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Medien



Autor: Bernhard H.F.Taureck © taureck
// K.A. 14 Aug 03
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Hallo, Masken! Darf ich mitreden? Ich nenne mich ‘Agente‘. Sie müssen wissen, ich kannte Es schon, als Es sich noch als ‘Makler‘ verstand.

Nicht wahr, Du hast immer nach beiden Seiten schön getan - und von beiden kassiert.
(Trotzdem hast Du als Freiberufler weniger verdient, als ich Angestellter.)
Mich wollen die Leute, die wissen, was sie wollen.


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Agente: Weissnichtwie betoerende Gesänge! {Aesthetik, sophistische}
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Agente: ‘Autopraxis‘, o.k., ich habe Auftraege, das ist nicht meine Welt.

Mousiker: Hallo, das ist meine Welt: ‘Autopraxis‘, welch Wohlklang in unserer Zeit!
Agente warte doch noch, ich ueberhebe mich nicht ueber Dich!

So wie Medium spricht, erinnere ich mich, was mein Prof. uns ueber Cézannes Arbeitsweise sagte, die Bilder waren in jedem Stadium fertig, weil er gleichzeitig ueberall auf der Bildflaeche malte.
Wir nennen das die ‘Cézanne-Methode‘. Und Cézanne soll, las ich bei Bernhard, das ist mit dem eben gesagten stimmig, den Begriff ‘Modulieren‘ anstelle von ‘Komponieren‘ benutzt haben.
(modus= Art und Weise; -ponere= [fest-] setzen, stellen, legen.) Agente und ich modulieren hier auch.

Was auch immer noch zu sagen sein wird, ich finde, dass (das Medium) das Mittlere, etwa ein Paradigma, uns nicht genügend Spielraum laesst. Ja anfangs, wenn das Paradigma wechselt, wenn es flimmert, im Interregnum ist es schoen, da kann ich mitentscheiden, ‘alles‘ ist noch unentschieden - jedenfalls war es in den 80er Jahren so.

Das Internet hat uns nach Urbino gezogen und zur Praxis mutuelle Conversation.

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Medium -s,…ien u.…ia …: 1. vermittelndes Element: "in dem durch das M. Geld gesteuertem System der gesellschaftlichen Arbeit"…; 2. a)Einrichtung, organisatorischer u. technischer Apparat fuer die Vermittlung von Meinungen, Informationen od. Kulturguetern …; b) Unterrichtshilfsmittel…; c) … Werbetraeger. 3. etw., worin sich bestimmte Vorgaenge abspielen, Traeger bestimmter, insbes. physikalischer od. chemischer Vorgaenge… 4. jmd. der fuer (angebl.) Verbindungen zum uebersinnlichen Bereich besonders begfaehgt ist5. Mittelform zwischen Aktiv u. Passiv (bes. im Griechischen), der in anderen Sprachen die reflexive Form entspricht
(Mayers Enzyklopaedisches Lexikon. Deutscher Wortschatz. Bd. 31)

Medium wird in der beruechtigten ‘Kommunikationskette, Expedient=>Medium=>Rezipient‘ weitgehend als Kanal verstanden.

Ende der Unentschiedenheit: Medienevolution als Erfüllung eines versteckten Wunsches der Neuzeit?

Was würden Sie tun, wenn sie die unmöglich scheinende Möglichkeit erhielten mit dem MEDIUM ein Gespräch zu führen?

Halt! Ich muss Sie, liebe Leserinnen und Leser, ich muss Sie um Entschuldigung bitten. Das MEDIUM sitzt mir bereits gegenüber…Die Gelegenheit kommt vielleicht so rasch nicht wieder…

Guten Tag also. Ja, ich möchte mit der Frage beginnen, wie Sie, der sie sicherlich unsere Diskussion um die Medien kennen - Diskussionen um die Frage, ob die Medien wie Fernsehen und Computer Sinn bilden, speichern und übermitteln, ob sie nur vorgegebene Signifikationen neu akzentuieren, ob sie sich in einer technischen und sozialen Evolution mit unbekannter Zukunft befinden – mit der Frage, wie Sie sich—

MEDIUM: Bitte fragen Sie kurz und präzise.

Frage: Wie definieren Sie sich selbst?

MEDIUM: Als Mittleres zwischen anderem, das aber vielleicht dahin tendiert, nicht nur Mittleres, sondern Umfassendes zu werden.

Frage: Das ist interessant. Inwiefern sind Sie denn ein Mittleres?

MEDIUM: Als Medium. Wir leben in einer re-latinisierten Welt der Benennungen. "Medium" ist das lateinische Wort für "Mittleres".

Frage: Und Sie sind der Ansicht, nicht nur Mitte, sondern auch Umfang zu werden, eine Art Kreis?

MEDIUM: So ist es.

Frage: Haben Sie dafür ein Beispiel?

MEDIUM: Nichts leichter als das. Da schreibt jemand an einen Bekannten eine E-mail.

Frage: Und weiter? Der eine ist der Sender, der andere der Empfänger und das Internet ist das Mittlere zwischen ihnen.

MEDIUM: Und das beide Umfassende.


Frage: Die User sind also Teil des Mediums, sonst nichts?

MEDIUM: Dazu tendieren wir.

Frage: Gilt das aber nicht auch zum Beispiel für einen Pianisten, der seine Angst vor dem Auftritt erst in dem Moment verliert, wo er zu spielen beginnt?

MEDIUM: Sicherlich. Alle bisherige Medialität dürfte in die Evolution der Medien von heute aufgehen. Das war ja auch in der Vergangenheit nicht anders. Zuerst war das Sprechen, dann kam das Schreiben, das ein Schreiben des Gesprochenen war und zugleich eine neue Konzentration der Sprache. Heute entwickelt sich die Künstliche Intelligenz, worunter nicht etwa einzelne, menschen-analoge Geniecomputer zu verstehen sind, sondern gleichzeitige Kommunikation über große Entfernungen. Es ist wie in jenem Gleichnis Buddhas, wo alle großen Ströme in das Meer fließen und im Meer ihr Sonderdasein verlieren.

Frage: Muss man das glauben, auch wenn man es nicht versteht?

MEDIUM: Das interessiert deshalb nicht sonderlich, weil die Menschen stets mehr glauben, als sie verstehen. Aber Sie haben gar nicht Unrecht, es existiert ein Unterschied der heutigen Medien zu Sprache, Buch, Schallplatte, Film. Die neuen Medien sind immer entschieden.

Frage: Wie, bitte?

MEDIUM: Wir müssen es noch lernen. Das Internet ist stets entschieden, es gibt kein Drittes zwischen 0 und 1. Der User aktiviert nur Entscheidungen. Und das wird nur der Anfang sein.

Frage: Anfang wovon?

MEDIUM: Von der Erfüllung eines eher verborgenen Wunsches der Neuzeit. Dieser Wunsch lautete: Beendigung der Unentschiedenheit. Sprechen und Schreiben bedeutete und bedeutet noch immer eine Freiheit der Wortauswahl auf der so genannten paradigmatischen Achse. Wir können uns heute jedoch bereits vorstellen, dass eine Zeit kommt, in der unsere Welt zu etwas wird, was in der Tradition mit jener Metapher des Buches der Natur noch sehr vorläufig bezeichnet wurde. Alles, was wir erkennen und verstehen können, wäre demnach ein Buch. Diese Metapher durchzieht das Mittelalter und die gesamte Neuzeit. Galilei behauptete, das Buch der Natur sei mit mathematischen Zeichen geschrieben. Für die Medialität der Zukunft reicht die traditionelle Buchmetaphorik jedoch nicht mehr aus. Künftig nämlich wird die Welt wie ein Buch sein, dessen Texte ständig andere und dennoch ständig fertige Texte sind. Wir beobachten das bereits heute an den ständig geänderten Webseiten, die gleichwohl stets fertig sind. Dieses Fertiggestelltsein im Wechsel oder dieser Wechsel im Fertiggestelltsein, das ist die Beendigung der Unentschiedenheit und die Wende zur beständigen Entschiedenheit. Die alte Buchmetaphorik war metaphysisch und drückte die Erwartung aus, dass im Grunde alles erkennbar angeordnet ist, was der Fall ist. Gleichzeitig schrieb man seine Texte noch in das Offene hinein und musste mühsam jedes Wort, jeden Satz entscheiden. Die künftige Welt wird

medialistisch sein. Medialistik wird Metaphysik ablösen in jenem paradoxen Fertiggestelltsein im Wechsel oder Wechsel im Fertiggestelltsein.
Man hat fälschlich die Tendenz zum Verlust der Ferne und die Herstellung von Gleichzeitigkeit als verborgene Tendenz der Moderne vermutet. Diese Tendenz besteht in der Tat. Sie stellt jedoch nur das Instrument bereit für die Herbeiführung einer allgegenwärtigen Entschiedenheit. Genau dies war der Wunsch von Descartes, nachzulesen in seiner Abhandlung über die Leidenschaften. Eine passende kommentierte Ausgabe gibt darüber leicht Auskunft. Der Philosoph Alain hat Descartes im 20. Jahrhundert Schützenhilfe gegeben. (Descartes, Les passions de l’âme, 3.170 und Alain, Propos sur le bonheur, Gallimard : Paris 2003, Nr. 88f.). Die Unentschiedenheit oder Unentschlossenheit (irrésolution) sei eine Art Furcht und beruhe teils auf dem zu starken Wunsch, gut zu handeln oder auf mangelnder Klarheit und Deutlichkeit der verwendeten Begriffe. Bei Alain wird die irrésolution dann zum größten aller Übel. Beide konnten nicht wissen, dass ihr Kampf gegen die Unentschiedenheit in eine Medienrevolution münden würde.

Frage: Die Philosophen dachten offenbar lediglich an Techniken der Selbstbeherrschung. Sie wollten Menschen, die sich zu etwas entschließen, die sich entscheiden und entscheiden können?

MEDIUM: So ist es. Was jenseits ihrer Möglichkeiten lag, war, dass dies einmal in ein sich selbst genügendes Gefüge übergehen würde. Übrigens ist die Medialität

keine Autopoiesis, sondern eher eine Autopraxis. Die Benennungen sind jedoch alle noch arbiträr. Aristoteles verstand unter poíesis ein Herstellen, dessen Produkte ihren Zweck außerhalb ihrer haben. Eine Kerze beispielsweise dient der Beleuchtung, sie hat ihren Zweck nicht in sich selbst. Unter prâxis verstand er diejenigen Handlungsweisen, die ihren Zweck in sich selbst haben, das heißt die Tugenden. Man ist beispielsweise nicht großzügig um etwas anderen willen, sondern der Zweck der Großzügigkeit erfüllt sich in der Großzügigkeit. Es folgt, dass ein als Autopraxis verstandenes Medium gleichfalls nicht wie Tisch, Schuh, wie eine Kerze anderen Zwecken dienen, sondern sich selbst genügen.
Hinsichtlich des Übergangs von heroisch-individueller Entschlossenheit in eine autopraktische Medialität besitzen wir übrigens ein einzigartiges literarisches Dokument, auch wenn weder ihr Verfasser noch seine Leser dies bis heute so gedeutet haben.

Frage: Wen oder was meinen Sie?

MEDIUM: Man stelle sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen sehr gebildeten Menschen vor, groß, stark, lebensfroh, lebenstüchtig, Mitte zwanzig. Er findet sich plötzlich in einem der sichersten Gefängnisse der Erde wieder, dessen Insassen dort bis zu ihrem Tode ausharren, da zu entkommen unmöglich war, unmöglich ist und unmöglich sein wird. Die Schuld des jungen Mannes wird niemals aufgeklärt werden. Dieser Mensch will trotzdem fliehen. Er entscheidet: Da ich unschuldig inhaftiert bin, suche ich meine Freiheit, auch wenn ich es mit dem Tod bezahlen muss. Die Gefangenen haben täglich 30 Minuten Ausgang in der Dachbodenetage des Gefängnisses. Sein Bericht der Ereignisse überbietet in Spannung, Genauigkeit, Umsicht, Humor, Menschenkenntnis und literarischer und philosophischer Bildung viele unserer besten Romane. Er soll hier daher nicht verkürzt zusammengestellt werden.
Eines Tages, so berichtet er von einem Ausgang auf dem Dachboden, "hefteten sich meine Augen auf einen langen Riegel, der auf dem Boden lag und ich betrachtete ihn wie eine Offensiv- und eine Defensivwaffe (comme arme offensive et défensive)". Dies und genau dies markiert den faktischen Übergang individueller, heroischer Entschiedenheit zu einer sich selbst generierenden Medialität. Man kann die weitere Geschichte als individuelle Wiederholung der Entstehung des homo faber verstehen. Ein Wille zur Befreiung und die Arbeit an einem Werkzeug ergeben einen Ausbruch aus dem sichersten aller sicheren Gefängnisse. Wir wissen, dass diese völlig unwahrscheinliche Flucht gelang. Der Eisenriegel wird zu einer spitzen Waffe mit acht pyramidalen Facetten als Spitze ("un esponton"). Er durchbohrt viele Wände, es erfolgt ein Komplott mit einem andern Gefangenen, man erreicht bei Nacht das Dach und es gelingt der atemberaubende Einstieg in ein Fenster des anschließenden Staatsarchivs. Alles unmöglich ohne Einsatz des "esponton". Der Ausbruch findet statt, jeder Wahrscheinlichkeit spottend. Der "esponton" wird in der Folge des Ausbruchs noch mehrfach zur Drohung als Waffe oder Schaufel eingesetzt.
Wir können dies alles nachlesen, es handelt sich um Giacomo Casanova de Seingalt und seine Flucht aus den so genannten Bleikammern Venedigs. (Casanova, Histoire de ma vie , vol. 4.14ff.) Casanovas Fluchtgeschichte ist jedoch zugleich die Geschichte eines Wendepunktes der Mediengeschichte. Casanovas Bericht weist selbst in diese Richtung: Zu keiner Zeit weiß er im Voraus, wie sich mit Hilfe der Eisenstange die Flucht herbeiführen lässt. So ist der Entschluss auf das Dach zu steigen gleichsam noch blind, und der Komplize will gar aus dem Unternehmen aussteigen, als er bemerkt, dass statt man statt in die Freiheit auf das Dach steigt. Es ist die Eisenstange, die gleichsam nach und nach den Weg weist, es ist das Mittel, das Medium, das die hellsichtige Entschiedenheit des Mannes gleichsam von einem Punkt des Erfolges zum anderen treibt. An der zitierten Stelle blickt ihn der Eisenriegel ja auch bereits so an, als wäre er etwas anderes, eine Waffe des Angriffs und der Verteidigung. Die zum Erfolg führende Entschiedenheit wird vom Medium getragen, der Befreiungswille allein hätte nur zu Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung geführt. Diese Deutung, um es zu wiederholen, ist in dem Geschehen selbst und für Casanova nur verborgen enthalten. Sie ist gleichsam ebenso darin versteckt wie der "esponton" zum Komplizen transportiert wird: In Papier eingehüllt im Rücken einer Bibel steckend, jedoch daraus etwas hervorragend. Der Wärter, der die Bibel zu dem Komplizen trägt, wird jedoch durch eine geniale List davon abgehalten dies zu bemerken. Casanova lässt seinem Mitgefangenen einen Teller mit Maccaroni (die damals noch eher eine Gnocchi waren) bringen, gießt jedoch so viel Butter über sie, dass der Wärter ausschließlich damit beschäftigt ist und ausdrücklich instruiert wird, keine Butter auf die Bibel tropfen zu lassen. Der Transport des Mediums zu seinem weiteren Einsatz auf dem Wege einer List folgt damit einer alten griechischen Semantik, die Werkzeug und List (als "mechané") verband. Hegel formte daraus seine berühmte und berüchtigte Metapher "List der Vernunft", welche die Wendung zur autopraktischen Medialität philosophisch begleitete.

Frage: Das werde ich alles nachlesen! Doch wenn Ihre Deutung zuträfe, dann wäre dies auch gefährlich, oder nicht?

MEDIUM: Die Evolution ist nicht gefährdet. Wer oder was soll durch das medialistische Ende der Unentschiedenheit gefährdet sein?

Frage: Heißt das Ende der Unentschiedenheit nicht auch: Verbot der Stimmenthaltung? Heißt es nicht auch Bestrafung in Erziehung und Studium für Menschen, die Zwischentöne mögen, die zweifeln, die schweigen? Soll das Humanum des Wartens, des Zögerns, des Zweifelns, der Zurückhaltung im Zuge einer progressiven Medialisierung der Schulen und Hochschulen abgeschafft werden? Und noch eine Frage: Setzt die permanente Entschiedenheit der Medien nicht voraus, dass die Menschen indifferent werden und werden sollen und nur noch eine Art der Entscheidung kennen, nämlich die Pseudoentscheidung User zu sein, ein Leben, in dem das Dasein zum Suchtphänomen wird?

MEDIUM: Ich verstehe Ihre Fragen nicht. Das immer entschiedene Medium folgt der Gleichungsreihe Entschiedenheit=Erfolg=Entschiedenheit=Erfolg usw.

Frage : Und wenn alles ein Irrtum ist?

MEDIUM: Wenn Alles Irrtum ist, dann fällt "Irrtum" fort und Alles ist dann lediglich Alles.

Frage: Wie weiter?

Das Medium steht nicht mehr zur Verfügung. Meine Fragen, liebe Leserinnen und Leser, meine Fragen stehen noch im Raum.




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