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5. Treffen bei Stefan Beck

Autor:

Kunstraum multi.trudi
Hohenstaufenstr. 13-27
60327 Frankfurt

trudi-socialsoftware-1080517



1. Tag, Sa., 2. Mai 2009
Anwesen: Kurd, Antje, Stefan, Michael, Monika, Verena, Anastasiya, Ulli, Hardy

Gesprächspunkte:

mensch-maschine-kommunikation

Kurd: Mensch-Maschine-Kommunikation (MMK) eingeholt durch Mensch-Mensch-Austausch (MMA).

Nachdem um 1970 herum die zwanglosen Ideen der Kybernetik dem teleologischen Denken der Informatik geopfert wurden, setzte der Denkzwang des MMK-Paradigmas ein, der eine Menschengeneration lang zu erleiden war (Mensch/Maschine-Kommunikation). Anstatt sich über die Mannigfaltigkeiten menschlicher Bedeutungen zu verständigen, war während dieser Zeit die Welt nur in der Sprache dieses Focus zu besprechen und zu verstehen. Paradigmen wechseln nicht, sie schlagen um, wie jetzt zunächst glücklich die explosionsartige Ausbreitung des Social Web.

Die hohe Gesprächskultur von multi.trudi eröffnete im offiziösen Mensch/Mensch-Austausch noch weiter zu gehen, als die zwei Tage ermöglichten. Glänzend und übernehmenswert ist die multi.trudi-Artistik des 4 Stunden an einem Stück zu konversieren, es vermittelt sozialästhetische Intensität.


Allgemein: Der Gegensatz von Glauben und Wissen. Lösen elektronische Netzwerke ihn auf? Bin ich in ihnen nur noch auf Glauben angewiesen? In Bezug auf das, was andere von sich im Netz angeben und darstellen.

Quelle: Boris Groys spricht allgemein vom Zeitalter der Tautologie.

Kurd: [ob man den Begriff ‘Doxa‘ (griechisch Meinung) am Schluss dieses Absatzes einführen darf?] Was könnte ich haben, was speist mein urteilendes Zustimmen oder Ablehnen?: - ‘Meine Meinung‘, das klingt zu subjektivistisch und veränderlich; ‘Common sense‘, ‘herrschende Meinung‘ oder ‘Mainstream', das klingt nach Quote und opportunistisch.
Vom Common Sense lässt sich sein Synonym ‘gesunder Menschenverstand‘ unterscheiden: Praxiswissen, langfristige subjektive Erfahrungen, Wünsche werden von ihm umfasst. Aber ‘gesunder Menschenverstand‘ hat im herrschenden Common sense keinen guten Klang - wahrscheinlich, weil er alle emanzipatorischen Komponenten auf sich vereint.
Was sonst hätte ich, als den gesunden Menschenverstand, wo nach könnte ich mich richten ? Manches kann ich nachprüfen, das Meiste nicht, manche Personen, manche Institutionen sind mir vertrauenswürdig, manche nicht. (Die Forschergemeinschaft bildet keine Ausnahme.) Ich schätze - mal gewissenhafter, mal leichtfertiger.

Antje: Wenn ich mich recht erinnere, kam an beiden Tagen im multi.trudi das Gespräch darauf, dass viele Menschen sich im Netz total entblößen.
In unseren konversationellen Austauschen über die Jahrzehnte haben wir das ´sich exponieren´ kennen und schätzen gelernt.
Was ist der Unterschied zwischen sich exponieren und sich entblößen?
Das was uns konversieren lässt, ist die Frage nach „wie wärs denn schön“ und die Erfahrung „ich weiss allein nicht weiter“, ich brauche die Anderen. Unser Sensus Communis, der Sozialsinn also, erweckt in uns das Bestreben, das was uns beglückt, was wir schön finden, als außer uns, als allgemeiner darzustellen und mit anderen zu teilen. Das bedeutet auch, dass wir uns den Anderen exponieren, uns unwillkürlich mit unseren Stärken, Schwächen und Anderweiten zeigen, in der Hoffnung, Resonanz zu finden.
Das Gegenteil ist manchmal nur Milimeter weit davon entfernt und zeigt das Paradoxe des Sozial- oder Gemeinsinns auf: wenn wir den Anderen imponieren wollen – und das imponieren wollen scheint im absichtlichen ´sich entblößen´ zu liegen - benutzen wir sie. Die Anderen sind Publikum, sind Schattenkulisse, neben der das helle Licht unseres Egos umso aufdringlicher strahlen kann.




DAS KONVERSATIONSSPIEL DES 1. TAGES:
Neben dem Konversieren mittels Worten haben wir uns auch im Medienwechsel ausgetauscht, um auf andere Assoziationsebenen zu kommen und das poetische Potential (die Surrealisten sprachen von “Steigrohren des Unbewussten“) zu wecken.
JedeR Beteiligte schrieb auf ein Blatt Papier ein Wort, Satz oder ein Gedicht und reichte es nach links an die/den NächsteN weiter. Sie oder Er ließ sich zu einer Visualisierung anregen, knickte den Ausgangstext nach hinten und reichte weiter. Der/die Nächste antwortete mit Wort, Satz oder Gedicht und reichte wieder nur den aktuellen Stand weiter. Auf Text folgte Bild und auf Bild Text. Nach 6 Durchgängen war das Blatt voll. In der Retrospettiva sahen wir uns gemeinsam die Mitschnitte an. Nachfolgend einer der 9 Mitschnitte (Die Ergebnisse der Spiele sind für Beteiligte von Bedeutung, für Aussenstehende scheinen sie meistens nur “eine Explosion des Quatsches“):



Heute

Uploaded Image: rad.jpg
Sie hatte keine Lust an diesem heißen Tag radzufahren, legte sich neben eine Pfütze hin und schaute sehnsüchtig auf das dunkle Wasser.

Uploaded Image: pfuetze.jpg
Mutter hatte wie immer völlig recht! Wenn man beim Rad fahren von der Liebe träumt, unternimmt man/frau zwangsläufig eine Reise ins Nirwana. Vater sieht das so ähnlich, ist aber, zumindest heute, milder gestimmt.


Uploaded Image: froh.jpg



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2. Tag, So., 3. Mai 2009
Anwesen: Kurd, Antje, Stefan, Michael, Florian, Felix, Helga, Rudi

Florian: Spricht ein lange zurückliegendes Interview (1998) mit Stefan an. Darin hatte Stefan in Bezug auf das Internet und elektronische Kommunikation erklärt, es gäbe mehr Sender als Empfänger. Ist das wahr? Wird dadurch Austausch erschwert?
Kurd: [Dass sich das überkommene Verhältnis jemals umkehren könnte, so wie es gekommen ist, war wohl sehr wenigen vorstellbar. Duchamp und die Partizipationskünstler haben einseitig die Rolle des Publikums und nicht zugleich vor allem ihre eigene Rolle gewandelt - mag sein, dass es zu viel verlangt ist. Die Künstler der digitalen Kunst kommen heute schon gar nicht mehr auf die Idee, diese Frage zu thematisieren.]

Allgemein: Was ist ein Produkt? Wer ist ein Produzent? Was heißt Produzieren?

Kurd: Unser Gespräch hier ist keine Produktion! Eine Nachricht ist kein Produkt, sie ist Bedeutung über welche man übereinkommen kann, die aber nicht produziert wird - ausserdem ist sie wesentlich immateriell.
Im informateriellen Feld sind Wörter wie 'Produktion' Metaphern - ja man geht nicht falsch, sie Gruppensprache einer zwanghaft ökonomistischen Ideologie-Gemeinschaft zu nennen. (Ich wünschte auch mittelalterliche Gemälde zum plausiblen Erklären meiner Meinung [wenn ich so schreiben darf, Doxa] heranzuziehen, aber das gelang nicht so einfach.)
[Neben Materie und Energie ist Information seit gut 50 Jahren ein Grundbegriff.]

An beiden Tagen stand die Frage im Raum, warum Menschen in sozialen Netzwerken so viel von sich preisgeben? Dinge, die sie normalerweise Fremden nicht mitteilen würden.

Quellen dazu:

Stefan: An beiden Tagen stand teils das Problematische teils das Frag-Würdige an Sozialen Netzen im Raum. Was kaum angesprochen wurde, war die Frage nach dem emanzipativen Potential Sozialer Netzwerke. Also, wie könnten sie positiv eingesetzt werden?

Könnten Soziale Netzwerke Hilfsmittel sein, Anerkennung gerechter zu verteilen?

In vielen Fällen (und nicht nur im Kunstbetrieb) werden Entscheidungen willkürlich und intransparent für die Beteiligten getroffen. Könnte es möglich sein Soziale Netzwerke in Richtung auf mehr Demokratie zu nutzen?

Beispiel: Die Vergabe eines Kunstpreises oder eines Stipendiums. Anstatt einer Jury, die hinter verschlossenen Türen tagt, entscheiden alle Beteiligten mittels eines sozialen Netzwerkes offen und transparent, wer in den Anspruch der Begünstigung kommen darf.




Uploaded Image: 2.tag.jpg

DAS KONVERSATIONSSPIEL DES 2. TAGES:
Ausgeteilt wurden Papier und Filzstifte. JedeR fing an, auf dem Blatt Papier einen kurzen Satz zu schreiben, knickte den Satz nach hinten weg und schrieb ein erstes Wort sichtbar in die neue Zeile, das die/der Nächste zu einem Satz ausformulierte, usw. bis das Blatt voll war. Nachfolgend der Mitschnitt:
Twitter kennt nur 140 Zeilen und
zwingt Andere nicht unter eure Perspektive.
Dennoch kam ich heute hier her.
Aber geht das nicht viel zu schnell,
wenn wir den kommunikativen Aspekt hervorheben.
Der Kunstbetrieb ist mehr Betrieb als er sein will.
Gewerkschaft, Liebe, Hoffnung auch du bist Mensch.
Warum

Verloren im Digitalnebel und
einsam ist nicht heilsam.
Kleidsam muss der Körper sein
organlos, hirnlos, herrenlos, heimatlos, wortlos.
Nebulös äußerten sich so manche Teilnehmer.
Wohin: zu Transparenz und Glaubwürdigkeit,
damit seit der Zeit Kunst in der Gesellschaft ankommt.
Schön sein.

Was ist am Konversieren denn Kunst?
Aber das Dialogische erzeugt Gemeinsames und
Verdichtung muss in medialer Transparenz münden,
nur dann kann dieses Produkt im Kunstkontext gesehen werden.
Fälschlicher Weise lassen wir Zeit vorwärts laufen.
Dimension Mensch ist ein hohes Gut.
Allein machen sie uns ein.
Das Sein ist in Gefahr.

Wir machen frisch günstig.
Ihr seid jetzt alle Künstler.
Stillschweigend stellen sich Übereinkünfte her.
Selbstredend: Die Fülle der Informationen sind erschlagend
und dann zurück zur Radiotheorie
mit dem Zweck der Kontextualisierung.
Prozessorientierung mit Negationssystem wäre dufte.
Radar macht klar

Arbeit Macht Freiheit.
Diffus ohne Trennschärfe
und ein Pfund Treue statt
Schläue gilt nicht mehr im Spiel,
wenngleich nicht alles Kunst ist, was Worten gleicht.
Soziales Empfinden als solches fing wieder an zu gedeihen.
Oder? Es besteht noch Hoffnung.

D.E.M.O. kann heißen: DIE EIGENE MEINUNG ORGANISIEREN.
Prozesse laufen vage ...
Schnell zum Zwitschern,
hopp hopp, ich fliege durchs Medium.
Massen bevölkern das Internet,
besinnungslos macht Informationsüberfluss.
Lebensfroh und gestärkt verließen sie den Reim.
Warum sollen alle alles sehen können?

Wenn es aber nur noch Sender und keine Empfänger gibt –
wäre das so, könnte ein Medienwechsel gut tun
um den Medienwechsel im virtuellen Raum zu leisten.
Nein! – Danke.
Bitte warten. Bitte warten. Bitte warten.
Bitte Twitter hinter Gitter.
Gefangen im eigenen Ich,
sodann stürzen wir uns ins soziale Netzwerk.

Transparenz erzeugte keine sozialen Netzwerke.
Deshalb frage ich nach der Kunst im Prozessualen.
Das Internet ist ein Haufen an Individuen –
Selbst ist der Mann und die
Frau Karen kommuniziert.
Allein wird Einsamkeit total,
an sich ist das Miteinander schön.
Allein