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Unbekannt: Marquise de Rambouillet. Bild zit. n. q6 Unbekannt: Charles d´Angennes Marquis de Rambouillet Bild zit.n. q7 L‘hôtel de Ramboillet, en 1649. zit. n. Larosse q8 Plan de l‘Hotel de Ramboillet d‘après Gomboust. zit. n. q7 |
Catherine de Vivonne, Marquise Rambouillet, 1588 Ý1665 wurde als Tochter einer italienischen Adeligen und des französischen Gesandten in Rom, Marquis de Pisani, geboren. Zweisprachig aufgewachsen, lernte sie später Latein und Spanisch hinzu. 1600 wurde sie, 12jährig, mit Charles d´Angennes, Marquis de Rambouillet, der doppelt so alt war wie sie, verheiratet. Bis zu ihrem 22 Lebensjahr hatte sie bereits ihre sechs Kinder geboren. Danach begann ihr zweites Leben, in dem sie sich der Gestaltung des zwischenmenschlichen Umgangs widmete. Sie war sozusagen die lebendige Verbindung zwischen den italienischen Musenhöfen der Renaissance und den aufkommenden französischen Salons, denn in ihr verkörperten sich beide Kulturkreise. Nachdem Catherine de Rambouillet 1608 der Moderoman von Honoré d´Urfé "Astrée in die Hände gefallen war, in dem die gotischen Gebräuche der Minne versüßt aufbereitet wurden und nicht mehr nur der Anregung tapferer äußerer Taten dienen, sondern den Geist spornen, die Manieren abschleifen und den moralischen Mut stählen"q2 sollten, erkannte sie das männer- und kulturbildende Potential eines solchen platonischen Liebesideals. Sie fing an, in diesem Sinne, eine wachsende Zahl von Gästen um sich zu versammeln, mit dem Ziel, Moral und Umgangsformen wieder feiner und galanter zu gestalten. Ihre Intention, "zu Hause einen Hof nach ihrem eigenen Geschmack"q1 zu etablieren, deckte sich mit den Interessen des Hochadels, seine Macht und Privilegien gegen den nach Absolutismus strebenden königlichen Hof zu verteidigen. Es entwickelte sich in der Salonkultur, die in Frankreich eben mit Rambouillets »Blauem Salon« 1610 ihren Anfang nahm, eine kulturelle Gegen- und Lösungsbewegung vom Hof. Die Marquise "verstand es, die Ausstattung (ihrer Räume) heiterer und luftiger zu gestalten" als es gemeinhin üblich war und versah ihre Möbel mit Nippes oder mit Vasen und Körben voll frischer Blumen, die »den Frühling in ihr Zimmer brachten«, so die Worte eines entzückten Zeitgenossen. Ihr Ambiente war nur unzulänglich zu beschreiben, so neu schien es damals. Madame de Rambouillet liebte die Natur, und da sie "an deren Reichtum kaum teilhaben konnte, begnügte sie sich nicht damit, aus ihrem Fenster auf die Wiese zu schauen, die sie in ihrem Garten anlegen ließ, um sich den originellen Luxus leisten zu können, mitten in Paris Heu zu ernten. Sie wollte, dass in ihrem ganzen Haus der Frühling herrschte. Die Wände waren nicht mehr dunkel getäfelt oder mit Córdoba-Leder bespannt, sondern mit Stofftapeten, deren frische Farben denen der Blumentapeten entsprachen. Grün, Rot Gold und für das Schlafzimmer der Hausherrin Azurblau [daher der Name »Blaues Zimmer/ chambre bleue«]."q1 Ihre Wände schmückte sie mit Gemälden und Potraits von lieben Freunden, venezianischen Vasen, chinesischen Porzellane und antiken Marmorplastiken. Das Ganze reflektierte geschickt in Spiegeln #Schein und Sein - die ebenso eine Neuheit waren, wie die Kristalllüster. Link: Die Marquise ging beim Aufbau ihres Salons mit großer Gestaltungskraft vor. Sie wußte wohl intuitiv um die Einheit von Inhalt und Form, in ihrem Fall um die Auswirkung der Umgebung auf menschliche Aktivitäten, und ließ für die Zusammenkünfte ihr Stadthaus nach eigenen Plänen umbauen. Die Treppe wurde nicht, wie es im Barock üblich war, in der Mitte sondern an der Seite angebracht, "was eine für Empfänge günstige Zimmerflucht eröffnete."q1 Dieser, für die damalige Zeit revolutionäre architektonische Eingriff machte Furore und wurde von anderen, z.B. von der Königinmutter, Maria von Medici, kopiert. Ebenso wie der Hausumbau erregte es Aufsehen, dass sie ihre Gäste im Alkoven {–>Ruelle} empfing, und auch damit war sie stilbildend. Das Bild links zeigt das Stadthaus der Rambouillets, ihr Schloss lag 45 km südwestlich von Paris. Der Lageplan zeigt oben unbebautes Terrain des Louvre, des königlichen Schlosses, links Sitz des Kardinals, schräg irgend Häuser (Nr. 15 - 20) an der Strasse, rechts einen Nachbarn (Chevreuse), unten nicht angegebene Grenze des Grundstückes. Der renaissancene Parterre-Garten schliesst unten wohl an ein kleines gehegtes Wäldchen, links wahescheinlich u.a. die Heuwiese. An der Strasse (Rue St. Thomas du Louvre) steht das Haus. Der Eingang geschieht rechts über einen grösseren Hof mit Pferdeställen ringsum. Von dort tritt man in den Parterre-Garten und über eine Treppe in einen Pavillon, der der Eingang zum Gebäude ist. Diese Seitlichkeit des Eingangs, im Gegensatz zum gültigen zentralen, ist die Konzeption der Catherine de Vivonne. Die Ansicht zeigt das Haus und einen Teil des Parterre-Gartens und rechts im Hintergrund - grafisch frei stehend - sind Türmchen der Mauer des Louvre gezeichnet. Die Strasse dazwischen fehlt. Nicht gezeichnet sind der Pavillon, die Treppe und der Hof mit Pferdeställen. Aus der grafischen Wirkung zu schliessen, handelt es sich offenbar um eine Weglassung. (Beschreibung Stadthaus K.A.) |
Autograph von Catherine de Vivonne, Marquise de Rambouillet. Bild zit. n. q7 |
"Die Jahre zwischen 1638 und 1645 markieren die Blütezeit des »Hotel de Rambouillet«"q3, dem insgesamt 42 Jahre Wirkungszeit beschieden waren. Politisch gesehen war es die Zeit, in der sich die oppositionelle Bewegung des Adels zum Aufstand (die Fronde von 1648-53) gegen das absolutistische Königtum formte. Im Hotel de Rambouillet "wurde zum erstenmal das Gespräch zu jener Kunstfertigkeit erhoben, in der Esprit, Geschmack, Lebensart und erlesene Höflichkeit miteinander konkurrieren. Höfische und politische Intrigen wurden vor der Tür abgelegt, denn es galt die Kunst zu zelebrieren und den galanten Umgang zu pflegen."q3 "Die politesse du coer (Höflichkeit des Herzens) war eine ihrer hervorstechendsten Eigenschaften. Unauffällig wurde jeder darin unterwiesen, der bei ihr verkehrte. [...] Madame de Rambouillet verstand es eben am glücklichsten, die beiden Aristokratien jener Zeit, die der Geburt und die des Geistes, die bis dahin ein getrenntes Dasein führten, harmonisch zu vereinigen. Der Standesunterschied fiel fort; jeder honnete homme fand Zutritt in ihren Salon, einerlei, wo seine Wiege gestanden hatte. Aus dieser Berührung von Geburts- und Geistesadel ging eine ganz neue Kunst hervor, die Kunst der Konversation, die seitdem das Charakteristische der französischen Salons blieb."q5 {–>Salonkultur –>Salonstruktur} Ein beliebtes Gesellschaftsspiel war das "»Portraitmalen«. {–>Conversationsspiele} Die Anfänge dieses [...] Gesellschaftsspieles liegen [...] weit zurück. Man begegnet ihnen schon bei den Soireen im Schlosse zu Urbino {–>Gonzaga}. Nur fehlte dort noch jener kecke, fein pointierende Humor, der einzig dem gallischen Geiste eigen ist."q3 "»Es gibt keinen Ort der Welt, wo man mehr gesunden Menschenverstand und weniger pedantisches Wesen antrifft«, schrieb der Dichter Jean Chapelain"q5, der neben Voiture, Malherbe, dem Chevalier de Gramont, Jean Louis Guez de Balzac, der Marquise de Sablé, Bruder und Schwester de Scudery oder dem Intimfeind Tallemant de Réaux eifriger #Habitué im Hotel de Rambouillet war. Allein die Pedanten {Les #précieuses} waren ungern gelitten. Über eine gepflegte Gastlichkeit hinaus "verband (sie) die Qualitäten des Geistes mit denen des Herzens. [... und] pflegte einen regelrechten Kult der Freundschaft."q2 Link: "Frau von Rambouillet mochte etwa fünfunddreißig Jahre gezählt haben, als sie feststellte, dass die Wärme des Feuers ihr ganz unerklärlich das Blut erhitzte und ihr Schwächeanfälle verursachte. [...] Einige Jahre darauf verursachte ihr die Sonne dieselbe Unpäßlichkeit: [...] Ich habe gesehen, wie sie wegen eines Heizofens, der aus Unachtsamkeit unter ihrem Bett vergessen worden war, die Rose bekam. So war sie denn gezwungen, beinahe immer zu Hause zu bleiben und sich nie zu wärmen. Sie sah sich in die Notwendigkeit gesetzt, von den Spaniern die Erfindung des Alkovens zu übernehmen, der heutzutage in Paris so im Schwange ist. Ihre Gesellschaft ging sich im Vorzimmer wärmen und wenn es friert, bleibt sie auf ihrem Bett, die Beine in einem Sack aus Bärenfell, und sie sagte scherzend wegen der zahlreichen Hauben, die sie im Winter übereinanderträgt, am Martinstag werde sie taub und Ostern höre sie wieder."q4 {#Ruelle} Die gestaltete Umgebung und "die poetischen Pseudonyme, die man anzunehmen pflegte, verliehen den Gesprächen eine galante Wendung. ... Es war Malherbe, der für Madame de Rambouillet den poetischen Namen Arthénice aussuchte, der trotz seines hellenischen Klangs lediglich ein Anagramm ihres Vornahmens Cathérine war." Link: Dichter und Literaten "dienten den Damen als freiwillige Hauslehrer, sie lasen ihnen ihre Werke vor und lieferten Themen für die Konversation. Aber sie konnten aus dem Salon auch vertrieben werden"q1 Corneille schrieb "im Examen de Polyeucte (dessen erste Lesung im Blauen Salon der Madame de Rambouillet stattfand): »Wenn ich die Geschichte von David und Bathseba darzustellen hätte, so würde ich nicht beschreiben, wie er sich in sie verliebte, als er sie beim Bade sah, aus Angst davor, dass der Eindruck dieser Nacktheit die Vorstellungskraft des Zuhörers kitzeln könnte, sondern ich würde mich damit begnügen, ihn voll Liebe für sie zu beschreiben, ohne in irgendeiner Weise davon zu sprechen, wie diese Liebe sein Herz ergriffen hatte«"q3 Dieses eifrige Bemühen brachte ihm keinen Beifall. Gerade im Hinblick auf seinen Polyeucte fühlte er sich so sehr von der Salonrunde kritisiert, dass er sich von ihr zurückzog. Link: Caterine de Rambouillet liebte es sehr ihre Freunde zu überraschen und sie an deren gesundem Menschenverstand zweifeln zu lassen (wir kennen das heute aus dem TV wenn Menschen sich vor versteckter Kamera in ähnlicher Verwirrung lächerlich machen). Mit großem Aufwand ließ sie Arrangements herrichten, so z.B. für den Grafen von Guiche: Als der Abends eine Menge Pilze gegessen hatte brachte man seinen Kammerdiener dazu, seine Kleider herauszugeben, die alle um vier Finger enger genäht wurden. Am anderen Morgen fühlte sich der Graf, auf Grund der zu engen Kleider, die er verzweifelt alle durchprobiert hatte, stark aufgebläht, was ihm von den anderen, eingeweihten Gästen bestätigt wurde. Bald darauf "entdeckte er, wie ihm schien, irgend etwas Grünliches im Gesicht. [...] er begann sich über die vorgeblichen Blähungen zu beunruhigen und sagte unter gezwungenem Lachen: »Das wäre doch ein hübsches Ende, mit einundzwanzig zu sterben, weil man Pilze gegessen hat«"q2 Man beeilte sich, ihm das "Gegengift" aufzuschreiben: "Man nehme eine gute Schere und trenne Dein Wams auf."q2 Die Berichte, über ihre Art zu scherzen, erlauben uns einen Blick auf ihr widersprüchliches Wesen. Einerseits ging ihr die Freundschaft über alles, dennoch führte sie ihre Freunde mit grobianischen Scherzen vor und hielt sie so auf Abstand. Tragisch spiegelt ihr körperliches Leiden diese Ebene noch einmal. Sie war von einer unstillbaren Sehnsucht nach Nähe (Wärme) erfüllt die unerreichbar für sie war, weil sie deren Erfüllung, wegen ihrer »Unpäßlichkeit«, nicht realisieren konnte. "Sie sagte, sie wünsche sich nichts sehnlicher, als sich nach Herzenslust wärmen zu können."q2 A.E. q1 Baader, Renate: Heroinen der Literatur Die französische Salonkultur im 17. Jahrhundert, in: Baumgärtel, Bettina u. Neysters, Silvia Hrsg.: Die Galerie der Starken Frauen. München 1995 q2 Gleichen-Russwurm, Alexander von: Das galante Europa Geselligkeit der grossen Welt 1600-1789. Stuttgart 1910 q3 Heyden-Rynsch, Verene von der: Europäische Salons Höhepunkte einer versunkenen weiblichen Kultur. München 1992 q4 Tallemant des Réaux, Gedeon: Salongeschichten. Zürich 1996 q5Tornius, Valerian: Salons. Bilder gesellschaftlicher Kultur aus fünf Jahrhunderten. Berlin 1925 q6 Chronik Verlag: Die Chronik der Frauen, Gütersloh 1997 q7 Voiture et les originés de l´Hotel de Rambouillet, Paris MCM XI, Chartre, 1911 q8 Larosse Encyclopédie XXs.. Bd.5. Paris, 1933 |