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Mitschnitt vom 13.11.10

Autor: Mitschnitt und Fotos Antje Eske

13.11.2010 Konversation 6 im ZKM: Hypertext und frühe Austausche.

Beteiligte: Kurd Alsleben, Stefan Beck, Antje Eske, Detlev Fischer, Heiko Idensen, Volker Lettkemann, Rolf Todesko, Martin Warnke

Wir kommen überein, die heutige Konversation damit zu beginnen, dass jedeR auf ein Kärtchen das schreibt, was für sie/ihn gestern am wichtigsten war und dass wir uns dann gemeinsam darüber austauschen. Es hängen 12 Kärtchen aus:
• KON -VERSATION : ARBEITEN, SPIELEN oder DISKUTIEREN
• dia logos dia aesthetica
• Mich interessieren die eigenen Erfahrungen der anderen mit künstlerischem Konversieren
• Hat das Thema “Twitter“ noch Platz? Detlev kann ein Kurzreferat (2 min) anbieten
•Wie gefährlich ist das Fragen?
• ich bin mit anderen - bei anderen - unter anderen
• Bei der Konversation sollte nicht von vornherein festgelegt werden und von vornherein bestimmt werden, was dabei herauskommen soll
• Widerspricht sich die Behandlung eines Themas mit dem (frei) wechselnden Gesprächsverlauf?
• Poetisches Potential “Steigrohre des Unbewussten“: wie wird die Konversation dadurch befördert?
• Ich möchte gerne wissen, warum in der gestrigen Diskussion das angekündigte Thema “Felix Aestheticus ...“ nicht angesprochen wurde?
• Sub - jekt Unter - worfen
• Für mich geht “Konversieren“ und das darüber Reden zu sehr durcheinander

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Wir hängen die Karten an die Wand,
holen die Stühle und setzen uns im Halbkreis davor. Detlev zieht eine Frage zurück und kommt er auf seine zweite Frage: er habe sich im Vorfeld dieser Veranstaltung ein bisschen mit Twitter beschäftigt, habe angefangen, Leute zu Konversationen einzuladen, habe auch was gepostet. Irgendwann, als er merkte, dass dort wenig passierte, habe er es auch wieder gelassen und sich selber ein paar Gedanken zu dieser Form gemacht. Er glaubt aber, dass das eine Diskussion ist, die wir hier nicht unbedingt führen müssen. Auch meine er nicht ein Gespräch nur über Tools, sondern: was macht man in Twitter, was ist das für eine Art von Öffentlichkeit. Heiko: das wäre für mich ein sozialer Hypertext. Detlev will das jetzt aber auch erstmal zurückziehen. Heiko und Antje betonen, dass sie das interessieren würde. Volker wirft ein, dass er spannend fände, etwas über Detlevs eigene Erfahrungen damit zu hören. Du hast es ja schon angedeutet, dass du es einfach wieder sein lassen hast. Wieso und warum?

Antje wirft ein, dass sie es gut finden würde, wenn wir das später anschließen und jetzt erstmal über unsere Zettel an der Wand sprechen. Stefan ist der Nächste: ihn würde interessieren (an Antje und Kurd gerichtet), warum das angekündigte Thema nicht zur Sprache kam. Es wurde auch nicht gesagt, dass man es jetzt nicht behandeln wolle, sondern es war einfach gar nicht vorhanden. Antje antwortet, dass sie beide das so auffassen, dass die Themen Anregungen sind. Man kann dazu konversieren, aber man muss nicht. Volker: bei Konversationskunst gehts ja auch darum, wie initiiere ich Konversation. Heiko meint, dass man das vielleicht vorher hätte klarmachen sollen. Stefan: vorgreifend könne er sagen: wir hatten letztes Jahr schon eine Diskussion, da war er in Hamburg und wir haben über diese Sache gesprochen und die Themen überlegt. Damals hat er schon geltend gemacht, dass er eine Problematik sieht zwischen dem Anspruch Konversationskunst zu betreiben und den Themen.

Kurd unterbricht: die Sache ist insofern hier unsauber, weil in einer Konversation ja kein Ziel angestrebt wird, Dieses ´vom Hundertsten ins Tausendste´ das ist ein Wesen der Konversation. Hier ist aber - und deshalb ist es unsauber - schon der Wunsch da, etwas zu Richtungen oder Dingen zu finden, - ich will mal nicht erarbeiten sagen - die bisher überhaupt noch nicht angesprochen sind. Es ist einerseits schon ein bisschen Arbeitssitzung und andererseits ist es auch Konversation. Stefan: ich habe nur gehört, dass du gestern zu Rolf gesagt hast: „sag was über Dialog“. Warum machst du sowas? Warum forderst du ihn auf, etwas zum Dialog zu bringen? Es war doch ein Thema da. Kurd: das war auch nicht richtig von mir. Stefan: du, Kurd, sprichst ja z.B. von der ´Antwortnot´. Warum ist das plötzlich nicht vorhanden? Felix Aetheticus, Interesselos, ... Ich meine das jetzt nicht als Vorwurf, sondern ich meine es dahingehend: worin besteht das Erkenntnisinteresse. Volker: Geht´s in der Konversation um Erkenntnisse? Das sehe ich so nicht. Heiko: Ich habe geschrieben: KON -VERSATION : ARBEITEN, SPIELEN oder DISKUTIEREN. Die ersten Male da war es so ein spielerischer Ansatz. Da war das sehr ausprobiert. Jetzt ist das ja schon das fünfte oder sechste Mal hier im ZKM. Du, Stefan, fandest das nicht so gut, als es hieß: lass uns doch mal ein Konversationsspiel machen. Hast du nicht erhofft, dass was dabei rauskommt oder war es dir zu beliebig? Einerseits hatte die eine Frau ja eine konkrete Frage und ich wusste nicht, wieso die Frage, die sie gestellt hatte, durch so´n Spiel beantwortet werden sollte. - An die Frage erinnert sich im Moment niemand mehr. Die Besucherin hatte nach Methoden gefragt, um aus dem Vollgequatschtwerden herauszukommen und Antje hatte geantwortet: z.B. durch Konversationsspiele, worauf die Besucherin meinte: du kannst ja mal ein Konversationsspiel vorschlagen, was Antje tat und worauf Stefan eingriff und es abwendete. - Stefan betont nochmal, dass er ingesamt den Erkenntnischarakter dieser Spiele bezweifelt. Ihm sei nicht so ganz klar, was das soll. Antje möchte nochmal kurz erläutern, was das soll, so im Überblick: wenn wir hier zusammenkommen, dann kommen wir ja alle aus irgendeinem Alltag und haben den Kopf voll mit - wir nennen das – Commonsense: also das, was z.B. über die Medien in uns ´reingefiltert wird. Wir sitzen dann hier und das Reingefilterte würde erstmal - vordergründig - rauskommen. Wenn man dann anfängt zusammen zu spielen, kommt zumindest eine Art poetisches Potential hoch, Steigrohre des Unbewussten nennen die Surrealisten das, und man kommt in andere Assoziationsebenen, d.h. man kommt nicht so vorgefertigt in die Gespräche, sondern von irgendwo anders her da rein. Und das finden wir nicht schlecht. Volker: ich hatte erwartet, hier wird nur gespielt. Stefan: und warum hast du dich dann für dieses Thema entschieden? Volker: heute wäre mein Thema dran: Hypertext-Austausche. Wenn wir nachher Lust haben, machen wir das.

Rolf: ich nehme gern den Gedanken der Reflexion über Nacht auf, dieses Zurückblicken. Wie war´s für mich, was war da? Das bezieht sich jetzt auf Dialogspielregeln, aber auch auf das Spielen mit Spielregeln, in welchen durch Protokolle darüber, wie man spricht, verhindert wird, dass der Gesprächsgegenstand die Führung darüber übernimmt, was man spricht. Nicht die Gesprächsgegenstände bestimmen, was gesagt wird, sondern der logos, durch die Form der Sprache. Ich meine das bewusste Entgegenständlichen und die Regel: das Spiel ist die Methode, zu verhindern, dass die Sache im Commonsense bleibt. Und die Spielregel soll verhindern, dass wir in diesen Modus kippen. Heiko: muss man vorher immer kurz die Spielregeln verhandeln?

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Kurd weist auf die eine Schautafel mit dem ´Voraus´ hin:
es gibt ja sowieso einen ´Voraus der Welt´, der nicht geklärt ist. Wir sprechen hier über den ´Konversations-Voraus´, der auch nicht geklärt ist. Den machen sich die Beteiligten selber. Rolf: bei uns ist wichtig, dass die Spielregeln - und das verbindet für mich Dialog und Konversation - so ernst genommen werden, dass das Thema - egal, was angesagt ist als Thema oder was aufkommt als Thema - mich nicht unterwirft. Dass ich nicht zu diesem Thema etwas sagen muss. Die Spielregel verhindert die Verbindlichkeit des Themas. Ich kann innerhalb der Spielregel sagen, was ich gern sagen will und ich bin keinem Thema ausgeliefert. Stefan zu Rolf: vielleicht könntest du noch mal erklären, wie so was abläuft.

Volker: das ist ein spannender Ansatz, aber - um vielleicht auch das heutige ins Spiel zu bringen - Antje und ich, wir haben hypertextlich konversiert und haben dabei themenzentriert gearbeitet. Zwar auch uns als Personen immer wahrgenommen, aber es ging auch um eine Thematik. Und ich habe das immer als sehr hilfreich empfunden. Dass da tatsächlich, unabhängig von unseren Personen und unabhängig von dieser Dialogsituation, nicht immer Dialog thematisiert wurde. Antje: wir sagen thematische Anregung. Das wollte ich auch nochmal zu dir, Stefan, sagen. Also es ist kein Thema, es ist eine thematische Anregung. Das war zwar bei unserem Austausch ein schöner Haltepunkt, aber wir konnten ihn locker verlassen und keiner hat gemeckert. Stefan: aber Antje, du hast nichts verlassen. Du hast es gar nicht zur Sprache gebracht. Heiko: dich wundert, dass das Thema gar nicht reingeworfen wurde von den beiden, oder von uns. Stefan: es ist gar nichts zur Sprache gekommen. Es ist nichts verlassen worden. Es ist gar nicht vorhanden gewesen. Gestern war der Impuls ja Dialog/Konversation, das war der Aufhänger. Gut, das hat dann zu allen möglichen Sachen geführt und in der zweiten Runde jetzt das Schreibspiel.

Kurd: es ist in irgend einer Weise vielleicht noch ein bisschen komplizierter. Eine Karte, die ich da angehängt habe, die heißt; dia logos - dia aesthetica. Ich habe gestern Heiko umarmt und wollte dia aesthetica dadurch einbringen. Das Wort ´dia aesthetica´, das hatte ich da noch nicht, das ist mir in der Nacht eingefallen. Heiko: wenn man hier ankommt, kann man nicht sagen - so schön wie´s wäre - wir sind jetzt alle sofort auf einer ästhetisch, spielerischen Ebene. Manche kommen an und haben z.B. noch irgendwie politische Sachen im Kopf. Deshalb sagst du, Antje, das Spielen konkret vor Ort könnte so ein Übergang sein. Stefan: letztlich geht´s ja im Gespräch für mich auch um eine gewisse Verantwortung. Wenn ich z.B. in meinem Raum – multi.trudi in Frankfurt - Gespräche mache, dann weiß ich, dass ich den Leuten was aufbürde. Und ich fühle mich auch in gewisser Weise - obwohl ich das vielleicht nicht müsste - schuldig dafür, dass die Leute durch mich eine Art Führung erlangen, bzw. dass ich mir darüber klar bin, was ich ihnen abverlange und dass ich dafür auch eine gewisse Verantwortung übernehme. Detlev: ich glaube, es hat auch was mit der Anzahl der Leute zu tun, ob eine ganz offene Geschichte gut funktioniert oder nicht funktioniert. Ich hatte den Eindruck, dass das, was passierte, sehr stark von partikularen, fast zufälligen Geschichten abhing und es eben nicht irgend eine Art von entwickelten Modus gab, wie man sich auf etwas einigt, oder spürt, ob ein Vorschlag überhaupt Zustimmung findet.

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Heiko: hättest du eine Idee, wie man es verbessern könnte.
Muss es ein Moderator sein, was Kurd ja eher ablehnt. Das müssen ja nicht die beiden sein. Vielleicht macht man es sich ja einfacher, wenn man ein bisschen die Rollen verteilt. Nicht so diktatorisch, aber es geht ja um Verbesserungen. Bisher waren die anderen Male gut gelungen, gestern meiner Meinung nach nicht so. Wobei ich nicht weiß, woran es genau lag. Es war sehr stark polarisiert, was sonst nie der Fall war. Lag es am Thema, lag es an den Leuten, an der Zusammensetzung, dass es nicht so einen gemeinsamen Flow gab. Deshalb hatte ich mir immer gewünscht, gar nicht soviel denken, sondern erstmal ein Spiel machen, um, wie auch immer, auf diesen Level zu kommen, dass man zusammen symphilosophiert oder Sympoesie macht, oder was auch immer.

Antje: Stefan, zu dir noch mal. Was mich interessiert und bei Kurd denke ich das auch, ist: was ist ideal für die Konversationskunst. Und da würde das, was du eben angesprochen hast, Detlev, auch ein bisschen reinfallen: wie groß muss die Runde sein? Was hat das für einen Einfluss, wenn es zehn sind, wenn´s fünf sind oder wenn es nur drei sind? Das wird ja dabei alles, step by step, immer deutlicher. Das möchte ich dabei rausbekommen. Was sind die idealen Voraussetzungen, wie kriegen wir zusammen raus, was uns interessiert, was wir wollen, was schön ist. Kurd: ihr glaubt mir sicher, dass das alles nach bestem Wissen und Gewissen gemacht ist. Ja, wenn es die Konversationen die wir suchen gäbe, dann wären die ja da. Aber die gibt es ja nicht. Und wie kann es denn auch sein, wenn wir einen fabrizierten, einen gesteuerten Commonsense haben. Wenn uns immer gesagt wird, was wir machen sollen. Konversationskunst ist ja nicht da, sie muss entstehen. Man kann eigentlich nur fragen: wie können wir diesen Prozess verbessern. Es gibt ja Verschiedenes, nicht einen richtigen Weg. Wir wollen ja nicht alle das gleiche. Stefan: das war ja meine Frage. Was willst du rausfinden. Welcher Problematik stellst du dich und wie kommt das Setting zustande. Das ist ja eine Versuchsanordnung. Und die Frage ist, was war der vorherige Punkt, der diese Versuchsanordnung so bestimmt. Kurd: da muss man aber auch sagen: natürlich ist das nicht klar in mir. Es kann ja doch nur im Gespräch klar werden. Stefan: aber die Problematik. Du sprichst schon gleich von der Lösung, aber die Problematik kann dir nicht unklar sein. Wenn ich als Versuchsleiter eine Versuchsanordnung mache, dann muss ich mindestens über die Problematik der Versuchsanordnung Bescheid wissen. Kurd: das kann ich nicht. Ich kann keine Versuchsanordnung machen. Ich bin nicht in der Lage dazu. Das will ich auch gar nicht. Ich suche andere Wege. Ich suche künstlerische Wege.

Antje: ich wollte nochmal etwas zu den thematischen Anregungen sagen. Ich habe den Eindruck, es ist ein bisschen so was wie: die Angst vor dem weißen Blatt nehmen. Also dass man nicht hier sitzt und denkt: oh, was wollen wir denn jetzt hier, sondern man kann da schon mal in das Thema reinspringen - oder auch nicht.Vielleicht müssen wir das noch deutlicher machen, was die thematische Anregung ist. Stefan: ich finde es interessant, dass sich eure jahrzehntelang zurückliegende Arbeit trotz dieses ganz harmlosen Titels ´Konversation´ immer auch an technischen Entwicklungen, an Prozeduren abgearbeitet hat. Also hier z.B. dieses HyperCard. Sonst wäret ihr z.B. gar nicht hier. Sonst hieße es: Konversationskunst? Gehn sie doch mal ans Theater. Das spielt ja bei euch immer auch mit rein, dass ihr euch auch an den Leitungen, den Kanälen, den Interfaces abarbeitet. Das ist nicht bloß mal so was. Die Frage der guten Konversation, die ist schon in der Antike gestellt worden. Ihr fasst das ja zusammen und dann kommt noch hinzu, dass es - so banal es auch daherkommt - ein höchst obskures Thema ist. Ich hab das neulich jemandem ein bisschen erzählt und gesagt, es ist unglaublich spannend, was die machen und die haben noch nicht mal einen Verlag, die publizieren im Book on Demand. Und der Kurd hat früher so fotokopierte Blättchen gemacht. Das zeigt ja, dass es überhaupt nicht in der Gesellschaft vorhanden ist.

Um mal auf das Thema HyperCard zu kommen - ich erzählte es gestern Detlev - wir hatten uns damals in Wien die Stacks schon übers Netz geschickt. Das war eine seltsame Angelegenheit, wenn man bedenkt, dass man heutzutage alles online editieren kann. Und du, Volker, erzählst, ihr habt euch das irgendwie zugetragen oder mit der Post verschickt. Das ist ja auch wiederum eine Überspitzung. Ich sage das im Hinblick auf die Selbstbefragung. Immer ist es so, dass ihr irgendwie noch eins drauf gebt. Antje: aber damals ging das noch nicht übers Netz, als wir angefangen haben. Stefan: ja, aber z.B. in Wien - hätten wir das Netz nicht gehabt - hätte niemand die Dinger per Post verschickt. Wir haben das übers Netz verschickt, weil das Netz es irgendwie nahe gelegt hat, und wir haben jedesmal geflucht, dass wir diesen dummen Stack wieder neu auspacken mussten, um dann die Version zu überspielen. Volker: also wir hatten ganz unterschiedliche Formen. Das war jetzt ein Diskettenbriefwechsel, aber wir haben auch am Tisch nebeneinander gesessen, oder Rücken an Rücken und haben Disketten einfach so rübergereicht. Und es ging immer um diesen Austauschgedanken.

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Der Gedanke, man müsse jetzt auf der Datenautobahn riesige Datenmengen hin- und herschicken
und das sei dann noch größere Kunst, der ist uns nie gekommen. Kurd: das Anlinken gab´s ja nicht - weil das Netz noch nicht da war. Natürlich in der Industrie, im Militär und an Universitäten gab es das schon, aber für uns, an der Kunsthochschule, gab´s das nicht. 1992, da wurde es dann öffentlich zugänglich gemacht. Man konnte aber mit den Links in HyperCard den Ausdruck syntaktisch ganz anders ´rüberbringen. Das ist inzwischen auch verschwunden. Darüber würde ich ganz gern noch sprechen: Was ist denn überhaupt verschwunden? Und zwar plötzlich mit dem Netz. Mit der Öffnung des Netzes wurde was ganz anderes möglich. Und diesen syntaktischen Ausdruck - ich habe noch nicht das richtige Wort - der auch visuell ist, den gab´s nicht mehr. Martin: wieso syntaktisch? Was ist der Unterschied zur Syntax der normalen Sprache? Die gibt es ja auch. Was meinst du mit syntaktisch. Kurd: du hast ein Wort und kannst drauf klicken, oder du klickst auf einen Teil des Wortes, oder hast zwei Wörter oder einen Satz und du kommst dadurch in HyperCard auf andere Ausführungen. Martin: also die maschinelle Ausführung von Querverweisen sozusagen. Nicht die intellektuelle, sondern die maschinelle. Kurd: so kannst du, so darfst du das nicht ansprechen. Volker: das ist ne ganz eigene Formulierungsweise. Kurd: wenn du es so ansprichst, wie du es heute siehst, dann ist es gar nicht da. Heiko: aber versuch mal zu beschreiben, was verschwunden ist, weil ich dachte, als du das eben sagtest, es ist ja nicht verschwunden, sondern alles war ja dann plötzlich Hypertext. Der HTML-Link ist ja letztlich erstmal rein technisch gesehen eigentlich eine Erweiterung. Damals war das lokal und jetzt hast du es sogar global. Deshalb interessiert mich, was verschwunden ist. Kurd: deine Ausdrucksmöglichkeiten. Du kannst jetzt etwas in der Ferne anlinken, irgend eine Datei, aber ein Aufsatz ist ja nicht dein Ausdruck. Antje: was ich so spannend bei unserem (Volker/Antje) HyperCard-Austausch fand war, dass ich jetzt den Stapel von Volker habe und quasi seinen Gedankensprünge nachspringe. Vielleicht verstehe ich es erstmal noch nicht, kann das aber in aller Ruhe so lange wiederholen, bis bei mit der Groschen gefallen ist: ach so, ja, klar! So hat er das gemeint. Und dann habe ich was kapiert.

Volker zieht aus seiner Tasche einen alten Briefumschlag samt Inhalt aus dem HyperCard-Diskettenaustausch, der von 1993 bis 2000 zwischen Antje und ihm lief. Volker: das ist was anderes, wenn du wirklich so´n Ding hier zugeschickt bekommst. Wir haben uns die Umschläge 7 Jahre hin- und hergeschickt und dann gab´s immer noch Briefe, Karten und Beipackzettel dazu. Antje, ganz entzückt: ja, stimmt. Ach Volker, das finde ich ja süß! Volker: das habe ich alles aufgehoben. Es ist einfach so, wenn ich im Netz rumklicke, fühlt sich das ganz anders an, als wenn ich so ein Ding hier wirklich aus dem Briefkasten hole. Ich gehe damit ganz anders um. Antje: bei dem HyperCard-Austausch konntest du an jede Stelle einen Link setzen und Wort mit Bild und kleinen Filmabläufen, verlinken und jeden Link noch mit diversen Modifizierungen ausmalen, z.B. mit Musik oder Schattierungen oder unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Kurd: oder - das habe ich von Detlev gelernt - klicksensiblen Flächen. Das sind Ausdrucksmöglichkeiten, die natürlich mit dem Interesse am Netz verschwunden sind. Detlev: ich sehe wenigstens zwei grundsätzliche Änderungen: man kann auf einer Webseite sehr Ähnliches machen wie in HyperCard. Es ist aber sehr viel schwieriger, es hinzubekommen, mit Imagemaps usw. Das ist das eine. Man kann es machen, es ist aber technisch viel schwieriger und das Nächste ist, wenn man es relativ mühevoll dann auf einer Website hinbekommt, ist es natürlich keine Umgebung mehr, die man so leicht jemand anderem gibt, der dann darin rumarbeitet, wie das bei HyperCard ging. Antje zu Detlev: mir fällt grade unser HyperCard-Austausch ein - wir hatten doch auch mal zu dritt einen (Detlev/Kurd/Antje). Martin: was ich sehr daran vermisse, dass HyperCard weg ist, ist die Nähe des Schreibens zum Lesen. Es war nie mehr so nah dran, etwas zu gestalten, was dann sofort lesbar war. Der Abstand zwischen Editor und Browser ... Heiko: das ist doch bei jedem Content-Management-System so. Da kannst du anklicken, einen Link machen, ein Bild hinterlegen, Bild vorlegen, freischalten für dich, für mich ... Martin: ja, die sind aber alle irgendwie dennoch sehr schwerfällig und in den Ausdrucksmöglichkeiten nicht so vielfältig, wie es HyperCard war. Diesen Übergang von der rein rezeptiven Lese- bis zur Programmierebene von glaube ich 5 Leveln, die man reinstellen konnte, macht - soweit ich das verfolge - vielleicht Lisp noch. Da muss man aber dann wirklich schon Fachmensch sein. Rolf: HyperCard war so eine revolutionäre Sache und Apple hat ganz massiv drauf gepuscht und wollten dieses Programm für damals unglaubliche Beträge - teurer wie die Apples - verkaufen. Und kein Schwein wollte das haben. Nachher hat Apple das Marketing geändert und wenn man einen Apple gekauft hat, musstest du dieses HyperCard nehmen und zwar gratis. Apple hatte jahrelang gedacht, das ist es. Antje: aha, das wollte keiner? Rolf: nein! Ein paar Spinner haben mit HyperCard gespielt aber sie haben keine Akzeptanz gehabt. Antje: ja, wir hier, wir Spinner. Rolf: es hat keine Akzeptanz gefunden, außer bei Spinnern. Und dann kam dieser nächste Punkt: das war das Netz mit HTML. Und da ist eine ganz andere Geschichte abgelaufen und deshalb ist HyperCard ganz verschwunden. Aber bevor das Netz kam, hat HyperCard auch keine Chance gehabt. Kurd: du kannst aber nicht sagen, dass die Anerkennung - also wenn es angenommen wird - dass das der Maßstab ist. Denn hinter den Firmen, die da konkurrieren, da steckt doch Macht. Rolf: die Frage ist: damals hat´s nicht funktioniert, weil unsere Kultur nicht so ist, dass sie zu HyperCard passt und wenn wir das im Netz jetzt schon hätten oder bald haben werden, ist es wieder die Kulturfrage. Martin: ich bin da nicht so optimistisch, dass das in 10 Jahren oder in 5 Jahren so wäre und dass das dann gewollt wäre. Rolf: wenn der kulturelle Anspruch so wäre, hätte schon HyperCard Erfolg gehabt und jetzt geht die Technik so langsam vor, weil keine Nachfrage da ist. Weil die Kultur fehlt. Kurd: du kannst es nicht nur auf die Kultur schieben, Du musst natürlich denken - wenn das nicht zur Kultur gehört - dass auch andere Interessen da waren, die das nicht wollten. Genauso wir du sagst, das ist ne Frage der Kultur, sehe ich auch ein Kulturproblem, z.B. wie die chinesische Ausdrucksweise, gleichzeitig mit Schrift und Bild gut umzugehen. Das fehlte auch hier. HyperCard war ja auch eine grafische Ausdrucksweise. Wenn ich von Syntax sprach, dann meinte ich: plötzlich war das, was in sprachlicher Syntax in uns lebte, auch grafisch da.

Antje: vielleicht nochmal was anderes. Ich meine, was Rolf da beschreibt, ist doch genau das, was uns antreibt. Wir waren damals die Spinner und fanden HyperCard toll und jetzt sind wir die Spinner und versuchen Konversationskunst gängiger zu machen. Martin: das ist doch genau der Commonsense, den du, Rolf, da beschreibst. Kennt ihr von dem Pfaller, der in Wien sitzt, die Theorie der Interpassivität? Der nimmt ernst, was wenige nur tun, dass es nämlich gar keinen großen Bedarf an Interaktivität gibt. Es gibt einen großen Bedarf an Passivität. Der Siegeszug des Fernsehens ist vermutlich deswegen gekommen, weil man wunderbar passiv sein kann. Heiko: aber das ist ja vorbei, eindeutig. Martin: nein, finde ich nicht. Die Jugendlichen, die das mit Youtube machen, machen das anders, aber lassen sich auch berieseln. Die suchen sich das aus - gut, das ist ein interaktives Moment - aber kaufen z.B. auf DVDs Serien und ziehen sich 10 Folgen rein. Also die Konsumentenhaltung ist eine, zu der es offenbar einen großen Bedarf gibt. Antje: aber dahinter stehen doch auch Interessen. Also dass das so angelegt und verbreitet wird. Martin: ja, aber wenn´s die Leute nicht wollen, dann kann man es auch nicht verkaufen. Ich glaube, das ist ein großes Problem mit solchen Systemen wir HyperCard es war, dass es auf Spinner wie uns treffen musste, die wir diese Aktivität entfalten wollten und das toll fanden, aber der Großteil der Menschheit das nicht will. Stefan: ich gebe dir da durchaus recht, aber die Entwicklungen - wir diskutieren ja über das Medium, indem wir versuchen, das Wollen auch auszudrücken. Ein Rückblick auf die letzten 15 Jahre: ich weiß noch wie ich z.B. das Web 1.0 dahingehend begrüßt habe, dass ich jetzt unbegrenzt publizieren kann. Früher war es so, ich habe einen Text geschrieben und gehe ihn fotokopieren. Aber wieviel fotokopiere ich? 20? 50? 500? Spielt keine Rolle mehr. Du kannst soviel schreiben, wie du willst und es können soviel lesen, wie sie wollen. Dann kam: du kannst ja auch eine Antwort bekommen. Das fing mit dem Bloggen an, da wurde das quasi interaktiver und neulich, da schrieb jemand unter Facebook: “ich habe noch mal was geblogt. Das kam mir so langsam vor.“ Und ich dachte, stimmt ja. Blog ist auch schon wieder alt. Und Facebook hat ja durch diese Leichtigkeit oder Flüssigkeit der Bedieneroberfläche das bis dahin erfolgreichere MySpace einfach abserviert.

Heiko: arbeitet ihr noch mit HyperCard? Antje: nein, das läuft doch auf den neuen Computern nicht mehr. Heiko: dann habt ihr falsche Computer, Antje: wir haben auch noch die alten.Wir arbeiten deswegen nicht mehr damit, weil niemand außer uns die alten Computer hat. Heiko: man müsste HyperCard in HTML umsetzen. Martin: dann geht ja die Einfachheit verloren. Volker: ich glaube, es ist auch nicht nur das Medium selbst, sondern da muss vieles zusammenkommen. Martin: vielleicht muss man das auch ernst nehmen, warum HTML so einen ungeheuerlichen Siegeszug gemacht hat. Der Ted Nelson hat ja recht. Sein Xanadu war viel besser. Auch was der Maurer in Graz gemacht hat, ist eigentlich viel besser und hätte einem vieles erspart, womit man jetzt so seinen Ärger hat. HyperCard war sowieso viel besser, aber warum ist dieses HTML so unglaublich erfolgreich gewesen? Meine These ist: es liegt daran, dass es so extrem wenig voraussetzt. Man braucht nicht mal einen Mac und die Voraussetzungen zur Anschlussfähigkeit sind extrem niedrig. Heiko: ich bin überzeugt, dass jede Sache technisch umsetzbar ist. Wenn wir einen Etat hätten, könnte man sagen, wir stecken das Geld da rein, damit wir die Sachen, die damals in HyperCard so toll waren, mit Webmitteln umsetzen. Damit wir das Arbeitsinstrument, was uns verloren gegangen ist, wieder retten. Ich sammele mir auch meine Tools zusammen und bin froh, dass ich überhaupt keine Software mehr kaufen muss. Ich weiss, dass ich mich dabei solchen Molochen wie Facebook, die wiederum über mich Profildaten sammeln, bediene. Kurd: es ist ja nicht so, dass wir sagen: HyperCard wollen wir wieder haben. Ich bin auf diese Frage gestoßen worden: ja was war denn so toll daran und dann wusste ich nicht zu antworten. Aber sonst ist es ja eigentlich das Interesse, die Konversation oder die Konversationskunst, den Dialog oder die Kunstaffaire voranzutreiben. Der ´liebe Gott´ ist nun weg und wir können doch nicht sagen, die Technik ist nun unser ´lieber Gott´. Es gibt doch einen zweiten Commonsense, nicht bloß den, in den uns die Oligarchen treiben, wo wir vielleicht doch in kleinen Gruppen - dreißig ist mir fremd - Gemeinsamkeiten finden können.

Heiko: Detlev, mich würde doch noch mal dieses alt - neu interessieren. Wenn du jetzt überlegst, was du damals mit ´Schwamm´ gemacht hast. Diese Art von Arbeit ist doch nicht völlig unmöglich jetzt? Detlev: ich habe jetzt meine Sachen auf ´ner Website, die keine Kommentare zulässt. Ich habe einen Kollegen, der weiß wie man so ein Contentmanagement-System aufsetzt, das wäre im Grunde kein Problem, nur ich müsste beigehen und Hunderte von Seiten aus einem statischen Format rüber kopieren, nur damit jemand einen Kommentar schreiben könnte, der wahrscheinlich ohnehin nicht kommt. Der Wunsch, Dinge zu kommentieren, ist äußerst begrenzt. Ein Angebot, explizit weiterzuschreiben existiert in Foren oder auf Wikis, von Gruppen, die sich um dieselbe Sache kümmern. Da geht es. Aber wenn man jetzt mit seiner eigenen Geschichte, seiner eigenen ästhetischen Idee versucht, an Andere heranzutreten, bringt man eben schon soviel mit, dass es meistens nicht gelingt. Inzwischen weiß ich auch nicht mehr, ob ich das überhaupt will. Heiko: aber suchst du denn jetzt neue Formen? Wir haben ja angefangen uns in Twitter so ein bisschen auszutauschen, spielend auszutauschen. Detlev: also Twitter funktioniert für mich noch nicht. Die Idee, man könnte was in Gang bekommen, indem man anfängt Anderen zu folgen, damit sie einem dann auch folgen und auch immer wieder was reinzuschreiben, als Anregung, das liegt mir glaube ich nicht. Ich hab ja auch relativ früh angefangen mit Bloggen und habe dann vier, fünf Jahre gebloggt und da ist auch nie besonders viel passiert. Was jetzt so flutsch in Twitter und wahrscheinlich auch auf Facebook, ist irgendwie, was mir daran nicht schmeckt. Ich halte mich davon fern und arbeite jetzt eher wieder so in Texten oder mit Verfahren, wo eigentlich ich und das Material alles ist und jemand das gut finden kann oder nicht. Eigentlich ein Rückzug aus dieser Öffnung.
Martin: Frage zur Tagesordnung.
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Unterzuckerung greift um sich bei mir. Ich werde eine Kleinigkeit essen. Wir machen eine Kaffeepause.


Nach der Pause:
Kurd: also wenn keiner anfängt, fang ich an. Wir hatten gestern einen Konflikt: mit Anderen, bei Anderen oder unter Anderen. Wie kann man das am besten verstehen? Bin ich mit Anderen, unter Anderen? Ich sage jetzt immer: ich bin unter Anderen. Heiko: quasi wie ein Fisch im Wasser. Kurd: natürlich sind wir nicht alle gleich. Wenn ich mit Anderen bin, ist ja schon mehr eine Einigung da. Heiko: ´mit Anderen´ wäre mehr eine homogene Masse. Wenn ich demonstriere, demonstriere ich mit. Und ´bei Anderen´ meint ´zu Besuch bei´. Rolf: was meine ich mit ´ich´, wenn ich noch das Wort ´Andere´ sage. Ich spreche über das Ganze, aber damit ich´s zur Sprache bringen kann, mache ich diese Unterscheidung: ich - du, oder ich - alter ego oder der Andere. Und es geht nicht um ´Ich´ und das ´Du´, sondern es geht um die Gemeinsamkeit. Es gibt in der Esoterik schöne Bilder dazu: die Wellen auf dem Wasser, die sind alle verschieden, so wie wir alle verschieden sind, aber es gibt die Wellen nicht, sondern es ist das Wasser. Alle Wellen sind dasselbe Wasser und sie sind auch nicht isolierbar oder nicht wegnehmbar. Um darüber zu sprechen, ist jeder von uns ´ne Welle, zieht durch, aber es ist alles dasselbe Wasser. Und es gibt keine Möglichkeit, die Welle vom Wasser abzuziehen. Und jede Welle ist anders.
Um zum Hypertext zurückzukommen. Ich habe die Formulierung: Wortlink. Das ist ein Wort und ich klicke drauf und komme auf eine andere Seite, da steht ein Satz. Und das ist äquivalent. Jeder Mensch würde ganz andere Bilder, Sätze, Filme hinterlegen, hinter diese eine Wort. Kurd: deshalb habe ich vielleicht von Syntax gesprochen. Denn ich habe hier ein Stück Ausdruck und habe nun Möglichkeiten, da rein zu klicken oder da rein. Das ist ja in dem Fall nicht ein Ersatz für das Wort, sondern es ist dann eine andere Aussage. Ein anderer Ausdruck. Rolf: beim Hypertext liest jeder den Text, den er sich zusammenstellt. Er liest nicht meinen Text, sondern er liest seinen Text. Antje: obwohl er ja nicht weiß, was er sich zusammenstellt. Rolf: ja, das ist aber bei mir, beim Schreiben auch so. wenn ich schreibe, weiß ich ja noch nicht recht, was ich schreiben will und dann kommt´s. Aber der Leser ist der Hyperleser. Es geht alles nicht mehr mit der Kommunikation. Heiko: das es jetzt gar keine mehr ist, glaube ich nicht. Kann man nicht sagen, es ist eine Hyperkommunikation.

Martin: die Textmassen im www sind Hypertexte, zwar andere, als Ted Nelson das gewollt hat. Die Verlinkung, die maschinelle Ausführung von Querverweisen, die man also syntaktisch korrekt anlegen muss und kann, das ist längst in der Welt und wir können beobachten, was passiert. Wir müssen nicht spekulieren. Es scheint, dass Aufmerksamkeits-Spannen kürzer werden, Textblöcke werden kleiner, aus Fernsehen und dem Channelhopping mit der Fernbedienung werden die Clips auf Youtube. Volker: deswegen ja konversieren. Ich glaube Hypertexte, die einfach so in die Welt gesetzt werden, die gucke ich mir nicht an. Ich habe mir immer nur Hypertexte angeguckt, die tatsächlich an mich adressiert waren, also die mich persönlich meinen.

Rolf: beim Hypertext interessiert mich mehr dieses gedankliche Konzept, dass ich die Links im Text habe, nicht zusammengesucht und nicht im Register sortiert, sondern im laufenden Text und immer wieder diese Frage: lese ich da weiter oder lese ich da weiter. Das ist etwas total Verrücktes. Auch wenn ich den Autor kenne, auch wenn ich meine eigenen Texte anschaue, wo ich schon starke Vermutungen und Erinnerungen habe, bewegt mich immer, wenn ich da bin, die Frage: wo geht´s weiter. Stefan: ich finde das ja auch spannend. Ich beschäftige mich seit geraumer Zeit mit einer Form der Automatisierung, weil ich es total entspannend finde, zu sehen was ist, wenn ich es ein bisschen der Maschine überlasse. Ich habe einen Algorithmus geschrieben, der in den Texten Namen und Orte findet und er findet bestimmte Keywords. Der Text wird automatisch analysiert und dann wird das quasi gelinkt. Ich bin jetzt nicht mehr der, der an einer Stelle händisch z.B. das Wort ´Himmel´ markiert, sondern die Maschine fängt automatisch an. Das ist zwar noch sehr rudimentär, weil es ja da die Probleme der Zweideutigkeit gibt. Heiko: dann müsstest du ja Semantik reinbringen. Das ist nicht so einfach. Aber da wird dran gearbeitet

Detlev: ich meine, dass diese Formulierung, die wir mal hatten mit HyperCard, natürlich komplett vom Tisch ist. Das ersäuft im Meer von Banalia. Denn wenn du überall, jedesmal wenn das Wort “Himmel“ auftaucht, einen Link hast, der immer auf das selbe Ding verlinkt, völlig kontextlos, weißt du auch, dass sich hier niemand mehr die Mühe macht, die Begriffe unterschiedlich zu verlinken. Die ganze Ausdrucksdimension des Linkens ist dann komplett weggebügelt. Stefan: es ist eher die Frage, wie komme ich zu deinem Text. Für mich ist es so, dass ich, um zu den wirklichen Perlen zu kommen, im Netz immer mehr Zeug wegschieben muss. Es braucht anscheinend immer größere Entscheidungsmöglichkeiten. Als das Web anfing, da kannten wir uns alle - so ungefähr - da wusste jeder, wer was ist. Heiko: da konnte man Link-Austausch machen: ich link auf dich, du linkst auf mich. Das ist heute vollkommen irrelevant.

Antje: ich würde gern noch mal nachfragen: sind wir mit unsere Zettel-Wand fertig? So endlos soll sich das hier nicht ausdehnen. Nach kurzer Debatte entschließen wir uns, aufzuhören.


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