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5.9.4 Automaten

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Automaten.Von Anfang an zeichnen sich im Kino dieser geistigen Automatismus, diese psychischen Automaten ab. Digitales Bild und digitales Zeichen fallen dem Film keineswegs wie eine neue Technologie zu, derer sich sein "Autor" als eines "Werkzeugs unter anderen" bedienen könnte. Die Kybernetik der Bilder, die ihren prägnantesten Ausdruck im Digitalen findet, übt auf den Film von Anbeginn die Anziehungskraft eines "Außen" auf, um alle Begriffe des Kinos in Frage zu stellen und neu zu ordnen. Nicht anders als Bergson, der das Virtuelle der Zeit als Vermittlungszentrale oder Schalttechnik eines Gehirns zum Bild werden läßt; nicht anders als Couchet, der auf die Immedialität elektronischer Leitungen verweist, um die "neuen" Bilder denken zu können; und nicht anders als Deleuze selbst, der das Kino als "geistigen Automaten" befragt, zeigt sich das Film-Denken wie magisch von Automaten angezogen, in denen es selbst Geheimnis das des Kinos selbst.

Zunächst tauchen die Automaten nur auf einer Ebene auf, die man als "narrativ" mißverstehen könnte, nämlich dort, wo sie zum Moment einer Erzählung werden oder selbst zu erzählen beginnen – in den hypnotischen, psychotischen, halluzinatorischen Passagen eines Psychismus, von Caligari bis Hitler. Aber in diesen Erzählungen spielt sich etwas ganz anderes ab, und das ist entscheidend. Es bedarf nicht mehr der einzigartigen Gestalt eines "Führers", um den Terror zu inszenieren; an seine Stelle könnte ein Netzwerk elektronischer Leitungen getreten sein, die eine Allgegenwart der Kontrolle installieren. Ebenso wenig bedarf es eines administrativen Apparats offener Unterdrückung, um die Zeit weiterhin der Bewegung unterzuordnen; es genügt, die Bilder am Fernsehen zu normieren, um die Selbstüberwachung als erste Tugend in den Psychismus seiner Opfer zu versenken. Um so mehr aber "drängt sich eine Rückkehr zu einem Blick von außen auf, der auf die technologische und soziale Entwicklung der Automaten gerichtet ist. Die Uhrwerkautomaten und ebenso die beweglichen Automaten, überhaupt die mechanischen Automaten, verschwinden zugunsten einer neuen Art, die nach den Gesetzen der Informativ und Kybernetik funktioniert: Rechen- und Denkmaschinen, Regelungs- und Rückkopplungsmaschinen. Auch die Macht hat ihre Gestalt verwandelt und, statt auf einen einzigen und mysteriösen Führer zuzulaufen, der zum Träumen anregt und das Handeln steuert, verflüchtet sich in ein Datennetz, dessen 'Entscheidungsträger' an jenen Schnittstellen, so sich Schlafwandler und Hellseher begegnen, für die Lenkung, Verarbeitung und Speicherung der Daten sorgen – so etwa in der weltweiten Verschwörung, die wir bei Rivette gesehen hatten (Paris nous appartient), in Godards Alphaville, in Lumets Abhör- und Überwachungssystemen, vor allem aber in der Entwicklung der drei Mabuse-Filme von Lang, in besonderem Maße im dritten, mit dem Lang nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrte. Oft sind die neuen Automaten, die das Kino – im Guten wie im Bösen – bevölkern, buchstäblich Computer (der beste Fall ist gewiß der Riesencomputer in Kubricks 2001: A Space Odyssey), und sie geben ihm vornehmlich in Science-fiction-Filmen die Möglichkeit zu gewaltigen Inszenierungen, welche die Sackgasse des Bewegungs-Bildes einstweilen verhindert hatte." 90

Uploaded Image: pfeil.gif 5.9.5 "Kunst"


  90 Deleuze II, S.338f.






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