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Cnversationsspiele. #Conversationskunst kultivierte über 300 Jahre Conversationsspiele in den Salons, die uns z.T. überliefert sind. Diese Zeit umfasst:
Italien, Renaissance. Für diese Epoche steht beispielhaft Elizabetta #Gonzagas unterhaltsame Runde in Urbino um 1500, bei der man im Kreis zusammensaß. Männer und Frauen abwechselnd, soweit dies die Anzahl der Damen, »die immer geringer war als die der Männer, erlaubte.« Die TeilnehmerInnen schlugen conversationelle Spiele vor, die von der Gruppe verworfen oder angenommen wurden. Baldassare #Castiglione hat dies im Einzelnen in seinem »Il cortegiano« q1 beschrieben.
Frankreich, Barock. Die französischen Salonkultur (ab 1610) trat »das Erbe einer Spielkultur an, die über [... die erste französische Salonière, Cathérine de #Rambouillet] und über Charles Sorels "Maison des ieux" (1642) aus dem Italien der Renaissance nach Frankreich vermittelt worden war.« q3 Ein sehr beliebtes Spiel aus den Anfängen war das im Salon Rambouillet initiierte "Portraitmalen".
Frankreich, Übergang Barock / Rokoko. Jeder der immer zahlreicher werdenden Pariser Salons entwickelte, geprägt durch die jeweilige Salonière, spezielle Gewohnheiten im Umgang miteinander und Vorlieben für bestimmte conversationelle Spiele. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts führte die Herzogin du #Maine einen geschichtsträchtigen Salon auf Schloß Scéaux, begründet als "Akademie der fröhlichen Wissenschaften" q3.
Frankreich, Rokoko. Das Rokoko führt die Tradition der Conversationsspiele weiter. In den Spielen wird das Vergnügen an Geistesblitz und Geistesschärfe deutlich. Darüberhinaus waren spielerische Modetorheiten beliebt, wie sie für den Kreis um Mme. du #Deffand beschrieben werden.
Neun Conversationsspiele:
A. Renaissance
- 1- Ein Spiel, das Castiglione dem Gaspar Pallavicino zuschreibt, hatte folgende Regel: ein jeder möge »die Tugenden angebe, deren Schmuck er am liebsten am geliebten Wesen sähe, und weil denn jeder Mensch seine Fehler haben muss, auch die Fehler nennen, die ihm am wenigsten mißfielen.« Auf diese Weise konnten alle erfahren, welches die Vorzüge und darüberhinaus die gerade noch tolerierbaren Laster waren. Die Runde ermittelte auf diese Weise eine Art Charakterbild des Renaissancemenschen.
- 2- Ein anderes Spiel, von Unico Aretino vorgebracht, bezog sich auf Elisabetta Gonzaga, die einen Skorpion als Stirnband trug. »... jeder von uns soll sagen, was er über die Bedeutung des Buchstabens S denkt, den die Frau Herzogin an der Stirne trägt.« Er beschieb es selbst als Erster in einem kunstvollen Sonett, bei dem die Wörter fast nur mit S beginnen, so dass niemand an eine Improvisation glaubte.
- 3- Federico Fregoso schlug ein drittes Spiel vor, bei dem einer aus dem Kreis Bedingungen und Eigenschaften eines vollkommenen Hofmannes darstellen sollte. Die Spielregeln entstanden danach im Einzelnen in der Gruppe. Die entschied sich ausdrücklich für denjenigen, der dieser Aufgabe am wenigsten gerecht werden konnte, um dadurch Widerspruch hervorzulocken und Diskussionen anzuzetteln.
B. Barock
- 4- Das Spiel des "Portraitmalens" im Salon Rambouillet wurde von Marie de #Monpensier aufgenommen und von Madeleine de #Scudery zur Blüte gebracht. Es ging um Selbstdarstellung oder Portraitierung Anderer mit Worten. Dabei konnten beziehungsreiche Namen aus der griechichen Mythologie verwendet werden, wobei der Rang der Figur dem Stand des jeweils Portraitierten angemessen zu sein hatte. Im Enträtseln bestanden Aufgabe und Vergnügen. Diese Art Unterhaltungsspiel knüpfte »zwischen Personen ein Netz sich kreuzender Linien. [...] Der kleine Kreis der Portraitierten [...] nahm mit Einspruch oder neuer Nuancierung aufeinander Bezug.« q4 »Man suchte mit liebenswürdiger Aufmerksamkeit Rechenschaft über alle Charaktere im Freundeskreis zu geben. Die literarischen Portraits, die La Bruyère [bei Mme. de Rambouillet] zu klassischer Vollendung brachte, waren hier allgemeines Gesellschaftsspiel [...]. Somaize schildert z.B. Maria Mancini als das Ideal der jungen Dame von Welt: "Ich kann sagen, ohne in den Verdacht eines Schmeichlers zu kommen, dass sie die geistreichste Person der Welt ist, der nichts entgeht, die alle guten Bücher gelesen hat, die mit einer Leichtigkeit schreibt, von der man sich keinen Begriff machen kann. Ich möchte hinzuzusetzen wagen, dass ihr der Himmel nicht nur den literarischen Sinn gegeben hat, sondern auch die Gewalt, über die Herzen der mächtigsten Prinzen in Europa zu herrschen."« q3
- 5- Ein fünftes Spiel waren »die allegorischen "Gazettes du plusieurs endroits" [Sie] verlangten von den Salongästen, in der literarischen Travestie in die Rolle eines Helden der bewunderten Romane zu schlüpfen und dessen vermeintliche Erlebnisse zu erzählen, [...] So dachte sich in einer Nacht Julie de Rambouillet die an den "Amadis" angelehnte "Histoire d´Alcidalis et de Zélide" aus. Spielerisch und unterhaltsam übten sich die [... Habitués {#Salonstruktur}] im Verfahren des Erzählens und in der freien Verfügung über das Vorgegebene und den eigenen Einfall.« q2
C. Übergang Barock / Rokoko
- 6- Im Salon der Anne-Louise du #Maine gab es die "Loteries poétiques", bei der aus einem Pompadour ein Buchstaben des Alphabets gezogen wurde: z.B. bedeutete A Arie oder Apotheose, O Ode oder Oper, S Sonett. Das Ziehen eines solchen Anfangsbuchstaben enthielt die Aufforderung, ein entsprechendes kleines Werk zu schaffen. Beim nächsten Zusammentreffen musste es der Salon-Öffentlichkeit {#offiziös} vorgestellt werden. Geschummelt wurde schon damals, denn die, die es sich leisten konnten, ließen schreiben.
D. Rokoko
- 7- Zehn Jahre lang grassierte im Salon von Mme du #Deffand die Mode des "parfilage", was bedeutete, dass die Damen den Herren regelrecht an die Wäsche gingen, um »allerlei Goldgesticktes [zu] verzupfen. [...] Die Mode nahm so überhand, dass goldbetresste Herren sich vor den Händen der zupfenden Schönen kaum zu retten vermochten.« Man zupfte, um sich parfilage-Geschenke zu machen, z.B. goldene Eier, die nach Wundertütenart kleine Geschenke in ihrem Inneren verborgen hielten, aber auch um von dem gewonnenen Gold-»Geld Spiel- oder Kleiderschulden zu tilgen.« q3 Mme du Deffand schenkte einer Freundin zum neuen Jahr einmal einen ganzen Korb voll solcher Eier. (Zu meiner Schulzeit, 50er Jahre, war es üblich, Anderen farbige Wollfussel aus den Pullovern zu zupfen, um daraus vielfarbige Bilder herzustellen, die in Büchern flachgepresst und in Poesiealben von Freundinnen geklebt wurden.)
- 8- Madame du Deffand kristallisierte auch das für ihr Jahrhundert so kennzeichnende "Mot d´esprit" heraus. Die Schattenseite des #Esprit, das Lächerlichmachen von Anderen und die unerbittliche Schärfe, mit der das Bloßstellen betrieben wurde, werden am nachfolgenden Beispiel des "Portraitmalens" deutlich. Der Ausschnitt des Portrait, das Madame du Deffand von ihrer Cousine Emilie du #Chatelêt gezeichnet hat, macht auch die veränderte Auffassung gegenüber den barocken Portraits deutlich. »Stellen Sie sich eine große und dürre Frau vor, ohne Hintern, ohne Hüften, mit schmaler Brust, zwei kleinen, kaum wahrnehmbaren Brüsten, dicken Armen, dicken Beinen, ungeheuren Füßen, einem winzigen Kopf, einem kantigen Gesicht, einer spitzen Nase, zwei kleinen meergrünen Augen, einem dunklen, roten, hitzigen Teint, einem flachen Mund, mit nur noch wenigen, ganz verdorbenen Zähnen. Das ist das Äußere der schönen Emilie, ein Äußeres, mit dem sie so zufrieden ist, daß sie es an nichts fehlen lässt, um es zur Geltung zu bringen: Volantskräuseln, Troddeln, Edelsteine, gläserne Klunker, alles in Hülle und Fülle; doch da sie wider die Natur schön und trotz mangelnden Vermögens prachtvoll sein will, ist sie häufig gezwungen, auf Strümpfe, Hemden, Taschentücher und andere Kleinigkeiten zu verzichten. ... Man könnte sagen, die Existenz der göttlichen Emilie sei nichts als Blendwerk: sie hat sich dermaßen bemüht, als etwas zu erscheinen, was sie nicht war, dass man nicht mehr weiss, was sie wirklich ist. Vielleicht sind ihr sogar ihre Fehler nicht von Natur aus gegeben, sondern könnten ihren Ambitionen zuzuschreiben sein: ihre Unhöflichkeit und Rücksichtslosigkeit dem Anspruch auf die Stellung einer Prinzessin, ihre Langweiligkeit und Zersteutheit dem Anspruch eine Gelehrte zu sein, ihr kreischendes Lachen, ihre Grimassen und Verrenkungen dem Anspruch, eine hübsche Frau zu sein. Doch selbst die Erfüllung so vieler Prätentionen hätte nicht genügt, sie so berühmt zu machen, wie sie es gerne sein wollte: Um berühmt zu sein, muss man gefeiert werden, und das ist ihr gelungen, indem sie die erklärte Geliebte von Monsieur de Voltaire wurde. Er machte sie zum Gegenstand der öffentlichen Aufmerksamkeit und zum Thema privater Gespräche; ihm wird sie es verdanken, wenn sie in den künftigen Jahrhunderten weiterlebt, und bis dahin verdankt sie ihm das, was einen im gegenwärtigen Jahrhundert leben lässt.« Zitiert nach: "Correspondance littéraire", März 1777. q7
- 9- Für den Salon "Le Temple" des Prinzen von Conti und seiner Salonière Gräfin du Boufflers wird hier als neuntes ein Unterhaltungsspiel beschrieben das um 1766 sehr á la mode war. Das "Schiffchenspiel" hatte folgende Regel: »Man nahm an, die SpielerIn sei mit zwei Peronen, die sie/er am meisten liebte oder lieben sollte, im Begriff unterzugehen und könne nicht mehr als eine retten ...«. Die junge, hübsche Schwiegertochter der Mme. Boufflers, musste sich vorstellen, mit ihrer Schwiegermutter und ihrer Mutter, die sie kaum kannte, im gleichen Boot zu sitzen. Sie antwortete auf die Frage, wen sie retten würde: »Meine Mutter würde ich retten und mich mit meiner Schwiegermutter ertränken.« q5 (Auch zu diesem Spiel habe ich eine Entsprechung: Bei Klassenfesten in den 50ern war es ein beliebte Spiel, wobei wir Schülerinnen uns – damals waren es noch reine Mädchenklassen – vorstellen mussten, mit zwei LehrerInnen im gleichen Boot zu sitzen, um in deren Beisein dann anzugeben, welche/n wir retten würden.) A.E.
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