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Automat bei Bergson

 


"Ein menschliches Wesen, das seine Existenz träumen statt leben würde, würde so wohl in jedem Augenblick die unendliche Mannigfaltigkeit der Einzelheiten seines vergangenn Daseins im Auge behalten. Dagegen der, welcher auf dieses Gedächtnis mit allem was es erzeugt verzichten wollte, würde sein Leben unaufhörlich spielen, statt es sich wirklich vorzusetllen: als bewußter Automat würde er dem Hange der nützlichen Gewohnheiten folgen, welche den Reiz in angepaßte Reaktion fortsetzen. Das erste käme nie aus dem Besonderen, ja Individuellen heraus. Indem er jedem bilde sein Datum in der Zeit und seinem Ort im Raume ließe, würde er nur sehen, inwiefern es sich von den anderen unterscheidet und nicht worin es ihnen ähnlich ist. Der andere würde dagegen, immer von der Gewohnheit getragen, einer Situation nur jene Seite erkennen, durch die sie den früheren Situationen gleicht; unfähig, das Allgemeine zu denken, da der Allgemeinbegriff die mindestens virtuelle Vorstellung einer Menge erinnerter Bilder voraussetzt, würde er sich trotzdem im Allgemeinen bewegen, denn für das Tun ist die Gewohnheit was die Allgemeinheit für das Denken ist.
Aber diese beiden extremen Formen: das rein kontemplative Gedächtnis, welches seinem Tun das Merkmal der Allgemeinheit aufprägt, kommen nur in Ausnahmefällen isoliert und rein zum Ausdruck. Im normalen Leben durchdringen sie sich innig, geben beide so etwas von ihrer ursprünglichen Reinheit auf.
Die erste Form äußert sich in der Erinnerung der Unterschiede, die zweite in der Wahrnehmung der Ähnlichkeiten: wo die beiden Ströme zusammenfließen, erscheint der Allgemeinbegriff. MG, S. 150



Es scheint also, daß nach Bergson der Automat(ismus) sich durch das Fehlen einer Seite des Aktualisierungskreislaufs der Wahrnehmung auszeichnet: Das Dekontrahierte Desinteresse, die entfaltete Wirksamkeit jeder Vergangenheit.



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