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Mitschnitt vom 30.10.10

Autor: Mitschnitt und Fotos Antje Eske

30.10.2010 Konversation 4 im ZKM: Erfahrungen im Social Web.

Beteiligte: Kurd Alsleben, Jochen Engel, Marlies Engel-Eske, Antje Eske, Heiko Idensen, Matthias Weiß, Margit Rosen

Wir hatten uns, im Rahmen von ´Konversationskunst´ im ZKM, vorbereitend zu 8 ´Terpsichore-Austauschen getroffen. Einer dieser Austausche lief in der TU Dresden, am Institut für Software und Multimediatechnik mit Prof. Rainer Groh und Studierenden. Kurd erinnert sich, dass uns dort die Studierenden von ihren Nebenbei-Netzaustauschen erzählten. Man arbeitet an einer Sache und nebenbei wird getwittert oder man stellt was in Facebook. „Wenn du das nicht machst, dann biste tot!“ hieß es. Heiko erinnert das an den sozialen Tod bei den Indianern. Sie würden zur Strafe von der Gemeinschaft ausgeschlossen, bekämen zwar weiterhin zu essen, aber die Gemeinschaft sei für die Indianer so wichtig, dass sie an deren Entzug sterben. Ins Gespräch kommt, dass in unseren Breiten ´Isolationshaft´ in ähnliche Richtung gehe, wir aber im Alltag einige Kompensationsmöglichkeiten haben: Fernsehen, Internet, Einkaufen, ... quasi eine Unmöglichkeit, uns vom Commonsense abzusetzen.Daraufhin lässt Heiko sich den Begriff Commonsense von Kurd erklären.
Der versucht zu verdeutlichen, dass es beim Zusammentreffen von zwei weniger vertrauten Menschen erstmal 2 Commonsenses gäbe. Einmal den offiziellen, nämlich das was die Medien uns sagen oder was die Riten bei den Indianern sind. Und dann noch einen zweiten, den gesunden Menschenverstand, den Kurd ´Doxa´ nennt. Das sei die Lebenserfahrung, die erkenne, wenn was vorgegaukelt würde. Auch dass man einem Anderen gefühlsmäßig einfach glauben könne, gehöre dazu. In dem Sinne: ich habe nicht alles selber erfahren, aber diesem Anderen glaube ich. Man merke beim Anderen, dass er den gesunden Menschenverstand auch habe und versuche dann, sich abzugleichen. So gäbe es eben zwei Commonsenses: den einen, den man aufbaut und den anderen, der fabriziert ist. Diesen Unterschied meine er. Auch, dass man eigentlich wisse, was los sei, aber erstmal eine Weile wie das Fernsehen sprechen würde, wenn man den Anderen trifft, weil man sonst nicht anerkannt wird.

Matthias ist mit Sascha Büttner, der eigentlich heute persönlich anwesend sein wollte, in Facebook verbunden und sagt: jetzt haben wir mal wieder so ein kleines Beispiel, wie das geht, wenn man im Zeitalter des Web 2.0 und omnipräsenter Verfügbarkeit jemand von außen in unseren Kreis hineinholen will. Da Sascha per IPhone chattet, kommt alles nur bruchstückhaft an und er selber hat Sascha jetzt grade 2 mal im Chat.

Kurd führt an das Thema heran. Er fragt, was wollen wir? Wozu sitzen wir hier? Haben wir eine Absicht, oder nicht? Oder wer hat eine Absicht?
Seine Absicht sei, zu sehen, was die Künste und das Social Web für eine Beziehung haben. Wir könnten uns doch mal fragen, welche persönlichen, guten Erfahrungen gibt es mit dem Social Web? Danach käme die Frage: hat das was mit Kunst zu tun oder nicht? Matthias hat Angst, dass wir dann ja schnell beim Kunstbegriff landen. Als Kunsthistoriker sei er immer geneigt, wenn es um Kunst geht, auch gleich im Wissenschaftsmodus zu operieren.

Antje schlägt daraufhin vor, dass es doch ganz schön wäre, zusammen ins Netz zu gehen, um dort gemeinsame Erfahrungen zu machen und die ins Gespräch einzubringen. Dazu holt sie vom Museumsdienst den großen Monitor auf dem Rollwagen, damit alle was sehen können. Die Geräte werden von uns angeschlossen und Heiko geht auf Twitter und zeigt, dass man auch als Nichteingeloggter zwar alles ansehen aber nicht interagieren kann. Kurd fällt schon gleich zu Anfang die Begeisterung auf, mit der einige von uns sich diesem Medium zuwenden und fragt, was denn so an dem begeistere, was die Informatiker machen. Heiko meint, dass das nicht nur Informatiker machen und berichtet von dem Film über den Facebook-Erfinder, den er angesehen habe. Da seien es Studenten gewesen, die programmieren konnten. Der Facebook-Erfinder wurde als genialer Typ dargestellt, der keine Freundin und keine sozialen Kontakte hatte und dann machte er dieses Facebook: ein Verzeichnis von Faces (Gesichter von Frauen an seiner Uni). Mit der Bewertungsmöglichkeit - gefällt mir - gefällt mir nicht. Das war der Anfang. Und so langsam sei dann Facebook daraus entstanden. Heiko hatte sich erst überlegt, hier auch ein entsprechendes Spiel im Kreis vorzuschlagen: man geht rum und bewertet einander: gefällt mir - gefällt mir nicht. Oder man geht in der Stadt rum ... Das gefällt mir - gefällt mir nicht. Bei Twitter sei das Prinzip durch die ´Followers´ verdeutlicht, weil man Leuten folgen und von Leuten gefolgt werden kann. Er meint, dass das Prinzip auch für Werbeleute superinteressant sei. Die Bundebahn mache grade im Netz eine Billigfahr-Aktion und habe dabei 43 000 Follower in einer Woche generiert.

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Heiko geht jetzt auf Twitter
und beschreibt die Social Software: auf der Twitter-Konversations-Profilseite sähe er nur, was er selbst geschrieben habe, oder alles, was diejenigen, die sich unter ´Konversationskunst´ eingeloggt haben, geschrieben haben. ´Konversationskunst´ sei in diesem Fall ein gesharter Account. Wenn er auf die Startseite geht, sieht er, was die, denen er folgt, geschrieben haben. Auch bei Facebook ist auf der Profilseite - genau wie bei Twitter - das, was er und was ´Konversationskunst´ geschrieben haben, zu sehen. Und jeder, der sich da einloggt, - dazu werden die Zugangsdaten gebraucht - der sieht dann die ganze Dokumentation. In den Netzen gäbe es unheimlich viele Verknüpfungen und man könne auf alles zugreifen.

Wir sind jetzt im gemeinsamen ´Konversationskunst´-Facebook-Account. Heiko zeigt diejenigen, die ´Konversationskunst´ folgen und zu sehen ist, dass hier schon ein kleines Netzwerk entstanden ist. Auch ´Ich bin ein Besucher´ ist dabei, weil man hier, vom ZKM aus, in Facebook gehen und sich aktiv beteiligen kann. Twitter ist mit Facebook verbunden und so sieht man Sachen die grade reingekommen sind und alle anderen auch. Außerdem gäbe es noch Blogs, auch Fotos und Videos, die irgendwo anders im Netz stehen, könne man leicht durch Verlinken einbauen.
Er erinnert an die Sprachspiele, die wir Anfangs mit Detlev auf Twitter gespielt haben. Man könnte z.B. auch die Regel, nach der wir gestern unsere gemeinsame Geschichte geschrieben haben, hier einbringen. Jeder schreibt 3 Wörter - und ein bisschen zeitverzögert käme dann auch in Twitter eine Gemeinschaftsgeschichte zusammen. Und wenn er es mit den früheren Schreiboberflächen vergliche - das sei immer Spezialsoftware gewesen, oder sie lief nur auf dem Mac ... die Systeme stimmten nicht überein, dann habe er den Eindruck, dass die Zusammenarbeit sehr gut in dieser Art Netzen läuft.
Er erläutert noch die Profile, die von jedem User im Netz zusammengetragen werden und dass für die Werbung natürlich auch Firmen daran interessiert seien. Das sei die eine Seite, andererseits könne man diese Art verknüpfter Netze eben auch für soziale Sachen und für Kunst nutzen.
Marlies findet es schade, dass das so missbraucht werden kann. Jochen gibt zu bedenken, dass eigentlich alles missbraucht werden könne und Matthias weist darauf hin, dass der Missbrauch schon eine neue Qualität habe. Jetzt gäbe es diese Payback-Karten, durch die sich Unternehmen ein Bild von ihm kreieren. Jedoch das Recht an dem Bild von ihm gehöre ihm! Aber mit jedem Schritt - wo er tanke oder kaufe - kreieren die Unternehmen ein Bild von ihm. Man könne sagen, dass lehne ich ab. Andererseits könne man damit auch subversiv umgehen. und Transaktionen damit machen. So ganz leuchten uns seine Beispiele nicht ein. Am Ende scheint immer wieder herauszukommen: „diese Information hilft uns, in Zukunst die passendere Werbung einzubringen. Also helfen sie, ihr Profil zu verbessern.“ Das Gespräch dreht sich noch eine Weile um Werbung, Onlinebanking, ... bis Antje unterbricht und auf das Thema zurückführt.

Was hat das, was uns eben beschäftigete, mit der Kunst zu tun oder den sozialen Netzwerken, in Richtung Sozialer Austausch. Sie bringt nochmal das Beispiel Dresden und das Gespräch mit den Studierenden der TU ein um dem Unterschied zwischen Vis-à-vis- und Netzaustausch näher zu kommen. Was sei anders, wenn sie den anderen Menschen sähe, wahrnähme und Anerkennung bekäme, als wenn sie im Netz so nebenbei twittere und eigentlich was ganz anderes mache. Was haben der Andere oder sie selbst davon? Da spiele auch wieder diese Commonsense-Geschichte mit rein: Wenn ich es nicht mache, bin ich tot oder gehöre nicht mehr in den Kreis. Im anschließenden Gespräch wird deutlicher, dass es auch im Netz extreme Gefühlsäußerungen gibt. Vielleicht oberflächlicher aber irgendwie total, so dass man jede Regung extrem mitbekommt. Eigentlich bekomme man alles mit. Auch was sonst noch so untereinander gequatscht werde, im Netz oder per Handy. Positiv, negativ? ist die Frage und wir landen schnell im alten Griechenland, wo es auch keine Intimität gegeben habe und man z.B. nebeneinander auf dem Klo saß. Deutlich wird daran nur eines, dass sich der Mensch über die Zeiten und die Umstände verändert.

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Jochen stellt an Heiko die Frage, ob es Themen gäbe, die sich für dieses elektronische Medium gut eignen
und ob es andererseits Themen gäbe, wo er Bedenken habe, sie dort rein zu bringen. Beispiel: jemand sei gestorben. Würden die Familien und Verwandte, die dann verstreut in der Welt sind, dafür Facebook nutzen? Heiko hat auch hierfür ein Beispiel. Es sei eine Möglichkeit. Könne zwar entgleisen. Stichwort: Supergefühlsduselei. Aber das habe nichts mit dem Medium zu tun. Marlies stellt die Frage nach der Gefahr der Oberflächlichkeit. Darauf folgt die nächste Frage: was heißt denn Tiefe? Im nachfolgenden Gespräch geht es um den öffentlichen Umgang mit Krankheit und Tod, es werden auch Beispiele von öffentlichem Netzaustausch angeführt, z.B.: Fuckyouverymuch.dk – 2 Dänen, nicht räumlich getrennt, die einen Blog haben, in dem sie sehr viel aus ihrem Alltag berichten und immer bezeichnenderweise von "we" schreiben, nie von ´ich´.
Wir kommen dabei auf die Frage nach der Problemhöhe und ob sie mit Geschmack identisch sei. Die beiden Dänen haben 9 700 Einträge von Menschen, denen das gefällt. Wir fragen uns, was man von den ganzen Followern habe. Ob es vielleicht eine Begeisterung am statistischen Denken sei. Die Frage taucht auf: soll man Stimmen wägen oder zählen? Ist sowas im Netz auch ablesbar, wenn man dort z.B. 40 Freunde hat, aber nur 6 Freunden davon gefällt es, was sich dort abspielt. Das Gespräch kommt auf Webcams und Skypen. Eine ganz neue Erfahrung, den anderen Menschen, an einem anderen Ort direkt zu erleben und zu sprechen. Danach kommen wir wieder auf die Frage zurück: was möchten wir? Was wünschen wir uns? Kurd führt in dem Zusammenhang ein Jahrzehnte zurückliegendes Beispiel an: damals kam auf, eine Scheibenwaschanlage zu benutzen. Er fand das grotesk. Der Verkehr lief anders. Die Laster fuhren noch nicht so häufig. Die Scheiben wurden nicht so bespritzt. Daraus folgte: was soll das? Heute könne man es sich nicht mehr ohne vorstellen. Heiko wirft ein, dass das mit den Tools ja sowieso so sei. Jochen möchte rausfinden, was das Netz als Chance bietet. Er glaube nicht, dass man das in irgendeiner Weise zurückdrehen könne und erinnere sich noch an die Zeit als die Computer aufkamen und verteufelt wurden. Da gab es zwar die ganzen negativen Effekte, wie Arbeitsplatzabbau im Büro, aber man müsse auf der anderen Seite sehen, was gewinnst du dadurch und wo kannst du es nutzen. Kurd wirft ein: oder wem nützt es? Daraus ergibt sich die Frage: wie soll man rauskriegen ob es was nützt, ohne es zu tun. Matthias berichtet über einen Austausch im Netz, wo keiner rankomme, als die Leute selbst. Das sei dieser private Mailkanal, von dem er sagen könne, wenn er den nicht gehabt hätte, wäre sein Leben ein Stückchen ärmer gewesen. Heiko hat eine ähnliche Erfahrung mit einem Freund auf Facebook gemacht. Matthias fällt dazu noch ein, dass er im Rahmen seiner Arbeit einen Künstler einfach über Facebook zu einem Statement in der Kunstzeitung motivieren konnte. Wir kommen dann im Gespräch zum Thema: Trennung zwischen Arbeit und Privat und dass diese Trennung durch den Umgang mit den elektronischen Medien mehr und mehr verschwindet. Antje führt auf ihre Erfahrung um 1968 zurück. Damals sei das die Wunschvorstellung gewesen. als nächstes schließt sich Datenschutz, z.B. bei Facebook an, der mangelhaft sei, aber m letzten dreiviertel Jahr optimiert wurde, so dass man die Leserechte und Partizipationsrechte an seinen Inhalten strukturieren könne..

Antje erzählt, dass Zorah bei der letzten Konversation sehr von der elektronischen Entwicklung geschwärmt habe. Dass sie logisch sei und sich immer weiterentwickeln würde und dass wir alle irgendwann selber im Netz seien. Dazu scanne man sich ein und sei dann dreidimensional sowohl vis-à-vis als auch im Netz vorhanden. Wir seien dann nicht mehr zu unterscheiden. Einwurd von Heiko: Auch nicht mehr sterblich? Wir vergleichen die heutige mit früheren Euphorien. Dass man das vielleicht als Anfangskick brauche
Nach einer Weile landet das Gespräch bei ´neue Arten des Marketings´, Differenzierung zwischen Urheberrecht und Verwertungsrecht. Grade suchen wir unter: ´one, two three people´ begeistert nach Profilen

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und jeder erfährt über sich, was über ihn in den Netzen zu finden ist.

Antje unterbricht das Abdriften ins Netz mit den Worten, wir seien hier doch eigentlich eine konversationelle Runde und schlägt vor, einen Schnitt zu machen und zu gucken, was wir heute schon alles auf den Tisch gepackt haben. Jeder könne doch, was für ihn bei dem Besprochenen wichtig oder interessant war, in einem Satz oder mehreren auf Karten schreiben und wir kleben das an die Wand und tauschen uns drüber aus.

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Das machen wir, kleben die Zettel an die Wand

und stellen uns davor auf. Insgesamt hängen 6 Zettel aus. Der Reihe nach lesen wir die Karten vor und kommen überein, uns jeweils danach gleich darüber auszutauschen.
Antje wird ausgeguckt, den Anfang zu machen. Auf ihrem Zettel steht: Leben und Arbeiten verbindet sich in Social Software auf neue Weise. Sie erläutert dazu, dass Heiko sagte, dass man im Netz eigentlich keine Trennung mache zwischen Leben und Arbeiten, und sie kannte das aus den 60ern, wo das die Forderung war, die begeisterte. Sie habe das eigentlich auch ihr Leben lang gemacht und bräuchte gar kein Netz dafür. Wenn das jetzt auch andere im Netz machen, sei das ja toll. Matthias meint, solange es dabei bleibe. dass er darüber selbstgesteuert seine Kontakte anfunken könne, um sich Informationen einzuholen, fände er es o.k. Er habe allerdings auch ein paar freie Mitarbeiter von seiner Kunstzeitung in seinem Profil, und wenn die dann beginnen, ihn um 23:50 Uhr mit einer Eilmeldung zu berücken, dann würde er sie geflissentlich ignorieren. Es werden noch andere Beispiele aufgeführt. Man kommt überein: keine Totalarbeit! Antje meint, dass man sich doch schon immer eingeteilt habe, was man mit wem mache. Wenn sie sich Leben und Arbeiten ansieht, da sei sie doch auch nicht in alles reingeraten. Heute sei vielleicht das Auffinden von Telefonnummern, Emailadresse usw. relativ einfacher, obwohl man manchmal eben auch nicht gefunden würde.

Heiko ist als Nächster dran: Soziale Netzwerke als Katalysatoren von ästhetischen, politischen, sozialen Prozessen - oder als ER-SATZ? Oberflächlichkeit, Aufmerksamkeitsdefizite vs. intensives vernetztes Arbeiten. neuer Stil, neue ´MASH-UPS, neue Verbindungen? Seine eigentliche Frage sei: ist es nur alter Wein in neuen Schläuchen? Die alte Sache von 68 ist es garantiert nicht. Vielleicht ist es sogar nur der Beschiss davon, dass wir es damals nicht geschafft haben, es zu installieren und jetzt machen wir es über die sozialen Netzwerke. Aber wir machen es gar nicht. Die Gesellschaft ändert sich nicht. Es ist immer noch Kapitalismus, aber wir haben das Gefühl, wir machen alle creative Commens. Ein Journalist habe ein Buch veröffentlicht: 1/2 Jahr offline. Mein Buchhändler sagte, Heiko, guck dir das an. Ich meinte: interessiert mich nicht. Aber dann begriff ich, dass der weiter Journalist war, ohne online zu sein. Das ist jetzt schon was Besonderes.

Der nächste ist Kurd: Was möchten wir haben, von der digitalen Technik haben? (Stichwort “Scheibenwischer“). Kurd erinnert nochmal an sein Scheibenwischer-Beispiel, wo er gesagt habe: brauch ich doch nicht. Er war fest davon überzeugt. Beim Winker war es ähnlich. Heiko meint: eigentlich war es ja die Hand, die rausgehalten wurde. Antje findet die Rückschau interessant, weil man dann ja sieht, dass es ohne überhaupt nicht mehr geht. Wenn man aber mitten drinsteckt in der Entwicklung, sieht es nochmal anders aus. Kurd scheint es grade so, als könne man das nicht entscheiden. Aber das könne auch nicht sein, dass man nicht entscheiden kann, was man haben möchte. Jochen erinnert daran, dass Kurd gesagt habe, die Bedingungen waren noch nicht so: es war noch nicht so viel Verkehr, es waren noch nicht soviele LKW, die Scheiben waren noch nicht so verschmutzt, aber es deutete sich an. Man merkte, das kommt, die Scheibenverschmutzung nimmt ihren Lauf. Also wurde das entwickelt und man hat es auch angenommen. Sonst wäre es nicht angenommen worden. Kurd meint, dann sei ja alles in Ordnung!

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Dann hätten wir gar kein Problem mit der Frage, was wir haben wollen.
Jochen ergänzt, mit dem Computer sei es auch so. Der habe sich erstmal gegen Widerstände entwickelt. Wenn man sich die Schreibprogramme der 80er Jahre angucke, da kriege man das Grausen. Da waren immer Befehlszeichen dazwischen, damit z.B. fett und groß geschrieben werden konnte und dann hat sich das fortentwickelt, so dass man sich das heute nicht mehr anders vorstellen kann. So was Ähnliches passiere jetzt auch. Es kriege grade eine neue Qualität. Kurd fragt nach: Du sagst, sonst wäre es ja auch nicht angenommen worden. Meint das, wenn es nicht schon einen Nutzen oder eine Notwendigkeit gäbe, würde es auch nicht wachsen können? Marlies meint, dass es beim Scheibenwischer erst freiwillig war und dann habe es irgendwann den Punkt gegeben, wo es Vorschrift wurde. Kurd meint ironisch: und jetzt ist es Vorschrift, dass du einen Computer haben musst! Heiko meint, dass es an der Hamburger Uni nicht mehr freiwillig sei. Du kannst dich nicht einschreiben, wenn du keinen Computer hast. Jochen sagt, dass es an der Uni Computer gäbe, bei denen man sich einschreiben könne, aber man kann nicht studieren ohne Computer. Bei Hartz4 seien heute schon Kommunikationskosten mit drin: 27,- €. Kurd meint, dann gibt es die Frage ja wirklich nicht: was möchte ich haben. Jochen fügt hinzu: da gäbe es nur einen engen Spielraum zum bestimmten historischen Zeitpunkt. Antje fragt bei Kurd nach: Wann gibt es die Frage nicht? Kurd antwortet: wenn man grob sagt: es muss angenommen werden. Dann brauche ich doch gar nicht zu überlegen. Dann warte ich ab, ob es angenommen wird oder nicht. Jochen meint dazu aber, er sei doch jemand, der mitentscheidet, ob es angenommen wird oder nicht. Marlies findet, dass man es bei manchen Sachen nicht einschätzen könne. Das zeige wirklich erst die Zeit. Aber was machst du nun? fragt Kurd. Er habe gelesen, dass jemand sagt: extrem reinhauen, alles, was überhaupt möglich ist in der digitalen Technik, einsetzen und mal sehen, was passiert.

Marlies verunsichert das. Sie liest ihren Text vor, der das auch deutlich macht: Das Netz fördert eine gewisse Oberflächlichkeit, andererseits gibt es viele Informationen und Möglichkeiten. Ich bin ein bisschen hin- und hergerissen. Sie erläutert, weil sie nicht genau wisse, was es mit ihr mache. Wohin geht der Weg? Jochen ergänzt: nicht nur, wohin geht der Weg, sondern wohin führt mich der Weg. Ja, meint Marlies: kann ich das akzeptieren oder will ich das gar nicht. Führt das zu einer totalen Vernetzung, die nichts, was mir wichtig ist, zulässt. Antje bringt noch ein, dass der Mensch, oder wir Menschen uns ja laufend verändern, wir werden andere. Wenn man jetzt mal von den Höhlenmenschen oder Ureinwohnern ausgehen würde, Neandertaler oder was auch immer, dann sei es so, dass uns diese heutige Technik ja auch wieder zu anderen Menschen machen wird. Irgendwelche Seiten in uns versanden und neue entwickeln sich. Anscheinend sei das der Lauf der Dinge.

Matthias sagt, dass das z.B. das sei, worauf er abhebe mit seinem Satz: Trotz allem Positiven, das einen gern auch einlullt: Software formiert den User, selbst wenn man in ihr nicht nur Werkzeug sieht. Es bleibt unheimlich - manche “Erlebnisse" sind wie Begegnungen mit Geistern. Also die zwei Aspekte möchte er hervorheben: auf der einen Seite dieses teilweise Geisterhafte auf der Oberfläche, weil es eben nicht im Vis-à-vis stattfindet. Weil es nur Pixel sind, oder nur vermeindlich wie gedruckt erscheinende Buchstaben. Und auf der anderen Seite, dass Programme prägen – das sei ein uraltes Ding. Matthew Fuller hat mal geschrieben, dass man sehen könne, ob mit Microsoft Word geschrieben wurde - Heiko fügt noch ein, dass es einen Tontechniker gäbe, der höre, in welchem Tonstudio aufgenommen wurde. Aber das seien jetzt Spezialistengeschichten. - Werkzeug prägt Mensch, hat Matthias auch irgendwo gelesen, psychsich und physich, wie es eben bei Software so ist. Es wird überlegt, wer in die Richtung geschrieben habe. Viele Namen fallen, von MacLuhan über Vannevar Bush, Kittler bis Benjamin. Jochen meint, auf Kurd bezogen, das Beispiel, was unter anderem eben beschrieben wurde: ein Stift mit einem Backstein dran zum Schreiben, wäre auf Dauer nicht angenommen worden. Ob es Werkzeug bleibt, oder ob es als Werkzeug genutzt wird sei fraglich. Alle sprechen durcheinander, das Thema scheint emotional zu beflügeln.

Somit sind wir beim letzten Punkt angelangt, bei dem, was Jochen geschrieben hat: Ich habe einen Einblick in die grundsätzliche Funktionsweise von Facebook, Twitter und ähnlichen Social Web Angeboten bekommen. Einmal die technische Seite, dann die inhaltlich - thematische Seite und schließlich die Problematik öffentlich - privat. Unklar ist der Nutzen geblieben. Er überlegt: was kann ein Nutzen sein? Wahrscheinlich kriegt man das nur raus, indem man es ausprobiert. Matthias sagt: aber selbst dann bleibt es diffus. Also sein Leben wäre nicht schlechter ohne. Nur den einen email-Austausch, von dem er vorhin gesprochen habe, den möchte er wirklich überhaupt nicht missen. Aber mit Sicherheit hätte man das auch anders hinbekommen. Jochen meint. er habe Sachen im Hinterkopf, bezogen auf die neue Technik, von denen er denke, das könnte hilfreich sein für das, was er mache. Und das müsse man einfach ausprobieren. Früher war es ja so mit email. Email sei ein fantastisches Medium und das hier scheine ihm etwas, was über die Möglichkeiten von email hinausgehe. Aber letzlich sei das sozusagen eine Fortführung dessen. Mit email könne man auch mit Freunden schnell und unkompliziert kommunizieren. Er zälht einige Differenzierungen auf und meint, das könne irgendwie eine Fortführung des email-Austausches sein, aber das wisse er noch nicht. Er fragt, ob man, wenn man Freunde habe, die auch wieder loswerden könne. Schmerzlos, sagt Heiko. Die werden nicht benachrichtigt, die merken es nur irgendwann, dass sie deine Sachen nicht mehr auf ihrem Ding haben.

Damit machen wir Schluss für heute.

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