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• Mensch/Maschine-Kommunikation == +Mensch/Mensch-Austausch

Mensch/Maschine-Kommunikation ==> +Mensch/Mensch-Austausch
beispielhafte Themen: [Mit der Wahrnehmung des Social Web ist das bisherige Paradigma MMK durch diese Fokuserweiterung verschwunden. - Quelle des Jahrzehnte herrschenden Paradigmas war die Kybernetik (Regelkreise in Maschine, Mensch und Biologie). - Die anthropologische Bedeutung der Technik und die finanzierende Rolle des Kapitals. - Und ähnlich]


% % % lieber Axel, hättest Du Lust, kurz fachlich doch schlicht zu erklären, was Mensch/Maschine-Kommunikation ist, ihre Herkunft, Oberbegriffe etc.
Ich freue mich darauf, den Zusammenhang richtig zu verstehen und zum Erörtern Dir mit unseren Vorstellungen und Vermutungen - die Gedanken in unserer Kunst sind - zu antworten.
∞Lieben Dank, dass Du uns die Kolumnenbreite im Swiki zu ändern gelehrt hast. Viellleicht kannst Du Dir gar nicht denken, wie glücklich wir darüber sind, weil doch die sinnliche Erscheinung (incl. Gedankensinn uncd Sozialitätssinn) unser Feld ist.
Grüsse von Kurd % % % %



Axel Sylvester: Du fragst mich was Mensch/Maschine-Kommunikation ist – wenn ich so darüber nachdenke so möchte ich Dir antworten, es ist eine Art Zauberspruch oder eine Art Befragung eines Orakels. Wie ich darauf komme? Nun, wenn ich den richtigen Spruch kenne, eine Konvention einhalte, die Sprache der Maschine spreche, dann dient sie mir oder beantwortet meine Fragen; dafür wurde sie erschaffen, im Guten wie im Bösen. Die Maschine ist geronnene Erkenntnis um das beste Verfahren und durch die Kommunikation mit der Maschine setze ich reproduzierendes Handeln in Gang. Das war schon bei der Webmaschine so und ist letztendlich heute beim Computer nicht anders.
 
Im englischen wird daher nicht mehr von Mensch/Maschine-Kommunikation, sondern von Human-computer interaction also Mensch-Computer-Interaktion gesprochen. In dieser fachlichen Disziplin wird untersucht wie Menschen mit dem Computer interagieren. Die Frage, ob der Mensch mit der Maschine oder eben dem Computer kommuniziert oder interagiert oder ob durch den Computer gar das Denken manipuliert wird stelle ich mal hinten an. In früheren Zeiten war es bestimmt nur eine Kommunikation im Sinne einer sehr einfachen Verständigung.
Webmaschine
Webmaschine (Photo: Go Gap)
 
Ich habe mir sagen lassen, dass die Computer früher nur eine sehr beschränkte Sprache „verstanden“ und es gab ja auch nur recht wenige Computer und Leute die mit ihnen sprachen auf der Welt. Ein Wort galt noch ein Wort und eine Rechnung hatte ein Ergebnis. Es gab kein Zurück und wenig Spielraum für Interpretation. Heute gibt es unzählige Computer (das würde ein Computer vermutlich so nie „sagen“) und die Zaubersprüche mit denen man sie zum Leben erweckt füllen ganze Bibliotheken. Überall hext und zaubert es und es gibt immer mehr schlaue Zauberer, Zaubermeister und Zauberlehrlinge.



Mensch-Maschine Kommunikation?
Mensch/Maschine Schnittstelle

 

Um da Ordnung rein zubringen trennt man, man muss sagen, noch, zwischen Menschen auf der einen und Computer auf der anderen Seite. Wenn man es sich einfach machen will belässt man es bei dieser strikten Trennung; es sich nicht so einfach zu machen regt aber zu interessanten Gedanken an.

Kurd Alsleben: Die gezielte Herrschaftssprache von Paradigmen manipuliert, denke ich, das Denken. (Noch 2006 wurde ich in einem Mailwechsel gemobbt, weil ich darauf bestand, menschlichen Austausch als gesondertes Feld zu behandeln. Darauf werden wir wohl auch noch zu sprechen kommen, was mit der Frage vom Akzeptieren des ‘blinden Flecks‘ bezeichenbar ist (- auch, dass Beobachten und sein Interpretieren immer historisch ist).

A.S.: Im einfachen Fall sagt man Mensch und Computer kommunizieren über eine gemeinsame Schnittstelle (engl. Interface). Traditionell besteht solch eine Schnittstelle in der einen Richtung aus Tasten, Schaltern und Reglern und in der anderen Richtung (also vom Computer zum Menschen) kommen Licht- und Schallsignale, Drucker oder Bildschirme zum Einsatz. Diese technischen Geräte und die dazugehörige Konvention wie sie zu bedienen und zu interpretieren sind, werden in ihrer Gesamtheit in der Regel Benutzungsschnittstelle (mitunter auch weniger passend "Benutzerschnittstelle") genannt.
Und wo sich der Mensch früher an die technischen Gegebenheiten anpassen und sich auf sie einlassen musste, da wird inzwischen versucht den Computer bzw. besser die Schnittstelle an die Bedürfnisse des Menschen anzupassen. Die Gestaltung der Schnittstelle ist heute nicht mehr nur (technische) Ingenieursleistung sondern auch Design und die Berücksichtigung sozialer, kognitiver, ergonomischer, psychologischer und einer Vielzahl weiterer Aspekte. Zuweilen wird dies beim Entwurf von Hard- und Software auch als solches erkannt.

Da man unmittelbar weder den Menschen, noch den Computer radikal ändern/anpassen kann konzentriert man sich auf die Schnittstelle und versucht über sie die Mensch/Maschine Kommunikation bzw. die Mensch-Computer Interaktion effizienter, effektiver oder auch einfach nur etwas sympathischer zu gestalten. Hierfür hat es sich als hilfreich erwiesen die Komponenten der Schnittstelle und damit die Schnittstelle an sich recht eng zu spezifizieren. Es ist dann klarer was sie können, was sie machen und welche Komponenten die selbe Sprache sprechen. Die Komponenten der Schnittstelle aber auch des gesamten Systems (Mensch, Schnittstelle, Computer) lassen sich so unabhängig weiterentwickeln und können ausgetauscht oder neu kombiniert werden. Die einzelnen Komponenten sprechen paarweise eine Sprache (sofern sie auf dem jeweils gleichen Abstraktionsniveau liegen) und so ist es theoretisch möglich, dass die Zauberei funktioniert und Mensch und Computer sich verständigen und „gemeinsam“ handeln können.

Das also verstehe ich unter Mensch/Maschine Kommunikation.



Mensch-Maschine Kommunikation?
Mensch-Maschine
Kommunikation?



 




K.A. 13.4.09: Soweit die Betrachtungen der Mensch/Maschine-Kommunikation sozusagen arbeitswissenschaftlich sind, sind sie verständlich (die ‘Handseite‘ des Spatens braucht am oberen Stielende einen Quergriff; die ‘Arbeitsseite‘ braucht das und das) Um die “Handseite“ adaptiv entwickeln zu können, braucht man ein tüchtiges Modell vom Menschen (alles Nichtmessbare via All-round-Methode Statistik messbar machen). - eines Tages dann, heute, schneidet die Maschine am Menschen, weil die Hand des Chirurgen ggf. zittert. (Vgl. eine Produktionsmaschinen wird ‘bedient‘, ein Auto z.B. bedient man nicht, man fährt es).
Wo ist unser Problem?
1. Wir sagen, die Paradigmenherrschaft HCI oder MMK verstellte allgemein einen offenen Blick. Begleitet von lustvoller Praxis haben Ihre Begriffe durch täglichen Gebrauch, durch erfreuende Logik und Metaphorik, z.T. auch gezielte, wie ich glaube, Denken gewandelt und besetzt.
2. Vor allem behinderte das Paradigma, durch seine Fokussierung auf Mensch/Maschine, die künstlerische Thematisierung des offiziziösen Mensch/Mensch-Austausches von Bedeutungen. (An dieser Stelle nur erst kurz: mediens kultivierter offiziöser Austausche wird Emanzipierung gegenüber fabriziertem öffentlichen Common Sense erhofft.)




Eine Randnotiz: In den Studien zur Kunst des 19.Jahrhunderts fand ich das nebenstehende Bild. Es zeigt eine Schaltsäule in der Maschinenhalle der Zeche Zollern in Dortmund-Bövinghausen. Die Maschinenhalle ist im übrigen sehr industriell schlich futuristisch (?) gehalten und die Maschinen scheinen sehr bewusst als wichtige, mächtige aber kalte Organe des Organismus Zeche präsentiert worden zu sein. Um so bemerkenswerter finde ich diese Schaltsäule, die nicht wie die Hauptschaltwand klar, breit und erhaben thront, sondern schmal, verschmitzt und ein wenig verträumt dreinblickt.
Mensch-Mensch Kommunikation?
Mensch/Mensch Schnittstelle?


 


 




K.A. 22.4.09: Die Industriearchitektur, die Du beschriebst, ist gewiss funktionalistisch zu nennen, und die Schaltsäule hat futuristische Züge - es gibt ein futuristisches Manifest von Filippo Marinetti, das sich liest, wie ein Pflichtenheft für die technische Entwicklung der kürzlich vergangenen Zeit [1].
Wahrscheinlich trifft Deine Abbildung einen Kernpunkt: Die Vertretbarkeit von Metaphern [2]. Die Vertretbarkeit von Metaphern ist eine Fragestellung von Gordon Pask zur Folgeabschätzung aus den 60er/70er Jahren. Metapher ist ein Begriff der Rhetorik [3], der Lehre Andere zu überzeugen.
(Metapher fällt - wie z.B. auch die Ironie - unter die Kategorie Stil.
Unter Stil fallen auch die sogen. Qualitäten Angemessenheit {hinsichtlich Autor, Empfänger, Situation, Stoff}, Anschaulichkeit, Klarheit etc.
und ebenfalls 3 Stilebenen: docere (lehren), delectare (erfreuen), movere (bewegen).)
Nun ist Deine Abbildung zweifellos eine bezaubernde Metapher/delectare. Und da Metaphern eine wichtige Rolle spielen, möchte ich hier schon mal untertscheiden:
Metapher/docere, Metapher/delectare, Metapher/movere.
[1] aus dem Italienischen übersetzt und abgedruckt in einem Buch von Peter Weibel: Verschwinden der Ferne o.ä. http://openlibrary.org/b/OL1615013M/Vom-Verschwinden-der-Ferne
[2] wiedergegeben in einem Vortrag von v. Foerster über Kybernetik und Ethik. http://www.iflugs.hdk-berlin.de/metaflux/archive/hvf_ethik.htm
[3] vgl. NetzkunstWörterBuch, Seite 384.

T.D. 18.5.09: In der Mensch-Computer-Interaktion (MCI), die sich als ein wissenschaftliches Fachgebiet in den frühen 1980iger Jahren etabliert hat und ganz verschiedene Disziplinen wie etwa Informatik, Psychologie, Soziologie, Anthropologie und Design einbezieht (mehr zu Definition, Historie und Inhalt des Gebiets z.B. siehe [1]), spielen Metaphern eine große Rolle!

Die grafischen Benutzungsschnittstellen, mit denen wir heute interagieren und welche ihren Ursprung in den 70iger und 80iger Jahren u.a. am Palo Alto Research Center in Kalifornien haben, basieren auf einer sogenannten „Schreibtisch-Metapher“, die dem Computernutzer die Erstellung/Verwendung/Betrachtung von Daten (auf einem virtuellen “Desktop”) verständlicher machen soll. Erst diese Idee als Grundlage für die grafische Benutzerschnittstelle machte den Computer zu einer wirklich massentauglichen Maschine [2]. Gerade die Überlegung, Metaphern dienen der Schaffung eines “mentalen Modells” über die Bedienung eines Computerprogramms, ist auch weiterhin von Bedeutung in der Mensch-Computer-Interaktion.

K.A.: Die Informatik hat schöne Metaphern (und Benennungen) kreiert, Metaphern wirken auf allen drei Stilebene. Metaphern/movere müssen an anderer Stelle auch noch wegen oppressiven Gebrauchs besprochen werden.

T.D: Aber nun wollten wir ja eigentlich die These betrachten, dass aus der Mensch/Maschine-Kommunikation inzwischen eine Mensch/Mensch-Kommunikation geworden ist und ich möchte an dieser Stelle aus Sicht der MCI darauf eingehen. Einen guten Überblick über das gegenwärtige Themenspektrum der Mensch-Computer-Interaktion erhält man zum Beispiel, wenn man das Programm der wichtigsten internationalen Fachkonferenz (der “CHI”) betrachtet [3]. Dort findet sich ein breites Spektrum an Themen, darunter etwa neue Interaktionstechniken, Design Methoden oder Roboter, aber auch Themen wie “Computer Mediated Communication”, “Telepresence” und “Social Computing”. Die Mensch-Mensch Kommunikation hat also selbstverständlich Einzug in das Forschungsgebiet der MCI erhalten (in dem natürlich, im Übrigen, der Mensch – als User – auch schon immer betrachtet wurde). Nach wie vor aber liegt das Hauptaugenmerk des MCI-Forschers und Praktikers auf der Interaktion zwischen Mensch und Computer. Denn das Interface ist sein Arbeitsgegenstand, und dieses gilt es zu verbessern, auch wenn das Ziel inzwischen oft auch auf der Unterstützung des Mensch-Mensch Austausches liegt.

K.A.: Der Mensch war immer mitgesehen als Bediener oder User der Maschine. Ich würde gerne einen anderen Einschub machen. Auch mag man vielleicht sagen wollen, Interfaceentwicklung, die Bedienung von Computern, das sei ein Randgebiet der Informatik. Ich erlebte MMK dagegen aber mit der Zeit als ein allgemein beherrschendes Denk-Paradigma. Als solches ist es nun wohl abgetreten. Die explositionsartige Ausbreitung des Social Web ist Ereignis und Zeichen des Paradigmenwechsels: menschliche Kommunikation darf neu thematisiert werden. Auch die Autoren des gerade jetzt erschinene 400-Seiten-Buches ‘Hellige (Hg.): Mensch-Computer-Interface. Bielefeld 2008‘, auf das Du dankenswert hingewiesen hast, sprechen selbsteinschätzend ja von einer Interface-Krise.

T.D.: Gesellschaftlich ist die Bedeutung unverkennbar, die neue Formen des Mensch-Mensch Austausches auf der Basis der technischen Möglichkeiten allgegenwärtiger Vernetzung erlangen. Aus der Sicht des Interaktionsgestalters schreibt Matthias Müller-Prove über einen Paradigmenwechsel der Mensch-Computer Interaktion (“Vom persönlichen Computer zum sozialen Medium“ [4]) und betrachtet dabei vor allem die unterschiedlichen Interaktionsmodi des Desktop und des Web mit dem Schluss, dass sich der primäre Interaktionsmodus vom Computerschreibtisch zum Webbrowser verlagern könnte.

Für die Mensch-Computer-Interaktion bleibt also auch beim Mensch-Mensch Austausch die Gestaltung der Schnittstelle und ihrer Interaktionsformen das zentrale Thema, da auch der Austausch nur über funktionierende Computerschnittstellen gut erfolgen kann. Gesellschaftlich und künstlerisch aber, so denke ich, hat sich die Aufmerksamkeit von der Schnittstelle hin zu den Kontexten verschoben.

K.A. 28.5.09: Wir unsererseits hoffen allerdings, dass das Ganze sich nicht bloss zu einem funktional-technologischen Paradigmenwechsel (Desktop => Web) auswächst, sondern auch Austauschkunst den Weg frei macht.
In den früheren 80er Jahren, als man über alles miteinander sprechen konnte, weil kein “wahrer“ Weg Common sense war, und als die MMK-Tagungen noch Säle füllten, wurde ich zu einer Tagung in St. Ausgustin als ein Arbeitsgruppenmoderator eingeladen: Thema ‚Kunst‘. Noch gab es kein Paragone der Disziplinen mediens Fachsprachen, der dann schon 1990 einsetzte. Als ich in St. Augustin allerdings die Wortverbindung Computer/Kommunikatkion in Frage stellte, erhielt ich offiziöse Zustimmungen, wurde aber zum Obmann des DINormenausschusses geschickt, der geistig keine Möglichkeit hatte, die Frage zu besprechen. Ich fühlte mich und meine Beiträge gleichwohl unter den Informatikern gut angenommen - wir formulierten ja zu dieser Zeit in der Hochschule für bildende Künste Hamburg auch schon in Hypertext-media, was zu dieser Zeit nur wenige taten.


Quellen

[1] ACM SIGCHI Curricula for Human-Computer Interaction (Chapter 2), zu finden unter: http://sigchi.org/cdg/cdg2.html#2_1. Dort findet sich zum Beispiel eine Definition: “Human-computer interaction is a discipline concerned with the design, evaluation and implementation of interactive computing systems for human use and with the study of major phenomena surrounding them.”.

[2] Hierzu Überlegungen zur Gestaltung der Mensch-Maschine Schnittstelle des Xerox Star: David Canfield Smith et. al.: “Desiging the Star User Interface”. In :”Integrated Interactive Computing Systems”. ECICS 82, 1982 (online verfügbar z.B. unter http://www.guidebookgallery.org/articles/designingthestaruserinterface). David Canfield Smith forschte Mitte der 70 zu Metaphern und Icons.

[3] Das Programm der CHI’09 (April 2009, Boston USA) ist online verfügbar unter: http://www.chi2009.org/Attending/CHI09Program.pdf.

[4] Matthias Müller-Prove: “Vom persönlichen Computer zum sozialen Medium. Paradigmenwechsel der Mensch-Computer Interaktion”. In: Hans Dieter Hellige (Hrsg.): Mensch-Computer-Interface. Zur Geschichte und der Zukunft der Computerbedienung. Transkript Verlag, 2008.

Axel 21.5.2009: eine Randnotiz: Ich saß gerade in einen asiatischen Schnellimbiss. Hinter mir unterhielten sich eine Frau und ein Mann über allerlei Belanglosigkeiten. Während dem Geplapper sagte sie "ich habe heute schon fünf Freunde gesammelt und ich musste gar nichts dafür tun. Die haben sich alle selber gemeldet." Es ging um facebook, diese Website zur Bildung und Unterhaltung sozialer Netzwerke. Dort gibt es scheinbar die Funktion "Freunde sammeln". Ihr Freund kommentierte das mit den Worten "Bist Du ein Freundesammler?!". Schön, dass die Leute was zu tun haben.


 
Axel 4. August 2009: Der folgende Text ist eine auszugsweise Übersetzung eines englisch sprachigen Artikels aus dem Jahr 2005 in dem eine Visualisierungs-Software für die social network Plattform "Friendster" (http://www.friendster.com/ beschrieben wird. Im Text wird aber auch eine Studie über die Nutzung von sozialen Netzwerken beschieben. Der Text enthält einige sehr interessante Passagen jenseits der Technik von Software für soziale Netzwerke. Vielleicht kann man sogar sagen, er beschreibt die soziale Technik der Nutzung von solchen Netzwerken. Bezeichnend ist auf jeden Fall die Beschreibung, dass das "Friendster" Netzwerk vermutlich im Wesentlichen auf Basis realer Beziehungen aus der echten Welt derart schnell und qualitativ stimmig wachsen konnte.

Ich habe den Originaltext ins swiki hochgeladen und darin die übersetzten Stellen gelb markiert (-> Link). Die Quelle des Papers ist:

Vizster: Visualizing Online Social Networks
Jeffrey Heer, danah boyd
in InfoVis 2005, IEEE Symposium on Information Visualization (2005)

http://jheer.org/publications/2005-Vizster-InfoVis.pdf

Die Visualisierungs-Software ist auf der Seite auch in einem Video dokumentiert -> Video und alternativ auch bei youtube zu finden.


Friendster wurde ursprünglich als eine online dating Seite konzipiert. Die Internetplattform bietet Benutzerprofile, eine auf demografischen Daten und Interessen basierende Suche sowie ein System für den Versand privater Nachrichten. Das besondere an Friendster ist seine „soziales Netzwerk“ Komponente. Benutzer der Seite wurden daher insbesondere angehalten andere Benutzer als „Freunde“ zu titulieren, deren Fotos dann nach deren Bestätigung als „Freund“ auf der Profilseite des Benutzers angezeigt werden.

Die in dem Artikel beschriebene Studie basiert auf der Beobachtung von etwa 200 „early adopters“ (engl. für : frühe Benutzer). Diese „early adopters“ sahen die Seite jedoch nicht als eine „dating Plattform“ (Kontaktbörse), sondern nutzten die Seite um Freunde zu „sammeln“, mit ihnen zu kommunizieren, um zur eigenen Unterhaltung deren Profile zu besuchen und um die öffentlich sichtbaren Identitäten und Beziehungen der anderen Nutzer zu erkunden.

Die „early adopters“ gehörten im Wesentlichen drei Identitätsgruppen an: homosexuelle Männer, techies/blogger und Burner („Burner“ sind Leute die das jährlich im September stattfindende Burning Man Kunst Festival in Nevada/USA besuchen). Jede Gruppe hatte eine unterschiedliche Ästhetik und ihre Benutzerprofile vermittelten genau die typischen Aspekte ihrer Identität die im allgemeine mit der Community, durch die sie die Webseite kennen lernten, verbunden werden. So benutzen die „Burner“ dieselben Spitzname, die sie auch auf dem Festival verwenden, luden Bilder von sich, die auf dem Festival gemacht wurden hoch und sprachen über ihren Musikgeschmack.

Im Jahr 2003 war die Mehrheit der Benutzer Studenten mitte 20, politisch liberal und lebte in Großstädten. Auch Teenager nutzen die Seite, gaben als Alter jedoch 69 oder 61 und 71 (16 und 17 umgedreht) an, da die Nutzung der Seite erst ab 18 erlaubt war. Eben durch diese Altersangabe konnten sich Teenager innerhalb der Plattform finden. Neue Benutzer bekam die Seite im Wesentlichen durch Einladung durch andere aktive Benutzer. Neue Benutzer wurden für das eigene Profil nach demografischen Informationen wie Alter, Ort, Heimatstadt und nach dem persönlichen Geschmack („dating preferences“, Musik, Bücher, Filme) gefragt. In einigen Fällen wurde die Plattform für Dates genutzt, die meisten Benutzer registrierten sich jedoch auf der Plattform weil alle ihre Freunde das auch taten.

„Friendster’s design decision to list the most highly connected people on the front page further activated thecompetitive tendency to collect as many people as possible.“

Neben persönlichen Profilen begannen die „early adopters“ Fantasie-Profile („Fakesters“ von „fake“ engl. für erfunden, falsch, künstlich) anzulegen. Diese repräsentierten alles Mögliche, von Angelina Jolie über Städte wie New York bis hin zu Alltagsgegenständen wie Salz. Ein „Fakesters“ wie z.B. „Brown University“ half Leute zu verbinden, die früher auf diese Schule gegangen sind, ein „Fakester“ wie z.B. Homer Simpson (eine Zeichentrick Figur) wurde hingegen benutzt, um Fans der Serie zu verbinden. Die „Fakester“ erhöhten die Diche des Netzwerks da sie Freunden halfen sich gegenseitig zu finden und sich mit neuen Leuten aufgrund gemeinsamer Interessen zu verbinden.

Die im Artikel vorgestellte und auf den Friendster Daten aufbauende Visualisierung „Vizster“ wurde anhand von zwei Umgebungen evaluiert und weiterentwickelt. Zum einen war dies eine öffentliche Installation auf einer großen Party und zum anderen ein informaler Laboraufbau.

Die erste Benutzungsbeobachtung wurde anhand einer interaktiven Installation auf einer Party mit 500 Leuten in San Francisco durchgeführt. Viele Partygäste waren „early adopters“ insbesondere vom Burning Man Festival und Leute aus der „tech culture“. Die Installation bestand aus einem interaktiven Kiosksystem und einer Projektion auf einem großen Bildschirm. Der Laboraufbau wurde von fünf männlichen Benutzern und einer weiblichen Benutzerin benutzt.

Die Benutzung insbesondere auf der Party wurde regelmäßig mit einer Art sozialem Spiel verbunden. Solch ein Spiel bestand beispielsweise darin zu sehen, ob es einem gelang spezielle Leute die er kannte zu „erjagen“ (im Original: „games to see if one could hunt down specific people they knew“). Die meisten Benutzer und Zuschauer begannen Geschichten über die Leute, ihre Beziehungen zu ihnen und gemeinsame Erlebnisse zu erzählen.

Nahezu jeder begann Geschichten über die einzelnen Communities und ihre Mitglieder zu erzählen. Typische Kommentare waren: „Guck mal, es hat alle Leute aus Harvard gefunden“ oder „ Es war clever genug sie nicht in einer Gruppe anzuzeigen, sie hassen sich!“ oder „Was!? Sie ist kein Single!“

Im Großen und Ganzen wurde herausgefunden, dass die Visualisierung von den Benutzer genutzt wurde, um das Netzwerk zu erkunden und damit zu spielen.. Es wurde weit verzweigt aufgefächert, es wurden visuelle Analysen durchgeführt, Community Strukturen erkundet und nebenbei in soziale Erzählungen (im Original „engaging in social narratives“) verfallen.

Ein Teilnehmer der Studie formulierte es so: „Friendster schenkt Dir zwei Stunden Spaß und dies (Anm.: die Visualisierung) verdoppelt die zwei Stunden nochmal.“