View this PageEdit this PageAttachments to this PageHistory of this PageTop of the SwikiRecent ChangesSearch the SwikiHelp Guide

Belanglosigkeit

Autor: offen
Wenn der Kontext (wie im Stichwort Andere, der) eine positive Verwendung der Begriffs "belanglos" nahelegt, wird etwas aufgedeckt: die fragwürdige Selbstverständlichkeit, mit der das als "belanglos" Bezeichnete weder den Sprecher interessiert noch die, an die er sich wendet, zu interessieren hat. Das Belanglose wird sozusagen aus der Dialektik der Qualität herausgenommen: es wird weder bejaht noch richtig abgelehnt. Die Schmähung, die es trifft, wird im selben Zug vertuscht. Das gibt natürlich zu denken.

Ein wohl zufälliger Anklang, neben dem drohenden "belangen", auch ans "Gelingen"; was gelang, ist von Belang, was also nicht gelang, belanglos.

Das Belanglose steht in einem interessanten Gegensatz zu jedem inauguralen Verhältnis, dass zum Beispiel Künstler oder Autoren einer Sache, die geformt wird, gegenüber annehmen, bloss schon durch die Tatsache des bestimmten In-Angriff-Nehmens. Fast unmöglich, absichtsvoll das Belanglose hervorzubringen, da jede Wahl durch das mitschwingende Feld der Möglichkeiten wenn nicht konditioniert so doch gefärbt ist. Eine Option wird es vielleicht dann, wenn es um die Negierung der Kunst als Teil des Betriebs geht.

Eine Möglichkeit, aus dem Konzeptuellen bekannt, ist die Anwendung eines Systems, das sich im Ergebnis nicht unmittelbar abbildet, also einen festen strukturellen, aber oft undurchsichtigen Zusammenhang stiftet. Ich denke an John Millers 'middle of the day' Fotos: Alle zur Zeit der Mittagspause der Angestellten, wo immer sich Miller befand, aufgenommen, und anspruchslos Orte aus deren Radius zeigend. (Nebenbei eine Kunst, die sich mit der Rolle eines Freizeit-Künstlers vertrüge.

Das belanglose Objekt hat natürlich seine Geschichte in der Kunst. Seit dem Impressionismus zeigt die Wahl des gemeinen, belanglosen Sujets eine bewusste Spitze gegen den symbolischen Gehalt, das transparente Bedeutenwollen. Dennoch nistet Bedeutung überall, gerade im Akt solcher Negation.

Dem vollends Belanglosen muss also ein Unmögliches gelingen wie der Frau im Märchen, die den Ort weder zu Fuss, noch im Wagen oder reitend, weder bekleidet noch nackt betreten durfte, um ich weiss nicht welchen Preis zu gewinnen: sie kommt in ein Fischernetz gewickelt, vom Schwanz eines Esels hängend.

Das Belanglose saugt Bedeutung auf. Es verwandelt sich durch eine Annotation, Legende oder das übergreifende Konzept, wo dieses erschlossen oder expizit mitgeliefert wird. Dabei kann z.B. jedes einzelne Element belanglos bleiben, ihr Zusammenhang aber ein Mehr (nicht notwendig einen Belang) erzeugen.

Der Belang wäre also der enger eingegrenzte Bezirk einer bestimmten Bedeutung, und würde sich als Folge einer bestimmten Perspektive ergeben, z.B. einer Kritik des Kapitalismus und der Lebensform, die er bedingt. Oder, in einem anderen Diskurs, sei eine öffentliche Skulptur von Belang, weil sie sich in das als gegeben verstandene soziale Umfeld der Mittagspausierenden positiv einfüge, sich zum Sitzen, Verweilen, Füssekühlen, Klettern und Sandwich-Verzehren eigne, usw.

Am Belang stört also eine fehlende Offenheit (die aber auch nicht ideologiefrie ist), eine Offenheit, die in dem Belanglosen zurückkehrt (siehe noch einmal Andere, der)
Detlev Fischer

-----------

Links to this Page