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stille?


das als 4’33” bekannte stueck von john cage wurde am 29. august 1952, in einem auditorium der harvard-universität von dem pianisten david tudor uraufgefuehrt. die partitur besteht aus drei saetzen mit der anweisung tacet, dies bedeutet das die spielende / singende person pausiert, also still ist. die anzahl und art der spielenden instrumente ist frei waehlbar, ebenso die dauer, diese soll allerdings auch der titel sein. (waehrend das stueck gespielt wurde war neben den vielen vom puplikum generierten geraeuschen, auch durch die wand zu einem nachbarraum, eine probe von studierenden die eine komposition von schoenberg uebten zu hoeren.) die tatsache das dieses stueck in der regel als 4’33” bezeichnet wird, laeszt erkennen, dasz sich zwischen der urauffuehrung und heute an dem stueck, bzw der wahrnehmung davon etwas geaendert hat. sicher hat c. es mit diesem stueck geschafft eine auf eine relativ aggressive und polemische art und weise eine fragestellung ins rampenlicht zu bringen, aber nach ca. 4’33” (aufgrund der rampe und des lichtes vielleicht sogar schon frueher.) hat diese die form der agitation(1) verlaszen und ist in die des mythos(2) verwandelt worden. (bei dem stueck 0’00” ging dies wohl noch scheller.)
bei spaeteren auffuehrungen werden die vergangene zeit, der name des autors und andere interessen mit der eigentlichen idee verschmelzen und so den urspruenglichen inhalt / anstosz abschwaechen oder gaenzlich verschwinden lassen. der entstandene verlust ist ein produkt der repraesentation, in welcher eine agitatorische handlung zur ware verkommt. die art der repraesentation ist vom kontext abhaengig. gibt es ein machtgefaelle / hierachie? und warum? c. hat sicher durch seinen status als musiker / kuenstler (spezialist, buehne, oberschicht) eine schwierige startposition als agitator. diese hattte er aber in seiner vergangenheit schwer erkaempft. als c.’s lehrer arnold schoenberg ihn fuer unbegabt haelt, entschliest c. sich “durch die wand zu gehen”. bleibt die frage wie hierbei erfolg definiert wird. er stellt zwar essentzielle fragen, doch werden diese mit der anerkennung seines talentes als musiker direkt in den hintergrund gestellt. was war c.’s absicht? mit dem als 4’33” bekanntem stueck macht er ein “sich-selbst-den-teppich-unter-den-fueszen-wegzieh-manoever”, denn er hinterfragt die musik und die rolle des musikers, und schafft es durch die agitierten / in bewegung gebrachten herrschaftstechniken zu einem “genialen musiker” zu werden. auszerdem wird einer gesellschaft gleichzeitig die moeglichkeit in eine reflexion zu kommen, dadurch genommen, dasz ein weiteres mal die vermeindliche differenz (konsument / produzent) zementiert wird.
sinnbildlich fuer die intergration des stueckes b.z.w. der idee des stueckes in den horizont des herrschaftsapparates, war die radiourauffuehrung im bbc radio 3 am 16. Januar 2004. bei der die notfallsysteme des senders, die im falle einer stoerung (wie z.b. stille) mitteilungen an die empfaenger senden, abgeschaltet wurden. keine frage ob diese systeme spaeter wieder aktiviert wurden. die chance ,die stille bietet hat nur warenwert nicht aber gesellschaftlichen. was wuerde passieren wenn radiohoerende nur gesendete stille hoeren? denken sie immer das gerade was von john cage gesendet wird? (hoeren sie dabei dann vielleicht sogar zu?) oder sind sie empoert ueber technische fehler? hoeren sie dabei wohlmoeglich auch zu?) ein anderes beispiel fuer integration und transformation in eine ware, sind die prozesse die wegen plagiarismus gegen den komponisten mike batt im juli 2002 von c.’s erben angestrengt wurden, als dieser mit dem stueck “a one minute silence” unter der autorenschaft batt / cage versuchte in einer minute das zu sagen, wofuer c. vier minuten und 33 sekunden brauchte... batt zahlte als entschaedigung eine sechs-stellige summe.

was passiert, wenn roman signer (oder auch viele andere “kunstschaffende”) sein privates interesse an den forschungen, die er betreibt, in den kontext der kunst stellt? was wuerde passieren wenn er dies nicht taete? in beiden faellen waere wohl eine spielart der aehnlich nivellierenden anerkennung die folge, sei es integrierender “erfolg als kunstschaffender” oder isolierender “erfolg als psychisch kranker”. betrachtende beduerfen einer ernsthaftigkeit und genauigkeit, diese beiden scheinbar verschiedenen diagnosen zu entschleiern und dadurch der urspruenglichen essenz wieder auf die spur zu kommen.

bazon brock redet von “kaufen statt auseinandersetzen” vor einem publikum und im rahmen einer struktur, die genau dies mit ihm, oder besser gesagt seinen thesen macht. wie kam es zu der entscheidung sich zu einem vortrag in der hfbk einladen zu laszen? siegt die eitelkeit, die ueberschaetzung seiner selbst, bzw die unterschaetzung der verhaeltnisze, oder ist alles mit der ewigen entschuldigung der oekonomie zu begruenden?
anerkennung statt auseinandersetzung ist eine verbreitete methode der integration von essentiellen fragen. wobei strukturen mit weniger hierachischem gefaelle, als die, in die sich cage, signer und brock begeben haben von vorteil sein duerften. aber auch ein sehr hohes masz an aufmerksamkeit benoetigen um ueberhaupt geschaffen werden zu koennen und dann auch noch halbwegs stabil zu sein. besteht hierbei ein unterschied zwischen privaten und oeffentlichen sphaeren? was wuerde aus den ideen und interessen der oben genannten, wenn sie nicht in einer gefaelle-situation, wie buehne, galerie, sprecherpult zum ausdruck gebracht worden waeren? oder wurden sie nur performt, im sinne eines werkes, also einer ware? repraesantation statt kommunikation? schlieszt sich beides aus? die hoffnung auf eine breite streuung der inhalte, schlieszt einen verluszt / eine verzerrung dieser mit ein, denn meist sind die gewaehlten verteil-organe bestandteil einer kritisierten struktur. hat die private / persoenliche spaehre einen vorteil gegenueber einer oeffenlichen? gibt es ueberhaupt einen unterschied? sicher eine frage der hierachie.
wenn heinrich boell in seiner geschichte “dr. murkes gesammeltes schweigen” den protagonisten scheinbar private / persoenliche handlungen, wie das sammeln von schweigen auf tonband oder die allmorgendliche paternoster-extratour (4 1/2 minuten angst), vollfuehren laeszt, ist dies ein beispiel einer taktik, die dem erhalt einer augenhoehe zwischen lesender und schreibender person dienlich sein kann? oder geht es gar nicht um menschen, sondern vielmehr um die entwicklung einer idee, die menschen betrifft, und auch nicht nur von einer position aus abgeschloszen werden sollte. nach dem buch “ende einer dienstfahrt” gibt b. das schreiben von satieren auf, weil er, wie er behauptet “gegen die realitaet nicht ankommt”.
jean-paul satre spricht davon als freier unter freien zu schreiben (b.z.w. dies zu wollen). er will der falle der repraesentation entkommen und nimmt den literatur-nobelpreis nicht an, doch kann er auf diesem wege der integration entkommen oder die rolle des repraesentanten verweigern? ist es auf diese art und weise ueberhaupt moeglich, einer strategie der anerkennung zu entgehen? denn eigentlich sind es ja nicht die schreibenden, sondern ihre fiktionen, figuren und ideen, auf die die aufmerksamkeit der lesenden gerichtet werden sollte. es scheint als wenn in einem moment der honorierung die eitelkeit gekoedert wird, und egal ob sie dazu veranlaszt den hacken zu schlucken oder zu ihn zu umkreisen, der koeder hat in jedem fall funktioniert und eine person wurde zum repraesentanten einer idee gemacht.
bei einer aktion der zeitschrift “tempo” wurden verschiedene personen von einer erfundenen “deutschen national akademie” gefragt ob sie den angebotenen ehrendoktortitel annehmen. die ebenfalls beigefuegten statuten der “akademie” bestanden aus einer mischung von auszuegen aus adolf hitler’s “mein kampf” und dem parteiprogramm der npd. eine dvu-funktionaerin lehnt ab, weil sie neonazistisches gedankengut nicht unterstuetzt und elfriede jelinek lehnt ab, weil sie “honorierungen” grundsaetzlich nicht annimmt. wenn j. selbst nicht politisch ist oder sie es nicht politisch meinte, als sie andreas baader in dem stueck ulrike maria stewart, eine derart zentrale rolle zuwies, kann dies dennoch durchaus politisch gelesen werden. (nicht unaehnlich micky maus heften.) wenngleich die rolle von baader nicht die einzige politische stelle in dem stueck war, habe ich das gefuehl, dasz der applaus am ende, der umstand der gefuellten sitzreihen, der eintritt ins theater und die stadt und das land in dem es steht, jeden versuch einer agitation vom tisch gewischt hat b.z.w. von anfang an verunmoeglicht hat.

dies schreibe ich, waehrend ich versuche es in saetzen zu denken...und dann hoere ich auf, weil eine art krampf sich in mir ausgebreitet hat, eine reaktion auf die unfaehigkeit/unmoeglichkeit, meine gedankengespinnste artgerecht auszudruecken.

aber stille kehrt nicht ein.

um und in mir rast es.die wuetenden leute schreien sich gegenseitig an, “habt ihr keine wut mehr im wanst?!” und der wunsch alle(s) niederzutrashen wird formuliert, dann geht er/sie/es nach haus und schleagt einen vater mit der axt kaputt, dieser hatte die punkplattensammlung weggeworfen. wohin mit der wut (in vinyl pressen?) oder, den mit kunststudenten-rabatt gekauften klebstoff (pattex), in plastiktueten (toppits) fuellen, mit lunten aus wachsgetraenkem papiertaschentuch (tempo) versehen und auf das dem tank (aral) am naechsten gelegene rad (good year) eines uneinsichtig geparken autos (allrad oder besser alle) legen, entzuenden und am naechsten tag die schlagzeilen (bild)lesen.

als ich meine worte, mit einem blick auf das, was sich mir als menschheit darstellt, ausspreche bin ich zu grob. feingegliedertes zerbricht in meinen geballten faeusten, in meinem verzerrtem sparachorgan. ich mueszte mich erst zur ruhe kommen laszen.
ruhe in der unzufriedenheit.
mir wird schnapps angeboten.
oder eine therapie.
auch (selbst)mord.
...
dafuer reicht die unzufriedenheit aber nicht.
ich schlucke das nicht.
ich geh da nicht hin.
ich mach das nicht.
es reicht gerade fuer ein in den arm geritztes wort, DEKADENT leuchtet mir in meinen blut geschrieben entgegen, in zunkunft werden weitere woerter folgen z.b. FREIWILLIGKEIT, SUBVERSIV, NICHTS oder SCHEISZE.
ich halte das nicht aus, suche ruinen als wunsch-umwelt auf. und schaufel mir im vorgarten mein eigenes grab(3), meine auseinandersetzung mit der (um)welt (von der ich so wenig weisz) ...bei welcher tiefe bin ich endlich in einem vormenschlichen sediment angelangt, meinem resort. in die tiefe gehen heiszt geschichte im rueckwaertsgang schreiben/lesen.


(1) agitation im gegensatz zu propaganda, eine handlung (auch unbewuszt), die bei rezipierenden eine reflexion ausloest. also zum selber nachdenken oder reflektiertem handeln anregt / zwingt.
(2) mythos in diesem fall eine rueckwaerts gerichtete utopie, eine erinnerte wahrheit, die seltenst zur ueberpruefung reizt und so herrschaft sichert.
(3) spaeter, als das loch die dimensionen eines singlegrabes ueberschreitet, denke ich das es wohl doch eher ein massengrab werden wird. aber dieser gedanke und die damit unweigerlich zusammenhaengenden bilder machen mir klar das es nur eine galerie werden kann. in sekundenschnelle kreiere ich eine kopfimanente werbestrategie mit einem logo,einer webseite und dem dazugehoerigen lifestyle. ich bin kurator/totengraeber und entscheide wer fuer eine ausstellung angefragt werden soll/kann/darf. ich der pharao, der gottkoenig lasze mir mein mausoleum nur von den edelsten sklaven erbauen, sie bilden das fundament meiner pyramide. feiner wuestensand rieselt aus meinen lehmverkrusteten kleidern. und die schwieligen haende, bedienen die tastatur meines persoenlichen computers. schlechtaufgeloeste videobilddateien werden in den dafuer bereitgestellten containern abgelagert, damit meine arbeit auch realitaet wird...wieviel tetrabyte datenballast erzeugt der mensch durchschittlich in seinem leben als sklave auf der baustelle von ueberkopfstehenden pyramiden? was fier einen durchmesser hat die staetig wachsende basis? ist diese flaeche lebensraum? fuer wen?


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