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Scudery, Madeleine de



Autor: Antje Eske
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Unbekannt: Madeleine de Scudery in jüngeren Jahren


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Auch spätere Autoren blicken noch immer voller Häme auf sie. Begründet liegt das sicher mit in dem Scudérischen Ansatz, wie Renate Baader schreibt, der »weltlichen Ehelosigkeit«.
Unbekannter Künstler. Bild Zit. n. Chiappe q4


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Sie hatte für sich eine persönliche Lösung gefunden, diese ´weltliche Ehelosigkeit´zu verwirklichen: im Zusammenleben mit Bruder Georges. Gédéon Tallemant de Réaux klatscht über die beiden in seinen "Salongeschichten": "Dieser Narr hegte die lächerlichste Eifersucht der Welt für seine Schwester, manchmal schloss er sie ein und wollte nicht leiden, dass man sie besuchte. Sie war von wunderlicher Geduld, und es fällt mir schwer zu begreifen, wie sie hat schreiben können, was sie schrieb, denn obgleich an den Abenteuern nicht viel dran ist, gibt es doch eine hübsche Moral in ihren Romanen, und die Leidenschaften sind darin gut getroffen; ich kenne sogar, von einigen Künsteleien abgesehen, keine besseren Beschreibungen.
[... Sie]besitzt mehr Geist als er und ist weitaus vernünftiger. Sie ist aber nicht weniger eitel. Sie sagt immer: »Seit dem Untergang unseres Hauses.« Man könnte glauben, sie spreche von der Zerstörung des Griechenreichs. Schönheit besitzt sie keine. Sie ist eine große magere Person mit dunklem Haar und einem sehr langen Gesicht. In ihren Gesprächen ist sie weitschweifig und ihre Stimme hat einen schulmeisterlichen Ton, der in keiner Weise angenehm ist."q1
J.G. Wille nach Elisabeth Sophie Chéron: Mademoiselle de Scudery. Stich. Bild zit. n. Zimmermann q5


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Ein unbekannteres Portrait von Mlle. De Scudery. Bild zit. n. Kuhn q7
Scudery, Madeleine de, 1607 Ý170, wurde in Le Havre, als Tochter mittelloser Adeliger, geboren. Ihre Vorfahren sollen italienischer Abstammung gewesen sein (Sizilien: Scudieri). Nachdem sie in frühen Jahren ihre Eltern verloren hatte, schloß sie sich ihrem Bruder Georges an. 1639 zog sie zu ihm nach Paris, wo er sie in den Salon Rambouillet einführte. Sie veröffentlichte, zunächst unter seinem Namen, eine Serie erfolgreicher, in ganz Europa gelesener galanter (Schlüssel) Romane und lebte bis 1655, also bis sie 48 Jahre alt war, mit ihm zusammen.
Madeleine de Scudery.

Von 1649-53 schrieb sie "Artamène ou le grand Cyrus", 10 Bände eines mit antiken Namen verschlüsselten Porträts der Gesellschaft des Hotel de Rambouillet. Der Roman hatte Leitfunktion für galante Geselligkeiten. Zwischen 1654-60 erschien ihr 10bändiger Roman "Clelie" # Les precieuses. Sie muss mit diesem Romanen den Zeitgeist getroffen haben, denn "Clelie" erreichte eine Auflagenhöhe wie die Bibel. Es gab für die Bücher Ausleihstellen, damit der Inhalt jedem zugänglich werden konnte. Mit diesem Erfolg und ihren emanzipatorischen Bestrebungen #Les precieuses ´verdiente´ sie sich, wie aus den Zitaten deutlich wird, den Neid nicht nur der Zeitgenossen.

Schon 1649 übernahm sie in ihren "samedis" das Préziösenideal und baute es systematisch aus. Gleichen-Russwurm schreibt über die bei ihr einsetzende Verschiebung des Salonideals der Rambouillet: "Ihre eigentliche Erbschaft wollte Fräulein von Scudéry antreten, aber die Samstage Saphos, wie man diesen Empfang nannte, waren zu literarisch, um die große Welt anzuziehen. Weniger aristokratisch als die CHAMBRE BLEUE zeigte sich dieser neue Salon, dessen Mitglieder nicht von den grandes dames des ancien régime feine Manieren und süße Komplimente lernten, sondern mit gelehrter Pedanterie alle zarten Schwingungen der Liebe mit Definitionen und Allegorien feststeckten, wie man Schmetterlinge in einer Sammlung verwahrt. Mademoiselle Bocquet, die aus kleiner Bürgerfamilie stammte, spielte die Laute, Mademoiselle Dupré hielt Vorträge über Philosophie, die gelehrten Frauen schwärmten von allen Wissenschaften und ihren Propheten. Man teilte das Land der Zärtlichkeiten - le pays du tendre - in Provinzen und gab jedem Gefühl, ja jedem Gefühlchen seinen genau bestimmten geografischen Namen und Platz."q2 {#précieuses}

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Link: Tallemant de Réaux schreibt: "Jene Karte des Landes der Zärtlichkeit, die auf den Rat des Herrn Chapelain in die »Clelie« aufgenommen wurde, stammte von der Hand des Fräuleins von Scudery, nach dem zu urteilen, was sie zu Pelisson sagte, dass er nämlich noch nicht so weit sei, zu ihren »zärtliche Freunden« zu zählen. [...] Man kann sagen, dass Fräulein von Scudery ebensosehr die elende Art, sich auszudrücken, eingeführt hat wie lange Zeit niemand zuvor"q1

Link: "Von einigen Protagonistinnen ihrer Binnennovellen, vor allem von Sapho (»Cyrus«, Bd.10), läßt [Mlle. De Scudery]die Gründe für einen Eheverzicht differenziert darlegen. Es ist die [...] Verbindung von Freundschaft, Kultur und Gespräch, in der weibliche Subjektwerdung bis ins Alter gesichert ist und die, als den Frauen bislang verschlossene, unentfremdete und selbstbestimmte Existenz, den verständlichen Reiz des Neulands hatte. Die gültige Norm weiblicher Schicklichkeit verlangte freilich den Verzicht auf die erotische Erfüllung. Dem liebenden Mann ist es aufgegeben, in asketischer Selbstbindung, sich in Heiratsverweigerung und ein »unbegehrliches Lieben« zu fügen und mit dem geheimen Triumph des »verborgenen Liebhabers« sich zu bescheiden, um dergestalt die auf der Frau lastenden Gebote und Beschränkungen mitzutragen." q3 Die Bandbreite der damit verbundenen neuen Gefühle musste wahrnehmbar und erlebbar gemacht werden und das geschah durch die Benennung und Festschreibung in der »Carte de Tendre«.

Nach dem Tode Mazarins hatte der junge Ludwig XIV. das Regiment absolut übernommen. Inzwischen volljährig geworden, versuchte er systematisch den Hof wieder zum Zentrum der Pariser Geselligkeit auszubauen, denn dieser "Hof des Grand Siècle blickte irritiert und misstrauisch auf die sich ihm entziehende Kulturgeselligkeit in den précieusen Salons."q2
"Gegenüber dem Elan dieses von Jugendlichkeit strotzenden Hofes erschien das Précieusentum verstaubt." Mit jungen Adeligen seiner,"eleganten Clique"q2, zog Ludwig durch Paris und mischte die Stadt auf. Die neuen Schlagworte hießen »Bon sens« und »naturel«. Die metaphernreiche Sprache und das, gegenüber dieser neuen Bewegung, zierlich und gekünstelt wirkende Verhalten hatten sich überlebt. Die Salons hatten sich verändert. In ihnen wurde das prezieuse Lebensideal durch den "Esprit" abgelöst. Eine der Salonièren dieser "neuen Zeit" war Ninon de #Lenclos, bei der Molière sein Stück, "Les précieuses ridicules" probelas, das die Prezieusen vernichtend lächerlich machen sollte.

Madeleine de Scudéry wurde kritisiert, u.a. von Molière, und ist doch, im Rückblick, die französische Salonière, die das weitreichendste Potential für emanzipatorische gesellschaftliche Veränderung in Gang setzte {#precieuses}.
E.T.A. Hoffmann hat ihr später ein Denkmal in seinem: "Das Fräulein von Scudery" gesetzt, geht jedoch nicht auf ihr Wirken als Salonière ein. A.E.


q1Tallemant des Réaux, Gédéon: Salongeschichten, Zürich 1996
q2Gleichen-Russwur, Alexander von: Das galante Europa, Stuttgart 1910
q3Baader, Renate: Heroinen der Literatur Die französische Salonkultur im 17. Jahrhundert, in: Baumgärtel, Bettina u. Neysters, Silvia (Hrsg.): Galerie der Starken Frauen, Berlin 1995
q4 Chiappe, Jean-François: Die berühmten Frauen der Welt von A-z, Gütersloh o.J.
q5 Zimmermann, Margarete u. Roswitha Böhm (Hrsg.): Französische Frauen der Frühen Neuzeit, Primus Verlag 1999
q6 Canal,Denis A. (Hrsg.: Molière Les Précieuses ridicules Classiques Larousse, Larousse 1990
q7 Kuhn, Annette (Hr.): Chronik der Frauen. Chronik Verlag 1992

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