die Beliebigkeit und Gleichgültigkeit Wer will denn Suche im Gespräch ZU VERSTEHEN WIE DU ZU ... STEHST. - - - Auszeit, verwandt, allerhand sonderbare Menschen, die da lauf doch auch mit rum! Wie Gemeinsamkeit entsteht? Das ist etwas VARIABEL !!!!!
• Dialogkunst, Rituale, Punk sind möglicherweise Beispiele für den großen Liebesreigen mit Pfauenfedern? Aber wenn dann Verständnis immer wieder AUFBRINGEN BRING MAL WAS MIT - TE. Warum denn nicht Das Ding, kein Ding, mein Ding - plötzlich dritte Dimension (auf der Rückseite ist zu lesen: hier beginnt die) und boing: Kurvenbewegung! Bewegungskurve, Bewegungsdrang in allen möglichen Variationen DURCH DAS FERNROHR sehen. Hit Single - allein, allein
• Ist die Einigkeit am Ende eine Lüge, weil alle sozusagen scheinbar etwas anderes meinen MANNAMASCHINE MAMA-MASTER, Einigkeit ist momentan, ohne Angst, ohne Hoffnung, ohne Lösung sich zusammen bewegen macht Sinn. Wohin, Wohin, Wohin, Wohin? Natürlich dahin, wo ist der Sinn DAS GEHT GAR NICHT nicht allein weitergehen - - - tanzend sagte der Pfau und spreizte sein Geweih.
• Ohne zu wollen, geht manchmal gar nicht, Ziel, Verstehen WIEDER, WIDDER, AB - STAND. zusammensetzen auseinandersetzen. Suppe, Brühe, Kondensat Was bleibt? Ein Stück Einsamkeit für zwischendurch, dann anders. Einsamkeit, Gemeinsamkeit, Vereinsamkeit wodurch, zwischdurch, durch — BLICK. AUSBLICK. DURCHBLICKEN. Das geht ja nicht - - - Mutter und Kind gehen spazieren im Mutter und Kind -Turnen, mit Mutterundkind - Auto.
• Struktur, Suche, Verstehen MEIN VERSTAND SAGT NIMM ABSTAND halte en: falsch. Linksdrehend, Ausgang, sehend sich spielend auseinandersetzen morphoogisch dagegen anspielen, zwischendurch ankommen, Verortung. Was machen die Teilnehmer am liebsten MIT IHREN GEDANKEN Argumente denken - - - Mit Bildern spielen. Ball spielen. Schlimm, ach - klim - BIMM: TRIMM - DICH - PFAD. Habe keine Lust MEER ZU WARTEN WATT WATEN.
• Zusammen möchte ich nichts dazu sagen. MUSS NÄMLICH ERST MAL BATTERIE WECHSELN. - - - HI, HELLO, HELA auf eine sprache sich einigen wollen. Zusammen möchte Ansinnen! Allein möchte auch niemand immer sein WENN DIE METASTASEN SICH FESTBRENNEN wegrenn Langsam Ich weiß nicht weiter. Daher die Frage nach dem Anfang. Anfang macht Ort! Das Ende ist immer sehr unangenehm @ HÖREN SIE DOCH AUF.

Antje sammelt die Blätter ein und Michael meint: das war eben schön. Alle anderen finden das auch. Mike schließt noch einmal an die gesprochene Version des Spiels an: also wenn ich dann trotzdem nochmal drauf hinweisen könnte, Antje dass ... Antje: dass das vielleicht nicht so unbedingt ... Heidi: was, noch mal ... Mike: ja, also ich kann da nichts dafür, wenn ... Heidi: ja ... Kurd: abgeschaltet ist ... Heidi: an - aus ... Antje: aus - an ... Julia: aber die Wiederholung ... Antje: unter - über, welche? ... Heidi: ach, Michael ... Michael: nicht schon wieder, nicht schon wieder ... Mike: na denn, Herr Kress, nicht so krass ... Heidi: Michi ... Mike: könnten sie bitte mal ... Julia: ich sag dazu nichts ...

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Alle fangen an, eine Runde auf dem bemalten Tisch zu trommeln.
Nach einer Weile klatschen wir. Antje: super. Einen besseren Schluss können wir nicht mehr finden.

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