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Mitschnitt vom 29.10.10

Autor: Mitschnitt und Fotos Antje Eske

29.10.2010 Konversation 3 im ZKM: Spielen/Spielverderben. Konversieren, Deliberieren.

Beteiligte: Kurd Alsleben, Sven Braun, Jochen Engel, Marlies Engel-Eske, Antje Eske, Heiko Idensen, Matthias Weiß, Claudia Wyrwoll, 1 Besucherin

Brauche ich Publikum? Nein. Ein Künstler ohne Publikum, darauf kommt es an, z.B. in der Konversation", ist der Einstieg, den Kurd vorgibt. Also wo es den Unterschied gar nicht mehr gibt, fragt Heiko. Kurd: "Ja, genau!" Kurd weist auf die Tafel in der Ausstellung hin, die dem gilt. Und er erklärt, dass das O vor der Klammer sich auf die Deontik, eine Logik des Sollens, bezieht: soll - oder erlaubt - oder verboten. Claudia erklärt, dass es eine Bibelstelle gibt,wo es um die Geschichte von Kain und Abel geht, und um Gott, der ihnen sagt, dass man gut sein soll. Und im Englischen heißt es: "Thouhgt maest. und dieses maest ist übersetzt worden mit Du sollst. Es gibt aber auch eine andere Übersetzung, die sagt: du kannst gut sein. Du hast die Wahl. Claudia fragt außerdem nach dem Original der ´Carte de Tendre´ und Antje erklärt, dass das Original genauso aussieht, nur dass die Begriffe französische sind. Sie habe dieselben Wörter ins Deutsche übersetzt. Die Besucherin ist schon zum zweiten Mal da, hatte beim ersten Mal das Carte de Tendre Spiel mitgespielt und damals eine neue Spielregel eingebracht, die sie jetzt erweitern möchte: man darf nur die Seiten von einem Dorf der Zärtlichkeit zum anderen wechseln, wenn man die Brücken benutzt. Es gäbe nämlich keine Schiffe. Claudia, die heute von Hamburg aus unangemeldet angereist ist, fragt ausdrücklich, ob sie mitmachen dürfe. Ja, Du bist kein Publikum, Du bist dabei, ist die Antwort.

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Jochen hat Spielkarten mitgebracht.
Jetzt wird offiziell angefangen. Es geht heute auch um Spielen, Spielverderben, Konversieren, Deliberieren, und wir fangen gleich mit dem Spielen an. Jochen hat Spielkarten mitgebracht und sagt eine Kleinigkeit dazu: Jochen kommt eher aus der Mathematik als aus der Kunst. Bei einem von unseren häufigeren Zusammentreffen fragten Antje und Kurd ob man zum Thema Konversieren auch von der mathematischen Seite her was machen könne. Und da Jochen auch gerne spielt, hat er sich gedacht: machen wir mal ein Spiel draus. Und das Spiel soll Konversation simulieren. In der Naturwissenschaft macht man es so, dass man, wenn man Licht untersuchen möchte, es dunkel machen muss. Wenn man Schall untersuchen möchte, muss man gucken, dass ganz wenig Schall da ist.Und wenn man ein Gespräch simulieren will, muss man halt gucken, dass keiner spricht. Also das ist ein Spiel ohne zu sprechen. Die Karten selbst werden dem einen oder dem anderen vielleicht bekannt vorkommen. Das sind die früheren Merkmalskarten aus der Mengenlehre der 70er Jahre.Das gib´s auch als Baukasten. Das hier hat den Sinn, es sollen Merkmale drauf sein, aber die sollen merkmalsarm sein, damit das Spiel verfolgbarer wird.

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Merkmale aus der Mengenlehre
Jetzt sind wir ja für das Spiel ganz viele. Wir sind acht. In einer ganz einfachen Form geht das Spiel so, dass die Symbole irgendwie in der Reihe ´rumgelegt werden. Jochen legt jetzt die Spielkarten um den großen runden Tisch außen rum aus. Wir stellen uns auch alle um den Tisch auf. Die Symbole auf den Karten sind eckig und rund, groß und klein und verschieden farbig. Jochen erklärt weiter: wenn man sich vorstellt,wir wären eine Talkrunde, dann sind hier jetzt 8 Menschen, die in einer Runde sitzen und jeder hat so seine bestimmte Art und Weise, auf was er hinauswill. Die Art und Weise auf die man hinauswill wäre in diesem Fall, dass man sich überlegt:welche Reihenfolge sollen die Karten haben, wie sollen die denn zum Schluss angeordnet sein. Also will ich jetzt einen besonderen Blick auf die eckigen oder die farbigen legen? Wie auch immer, ich stelle mir vor, wie die angeordnet sein sollen. Und da hat sicherlich jeder möglicher Weise ´ne andere Vorstellung. Und jetzt geht es so reihum, dass man 2 Karten austauschen kann. 2 Karten austauschen bedeutet, dass man die Plätze tauschen kann, und zwar so, dass man seiner Vorstellung näher kommt. Was man selbst als Endbild haben will. Und so verändert sich das. Der nächste will jetzt vielleicht in eine andere Richtung gehen. Dann überlege ich, gehe ich da mit oder gehe ich da nicht mit. Die Vorstellung, wie es nachher liegen soll, die ändert sich bei jedem laufend. Das Ganze geht reihum. Jochen lag daran, die Regeln möglichst offen zu gestalten, so dass sich die Regeln beim Spielen auch ändern lassen. Es wird abwechselnd gezogen. Man muss nicht ziehen, man kann ziehen. Man kann auch weitergeben und das Spiel ist zuende, wenn alle mit der Form zufrieden sind oder sagen, dass sie keine Lust mehr haben oder so. Und das Ganze geht stumm vor sich. Zwinkern darf man doch, wird gefragt. Ja, das darf man. Zuerst hatte Jochen auch schon in diesem Zusammenhang gedacht, dass man sich zuzwinkert. Sonst hat er es immer mit Wenigeren gespielt. Jetzt müssen wir mal gucken, wie wir das machen.

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Wir spielen jetzt.
Leise tauschen wir im Kreis der Reihe nach die Karten.Jochen erläutert zwischendurch, dass jeder nicht unbedingt die Karte tauschen muss, die vor ihm liegt, sondern jede beliebige austauschen kann. Zwischendurch ergeben sich oft Konstellationen, die schon ein Ergebnis sein könnten, z.B. liegen alle runden, und alle eckigen Karten nebeneinander oder alle gleichfarbigen oder sie sind abwechseln groß, klein gemischt. Dann fangen wir an, die Regeln zu brechen, indem wir runde oder eckige Gegenstände aus dem Raum dazwischen legen oder nach einiger Zeit diese Gegenstände aufeinanderschichten. Wir halten auch unsere Hände mit runder Fingerhaltung dazwischen. Das Spiel regt unsere Kreativität in höchstem Grad an und bei jedem gelungenen Spielregelbruch gibt es lachende Zustimmung.

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Wir regen uns gegenseitig durch unsere Einfälle an.
Irgendwann ist von selber Schluss. Antje fragt: ja und was sagt uns das? Viele Lacher. Jochen meint: das willste auch noch wissen. Ne Tendenz zum Chaos besteht, aber es gibt zwischendurch immer wieder Ordnung. Wir bemerken auch, dass die gererelle Kreisform nicht durchbrochen wurde. Die einzge feststehende Regel. Möglich, dass es an der kreisförmigen Tischform liegt, Jochen hat noch eine unausgesprochene Regel bemerkt: ich möcht jetzt einfach nicht aufhören. Es gab anfangs schon zwei Punkte, wo es hätte zuende sein können, aber wir haben ausdrücklich weitergespielt und dann sind neue Regeln dazugekommen. Man kann sich in solchen Momenten überlegen, ob man Spielverderber sein mag oder nicht, wann man aufhören mag oder nicht oder ob man sich ganz neue Regeln ausdenkt. Trotzdem heißt Spielverderber ja, man stößt einen neuen Zug an, stellt Heiko fest. Jochen meint, dass man dabei auch sehen können, dass man auf keinen Fall komplizierte Stukturen erreicht. Man schaffe nur ganz einfache Strukturen. Auch weil wir so viele sind. Bis man einmal rum ist, hat sich das so verändert, dass man sich auch nicht mehr in den anderen hineinversetzen kann. Wenn man das jett nur zu zweit oder zu dritt spielt, dann kriegt man raus, was der andere will. Heiko findet, dass man das auch hier rauskriegte. Antje fand eindrucksvoll, wie schnell diese zwei Konzeptionen anfangs von der Runde ausgelegt wurden. Das habe sie beeindruckt, wie blitzatig das ging. Aber dann kam der Punkt, wo es wieder kippte. Das Kippen war ja zu anfang da, um die Regel zu brechen, brachte aber wieder eine neue Struktur.

Antje erklärt, dass der Spielverderber genau diese Rolle habe. Urs Reichlin hat darüber im Netzkunstwörterbuch geschrieben, dass der Spielverderber eine ausgesprochen positive Rolle im Spiel hat, weil er immer neue Impulse setzt. Sonst ist so´n Spiel ja gleich zuende. Es gibt natürlich auch Spielverderber, die alles in Grund und Boden hauen. Aber normalerweise bringt der Spielverderber ne andere Sichtweise und neue Impulse rein. Kurd fragt ob jetzt das Spiel die Konversation ist. Wir finden ja. Es sei ja auch ohne Worte eine Konversation. Jochen betont, dass man es an den Reaktionen bemerkt habe. Das Spiel sei ja nicht reaktionslos gewesen. Man habe ja nicht nur die Karten ausgetauscht. Die Besucherin weist darauf hin, dass wir zwar nicht haben sprechen dürfen, aber lachen. Man habe sich ja auch dabei angeguckt, findet Antje. Jochen meint, und dumm, wenn alle lachen und man weiß nicht warum. Marlies findet, dass es im Grunde intensiver sei, als wenn man redet. Das bestätigen alle. Jochen meint, dass es on einer kleineren Runde komunikativer sei. Wir glauben das nicht und er nimmt es auch sofort zurück und meint, dass das Zusammenspiel zwischen zwei oder drei Spielern intensiver sein. Die Kommunikation würde deutlicher und man bekäme mehr raus was der andere will und besser die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Ich krieg es vielleicht auch so raus ber da sind immer wieder Unberechenbarkeiten. Heiko meint: wenn´s immer gestimmt hätte, wär´s ja auch langweilig. Auch als Claudia anfing konkrete Sachen zwischen die Karten zu stellen war Heiko erst total sauer und kurz darauf war das Gefühl, dass er es toll fand. Neue Möglichkeiten. Matthias meint, wenn man sich zum Beispiel mal diese unleidliche Debatte zum Thema Migration, angestoßen durch den Ministerpräsidenten des grausamen Bundeslandes in dem ich zur Zeit wohne, ansieht - nichts gegen Bayer, er lebt dort eigentlich ganz gern - ist die Haltung eigentlich ganz spannend. Wenn wir nämlich nicht akzeptieren, dass wir unserer eigenen Identität gewisser werden können durch die Differenz zum Anderen. Und wenn wir jetzt sagen, es gibt ein bestimmtes Regelwerk und das befolgen wir jetzt alle sklavisch - und jetzt komme ich zum Spielverderber - und wir in diesem Spiel jetzt beispielsweise diese Differenz erfahren. die wir beispielsweise durch das Durchbrechen der Regel erleben, und auch lustvoll erleben, wieviel mehr könnte man, in Übertragung auf unsere gesellschaftliche Situation wohl empfinden mit dem Anderen, wenn man sich in so ein spielerisches Verhältnis zum Mitmenschen begäbe. Marlies findet, dass dafür ein gutes Beispiel die Küche ist. Wie habe sich die Küche verändert. Wenn du früher essen gegangen bist, gab es deutsche Küche. Unheimlich langweilig. Und inzwischen haben wir so eine Vielfalt. Das ist eine Bereicherung durch die unterschiedlichen Kulturen, die hier Eingang gefunden haben. Das ist doch toll. Matthias macht noch einmal deutlich, dass wir positiv bei diesem Regelbrechen aufeinander zu gehen, was wir in der Gesellschaft nicht machen. Deswegen findet es es fürchterlich, was da im Augenblick über die Migranten in der Öffentlichkeit geredet wird. Absolute Symbolpolitik.

Jochen führt auf das Spiel zurück und spricht über eine variante mit Karten austeilen. Die Besucherin weist darauf hin, dass die Karten am anfang so lagen, dass manche von uns nur eine Karte hatten und manche zwei. Dabei wir klar, dass einige vielleict überhaupt keine Karte bekommen würden. Es sind 12 Karten und wir sind 8 Mitspieler. Beim Austeilen der Karten hätten 4 von uns schon mal 2 Karten. Antje fragt Jochen, wie die Regel mit Karten hochhalten war. Er meint, wir könnten ja vier Karten aussortieren, so dass jeder eine Karte hat. Und dann tauscht man die Plätze. Man könnte aber auch 2 Spieler bitten, die Plätze zu tauschen. Das wollen wir jetzt spielen. Wir nehmen 4 Karten zufällig raus, abr es ergibt sich wieder ein Muster.

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Wir stellen uns im Kreis an einer freien Stelle des Raumes auf.
Wieder verläuft das Spiel stumm. Wir spielen eine Weile und tauschen uns hinterher darüber aus. Heiko meint: das erste Spiel war mehr auf´s Material bezogen, mehr konzeptueller und dies ist mehr so Volkstanz artig. Claudia analysiert: man merkt an diesem Spiel recht deutlich den Unterschied zwischen gemeinsam nach einer Sache forschen und gemeinsam nach einer Lösung suchen oder nach einer Wahrheit oder für sich selbst argumentieren. Ob jeder seine eigenen Vorstellungen hat, ein Muster zu legen und das verfolgt - und das mag vielleicht auch einfacher sein, wenn man zu Wenigeren ist - oder obman versucht, gemeinsam ein Muster zu legen und dabei auch aufeinander zu hören. Und das kriegt man zu Vielen nur hin, wenn man schaut, was die Anderen machen und wo das Muster ist. Wenn das alle machen, kommt man ziemlich schnell zu ´ner Gemeinschaft. Jochen meint dazu: aber auch wenn man es mit Wenigeren macht, man kriegt es nie hin, sein eigenes Muster durchzusetzen. Nur durch reinen Zufall. Wir meinen, dass das ja auch nicht sein muss. Es kommt dabei ein gemeinsames Muster raus. Claudia sagt, dass wir das am anfang superschnell hatten. Wir hätten nach Formen ordnen können, aber wir haben nach Farben geordnet. Das habe man in wirklichen Gesprächen auch oft, diesen qualitativen Unterschied. Argumentiert jetzt jemand wie in einer Talkshow, jeder seinen Standpunkt, oder hat man eine Gesprächsrunde, wo man beim Wein zusammensitzt, wo man ein Problem erörtert und versucht, gemeinsam weiterzukommen. Marleis meint, dass das ein guter Vergleich sei. Antje verstärkt, dass wir ja anknüpfend am Anderen ein Gesamtbild erstellt haben. Ja, sagt Claudia, dass es nicht so was ist wie: was ich auch noch mal sagen wollte, ... oder was ich immer schon sagen wollte. Kurd fragt, wenn man dem Letzten jetzt folgt, welche Variationen sind jetzt auszuordnen? Aus allen Möglichkeiten, die wir bis jetzt wissen. z.B. dieses Spiel mit den und den Regeln, das bevorzugen wir. Claudia: ja, wir bevorzugen auf jeden Fall nach Farben zu ordnen. Kurd fühlt sich falsch verstanden. Er meint, den Unterschied, den Claudia eben deutlich gemacht hat und bittet sie, nochmal die zwei Grundunterschiede zu sagen. Und dass wir dann versuchen sollten, die Spielregeln unterzuordnen. Das scheint Antje ein Missverständnis zu sein, weil wir keine Regeln haben, sondern ein Sozialverhalten. Und das seinen Gegensätze: entweder haue ich mich durch oder die Gemeinschaft entwickelt sich dabei. Kurd überlegt, welche Spielregeln für das eine typisch und förderlich seien und welche für das andere. Jochen meint, dass wir zwei verschiedene Varianten durchgespielt hätten: zum einen, dass wir die Karten legen, jeder abwechselnd und die andere Variante war, dass wir stehen und die Plätze tauschen und die Karten personenbezogen sind. Marlies findet, dass wir letztlich bei beiden hatten, zum gemeinsamen Spiel zu kommen. Ja, meint Claudia, das Grundprinzip war ja auch gleich: jeder hat die Macht, etwas an der Struktur zu verändern und entweder man nutzt diese Macht um eine gemeinsame Struktur zu erschaffen oder man versucht, seine eigene durchzusetzen. Matthias veglicht es so: die Relation Talkshow zu Weinabend ist die Relation ´Mensch ärgere dich nicht´ zu diesem Spiel. Die klassischen Spiele haben ja nur ein Ziel: einer bleibt übrig. Einer gewinnt. Und der Spaß bei ´Mensch ärgere dich nicht´-Spiel liegt ja auch darin, möglichst lustvoll, mit Rückwärts schlagen kreuz und quer eigentlich Übel zu tun. Das verdorbene Spiel ist letztlich in der Regel angelegt, wenn man so will: das Spiel selbst ist der Spielverderber. Und das Verhalten kennen wir ja auch aus Talkshows. Oder aus dem Symposion in Hamburg, als Matze Schmidt und ich mal, weißte ... Die Beteiligten von damals stöhnen auf: ja, ohhh, hör auf!

Die Besucherin fragt sich, ob es auch was mit dem Raum zu tun hat. Wir haben jetzt hier einen runden Tisch und wir standen hier im Kreis - ob uns das andere Spielregeln aufgibt? Mir ist eingefallen, dass ich heute vormittag kurz in ´Stuttgart 21´ reingeguckt habe. Wenn man die einzelnen Positionen ein bisschen zerkackt, ist das schlimm. Das sind Spielregeln. Sie sitzen militärisch. Der Schlichter sitzt vorne und die Parteien sitzen so, dass die zuerst schießen, und dann kommt die zweite Reihe und die dritte Reihe. Die hat man so gegenüber angeordnet. Ich hab gedacht, das ist wie Schießen, wie früher die Aufmärsche bei Truppen. Und deshalb kommt es nicht zu ner andeen Situation ... Sie beschreibt noch eine Karikatur in der Zeitung: mir bauet - noi. mir bauet - noi. Schuuss und Gegenschuss. Jochen könnte sich jetzt vorstellen, dass man für das Spieö eie eckige Tischreihe hat, so´n Biertisch. Die einen sitzen da und die anderen sitzen da. Die Krten sind genauso aufgeteilt und er könnte sich vorstellen, dass das ne ganz andere Speilform gibt. Alle pflichten bei und führen noch andere Beispiele an. Jochen findet spannend, dass wir vermuten, dass das Einfluss hat, obwohl die Spielregeln die gleichen bleiben. Antje macht darauf aufmerksam, dass Form und Inhalt eine Einheit sind. Claudia meint, dass der kreisrunde Tisch die einzige Form sei, wo keiner eine besondere Position einnimmt. Heiko fällt ein: es gibt keinen Vorsitz. Beispiele mit Familienoberhaupt am kurzen Ende des Tisches werden aufgeführt oder Festen auf dem Dorf, wo es eine genaue Sitzordnung gibt. Claudia macht nochmal deutlich, dass man für die Kommunikation in jeder Sitzordnung in einer anderen Position sitzt. Wenn man z.b. am Kopfende eines Tische sitzt, dann kann man alle ansprechen, alle können einen sehen, wenn ich irgendwo an einer langen Seite sitze, muss ich mich umdrehen, um zu reden. Und dann muss ich mich immer entscheiden, rede ich jetzt mit meinem linken oder meinem rechten Nachbarn. Und das hat man nur bei nem runden Tisch eben nicht. Das Interessante dabei sei auch noch, dass man das Konzept mit dem runden Tisch nur bis zu einer bestimmten Durchmesser weitertreiben kann, und damit auch nur eine bestimmte Anzahl von Gesprächspartnern an einen runden Tisch bringen kann. Manche von uns meinen darauf, dass man die Erweiterung heute technisch lösen können, z.b. dass man sich bei einer bestimmten Größe nicht mehr hört. Antje meint, dass es nicht so viel nützt, wenn man das technisch löst, wenn man sich nicht sieht, fehlt der Blickkontakt. Weil wir die Erfahrung gemacht haben, wenn die Anzahl der Konversanten eine offiziöse Runde (ab 10 Beteiligten) übersteigt, fehlt der direkte Austausch, der Blickkontakt. Es wird unübersichtlich und du hast nichts mehr voneinander. Claudia führt das Beispiel Betriebsversammlung bei VW auf: man bekommt wirklich alle in eine Halle und dann steht einer vorne und redet.Es gibt die Möglichkeit, dass sich einer meldet und was sagt. Man würde diese Leute nicht alle an einen runden Tisch kriegen. Einen gib es, der ist Chef und steht vorne und alle anderen sind gleich. Als Beispiel, dass durch die Struktur, wie man sitzt, der Kommunikation schon eine bestimmte Rolle zugeordnet wird.

Das Gespräch geht noch eine Weile weiter .... Kurd meint dazu, dass es ja nicht unsere Aufgabe sei, zu sagen wie es sein muss. Das können wir schon praktisch nicht. Wir können nur versuchen ganz kleine Schritte zu machen, damit wir an so einem Tisch wie hier uns austauschen können. Gert Lovink sagt z:B. in seinem Buch: wir können nichts anderes machen, als offen zusammenzuarbeiten. Also in offenen Strukturen zusammenzuarbeiten. Das ist das Einzige, was wir probieren können. Ja, sagt Joche, genau diese Sitzordnung - der runde Tisch - der ermöglicht das offene Umgehen miteinander. Setzt aber auch voraus umgekehrt, dass da eine Mindestform an Gleichheit auch da ist (z.B. bezüglich der Sprache, bezüglich des Vorwissens). Wenn diese Voraussetzung nicht da ist, dann hilft auch der runde Tisch nicht, so habe ich das grade versatanden. Kurd erläutert, dass es von Cusanus, dem großen Philosophen, ein Buch gibt: der Idiota und der orator, also der Laie und der Redner. Können wir denn einfach sagen, das ist zu schwierig, das wischen wir vom Tisch? Denn der Laie hat ja die Sprache nicht. Der Redner hat die Sprache, hat Lateinisch gelernt. Cusanus meint aber in dem Text, dass der idiota überlegen ist. Da der orator sich an einen strengen Commonsense halten muss und der idiota ja nicht. Die Besucherin wirft ein: vielleicht erst recht. Und das mit der offenen Gesellschaft sei sehr schnell daher gesagt, da müsse man erstmal Beispiele für finden. Kurd verbessert sie: nicht offene Gesellschaft, sondern lernen, offen zusammenzuarbeiten. Das Gespräch entspannt sich eine Weile darüber, welche Möglichkeiten, auch schulisch, es geben könnte um eine Bewusstseinsänderung in der Gesellschaft herbeizuführen. Und das heutzutage immer in den Bereichen Bildung und Kultur gespart wird.

Antje schlägt vor, das Thema wieder auf das Spielen zurückzuführen und bringt die Gruppe zur Schautafel ´Spielen´. Sie macht daran deutlich, dass der spielerische Austausch nicht neu ist, sondern dass es ihn in der Geschichte schon gegeben hat. Zu oberst sind die Konversationsspiele der Salonkultur von Renaissance bis Rokoko angedeutet, die sie in 15 Jahren im Seminar ´Spinnen am Computer´ zusammengetragen und für Computer und Netz adaptiert hat, um sie mit den Studierenden weiterzuspielen. Auch die Dadaisten um Hugo Ball, der auf der Tafel abgebildet ist, wollten in ihrem ´Cabaret Voltaire´in der Spiegelgasse 1 in Zürich kein Publikum, sondern haben gesagt: kommt auf die Bühne. Spielt mit! Und von den Surrealisten, die sich zwar unheimlich gehickhackt haben, sind eine Reihe von sehr schönen Konversationsspielen überliefert. Ihr gefällt an den Konversationsspielen, dass man sofort aus dieser Alltagsebene ´raus ist und dass man nicht so quatscht, wie einem der Schnabel gewachsen ist, sondern dass man in andere Assoziationsebenen kommt. Kurd meint: es macht heiterer. Heisst Heiterkeit schon ´aus dem Alltag raus? Denn ohne Heiterkeit kannst du dich vielleicht auch nicht vom Commonsense lösen. Du steckst doch tief im Commonsense drin. Antje meint: ja, und du gehst heiter auf den anderen ja ganz anders zu. Kurd denkt, dass die Heiterkeit für die Konversation ein ganz wichtiger Punkt ist. Und so sieht er die Qualität des Spiels in der Konversation. Dass man mal ne Weile sehr traurig war, wie wir eben in unserem Gespräch über die negativen Veränderungen in der Gesellschaft und dann kamst Du, Antje mit dem Spielen. Toll!

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Il Libro Del Cortegiano

Antje fragt daraufhin: wollen wir mal ein historische Spiel spielen? Habt ihr Lust, noch ein Spiel zu spielen? Denn da hinten liegt ein Buch. Da gehen wir jetzt auch mal hin. Es ist von Baldassare Castiglione. Das habt ihr vielleicht alle schon gesehen, oder noch nicht? Kommt doch mal mit. Vor Vitrine spricht sie weiter. Also hier eine Kostbarkeit aus den 1600er Jahren. Elisabetta Gonzaga lebte schon nicht mehr, als Castiglione das Buch veröffentlicht hat. Dieses hier ist auch nicht eines aus der ersten Auflage, aber 20 Jahre später ist es wohl erschienen. Das Buch heisst: Il libro del Cortegiano - das Buch des Hofmanns. und wir haben hier ´ne Seite aufgeschlagen, wo Pallavicino ein Spiel vorschlägt - das würde ich jetzt für uns auch vorschlagen: jeder möge von seinem oder seiner Liebsten die Eigenschaft angeben, die er oder sie am liebsten mag, oder die, die man grade noch so tolerieren kann. (Alle lachen). Wir könnten das jetzt mal im Medienwechsel spielen. Ich habe hier etwas längliche Blätter, auf die jedeR eine Eigenschaft drauf schreibt, das Blatt dann weitergibt und der/die Nächste versucht die Eigenschaft zu visualisieren, also in ein Bild umzusetzen, knickt die geschriebene Eigenschaft weg, gibt weiter und der Nächste versucht, das Gezeichnete wieder in eine geschriebene Eigenschaft, also ein Wort, umzusetzen. So könnten wir eine kleine Runde machen, wenn ihr Lust habt. Das Spiel wird angenommen und alle begeben sich wieder an den runden Tisch. Eine Weile wird vergnügt geschrieben und gezeichnet. Das Spiel ist zuende, wenn die Blätter vollgezeichnet und vollgeschrieben sind. Danach stellt jedeR das Blatt der Runde vor, dass er oder sie beendet hat.

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Hier ein Beispiel, das Jochen vorstellt:

Bei ihm fängt es mit Langmut an, dann - auf der Zeichnung - fliegt irgendwas über´s Wasser oder über die Weite, daraus wird etwas wie leichtfertig heiter. Marlies, die die Eigenschaft visualisierte, hatte es als leichtfüßig gelesen. Deswegen schwebt hier der Fuß am Luftballon. Daraus wird ausgefallene Ideen haben. Darauf folgt das Bild mit der erleuchteten Glühbirne und endet mit blitzhelle oder blitzgescheit. Aus Langmut wird so blitzgescheit. Ja, meint Kurd, man muss ein bisschen mehr Zeit haben, um zu überlegen, dann kommt was Blitzgescheites ´raus. Jochen findet die Veränderungen von Bild zu Bild total spannen und erinnert an ´Und ewig nagt der Baggerzahn´ aus den 70er Jahren, einer Bildergeschichte, wo diese Art Veränderung auch der Fall war. Unsere anderen Beispiele verändern sich z.B. von Einfühlunsvermögen zu frohsinnig, von Herzlichkeit zu high, von mit dem Kopf in den Wolken zu traurig, von dominant zu Genießer, von schnell zu Blindheit und von Zärtlichkeit zu Meckerer. Im Anschluss entspannt sich ein Gespräch über den Geschmack der Zeit und was an Vorhaben Politiker durchbringen und Journalisten vermitteln können, welche Interessen wie und warum vermittelt werden. Oder wie z.b. Volksbegehren und demonstrative Aktivitäten verdreht werden, um den Commonsense zu prägen, z.b. ´Wutbürger´ für die Stuttgart21-Demonstrierenden.

Sven kommt dazu. Wir sind inzwischen beim Fabrizieren des Commonsense gelandet. Matthias macht ärgerlich, dass - bezogen auf Stuttgart21 - sich Politiker hinstellen und behaupten, dass der Protest einer breiten, gesellschaftstragenden Repräsentanz die Demokratie gefährden würde. Uneins sind wir dabei, ob der Commonsense mehr durch die Politiker oder die Medien beeinflusst und geprägt wird. Wir glauben, dass Medien unterschiedlich beeinflussen. Matthias mein, wenn er Zeitung mache, müssen natürlich erstmal die Repräsentanten der Öffentlichkeit befragt werden, aber natürlich auch die Gegenseite. Antje glaubt, wenn die Gegenseite als ´Wutbürger´ abqualifiziert wird, sei das doch keine Befragung mehr. Matthias dazu: Kann auch ein schlechter Journalist gewesen sein. Diese Wortkreationen verbieten sich laut seiner Berufsauffassung in einer Berichtauffassung. Das geht eine Weile hin und her. Kurd überlegt, dass es in der Kunst und der Ästhetik nicht möglich sei, eine eindeutige Aussage zu machen. Du machst immer Werbung zugleich fürs Gegenteil. Das sei fürchterlich. Heiko führt als positives Beispiel dafür den Aufruf an alle Arbeitslosen von Schlingensief an, in einen Teich zu springen und damit gleichzeitig die Villa von Kohl zu überfluten. Das sei eine symbolische Aktion, würde aber gleichzeitig eintreten, wenn alle es machen würden. Oder auch z.B. Free International University auf ´ner Dokumenta zu machen oder hier Konversation, ginge auch auf ´ne Art in die Richtung. Kurd will das daraufhin nochmal überlegen. Matthias bringt ein, dass er froh sei, bei dieser Doppeldeutigkeit als Kunsthistoriker nicht das letzte Wort haben zu können. Wozu Antje einwirft: wer kann denn das letzte Wort haben? Matthias dazu: Bei Bildern sieht man immer wieder Neues. Bilder seinen anders als wenn man z.b. ein Spiel gewinnt oder ein Rätsel löst. Danach sei immer Schluss. Marlies meint, dass auch jede Zeit es immer wieder anders sieht und von daher sei es nie zuende. Jetzt wird ein Begriff für die 20 Min gesucht, die es dauert, wenn Ebbe und Flut wechseln: Stauwasser. Wir waren von ´Kairos´ ausgegangen, was aber meint, dass der rechte Ort und die rechte Zeit zusammentreffen müssen. Matthias führt beide Begriffe in dem Laokoonbild zusammen, was von Lessing beschrieben wurde. Dabei sei es dem Bildhauer geglückt, einen Zeitmoment innerhalb der Geschichte so zu verdichten.

Wir machen Pause. Danach schlägt Antje ein neues Spiel vor. Jeder möge 3 Wörter schreiben und den Zettel weitergeben. der Nächste knüpft mit drei neuen Wörtern an usw., bis der Zettel vollgeschrieben ist. Die Gruppe wünscht als thematische Anregung: Spielen, Spielverderben.

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Wir spielen eine Weile ´Drei Wörter schreiben´.


Nachfolgend die Mitschnitte, die wir uns der Reihe nach vorlesen:
• Toll, keine Regel in dieser Debatte. Oder sehen wir sie nicht? Der Spielverderber sieht es auch nicht, aber er entbindet sich von dieser Pflicht. Er findet immer neue Wege, Regeln auszuhebeln. Er ist ein großer, kreativer Erfinder.
• Niemand darf wissen, wie das Spiel ausgeht und das ist dem Spielverderber schon längst klar. Daher heckte er eine neue Variante andauernden Regelbruchs aus. Zu bewerkstelligen ist alles nicht mehr. Deshalb sucht der Regelbrecher sich immer selbst im Anderen.
• Wie erkenne ich den Fehler im Spiel des anderen? Wie erreiche ich wieder den Anfang? Such ihn wieder, dann geht das schneller als gedacht. Und vor allem glaube an den Gemeinschaftssinn, der schön offiziös von Individuen getragen.
• Es war einmal ein Spieler, der ging in ein grünes Wäldchen und sammelte Rindenreste, um diese zu kochen. Nie durfte ich so etwas tun, hungrig wie ich war, aber ich entschloss mich, die Hausregel gründlich zu missachten.
• Gut ist der Spielverderber, der ein neues Blickfeld auftut, sofern er es im Auge hat. Schlecht, der Mächtige, der erblindet ist spielt mit dem Leben der anderen. Das werden die Anderen nicht genießen. Und ihn nicht zerreißen zwischen den Stühlen.
• Das beste am Spielverderber ist ganz simpel zu erkennen: Er hat Freunde auf beiden Seiten. Schließt sich einer an, dann nicht so bald. Es ist eine große Freude, welchselseitig dies nicht zu tun. Und immer wieder geschieht es dennoch.
• Die Würfel fallen nicht immer so, wie die Mächtigen - Gibt es Mächtige? - Ja, jeder mal darf sich versuchen, als Mächtiger aufzutreten, ob er glücklicher wird oder nicht. Friede den Hütten. Die Macht ist auf jeden Fall bei dem Spielverderber!


Die Konversation ist pünktlich zuende als des ZKM schließt.


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