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Der Handel in der klassischen Antike

Wer trieb zuerst Handel?
Griechischer Krämer oder griechischer Aristokrat?

Zunächst brauchte niemand einen Händler.
Der homerische Ausdruck „prekter“ unterschied noch nicht zwischen dem Handwerker und dem Händler
(Heichelheim I., S. 245).
Zum Teil musste der Auftraggeber die Rohstoffe stellen, die der dienstleistende Handwerker verarbeitete, zum Teil hatte der auch selber Rohstoffe bei sich.?So hat man im Donaugebiet das Gepäck eines reisenden Schmiedes ausgegraben und neben seinem Werkzeug auch Rohmetallstücke und Altwaren gefunden, die er repariert hatte oder einschmolz. Auch nachdem die überwiegende Zahl der Handwerker sesshaft geworden war, wurde das meiste auf Bestellung gefertigt und beim Produzenten gekauft. Händler, die Rohstoffe an Handwerker verkaufen oder Handwerksprodukte anbieten, die sie nicht selber gefertigt hatten, sind an eine gewisse Absatzgröße gebunden, die allerdings durch die griechischen Städte bald erreicht war.

Solche Kleinhändler standen im Ansehen noch unter dem der Handwerker.??Wie aber sah es mit dem Fernhandel aus?

Manche Historiker wollen den regelmäßigen Fernhandel bis ins 7. Jahrtausend und früher zurückverlegen: „Schließlich hat es Fernhandel schon seit der Steinzeit immer gegeben.“ (Finley, Antike; S. 208.) „Güterumlauf gegen Entgeld ist seit ca. 30.000 v. Chr. ... archäologisch nachweisbar. Schmuck- und Werkzeugmaterialien wandern z. B. vom Ind. Ozean in die Alpen.“ (Der kleine Pauly, Stichwort „Handel“).
Mit Sicherheit muss man annehmen, dass jede Form von Handel als geplante Wirtschaftstätigkeit an dauersesshafte Lebensweise und Ackerbau gebunden ist. Was Nomadenstämmen auf ihren Wanderungen an fremden Produkten in die Hände fiel, war von vielen Zufällen abhängig. Wie auch immer diese Produkte ihre Besitzer gewechselt haben mögen. Ich denke, solchen zufälligen Gütertausch oder Güterraub darf man nicht „Handel“ nennen, weil dieser Zufallserwerb nicht in die damalige Lebensplanung und Wirtschaftsweise eingehen konnte.
Gold und auch Silber wurde verstreut und in reiner Form überall in der Welt gefunden. Spätestens mit Herausbildung der Bronzekulturen mussten Kupfer und Zinn, die nur an relativ wenigen Orten gefunden wurden, aus der Ferne beschafft werden. Das Zinn wurde vermutlich schon sehr früh aus Britannien in den Orient gebracht. Herodot wusste nicht, wo der Ursprungsort des Zinns lag:
„Ich weiß auch nicht, wo die kassiterischen Inseln liegen, aus welchen das Zinn zu uns kommt.“ (Herodot 3, 110)

In der Zeit um 1000 v. Chr. verbreitete sich in Griechenland der Gebrauch des Eisens.
(Vgl. Ilias 23, 833 ff, wo Achilles einen Klumpen Eisen als Preis eines Wettkampf anbot, wo das Eisen gleichzeitig das Sportgerät für einen Weitwurf war. Achilles bot es dem Sieger an: „zum Gebrauch für fünf volle Jahre, denn weder der Hirt noch der Pflüger brauchen aus Mangel an Eisen in die Stadt zu gehn, aber dies wird sie versorgen.“
Das Eisen wurde nur für zeitweilige Nutzung, nicht für dauerhaftes Eigentum vergeben.

Es gab zwar in Griechenland verstreut einzelne Eisen-Lagerstätten, aber die hat man wohl erst in späterer Zeit entdeckt. Die Hauptquellen für die Versorgung lagen im westlichen Asien und in Zentraleuropa (Finley, Odysseus, S. 61) und wahrscheinlich brachte der Kontakt mit Zypern die Eisentechnologie aus Asien nach Griechenland.

Die ältesten Eisenspieße in Griechenland, die in einem Grab aus dem zehnten Jahrhundert in Knossos gefunden wurden, hatten eine typisch zyprische Form (Boardman, S. 38).
Um diese Anfangszeit der griechischen Eisenverwendung wird auch die Wanderungsbewegung der ionischen Griechen nach Kleinasien angesetzt, ohne dass wir bis jetzt den genauen Zusammenhang zwischen diesem wichtigen Technologiewechsel und den Wanderungsbewegungen im Einzelnen verstehen können. Unstrittig ist, dass die Technologie und Rohstoff des Eisens nicht bei den griechischen Völkern ihren Ursprung hatte.

Wie lässt sich dann erklären, dass die Helden Homers, dessen historisches Umfeld im 8. Jahrhundert v. Chr. zu suchen ist, zwar Eisen und Eisenhandel kannte, aber der Händler oder Kaufmann ihnen so wenig galt?
Es kann nur heißen, dass das Eisen nicht über kleine, private Händler getauscht und vermittelt wurde.

An einer viel zitierten Stelle wird Odysseus als fahrender Kaufmann bezeichnet, was er als Beleidigung ansieht: „Ich halte dich ... für einen, der mit einem vielrudrigen Schiff fährt, für einen Herrn von Schiffsleuten, die Handel treiben, einen, der an die Ladung denkt, und dem Waren anvertraut sind, und der den Gewinn heftig ersehnt.“(Odyssee 8, 145-164.)

Finley zieht daraus den Schluss, dass der griechische Fernhandel in früher Zeit ganz in phönizischen Händen lag: „Aufs Ganze gesehen, lag die Versorgung der griechischen Welt mit allem, was sie auf friedlichem Weg von außen erhielt, in den Händen von Nichtgriechen, besonders von Phöniziern....“ (Finley, Odysseus, S. 71).
Damit werden sicherlich zu weitgehende Schlussfolgerungen auf eine einzige Textstelle gegründet. Vor allem, weil es eine andere Textstelle gibt, wo sich nicht nur Homers höchste Helden sondern sogar eine Göttin speziell am Eisenhandel beteiligen: Als die Göttin Athene unerkannt Ithaka besuchen will, verkleidet sie sich als der Aristokrat Mentes und tritt als Herr der ‚ruderliebenden Taphier‘ auf, der mit seinem Schiff ‚schimmerndes Eisen‘ nach Temesa bringe, um es dort gegen Kupfererz einzutauschen: „Mentes, Anchialos‘ Sohn, des kriegserfahrenen Helden, rühm ich mich und beherrsche die ruderliebende Taphos. Jetzt schifft ich hier an, denn ich steuere mit meinen Genossen über das dunkle Meer zu unverständlichen Völkern, mir in Temesa Kupfer für blinkendes Eisen zu tauschen.“ (Odyssee, 1, 180-85)

Die Vorstellung, dass Handel sich für Aristokraten nicht schicke, ist nicht frühgriechisch und deshalb nicht historisch. Von anderen Völkern wie den Ägyptern wissen wir, dass gerade der Außen- oder Fernhandel ein Privileg des Königs, des Herrschers war und ägyptische Expeditionen ins Ausland, um Gold, Bauholz oder Sklaven zu holen, wurden entweder vom König selber angeführt oder von seinem Beauftragten.
Der Erfolg einer solchen Expedition ist es wert, in der königlichen Vita festgehalten zu werden. Auch der König der griechischen Kolonie Kyrene beanspruchte in der Frühzeit das Handelsmonopol für das seltene Gemüse und Heilkraut Silphion (Murray, S. 158).??„Der Produktentausch (entspringt) an den Punkten, wo verschiedene Familien, Stämme, Gemeinwesen in Kontakt kommen, denn nicht Privatpersonen, sondern Familien, Stämme usw. treten sich in den Anfängen der Kultur selbständig gegenüber.

Verschiedene Gemeinwesen finden verschiedene Produktionsmittel und verschiedene Lebensmittel in ihrer Naturumgebung vor. Ihre Produktionsweise, Lebensweise und Produkte sind daher verschieden. Es ist diese naturwüchsige Verschiedenheit, die bei dem Kontakt der Gemeinwesen den Austausch der wechselseitigen Produkte und daher die allmähliche Verwandlung dieser Produkte in Waren hervorruft. Der Austausch schafft nicht den Unterschied der Produktionssphären, sondern setzt die unterschiedenen Sphären in Beziehung und verwandelt sie so in mehr oder minder voneinander abhängige Zweige einer gesellschaftlichen Gesamtproduktion.“ (K. Marx, Kapital I. MEW 23, 372.)


Der aristokratische „Handel“ der griechischen Frühzeit war einerseits halb militärischer Beutezug, halb freundschaftlicher Austausch von Geschenken zwischen königlichen Partnern.
?Bei Raub, Geschenken und „schweigendem Tausch“ handeln in der Regel größere Gruppen von Personen, ganze Sippen oder Stämme oder ihre Repräsentanten, ein König oder sein Stellvertreter.??Sesshaftigkeit auf beiden Seiten setzt der regelmäßige Tribut voraus, der eine Weiterentwicklung und mildere Form des Raubes ist. Auch hier handeln die Personen in Vertretung eines Stammes oder Staates.??Erst mit dem Wanderhandel beginnt das, was wir heute gewohnt sind, Handel zu nennen. Beim Wanderhandel hatten wir schon festgestellt, dass er eine Sache armer Leute ist. Wenn sich dann feste Tage für den Handel einbürgern, entsteht auch der Markthandel. Bevor wir uns anschauen, wie diese Entwicklungsformen des Handels in Griechenland aufgetreten sind, zuvor noch eine allgemeine Übersicht:

Der Entwicklungsgang des Handels verläuft also vom zufälligen zum regelmäßigen Gütertausch, vom ungleichen Werttransfer zum möglichst gleichwertigen und von kollektiven (staatlichen) Akteuren zu individuellen und privaten Akteuren.??Diese Entwicklungsschritte sollen im folgenden geschildert und an den verfügbaren Quellen belegt werden.


Raub leistet wie Handel eine Besitzübertragung
und er vertritt entweder den Handel (rauben, um nicht erhandeln und bezahlen zu müssen) oder der Raub beginnt einen Handel (rauben, um zu verkaufen) - das ist der Fall beim klassischer Raubhandel, dem Sklavenhandel.
Wie der Handel ist auch der Raub mit Mühen, man kann auch sagen: mit Arbeit, verbunden. Ziel und Zweck ist die Aneignung einer fremden Sache. Die aneignende Tätigkeit besteht in der kooperativen Anstrengung der Räuber, die nötig ist, um die bisherigen Besitzer von ihrem Besitz zu trennen.

Für die Griechen war der Krieg eine Erwerbsform neben anderen.
Im „Oikonomikos“ wird der Krieg neben Lohnarbeit, Handel und Landwirtschaft gestellt. „Die Landwirtschaft ist am besten, weil sie gerecht ist. Denn sie geht nicht auf Kosten der Menschen, ob die es nun wollen, wie im Handel und bei Lohnarbeit, oder ob sie es nicht wollen, wie im Krieg.“ (Pseudo-Aristoteles, Oikonomikos (1343a 25-b) zit. n. Finley, Antike; S. 142f )
Das berühmte Wort von Heraklit, „der Krieg ist von allem der Vater“, wird zu gern als nur metaphorische Weisheit über abstrakte Widersprüche in der Welt verstanden. Aber so wie Heraklit diesen Satz begründet: „Der Krieg ist von allem der Vater, von allem der König, denn die einen hat er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien gemacht“ (Heraklit, 50. Die Vorsokratiker I, RUB) ist eindeutig, dass Heraklit von blutigen, gewalttätigen und wirklichen Kriegen der Antike, nicht von einer frommen Metapher spricht.

Auch wenn der Räuber für sich selbst raubt und keinen Verkauf einleitet, ist ein Raubzug häufig Vorbedingung des Handels: Er liefert Kenntnis der Verkehrswege, der fremden Güter und ihrer Besitzer. Raubzüge senken das Risiko eines folgenden Handelsverkehrs. Im allgemeinen werden Raubzüge in der griechischen Welt dem Handel vorausgegangen sein und Seeräuberei blieb der ständige Begleiter des Seehandels. In der Mehrzahl waren diese Seeräuber Griechen, nicht Fremde. Der Historiker Thukydides schreibt über die griechische Frühzeit:

„Die Hellenen in alter Zeit und auch die Barbaren, die an den Küsten des Festlands und auf den Inseln wohnten, hatten kaum begonnen, mit Schiffen häufiger zueinander hinüber zu fahren, als sie sich auch schon auf den Raub verlegten, wobei gerade die mächtigsten Männer sie anführten, zu eigenem Gewinn und um Nutzung für die Schwachen; sie überfielen unbefestigte Städte und verstreute Siedlungen und lebten so fast ganz von Raub. Dabei brachte solches Tun keine Schande, sondern eher sogar Ruhm.“(Thukydides 1, 5, 1.) Raub brachte also nicht nur Reichtum und Ruhm für die Mächtigen, sondern auch Nutzen für die „Schwachen“ mit denen die Beute geteilt wurde.


Der erzählerische Spannungsbogen der Ilias entwickelt sich aus einem Streit um Beute zwischen Achill und Agamemnon. Und wenn die homerischen Helden aufeinandertreffen unterhalten sie sich gegenseitig mit ihren erfolgreichen Raubzügen. Achilles berichtet von seinen Heldentaten: „Zwölf Städte von Menschen habe ich zerstört zu Schiff und elf zu Fuß, sage ich, in der fruchttragenden Ebene von Troja. Aus allen diesen nahm ich viele edle Kleinodien mit.“ (Ilias 9, 328-331)


Odysseus erzählt bei einer Gelegenheit: „Von Ilion trug mich der Wind in die Nähe der Kikonen, nach Ismaros. Dort zerstörte ich die Stadt und tötete die Männer; die Frauen und viele Güter nahm ich mit aus der Stadt, wir verteilten sie, so dass mir keiner um seinen Anteil käme.“ (Odyssee 9, 39-42) Bei seiner Rückkehr in die Heimat berichtet er: „Neunmal führte ich Männer und schnelle Schiffe gegen Männer eines anderen Landes und sehr viel Beute fiel mir zu, von dem ich auswählte, was mir passte, und viel erlangte ich dann durchs Los.“ (Odyssee 14, 230-233) Und in der Unterwelt wurden die von Odysseus erschlagenen Freier seiner Frau nach ihrer Todesursache gefragt: „Regte Poseidon schwere Winde und hohe Wellen auf und überwältigte euch in euren Schiffen? Oder erschlugen auch feindliche Männer auf trockenem Land, während ihr Vieh und schöne Herden von Schafen zu erbeuten suchtet oder während sie ihre Stadt verteidigten und ihre Frauen?“ (Odyssee, 24, 109-113) Dabei handelte es sich fast um eine frühgriechische Standardfrage, denn sie wird an anderer Stelle bei anderen Toten wörtlich wiederholt. (Odysseus 11, 399-403) Eine ähnliche Frage wird häufiger an lebende Neuankömmlinge gestellt: „Fremde, wer seid ihr? Von woher kommt ihr die feuchten Pfade gefahren? Ist es eines Geschäfts wegen? Oder schweift ihr nur so hin wie Seeräuber über die Salzflut, die da umherschweifen und ihr Leben daran setzen, indem sie anderen Böses bringen?“ (Odyssee 3, 71-74 und öfter. vgl. Murray S. 76)


Auch nichtgriechische Quellen belegen griechische Beutezüge. Ein assyrischer Bericht meldet in den 730er Jahren v. Chr. ionische Überfalle an der phönizischen Küste (Die Ionier waren griechische Kolonisten an der kleinasiatischen Küste). Und für die Hafenstadt Asdod ist belegt, dass dort im Jahr 712 Rebellen niedergeschlagen wurden, die einen Ionier zum König gewählt hatten. Der musste über besondere kriegerische Erfahrung verfügt haben. (vgl. Boardman, S. 49)


Ohne überlegene militärische Ausrüstung und eine zahlreiche Gefolgschaft war an einen Raubzug nicht zu denken. Für eine erfolgversprechende Beutefahrt war also schon einiger Reichtum Voraussetzung. Raub- und Beutezüge waren eine aristokratische Form der Güterübertragung. Aber die Gefolgsleuten der kriegerischen Beutefahrer, die „Schwachen“ haben nicht nur etwas von der Beute abbekommen, sondern Seefahrt, Verkehrswege und Sitten und Gebräuche fremder Siedlungen und Völker kennen gelernt. Das war wohl der dauerhafteste Gewinn. Herodot spricht ausdrücklich davon, dass durch kriegerische Seefahrten die Adria für alle Griechen bekannt gemacht wurde: „Die Phokaier haben als erste unter den Hellenen weite Seefahrten unternommen, und sie sind es, die die Adria bekannt gemacht haben und Etrurien und Spanien und die Stadt Tartessos entdeckt haben. Sie fuhren nicht auf breiten Fracht-, sondern auf Kriegsschiffen.“ (Herodot, 1, 163) Es werden keine Ferienkreuzfahrten gewesen sein.


Aber schon Hesiod hatte betont, dass Raub und Beutezüge nur einen kurzfristigen und keinen nachhaltigen Wohlstand bringen, vor allem wohl weil die Rache der Beraubten droht: „Denn mag einer auch kraft seiner Faust große Güter erraffen oder zungenfertig erschwatzen... so stürzen die Götter leicht diesen Mann, lassen sein Haus schwinden, und kurze Zeit nur bleibt ihm der Wohlstand.“ (Hesiod, 320ff ) Für Hesiod ist es schon selbstverständlich, dass jemand mit einer Warenladung losfährt, nicht mit Kriegern. Der Inhalt attischer Gräber im späten achten Jahrhundert weist reichen Goldschmuck auf. Gleichzeitige bemalte Vasen zeigen Bilder von Seeschlachten mit gekenterten Schiffen. Die Töpferei des siebten Jahrhunderts kennt solche Motive nicht mehr. (vgl. Hopper..., S. 41) ??Aber noch rund 100 Jahre nach Hesiod wird in einer gesetzlichen Bestimmungen des Solon gesagt: „Was immer die ... Leute, die außer Landes gehen, um Beute zu machen oder Handel zu treiben, ... miteinander vereinbaren, das soll Geltung haben, soweit nicht staatliche Schriftstücke entgegenstehen.“ (zit. n. Gschnitzer, S. 79f ) Kollektive Raubzüge und friedlicher Handel werden hier von Solon gleichberechtigt auf eine Stufe gestellt.??Dass den Griechen klar wurde, dass Raub nicht die vorteilhafteste Form der Besitzübertragung ist, kann man bei Herodot nachlesen. Er erzählte die Geschichte von dem besiegten Krösus, dessen Hauptstadt von den siegreichen Persern geplündert wurde. Als Krösus das sah, fragte er den Perserkönig Cyrus, was seine Leute da machen. „Sie berauben deine Stadt und vernichten deine Güter!“ Krösus antwortete: „Sie berauben nicht meine Stadt und meine Güter, denn davon gehört nichts mehr mir. Sie rauben das, was jetzt dir gehört!“


Diese Parabel sagt nichts aus über Krösus oder Cyrus, aber viel über die geänderte Einstellung der Griechen zu Raub und Plünderung. Man hatte erkannt, dass es effektivere Aneignungsverfahren gibt, und bald wurde der Raub auch moralisch geächtet. Aber erst beim Philosophen Platon (427 – 347 v.Chr.) heißt es: „Besitzergreifung durch Gewalt ist schamlos“ (Platon, Gesetze 941b.)?? Aristokratische Geschenkkultur

Die Griechen wären nicht so erfolgreich gewesen, wenn sie nicht rechtzeitig in der Lage gewesen wären, frühere Feinde in Handelspartner zu verwandeln. Und das wäre ihnen nicht gelungen, wenn sie nicht gewusst hätten, sich Freunde und Verbündete zu verschaffen und diese Freundschaften und Bündnisse zu pflegen. Das sichtbare Zeichen von Freundschaft und Bündnis waren Geschenke. Sie erfüllten vielfältige Funktionen im Leben der Griechen. ??Geschenke unter Gleichgestellten

Unter Gleichgestellten besiegelten Geschenke eine Freundschaft oder ein Bündnis. So berichtet Herodot von Krösus, dem König von Lydien: „Weil Kroisos von allen diesen Dingen Nachricht hatte, schickte er Gesandte nach Sparta, welche Geschenke mit sich brachten und wegen eines Kriegsbundes Verhandlungen anbahnen sollten... Die Spartaner hatten auch schon vorher einige Gefälligkeiten von ihm genossen. Denn als sie nach Sardes schickten um Gold zu der Bildsäule des Apollon kauften, welche zu Larnax in dem lakedämonischen Gebiet noch steht, machte ihnen Krösus bei diesem Kauf ein Geschenk.“ (Herodot, 1, 69)


Unter Gleichgestellten können daher auch Geschenke erbeten werden. Einmal schien es dem Odysseus klüger, statt sofort mit leeren Händen heimzureisen, „noch durch mehrere Länder zu reisen und um Geschenke zu bitten.“ (Odyssee, 19, 284) ??Das griechische Wort „xenos“ bedeutete ebenso „Fremder“ und „Ausländer“ wie „Feind“ und „Gastfreund“. Es hing vom gegenseitigen Verhalten ab, welche Rolle der Fremde übernehmen konnte oder übernehmen musste. Als Odysseus auf seiner Irrfahrt auf den Riesen Polyphem trifft, bittet er den Riesen um ein Geschenk als Zeichen dafür, dass er Odysseus als Gastfreund annimmt. Darauf antwortete der spöttisch: „Ich will dich als letzten deiner Mannschaft verschlingen, das soll mein Gastgeschenk für dich sein.“ (Odyssee, 9, 370.) In einer Welt voller Fremde und Feinde waren Geschenke Ausdruck gegenseitigen Respekts, der erst friedlichen Verkehr miteinander erlaubte.??Für Geschenke wurde eine Gefälligkeit oder ein Gegengeschenk erwartet, es war also ein Güteraustausch wie ein Handel. Bei Aristoteles heißt es, dass „man dem, der uns gefällig gewesen ist, Gegendienste erweisen und auch seinerseits mit Freundlichkeiten begegnen muss.“ (Nikomachische Ethik 1133a 4-5.)

Bei Homer wird einer kritisiert, der den Sohn des vermeintlich toten Odysseus reich beschenkt hatte und damit einen „Kredit“ eingegangen war, der wahrscheinlich nicht „zurückgezahlt“ werden konnte: „Mit den Geschenken aber, die du zehntausendfältig dargereicht, hast du eine vergebliche Gunst erwiesen. Ja, wenn du ihn (Odysseus) lebend im Gau von Ithaka angetroffen hättest, dann hätte er es dir mit Geschenken gut vergolten und dich auch mit guten Gastgeschenken hinweggeschickt, denn das ist der Brauch, wenn einer damit vorangegangen.“ (Odysseus, 24, 283-86).

Die westliche Entrüstung über die Rolle, die Geschenke heute noch in China zur Anbahnung von Geschäften spielen, ist Ausdruck moderner kapitalistischer Denkweise, die vergessen hat, dass es früher auch bei uns normal und selbstverständlich war, dass man Geschäfte nicht mit Fremden, sondern nur mit „Geschäftsfreunden“ macht.


Im Unterschied zum Handel war es beim Schenken nicht Ziel, gleiche Werte zu tauschen. Der Wert eines Gegengeschenks repräsentierte nicht ein bestimmtes Quantum von Arbeitszeit, sondern den sozialen Status des Gebers und den Respekt, dem er dem Empfänger entgegenbrachte. Der Name des Gebers blieb daher immer mit einem Geschenk verbunden und verlieh ihm seinen Wert. (Odysseus 4, 613 ff, wiederholt 15, 113 ff ) So hatte z.B. Menelaos vom König von Sidon einen silbernen Mischkrug erhalten, den er später dem Telemachos weiterverschenkt, indem er ihm dabei die ganze Vorgeschichte des Kunstwerks erzählt, um seinen Wert deutlich zu machen. (Odyssee 15, 113-19)


Es war also nicht nur möglich, sondern die Regel, dass im Wert völlig unterschiedliche Dinge ausgetauscht wurden. Als Homer von so einem ungleichen Tausch auf dem Schlachtfeld vor Troja berichtet, missversteht er diesen Austausch als missglückten Handel, der den Tausch gleicher Werte zum Ziel hat. Daher lässt er sich zu einem bei ihm sonst seltenen persönlichen Kommentar hinreißen, um sein Unverständnis auszudrücken: „Aber dann nahm Zeus der Kronide ihm seinen Verstand, dass er seine goldene Rüstung mit Diomedes, ... gegen eine aus Bronze vertauschte, den Wert von hundert Ochsen gegen den Wert von neun Ochsen.“ (Ilias, 6, 234-236.)


Das Schenken konnte sogar zum aristokratischen Wettbewerb werden: „Die eine edle Frau und Tochter eines reichen Mannes heimführen wollen und miteinander streiten, die bringen selber als Schuldigkeit Rinder herbei und fette Schafe zum Schmaus für der Jungfrau Anverwandte und geben glänzende Geschenke.“ (Odyssee, 18, 274ff.) Dieser Brauch, die Eltern der Umworbenen zu beschenken, geht im klassischen Griechenland verloren. Statt dessen entwickelt sich der Brauch der elterlichen Mitgift für die Braut. (vgl. Murray, S. 56.)

Geschenke unter ungleichen Partnern
Geschenke hatten nicht immer den Charakter der Freiwilligkeit.
Bei Homer finden wir auferlegte Geschenke mit einem Beigeschmack von Strafe, so das Versöhnungsgeschenk Agamemnons für Achilles. Wir finden „Geschenke“, die Aristokraten dem Volk als Abgaben auferlegen, um ihre Ausgaben für Gastfreunde zu decken: „Lasst uns noch jeden ein groß dreifüßig Geschirr und ein Becken ihm verehren. Wir fordern uns dann vom versammelten Volke wieder Ersatz; denn einen einzelnen belästigen solche Geschenke.“ (Odyssee 13, 13-15.) Bei Hesiod hatten wir schon gesehen, dass er wegen solcher Bräuche die Könige als „Geschenkefresser“ verflucht.

Wir finden Geschenke, die als Darlehen gedacht sind. Als der Sohn von Odysseus sich von Noemon ein Schiff auslieh, rechtfertigte sich der hinterher, es wäre ja schwer, ein solches „Geschenk“ zu verweigern. (Odyssee 4, 651)
Hier ist als „Geschenk“ nicht eine dauernde Eigentumsübertragung gemeint, sondern eine zeitlich befristete Nutzung des Schiffes, eine Leihgabe.

Wir finden schließlich Geschenke, die als Tribut an einen Sieger zu zahlen sind. Immer verwendet Homer dafür das Wort „Geschenk“: So bietet Agamemnon als Versöhnungsgeschenk an: „Und sieben gutbewohnte Städte will ich ihm geben... Und dort wohnen Männer mit vielen Schafherden und Rinderherden, die ihn wie einen Gott mit Geschenken ehren werden.“ (Ilias 9, 149-155, wörtlich wiederholt in 9, 291-297)


Die Geschenkkultur des frühen Griechenlands übernahm also nicht nur soziale Funktionen, sondern erfüllte auch vielfältige wirtschaftliche Zwecke, die später von anderen Formen der Güterübertragung, der Steuer, dem Tauschhandel usw. übernommen worden sind. Dabei handelte sich nicht um eine spezifisch griechische Eigenart. Über das sogenannte Wüstentor der Stadtmauer von Ninive lesen wir in einer Keilschrift unter Sanheribs Herrschaft:
„Die Begrüßungsgeschenke von Schumuil und Tema kommen hier herein.“ (zit. n. Scheck, Weihrauchstraße S. 92.)

Die Ausdehnung der Geschenkkultur machte die Griechen mit der verlockende Welt fremder Kulturen und fremder Reichtümer in Kleinasien, Syrien und Ägypten bekannt, bevor sie in geregelte Handelsbeziehungen, dem Tausch gleicher Werte, mit diesen Ländern eingetreten sind. Aristokratische Raubzüge können da nur eine vorübergehende Form der Aneignung gewesen sein. Als zusätzliches und wichtigeres Element des Kontakts mit fremden Welten, an der sich große Bevölkerungsteile der Griechen beteiligten, entwickelte sich die Kolonisation. Damit machten sich die Griechen zu ständigen Nachbarn dieser fremden Völker.
Die Kolonisation ist das Erfolgsgeheimnis des wirtschaftlichen und kulturellen Aufstiegs des antiken Griechenlands.

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