Esoterik und New Age
Esoterik - eine historische Betrachtung
Thomas Ewald

"Ich halte viel von Esoterik. Man soll träumen, man soll ganzheitlich denken. Wenn wir unsere Gemeinschaft nach den Gesetzen der Natur organisieren, werden wir zu Göttern" (zit. n. Ulrich, S. 97).

Diese Sätze stammen nicht von mir, sondern von Michael Kühnen, dem Neonazi- Führer, der vor einigen Jahren in Kassel gestorben ist. Kühnen ist nicht der einzige Rechtsextremist, der eine Vorliebe für Esoterik hatte. Sowohl historische als auch aktuelle Namen könnten hier in langer Reihe angeführt werden. Ich möchte es an dieser Stelle bei zweien bewenden lassen: Heinrich Himmler und Rudolf Heß. Himmler, ,,Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei", war ein überzeugter Anhänger vieler okkulter Praktiken und ,,Lehren", so pendelte er zum Beispiel und hielt sich für die Reinkarnation König Heinrichs. Auch Heß, ,,Stellvertreter des Führers", war auf vielen Gebieten der Esoterik bewandert, nicht zuletzt in der Homöopathie' die er als die dem Nationalsozialismus adäquate Form der Medizin betrachtete und entsprechend förderte (Prokop/ Wimmer, S. 245ff).

Die Vorliebe von vielen Rechtsextremisten für Esoterik ist kein unerklärliches Phänomen, sondern hat ihre Ursache darin, daß erhebliche Teile der NS-ldeologie von esoterischen Vorstellungen entscheidend beeinflußt sind. Das heißt nicht, daß Esoterik und nationalsozialistische Ideologie gleichzusetzen sind, es heißt auch nicht, daß Esoteriker nun sämtlich potentielle oder aktuelle Rechtsextremisten sind, aber es heißt, daß esoterisch-okkulte Vorstellungen den Nationalsozialismus, und hier insbesondere seine Ideologie, wesentlich geprägt haben. Um dies zu verdeutlichen, ist es nötig, einen historischen Exkurs zu unternehmen. Doch zuvor müssen einige Begriffe geklärt werden, nämlich Irrationalismus, Esoterik und Okkultismus.

Irrationalismus liegt in unserem Zusammenhang dann vor, wenn politische Anschauungen außerhalb von Vernunft und Rationalität angesiedelt sind und demgegenüber von Vorurteilen, Emotionen, Lügen oder Halbwahrheiten geprägt sind. Die Äußerung ,,Die Juden sind unser Unglück" ist eine typische Wendung des politischen Irrationalismus. Sie knüpft an bestehende Vorurteile an, schürt Angst und Haß und ist durch nichts, aber auch gar nichts zu begründen.

Die Esoterik ist eine Form des Irrationalismus, wobei ihre Apologeten allerdings von sich behaupten, Zugang zum Übersinnlichen zu haben. Das, was sie sagen, wird als Wahrheit der Auserwählten gepriesen.

So ist z.B. die Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis nicht nur irrational, sondern auch esoterisch, denn wer von der ,,magischen Kraft des arischen Blutes" redet, appelliert nicht nur an Vorurteile und Gefühle, sondern bringt den Bereich des Übersinnlichen mit ins Spiel.

Die Begriffe Esoterik und Okkultismus werden hier synonym gebraucht. Die Anhänger der NewAge-Bewegung reden zwar von der Esoterik als dem hellen und vom Okkultismus als dem dunkeln Bereich des Übersinnlichen, diese Unterscheidung teile ich allerdings nicht. In Anlehnung an Rene Freund (Freund, S. 11 f) wird hier davon ausgegangen, daß Esoterik okkult ist und umgekehrt Okkultismus esoterisch.

Bei der heutigen Esoterik handelt es sich um eine unübersichtliche Mischung aus Spiritismus, Magie, Mythos, neuem Heidentum, Astrologie, Ufologie, fernöstlichen Weisheitslehren und pseudomedizinischen Heilmethoden. Dies alles ist - wenn auch nicht auf den ersten Blick - politisch relevant.

Die Tradition der Esoterik im Irrationalismus, ihre partielle Nähe zur NS-Ideolgie sowie die durch sie bewirkte Entpolitisierung vieler Menschen zeigen, daß es sich hier um ein sehr ernstzunehmendes gesellschaftliches Phänomen handelt.

Meine Ausführungen sind den Prinzipien der europäischen Aufklärung verpflichtet.

Aufklärung verstehe ich nach wie vor im Sinne Kants als ,,Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit".

Daß es auch eine ,,Dialektik der Aufklärung" (Adorno, Horkheimer) gibt, daß nämlich vieles, was den Menschen schadete und schadet, unter dem Signum der Rationalität geschah und geschieht, wird nicht bestritten.

Dabei allerdings gilt es, die Verhältnisse zu analysieren, die den Mißbrauch der Ratio und die Eliminierung ihres emanzipatorischen Gehalts ermöglichen. Der Rückfall in den Irrationalismus vergangener Epochen dagegen birgt die Gefahr eines erneuten Rückfalls in die Barbarei.

Begeben wir uns nun auf den schon angekündigten historischen Exkurs.

Deutschland ist die verspätete Nation. Es gab keine erfolgreiche bürgerliche Revolution, die Industrialisierung kam sehr spät und die Demokratie kam vorest gar nicht, denn es war dem Bürgertum nicht gelungen, sich von der Adelsklasse zu emanzipieren.

Dennoch wird Deutschland 1871 eine Nation, aber diese Nation ist nicht die, die die Revolutionäre von 1848 gewollt hatten.

Bismarck hat es geschafft, ein Bündnis zwischen Aristokratie und Bürgertum herzustellen, ohne dabei dem Bürgertum die politische Macht zu überlassen. Der Obrigkeitsstaat bleibt.

Die Ökonomie jedoch macht enorme Fortschritte. Versäumnisse werden nachgeholt, die deutsche Gesellschaft wird zur Industriegesellschaft. Fabriken schießen aus dem Boden, die Produktion wird allenthalben gesteigert, die Städte wachsen, und es kommt zu den typischen Krisen der kapitalistischen Ökonomie. Kurz: Es geht mit Riesenschriften in die Moderne.

Doch diese Moderne wird von vielen nicht gemocht. In weiten Kreisen des Bildungsbürgertums macht sich Unbehagen breit. Es kommt zur emotionalen und ideologischen Abgrenzung gegen die Moderne. Im Zentrum der Angriffe stehen Materialismus und Liberalismus, in denen die Wurzel aller Übel gesehen wird. Gesellschaftliche Veränderungen und damit einhergehende Krisen werden als Sinnkrisen empfunden und gedeutet.

Der Irrationalismus erstarkt, und es kommt zu einer besonderen Form des Konservatismus, dem Kulturpessimismus.

Die bekanntesten Vertreter dieser Richtung sind Paul de Lagarde (1827-1891) und Julius Langbehn (1851-1907). Fritz Stern sieht in ihnen die Exponenten einer ,,völlig wirklichkeitsfremden Geistigkeit" (Stern, 5.2). Doch lassen wir zunächst den Orientalisten und Kulturphilosophen Paul de Lagarde selbst zu Wort kommen. In seinem Hauptwerk ,,Deutsche Schriften" lesen wir: ,,Der Kern des Menschen ist nicht der Verstand, sondern der Wille, denn wie alles Gute kommt auch die Erkenntnis durch den Willen, und dessen Flügel heißen Empfindung und Phantasie, seine Schwungkraft Liebe" (Lagarde, S.82).

Dieser Satz könnte auch in einer aktuellen Broschüre einer Esoterik-Buchhandlung zu finden sein. Er enthält ein für den gesamten deutschen Irrationalismus überaus bedeutendes Moment: Der Wille wird gegen den Verstand gesetzt. Uns wird dies noch häufig begegnen.

Lagarde war im übrigen auch ein Theoretiker dessen, was heute ,,Ganzheitlichkeit" genannt wird. Auch dieser Begriff bzw. das, was man darunter versteht, gehört zum Repertoire des Irrationalismus.

Lagarde bezieht ihn hauptsächlich auf die intuitive Form der Erkenntnis. ,,Ich sehe es auf einen Blick ganz, oder ich sehe es nie." Auf diese Art und Weise will er erkannt haben, daß die Hebräer überhaupt keine Seele, die Perser jedoch die größte aller Seelen hätten.

Hier deutet sich bereits eine weitere wesentliche Komponente des Irrationalismus an: Der Antisemitismus. In den Juden sehen Lagarde und unzählige seiner Zeitgenossen die Schöpfer von Materialismus, Liberalismus, Rationalismus und Marxismus, und all das hassen sie buchstäblich wie die Pest. ,,Die Juden sind als Juden in jedem Volk ein schweres Unglück. Sie sind Träger der Verwesung" (Lagarde, S.40). Hier wird deutlich, daß der Antisemitismus mit einem organisch-biologistischen Weltbild begründet wird. Auch dies ein kennzeichnendes Element des Irrationalismus.

Lagarde sagt weiter über die Juden: ,,Mit Trichinen und Bazillen wird nicht verhandelt, Trichinen und Bazillen werden auch nicht erzogen, sie werden so gründlich wie möglich vernichtet" (Lagarde, S. 41). Dies sind die Worte eines deutschen Gelehrten veröffentlicht zu einer Zeit, als Hitler noch ein Kind war.

Der andere sehr bekannte Vertreter des irrationalen Kulturpessimismus ist Julius Langbehn. Er widmete sich hauptsächlich Fragen der Erziehung. In dem Maler Rembrandt sieht er alle wesentlichen Eigenschaften vereint, die den Deutschen zu Größe und Herrschaft verhelfen sollen. Sein Hauptwerk heißt: ,,Rembrandt als Erzieher".

Langbehns Vorstellung von Erziehung läuft letztlich auf die Ausschaltung des Verstandes hinaus. ,,Nur eine Bildung und eine Kunst, welche das deutsche Herz als höchste Autorität anerkennt, kann dem inneren Leben der Deutschen eine glückliche Zukunft verbürgen. ( Herzensbildung muß an Stelle der Verstandesbildung treten" (Langbehn S.8). Auch er ist Antisemit, und zwar schon einer der völkischen Richtung. Darüber hinaus ist er ein glühender Anhänger der Rohkosternährung und ein scharfer Kritiker der Schulmedizin. So war er der Auffassung, daß nur die intuitiv-hypnotische Heilmethode Aussicht auf Erfolg habe (Stern, S.161). Dies ging soweit, daß er zu dem an Syphilis erkrankten Nietzsche reiste, weil er glaubte, diesen durch magische Kräfte heilen zu können. Nietzsche jedoch war noch genug bei Sinnen, um ihn hinauswerfen zu lassen.

Befürworter der Erlebnispädagogik scheuen im übrigen nicht davor zurück, Langbehn als einen der Urheber dieser Form der Pädagogik lobend zu erwähnen und ihn zu zitieren (Ewald, Erlebnispädagogik, S.536).

Man ist geneigt zu sagen, bei Langbehn und Lagarde handele es sich um Phantasten ohne Realitätsbezug. Das ist sicherlich richtig, doch beide übten einen ganz erheblichen Einfluß aus. Ihre Werke erreichten zum Teil 40 Auflagen, und sehr viele Menschen sahen in beiden die wichtigsten Kritiker des Kaiserreiches und seiner Technik- und Fortschrittsgläubigkeit, und zwar insbesondere Literaten, Künstler, Studenten, die bürgerliche Jugendbewegung und Teile des Militärs.

Lagarde und Langbehn waren Irrationalisten, deren Werke erheblich von esoterischen Vorstellungen geprägt waren. Die nächsten Vertreter des Irrationalismus, denen wir uns nun widmen werden, sind sozusagen reine Okkultisten. Ihre Anschauungen führen direkt zur Ideologie des Nationalsozialismus.

Bereits im 19. Jahrhundert begründete die Ukrainerin Helena Blavatsky die sogenannte Lehre der Theosophie. Hier finden wir zum erstenmal die Verbindung von Okkultismus und Rassismus. Auch das Hakenkreuz taucht hier als Symbol auf. Blavatsky, die als hervorragende Spiritistin galt, arbeitete daran, östliche und westliche Weisheitslehren in Verbindung zu bringen (Freund, S. 12ff). Ihre Schriften waren weit verbreitet, und heute noch kann man in jedem Esoterik-Laden Material über sie bekommen.

Der Theosophie folgte die Ariosophie, der jetzt unsere Aufmerksamkeit gilt. Der Österreicher Adolf Lanz (1874 - 1954), der sich selbst Jörg Lanz von Liebenfels nannte, ist der Begründer der sogenannten Ariosophie. Es handelt sich hierbei um eine esoterische Geheimlehre, nach der die Arier in der Vorzeit als Gottesmenschen im Einklang mit der Natur lebten. Nach Lanz waren die Arier die wahren Meister der Esoterik und der Weisheit, was sie dazu berechtigte, die Weltherrschaft auszuüben.

Doch irgendwann kam der arische Sündenfall, der darin bestand, daß arische Frauen Geschlechtsverkehr mit Minderwertigen, Lanz nennt sie ,,Tschandalen" oder ,,Äfflinge", hatten. Dies wiederum führte dazu, daß die Herrschaft der Arier untergraben wurde. Doch Lanz ist der festen Überzeugung, daß durch Reinhaltung der Rasse - und damit ist letztlich auch die Vernichtung der ,,Äfflinge" gemeint - der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werden könnte.

Auf der Burg Werfenstein gründet Lanz den ,,Orden des Neuen Tempels", einen okkulten Geheimbund", der voll und ganz der Ariosophie verschrieben ist. Außerdem gibt er die Zeitschrift ,,Ostara" heraus, in der er seine ,,Lehren" verbreitet und die zeitweilig eine Auflage von 100.000 Exemplaren erreicht. Lanz tut das, was die meisten Okkultisten tun, er bezeichnet sich als Wissenschaftler, wobei die Astrologie für ihn die wichtigste aller Wissenschaften ist. Vieles von dem, was die Anhänger der New-Age- Bewegung heute propagieren, findet man bereits bei Lanz. Ein kurzer Blick auf seine Veröffentlichungen macht dies deutlich. Hier einige Titel: - ,,Introduktion in die Esoterik des alten und neuen Testaments" - ,,Der esoterische Gott" - ,,Anleitung zum Pendeln" - ,,Der ariosophisch-esoterische Gott und Genesis" - ,,Über Duft, Licht und Geist als Lebensnahrung" Wilfried Daim, Lanz' Biograph, schreibt: ,,Wer Lanz liest, kann leicht bemerken, daß seine Ideen keineswegs rationalen Überlegungen entstammen. Sachliches, sich auf Tatsachen gründendes Denken, das sich von Affekten eine wenigstens relative Freiheit erkämpft hat, kann nie ein solch verschrobenes System aufbauen" (Daim, S.235).

Es geht hier nicht um die Konstruktion irgendwelcher Verschwörungstheorien, aber man muß dennoch darauf hinweisen, daß Lanz und Hitler aller Voraussicht nach persönlich miteinander bekannt waren. Doch ist diese Bekanntschaft in unserem Zusammenhang nicht das Wesentliche. Fest steht, daß die Redaktion der Nazi-Zeitung ,,Der völkische Beobachter" Abonnent der ,,Ostara" war, und darüber hinaus bestanden enge personelle Verbindungen zwischen dem Orden des Neuen Tempels und der Münchner Thulegesellschaft, die wiederum, wie wir noch sehen werden, die Keimzelle der NSDAP war. Doch das, was Lanz und später Hitler, Himmler und viele andere von sich geben, ist in den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts längst nicht mehr nur die Auffassung der Mitglieder irgendwelcher okkulter Geheimbünde, sondern schickt sich an, ideologisches Allgemeingut großer Bevölkerungsteile zu werden. Lanz kann auch eine ganze Reihe prominenter Bewunderer aufweisen. Zu nennen sind der Schriftsteller August Strindberg sowie die Maler Karl Wilhelm Diefenbach und Hugo Höppener.

Ein weiterer Vertreter der Ariosophie sei noch kurz erwähnt: Guido von List. Er schrieb 1907 das Buch ,,Das Geheimnis der Runen". Auf dem Einband befindet sich ein Hakenkreuz. List ist der Auffassung, daß mit Hilfe der Runen die Geheimnisse der Arier zu entschlüsseln seien.

Auch heute wieder ist das Hantieren mit Runen ein beliebter Zeitvertreib vieler Esoterik-Anhänger, und auch Guido von List ist nach wie vor bekannt, handelt es sich bei ihm doch um einen der ,,Meister".

Werfen wir noch einen kurzen Blick auf München, das zu Beginn des Jahrhunderts das Betätigungsfeld zahlreicher Literaten und Philosophen ist.,, Der Münchner Stadtteil Schwabing ist Anziehungspunkt für all jene, denen die bürgerlich-klein-bürgerliche Welt ihrer Heimatstädte zu eng geworden ist. Rund um das Siegestor, in den Gaststätten und Ateliers treffen sich Lebensreformer und Naturapostel, Mystiker und Okkultisten, Esoteriker und Künstler, Sonderlinge und Weltverbesserer aller Art" (Wilhelm, S.9). Zu den bekanntesten Vertretern dieser Boheme zählen der Schriftsteller Stefan George und der Lebensphilosoph Ludwig Klages. Sie und ihre Anhänger geben sich Namen wie ,,Die Kosmiker und ,,Die Enormen". Wenn auch längst nicht alle Personen aus diesem Umfeld bei den Nazis gelandet sind, so haben sie doch viel dazu beigetragen, den Irrationalismus im wahrsten Sinne des Wortes salonfähig zu machen. Klages' Hauptwerk trägt bezeichnenderweise den Titel ,,Der Geist als Widersacher der Seele". Und Alfred Schuler, wie die anderen ein Anhänger des Übernatürlichen und des Unheimlichen sowie ein fanatischer Gegner von Rationalismus und Materialismus, benutzt das Hakenkreuz als ,,strahlendes Symbol" für eine heidnische Erneuerung und Wiedergeburt. So nimmt es nicht wunder, daß Klages und Schuler bereits im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts die Juden als Wurzel allen Übels ausmachen.

An dieser Stelle ist es sinnvoll, das bisher Gesagte kurz zusammenzufassen.

Die großen gesellschaftlichen Umbrüche des ausgehenden 19. Jahrhunderts bewirken insbesondere in großen Teilen des Bildungsbürgertums die Hinwendung zum lrrationalismus.

Die Kulturpessimisten Lagarde und Langbehn werden zu den schärfsten Kritikern von Rationalität, Fortschrittsglauben, Liberalismus, Materialismus und Marxismus.

Ihre Wirkung ist enorm.

Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wird der politische Irrationalismus zusehends esoterisch. Insbesondere die Ariosophie des Adolf Lanz schafft die Grundlagen für den Rassismus der Nationalsozialisten. Aber auch zahlreiche Literaten und Lebensphilosophen mit ihrem Hang zu Heidentum, Mystik und Übersinnlichem bereiten dem politischen Irrationalismus den Weg, und auch hier, in der Boheme Münchens, wird der Antisemtismus bei vielen zu einer Selbstverständlichkeit.

Bevor nun der historische Exkurs fortgesetzt wird, will ich anhand eines Schemas die wesentlichen Bestandteile des politischen Irrationalismus verdeutlichen.

Irrationalisten und Esoteriker denken zumeist in Gegensatzpaaren, und zwar in den folgenden: Erleben, Fühlen, Glauben gegen Geist, Intellekt, Denken Seele gegen Verstand Mythos gegen Logos Ganzheitlichkeit gegen wissenschaftliche Analyse organisch-biologistisches Weltbild gegen Sozialwissenschaften emotionaler Willen gegen überlegtes Handeln mythische Nation gegen Demokratie Rassismus gegen Humanität Die linke Spalte listet die wichtigsten Begriffe bzw. Schlagworte des politischen Irrationalismus auf, und rechts steht das, was bekämpft und ausgeschaltet werden soll. Fast all das kann man heute wiederfinden, und zwar bei den Angeboten der modernen Esoterik. Die hier dargestellten Gegensatzpaare bestimmen nach wie vor das Weltbild der Esoteriker, ein Weltbild, in dem Aufklärung und wissenschaftliche Erkenntnisse liquidiert sind. Leider muß man feststellen, daß vieles von dem bereits Eingang gefunden hat in Teile der Erwachsenenbildung.

Insbesondere der völlig unkritische und von historischen Kenntnissen vollkommen unberührte Umgang mit dem Begriff der ,,Ganzheitlichkeit" macht dies deutlich.

Wenden wir uns nun der Weimarer Republik zu.

Auch die erste deutsche Demokratie ist nicht frei von den Einflüssen des Irrationalismus und Okkultismus, im Gegenteil. Die folgende Auflistung zeigt lediglich eine kleine Auswahl von Organisationen und gesellschaftlichen Gruppierungen, deren Denken hiervon geprägt ist und die allesamt zu den Gegnern der Republik gehören: - Die Thule-Gesellschaft und etwa 100 weitere okkulte Geheimbünde - Die sogenannten lnflationsheiligen - Die Lebensreformbewegung - Die Bündische Jugend - Die Theoretiker der ,,Konservativen Revolution" - Der völkische Block und die NSDAP Diese Gruppen und Organisationen sollen im folgenden etwas näher beleuchtet werden.

Zunächst werfen wir einen Blick auf die Thule-Gesellschaft. Dieser Geheimbund wurde 1918 in München gegründet. Mitglieder des Germanenordens und anderer rechtsextremer Vereinigungen unter Führung des Abenteurers Rudolf von Sebettendorff finden in der Thule-Gesellschaft nicht nur ein Betätigungsfeld für germanische Esoterik und andere okkulte Praktiken, sondern hier entsteht auch ein Zentrum der militanten antirepublikanischen Bewegung. Das Freicorps Oberland z. B. ist eine Gründung der Thule-Gesellschaft. Okkulte Praktiken und völkischer Rassismus sind sozusagen die Markenzeichen dieses Geheimbundes.

Außerdem, und hier wird die Bedeutung der Thule-Gesellschaft für den weiteren Verlauf der deutschen Geschichte deutlich, lesen sich viele Namen ihrer Mitglieder und Gäste wie ein Who is Who der späteren NSDAP. Alfred Rosenberg, Chefideologe der Nazis, Hans Frank, späterer Generalgouverneur in Polen, Gottfried Feder, Wirtschaftsideologe der Nazis, Rudolf Heß, Hitlers Stellvertreter, Julius Streicher, Herausgeber des ,,Stürmers", Max Amann, erster Geschäftsführer der NSDAP, Dietrich Eckart, Mystiker, Schriftsteller und enger Vertrauter Hitlers - sie alle gehen aus der Thule-Gesellschaft hervor.

Es wird deutlich, daß die eingangs an Michael Kühnen aufgezeigte Symbiose von Esoterik und Rechtsextremismus zahlreiche historische Vorläufer hat.

Ein äußerlich anderes Bild bieten die sogenannten lnflationsheiligen. Es handelt sich bei ihnen um langhaarige, in wehende Gewänder gekleidete Männer, die ganz und gar nicht zufällig zur Krisenzeit der Inflation durch die Lande ziehen und allerlei Heilsbotschaften verkünden. Sie propagieren ein natürliches Leben außerhalb der Zivilisation, wobei ihr Gebaren sehr an das heutiger Gurus erinnert. Der bekannteste der ,,Inflationsheiligen" war Gusto Gräser. In seinem autobiograhischen Roman ,,Wir sind Gefangene" beschreibt Oskar Maria Graf jenen Gusto Gräser und auch die Münchner Boheme aus dem Blickwinkel des revolutionären Proletariers, eine im übrigen sehr zu empfehlende Lektüre.

Dem irrationalen Zeitgeist ebenso zuzuordnen ist die Lebensreformbewegung.

Zu nennen ist hier der Bund der ,,Artamanen", eine Vereinigung mit dem Ziel, die Landwirtschaft auf ihren ,,arischen Ursprung" zurückführen. Die esoterische Blut-und-Boden-Ideologie hat hier ihre wichtigste Quelle. Zu den Aktivisten der ,,Artamanen" gehören Richard Walter Darre, später Agrarminister unter Hitler, sowie Heinrich Himmler, späterer ,,Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei", und Rudolf Höß, von 1940 bis 1943 Kommandant des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz.

Wie sehr die bürgerliche Jugendbewegung von Lagarde und Langbehn beinflußt wurde, ist schon erwähnt worden. Der Irrationalismus hat auch hier seinen festen Platz. Natürlich gibt es keinen Automatismus, der von der bürgerlichen Jugend zu SA oder HJ führte. Dennoch gibt es personelle und ideologische Kontinuitäten, und auch hierfür bildet der Irrationalismus die Klammer.

Auch die Vertreter der ,,Konservativen Revolution" sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Es sind dies Konservative, die die Weimarer Republik ablehnen, allerdings nicht einfach das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen, um das Kaiserreich zu erneuern. Ihnen schwebt etwas Neues vor, das aber jeder klaren Definition entbehrt. Man will eine höhere Ordnung im Bunde mit den natürlichen Mächten, um ein für alle mal die Spuren der Demokratie und des Liberalismus zu beseitigen. Herrschen soll eine Elite, ein ,,organisches Führertum". Moeller van den Bruck, Edgar Julius Jung und Ernst Jünger sind die bekanntesten Vertreter dieser Richtung. Kurt Sontheimer liefert in seinem Werk ,,Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik" eine ausgezeichnete Analyse dieser Spielart des politischen Irrationalismus. Er kommt zu folgendem Schluß: ,,Die Ideologie der konservativen Revolution war politikfremd, weil sie mit Idealen, Träumen, großen Worten arbeitete, nicht aber mit einer detaillierten Kenntnis der politischen Verhältnisse und der in ihnen enthaltenen Möglichkeiten" (Sontheimer, S.123).

Kommen wir nun zum Nationalsozialismus, und hier besonders zu seiner Ideologie. Zunächst zwei notwendige Vorbemerkungen.

Die Hauptursachen für die Machtübernahme der Nationalsozialisten liegen in der ökonomisch-sozialen Situation in der Endphase der Weimarer Republik. Daran gibt es keinen Zweifel. Es ist jedoch ein großer Fehler, die Wirkung der nationalsozialistischen Ideologie zu unterschätzen, was meines Erachtens in der Wissenschaft und auch in der politischen Diskussion des öfteren geschehen ist.

Wenn ich mich hier auf die esoterischen Bestandteile der Nazi-ldeolgie konzentriere, so will ich damit nicht den Eindruck erwecken, als sei der Okkultismus ihre Hauptquelle gewesen, denn das ist ganz gewiß nicht der Fall. Es muß aber gleichwohl unmißverständlich betont werden, daß ohne die Tradition des lrrationalismus und damit auch ohne die Einflüsse des esoterischen Gedankenguts die Nazi-Ideologie kaum die Wirkung erzielt hätte, die sie dann erzielt hat.

Es ist sinnvoll, zunächst einmal wesentliche Berührungspunkte zwischen der nationalsozialistischen Ideologie und der Esoterik aufzuzeigen. Es sind dies im wesentlichen: - der immer wieder betonte Gegensatz zwischen Gefühl und Verstand - die Überzeugung von der Seele als der bestimmenden Kraft - das Denken in riesigen Zeitabschnitten - das organisch-biologistische Weltbild - das Beschwören von Ritualen - das Zurückweisen der Rationalität und der Wissenschaft zugunsten der Ganzheitlichkeit - die Mißachtung der Bedeutung gesellschaftlicher Verhältnisse.

Betrachtet man diese Punkte, so ist unschwer zu erkennen, daß die bestimmenden Elemente des politischen Irrationalismus in der NS-Ideologie eine Symbiose mit esoterischen Vorstellungen eingehen. Diese Symbiose erzielte erhebliche Wirkungen, was an der Reaktion von Schriftstellern auf Hitlers Machtübernahme exemplarisch beobachtet werden kann. So kommt Gottfried Benn zu dem Schluß, daß das ,,Gehirn ein Irrweg" sei, und Friedrich Blunck ist der Auffassung, der Schriftsteller solle der ,,rechnenden, klugen und klügelnden Ratio (...) kampffreudiger das Gefühl" entgegenstellen und sich ,,alter, magischer Ströme, die Erde, Mensch und Himmel füllen", innefühlen (Loewy, S.51).

Doch nicht alle Schriftsteller beteiligen sich an der Zerstörung der Vernunft. Erich Kästner stellt fest: ,,Die Seele kocht, und der Verstand erfriert", und Lion Feuchtwanger liefert mit seinem Roman ,,Die Brüder Lautensack" eine glänzende Analyse des Verhältnisses von Nationalsozialismus und Okkultismus am Beispiel einer Schlüsselgeschichte über den Hellseher Hanussen.

Wie sehr die Begründer des völkischen Rassismus lange vor 1933 okkultem Gedankengut anhingen, wurde bereits am Beispiel des Adolf Lanz erläutert. Doch auch Adolf Rosenberg, Mitglied der Thule-Gesellschaft und - daraus hervorgehend - späterer Chefideologe der Nazis, liefert mit seinem ,,Mythus des 20. Jahrhunderts" ein mit esoterischen Vorstellungen durchsetztes Machwerk des Rassismus. Rosenberg wird gemeinhin nicht zu der engen Führungsclique des Dritten Reiches gezählt. Dies ist sicherlich richtig, man sollte jedoch nicht den Fehler machen, seinen Einfluß zu unterschätzen. Er war Chefredakteur des ,,Völkischen Beobachters", Leiter des außenpolitischen Amtes der NSDAP Hitlers Beauftragter für die Überwachung der weltanschaulichen Schulung aller Parteigliederungen und schließlich Minister für die besetzten Ostgebiete. Sein ,,Mythus des 20. Jahrhunderts" ist neben Hitlers ,,Mein Kampf" das wichtigste Standardwerk der NS-ldeologie.

Rosenberg schreibt: ,,Als geborener Herr fühlte der Inder seine Eigenseele sich ausdehnen zu dem das ganze Universum erfüllenden Lebenshauch, und umgekehrt erfuhr er den Weltenodem in seinem eigenen Busen als sein eigenes Selbst wirken" (Rosenberg, S.29).

Die Seele ist also mit der kosmischen Energie vernetzt, wie heutige Esoteriker sagen würden.

Doch lassen wir Rosenberg selbst weiterreden: ,,Das Leben einer Rasse, eines Volkes, ist keine sich logisch entwickelnde Philosophie, auch kein naturgesetzlich sich abwickelnder Vorgang, sondern die Ausbildung einer mystischen Synthese, einer Seelenbetätigung, die weder durch Vernunftschlüsse erklärt noch durch Darstellung von Ursache und Wirkung begreiflich gemacht werden kann" (Rosenberg, S.117).

Im Grunde wird hier eine Zusammenfassung von Grundaussagen des politischen Irrationalismus geleistet. Wieder werden Logik und Vernunft diskreditiert, und an ihre Stelle treten eine ,,mystische Synthese" und eine ,,Seelenbetätigung", was immer das auch sein mag. Die Standardwerke der Esoterik bieten heute noch - oder heute wieder - exakt dieselbe Denkungsart. Wohin diese letztlich bei Rosenberg führt, lassen wir ihn selber sagen: ,,Seele aber bedeutet Rasse von innen gesehen. Und umgekehrt ist Rasse die Außenseite der Seele, der Mythus des Blutes, der Glaube, mit dem Blute auch das göttliche Wesen des Menschen überhaupt zu verteidigen.

Rosenberg bringt sein Buch 1930 heraus, drei Jahre vor Hitlers Machtübernahme, aber in den Köpfen der Rassenideologen und Blutmystiker wird der Weg nach Auschwitz bereits beschritten.

Der Einfluß des Okkultismus auf den Nationalsozialismus bleibt nicht auf dessen Ideologie beschränkt. Am Beispiel der Medizin soll eine der vielen praktischen Auswirkungen geschildert werden.

Auf Himmlers und Heß' Vorlieben für die Esoterik wurde eingangs schon hingewiesen.

Beide bemühten sich dann auch nach 1933, der Schulmedizin von staatlicher Seite her die Naturheilkunde, oft Biomedizin genannt, entgegenzusetzen. Auf dem Homöopathenkongreß des Jahres 1936 sagt Heß: ,,Und immer stärker wird die Forderung erhoben, über das Befassen mit den Teilen das Ganze nicht aus den Augen zu verlieren - eine Forderung allgemeingültiger Art, deren Befolgung bereits staatspolitische Früchte getragen hat. Auf dem Gebiet der Medizin lautet diese Forderung: zur Heilung des kranken Organs mehr als bisher den Weg über die Einflußnahme auf den Gesamtorganismus zu gehen. Die Homöopathie ist eine naturnahe Heilweise, die diesen Weg von eher beschriften hat" (zit. n. Prokop / Wimmer, S.245).

Wäre da nicht der Hinweis auf die ,,staatspolitischen Früchte", dieser Text würde in einer heutigen Broschüre kaum auffallen, im Gegenteil - er liegt voll und ganz im Sprachduktus der heutigen Anhänger der Naturheilkunde. Insbesondere die ,,Ganzheitlichkeit" kommt immer wieder vor, auch bei dem Naturheilkundler Kötschau, der nach der Machtübernahme der Nazis folgendes sagt: ,,Nationalsozialistisch denken und biologisch denken aber sind eins. Wir finden in der biologischen Medizin wieder die Natur- und Volksverbundenheit des Nationalsozialismus, ebenso finden wir in beiden das ganzheitliche Denken und die Ablehnung mechanistischer Erklärungen und Zerstückelungen (Prokop / Wimmer S.244).

Doch es blieb nicht bei diesen Erklärungen.

Himmler ließ in den Konzentrationslagern Dachau und Auschwitz Menschen mit tödlichen Krankheiten infizieren, um den Beweis zu erbringen, daß diese Infektionen homöopathisch geheilt werden können. Dieser Beweis wurde nicht erbracht, die infizierten Häftlinge gingen elend zugrunde.

Himmler jedoch ließ nicht ab von seinem Glauben, allerdings nicht nur hier. So wie er über die Stiftung ,,Ahnenerbe" die esoterischen Begründungen für die Überlegenheit der arischen Rasse erhalten und über den Verein ,,Lebensborn" die Züchtung des Herrenmenschen vorantreiben wollte, so gründlich gingen er und seine zahlreichen Helfer auch bei der Vernichtung der Juden und anderer sogenannter ,,Untermenschen" vor. Okkultismus, Ahnenerbe, Lebensborn und Blutmystik sind die eine Seite der Medaille, die andere ist die grauenhafte Wirklichkeit von Auschwitz- Birkennau. Und eines sollte klar sein: Die Initiatoren des Völkermordes glaubten an die Richtigkeit ihres Tuns. Die lange Tradition des Irrationalismus, die okkulte Vernebelung des Geistes und somit die Zerstörung der Vernunft haften ihre Köpfe dazu fähig gemacht. Ein Phänomen der nationalsozialistischen Wirklichkeit liegt darin, daß enorme technologische Modernisierungsschübe gepaart sind mit rückwärts gewandten Anschauungen einer irrational-esoterischen Unmenschlichkeit. Die Nazis bedienten sich der modernsten technischen Mittel, um ihre barbarischen Vorstellungen des Rassenwahns grauenhafte Realität werden zu lassen.

Fassen wir zusammen: Die ,,philosophische Atmosphäre" (Stern) des Irrationalen gegen Vernunft, Materialismus und Liberalismus hatte bereits im 19. Jahrhundert den Nährboden bereitet für den esoterischen Rassenwahn der Ariosophen und der Nazis. In der Weimarer Republik kommt es dann trotz des demokratischen Systems nicht zu einem Stillstand dessen, was Lukacs die ,,Zerstörung der Vernunft" genannt hat. Die Gegner der Republik setzen die Tradition des Irrationalen fort, wobei fast überall die Einflüsse der Esoterik auszumachen sind. So ist dann auch die NS-Rassenideologie nicht zuletzt ein Ergebnis des weitverbreiteten esoterischokkulten Irrationalismus. Daß es immer gesellschaftliche Krisen waren, die die Voraussetzungen schafften für den Einfluß des Irrationalismus auf das Denken und die Anschauungen vieler Menschen, und insbesondere bei den akademisch Gebildeten, sollte deutlich geworden sein.

Und ein weiteres sollte klar geworden sein: Der Irrationalismus ist noch lange nicht tot, er erlebt im Gegenteil eine Renaissance, was nicht zufällig ist, denn auch wir leben in einer Zeit enormer gesellschaftlicher Umbrüche und Krisen. Folglich boomt der Esoterik- Markt. In einer wahllos herausgegriffenen Zeitschrift aus der Szene liest man das folgende: ,,Der Nationalsozialismus hat die Tabuisierung des Mythos bewirkt. Heute ist die Rückkehr zum Mythischen unübersehbar.

Offen bleibt, ob sie in eine neue Barbarei, in ein kaItes Konsumland oder in eine wiederverzauberte Welt führen wird, die den Schutz unserer Mitwelt mit einer Synthese von Vernunft und mythischer Welterfahrung verbindet. Wie auch immer wir diesen Weg gestalten werden: Auf der Suche nach unseren Wurzeln und nach einer ganzheitlichen Identität und einem sinnstiftenden Leben werden wir nicht umhinkönnen, den Spuren der Mythen zu folgen" (,,Esotera", 3/96).

Hier wird mit einem sattsam bekannten Vokabular der lrrationalismus propagiert und gleichzeitig ein erneuter Rückfall in die Barbarei einkalkuliert. Insofern muß man dem Autor dankbar sein für seine Klarheit.

Doch man sieht mit erschreckender Deutlichkeit, daß die Esoterik auch weiterhin unserer Aufmerksamkeit bedarf.

 Literaturverzeichnis

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Berlin 1991 Freund, Rene: Braune Magie? Okkultismus, New Age und Nationalsozialismus. Wien 1995 Gamm, Hans-Jochen: Führung und Verführung.

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Stuttgart 1995 Hepp, Corona: Avantgarde. Moderne Kunst, Kulturkritik und Reformbewegungen nach der Jahrhundertwende.

München 1987 Horkheimer, Max / Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt am Main 1968 Horkheimer, Max: Kritik der instrumentellen Vernunft.

Frankfurt am Main 1971 Jäckel, Eberhard: Hitlers Weltanschauung.

Entwurf einer Herrschaft. Tübingen 1969 Kater, Michael H.: Das Ahnenerbe der SS. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches.

Stuttgart 1974 Kern, Gerhard / Traynor Lee (Hrsg.): Die esoterische Verführung . Angriff auf Vernunft und Freiheit. Aschaffenburg 1995 Klages, Ludwig: Der Geist als Widersacher der Seele.

3 Bde. München 1929-1932 Kratz, Peter: Die Götter des New Age. Im Schnittpunkt von ,,Neuem Denken", Faschismus und Romantik.

Berlin 1994 Krockow, Christian Graf von: Von deutschen Mythen.

Rückblick und Ausblick. Stuttgart 1995 Kunert, Hubertus: Reformpädagogik und Faschismus.

Hannover 1973 Lagarde, Paul de: Deutsche Schriften. München 1924 Langbehn, Julius: Rembrandt als Erzieher. Von einem Deutschen. Leipzig 1891 Laquer, Walter: Die deutsche Jugendbewegung. Köln 1962 Linse, Ulrich: Barfüßige Propheten. Erlöser der zwanziger Jahre, Berlin 1983 Loewy, Ernst: Literatur unterm Hakenkreuz. Das Dritte Reich und seine Dichtung. Frankfurt am Main 1983 Lukacs, Georg: Die Zerstörung der Vernunft. 3 Bde.

Darmstadt und Neuwied 1962 Moeller van den Bruck, Arthur: Das Dritte Reich.

Hamburg 1931 Mommsen, Hans: Die Auflösung des Bürgertums seit dem späten 1 9. Jahrhundert. In: Ders.: Der Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft. Ausgewählte Aufsätze. Reinbek bei Hamburg 1991 Prokop, O. / Wimmer, W.: Der moderne Okkultismus.

Parapsychologie und Paramedizin, Magie und Wissenschaft im 20. Jahrhundert. Stuttgart, New York 1987 Pross, Harry: Die Zerstörung der deutschen Politik.

Dokumente 1871-1933 Frankfurt am Main 1983 Rosenberg, Alfred: Der Mythus des 20. Jahrhunderts.

7. Aufl. München 1943 Schlund, Erhard: Neugermanisches Heidentum im heutigen Deutschland. München 1924 Schnurbein, Stefanie von: Göttertrost in Wendezeiten - neugermanisches Heidentum zwischen New Age und Rechtsradikalismus. München 1993 Sontheimer, Kurt: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. München 1978 Stern, Fritz: Kulturpessimismus als politische Gefahr.

München 1986 Toland, John: Adolf Hitler, 2 Bde. Bergisch Gladbach 1981 Ulrich, Jörg: Absicht und Naivität. Die Geburt des politischen lrrationalismus aus dem Geist der postmodernen Verwirrung. In: Klaus Fritzsche, Gerhard Freiling (Hrsg.) Konflikte um Ordnung und Freiheit. Sozialwissenschaftliche Beiträge.

Pfungstadt und Bensheim 1995, S.89-101 Vondung, Klaus: Magie und Manipulation.

Ideologischer Kult und politische Religion des Nationalsozialismus. Göttingen 1971 Wilhelm, Hermann: Dichter, Denker, Fememörder.

Rechtsradikalismus und Antisemitismus in München von der Jahrhundertwende bis 1921.

Berlin 1989 Ewald, Thomas, geb. 1955; Studium der Gesellschaftslehre und Germanistik an der Universität Gesamthochschule Kassel; Fachbereichsleiter für politische Bildung und berufliche Weiterbildung an der Gesamt-Volkshochschule Kassel.

 * * * * * * Eine Schriftenreihe der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung