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Uhlmann:Die Täufer bewegung

http://www.menno.ch/emmental/wer/geschichte.html


Die Täuferbewegung

Peter H. Uhlmann


INHALT:

Die Schweizer Brüder...
Wie ein Lauffeuer von Tirol bis in die Niederlande...
Die Katastrophe von Münster...
Zum Ausdruck "Schwärmer"...
Ein Priester beginnt die Bibel zu lesen...
Protestantische Inquisition in Zürich und Bern...
Spaltungen...
Der Einbruch des Rationalismus...
Verweht in alle Winde...
Entstehung der Mennoniten Brüdergemeinden...
Kein Anschluss der Schweizer Täufer an den Réveil...
Die Aussenmission...
Die Verbreitung der Mennoniten...

Quellenangaben...
Autor...


Die Schweizer Brüder

Die ältesten historisch belegbaren Quellen der Täuferbewegung finden wir in der Schweiz. Ihre Anfänge sind eng verknüpft mit der Geschichte der Reformation in Zürich. Um Zwingli entsteht anfangs der 20er Jahre ein Kreis von Personen, die "im Wort Gottes arbeiten"1. Zu diesem Kreis gehören reformatorisch gesinnte Personen, wie KONRAD GREBEL, FELIX MANTZ, der Buchhändler ANDREAS CASTELBERGER und der Priester LUDWIG HÄTZER. KONRAD GREBEL (geb. um 1498) entstammt einer Patrizierfamilie von Zürich. Sein Vater ist im Auftrag der Stadt Landvogt des Bezirks Grüningen. Konrad studiert an den Universitäten Basel, Wien und Paris, wo er sich humanistisch schulen lässt und im damaligen Zug der Zeit ein recht lockeres Leben führt. 1522 bekehrt sich Grebel durch Zwinglis reformatorische Bibelauslegung.

Die Gruppe um Grebel verlangt nach der ersten Disputation in Zürich (1523) eine rasche Verwirklichung des reformatorischen Gedankenguts und, entsprechend dem neutestamentlichen Vorbild, eine Trennung von Kirche und Staat. Zu dieser Gruppe gehört der ebenfalls humanistisch geschulte FELIX MANTZ, der Sohn eines Chorherrn (Priesters). Auch er steht zunächst Zwingli sehr nahe. Eine weitere Person, die sich den Täufern anschliesst ist GEORG BLAUROCK, ein ehemaliger Mönch aus dem Kanton Graubünden, der in Leipzig Theologie studiert hat. Im nahen Witikon (heute ein Stadtviertel Zürichs) predigt WILHELM RÖUBLI als erster katholischer Priester von der Kanzel gegen die Kindertaufe. Er ist der erste Pfarrer in der Schweiz, dessen Ehe gesetzlich anerkannt wird. Im nicht weit entfernten Zollikon eifert ein weiterer Priester, JOHANNES BRÖTLI, gegen die kirchlichen Taufsitten und hält in Privathäusern Bibelstunden. Beide Verkündiger suchen engen Kontakt mit der Gruppe um Grebel und Mantz. In einem Brief legen Grebel und seine Mitarbeiter die Gemeindeprinzipien dar: Nicht der Staat, sondern die Schrift und der Heilige Geist soll die Kirche regieren! Kirche und Staat sind darum zu trennen. Fernstehende sollen evangelisiert werden. Die biblische Kirche setzt sich aus den wahrhaft Gläubigen zusammen, die auf Grund ihres Glaubens getauft worden sind. Wörtlich schreibt Grebel: "Man soll auch das Evangelium und seine Anhänger nicht mit dem Schwert schirmen, und sie sollen es auch selbst nicht tun. ... Rechte gläubige Christen sind Schafe mitten unter den Wölfen, Schafe zum Schlachten, müssen in Angst und Not, Trübsal, Verfolgung, Leiden und Sterben getauft werden, sich in Feuer bewähren ... Auch gebrauchen sie weder weltliches Schwert noch Krieg. Denn bei ihnen ist das Töten ganz abgeschafft ..."2

Dieser Brief ist ein wichtiges Dokument freikirchlichen Gedankenguts. Im Frühjahr weigern sich gewisse Familien ihre Säuglinge zu taufen. Die Taufe wird damit zum Auslöser für das unterschiedliche Gemeindeverständnis. Der Name "Täuferbewegung" könnte suggerieren, dass die Taufe im Mittelpunkt der Bewegung stehen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr geht es um das neutestamentliche Gemeindeverständnis, das wiederum mit der Tauffrage gekoppelt ist und gegen das die Gegner zu Felde ziehen.

Im Januar 1525 zitiert der Rat alle Anhänger von Mantz und Grebel zu einer öffentlichen Aussprache ins Rathaus. Zwingli beschuldigt die Brüder, sie seien "in Engel des Lichts verkleidete Teufel". Der Ausgang der Disputation ist für die Täufer vernichtend. Der Rat verfügt, alle Neugeborenen seien wie bisher innerhalb von acht Tagen zu taufen. Dazu erlässt er ein Versammlungsverbot. Grebel und Mantz wird bewusst, wie aussichtslos es ist, Zwingli und die Zürcher Obrigkeit für eine Wiederherstellung des neutestamentlichen Gemeindeprinzips gewinnen zu können.

Die erste Versammlung findet am Samstagabend, den 21. Januar 1525 im Haus von Felix Mantz statt, das nur wenige Schritte vom Grossmünster entfernt in der Neustadtgasse liegt. Jörg Blaurock, ein ehemaliger Mönch aus dem Bündnerland, erhebt sich und bittet Konrad Grebel, ihn zu taufen. Dieser erfüllt Blaurocks Wunsch. Anschliessend tauft Blaurock die Versammlungsteilnehmer. Dies ist die Geburtsstunde der Täuferbewegung. Weil die Regierung die Anliegen der Täufer zurückweist, machen sie durch Proteste auf sich aufmerksam. So formieren sie sich in Zürich zu einem Umzug, wo sie Zwingli als antichristlichen Drachen darstellen.

In der folgenden Woche finden in verschiedenen Häusern von Zollikon Abendmahlsversammlungen statt. In diesen schlichten Zusammenkünften schlägt das Herz der jungen Gemeinde. Zur Einleitung liest ein Bruder einen Abendmahlstext aus dem neuen Testament und äussert dazu einige Gedanken. Wir müssen uns dabei vergegenwärtigen, dass die reformierten Pfarrer in den Kirchen immer noch das Abend-mahl in der römischkatholischen Form zelebrieren und der Gemeinde nur die Oblaten, nicht aber den Kelch geben. Hier in den Privathäusern jedoch brechen Laien gewöhnliches Brot und reichen einander den Kelch.

An einem Sonntagmorgen will Blaurock die Kanzel erobern, was durch den Pfarrer und den anwesenden Untervogt verhindert wird. Schon am Montag erscheinen die Stadtknechte in Zollikon und nehmen Blaurock, Mantz und alle in den letzten acht Tagen getauften Bauern gefangen; im ganzen sind es 27 Personen. Vor den Täufern liegt nun ein steiniger Weg der Verfolgung und Entbehrung.

Zwischen den verhafteten Gläubigen und Zwingli kommt es immer wieder zu Streitgesprächen. Eine der Schriften, die Zwingli gegen die Täufer geschrieben hat, heisst: "Von der Taufe, der Wiedertaufe und der Kindertaufe". Darin versucht er die Kindertaufe unter anderem mit der alttestamentlichen Beschneidung zu stützen. Diese Art der Bibelauslegung stösst begreiflicherweise bei den Täufern auf wenig Verständnis.

In Lachen am oberen Zürichsee fallen 1525 die ersten Todesurteile: BOLT EBERLI und ein ihm nahestehender Priester werden verbrannt. Konrad Grebel entweicht in die Ostschweiz, wo er in St. Gallen am Palmsonntag 1525 etwa 500 Personen auf ihren Glauben an Jesus Christus durch Untertauchen in der Sitter tauft. In Zürich wird am 5. Januar 1527 FELIX MANTZ ertränkt. Der Henker bindet Mantz Hände und Füsse, streift ihm die Arme über die Knie und steckt einen Knebel zwischen Arme und Schenkel hindurch. Mantz beginnt mit lauter Stimme in lateinischer Sprache zu singen: "In deine Hände, Vater, befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, du Gott der Wahrheit". - Der Henker schiebt Mantz über den Bootsrand, nach einem dumpfen Aufschlag entschwindet der Leib in den eiskalten Fluten. Innerhalb von nur fünf Jahren erleiden fünf weitere Männer das gleiche Schicksal.



Wie ein Lauffeuer von Tirol bis in die Niederlande


Die Täuferbewegung breitet sich nun wie ein Lauffeuer über die deutschsprachigen Länder bis in die Niederlande aus. Heinrich Bullinger, der Nachfolger Zwinglis, beklagt: "Die Leute rennen den Täufern nach, als ob sie lebendige Heilige wären". Aber es gibt auch schwärmerische Endzeitpropheten. HANS HUT (um 1490-1527) hat die Wiederkunft Jesu auf Pfingsten 1528 festgelegt hat. In einer rastlosen Missionstätigkeit zieht er umher und sammelt die 144 000 Auserwählten, die er mit einem Kreuz auf der Stirn kennzeichnet, damit sie im Endzeitkampf bestehen bleiben. 1527 treffen sich fast 60 Täufer zu einer Synode in Augsburg. Da in den kommenden Jahren fast alle Teilnehmer dieser Zusammenkunft hingerichtet werden, spricht man von der "Märtyrersynode". Einer der wichtigsten Punkte der Synode ist die Bekämpfung der schwärmerischen Auffassungen von Hut. Man verbietet ihm, seine schwärmerischen Lehren öffentlich vorzutragen; er darf nur noch Auskunft geben, wenn er persönlich gefragt wird. Hut selbst stirbt noch im selben Jahr in Augsburg durch einen von ihm entfachten Gefängnisbrand. Seine Anhänger in Coburg, Bamberg, Erlangen und in Nieder- und Oberösterreich werden bald aufgegriffen. Die überlebenden Anhänger schliessen sich den Täufern an.

In katholischen Gebieten beginnen die Scheiterhaufen zu lodern, in evangelischen Landstrichen werden die Täufer ertränkt oder geköpft. In Bern verurteilt die Regierung in vier Jahrzehnten mindestens 40 Gläubige zum Tod. In Linz werden in sechs Jahren 73 Menschen verbrannt. In Tirol beträgt die Zahl der bis 1531 Hingerichteten 1000. In Ensisheim im Elsass sind es 2000. Ein Graf in der Pfalz ruft aus, nachdem er 350 Täufer hingerichtet hat: "Was soll ich bloss tun? Je mehr ich töte, desto grösser wird ihre Zahl"! In Bayern sind die Bestimmungen besonders rigoros; die Herzöge verfügen: "Alle Wiedertäufer sind mit dem Tode zu bestrafen. wer widerruft, wird geköpft; wer nicht widerruft, wird verbrannt".3

Diese Todesurteile werden von der höchsten weltlichen Instanz sanktioniert: dem Kaiser und dem Reichstag. 1529 protestieren die Evangelischen auf dem Zweiten Reichstag zu Speyer vor Kaiser KARL V., weil sie ihre Glaubensfreiheit gefährdet sehen. Auf demselben Reichstag unterzeichnet der Kaiser mit Billigung auch der evangelischen Stände (!) ein Edikt, wonach sich bei Todesstrafe keiner, der als Säugling getauft worden ist, nochmals als Erwachsener auf seinen Glauben taufen lassen darf. Auch wenn sich Katholiken, Lutheraner und Reformierte arg befeinden und bekriegen, so sind sie sich in einem Punkt einig: in der Bekämpfung der Täufer. Diese werden zu recht- und schutzlosen Menschen. Die Beschlüsse bezüglich den Täufern bedeuten den legalisierten Mord an Zehntausenden von Menschen.

Im "Augsburger Bekenntnis" von 1530 werden die Täufer wegen ihrer Taufpraxis durch vier pauschale Aussagen verurteilt (Art. 9): "Es werden die Wiedertäufer verworfen, welche lehren, dass die Kindertaufe nicht recht sei". - Die Täufer wollen Gemeinde nach dem Neuen Testament bauen. Auf Grund ihrer Privilegien stemmen sich jedoch die Staatskirchen bis ins 19. Jh. gegen die Menschenrechte!4 Darum werden die Täufer als Staatsverbrecher, als tolle Schwarmgeister und Erzketzer abgestempelt. Ihr einziger "Fehler" war, dass sie dreieinhalb Jahrhunderte zu früh für die Religions-, Versammlungs- und Gewissensfreiheit eingetreten sind. Es ist eine unermessliche Tragik, dass sich Staat und Kirche mitten in Europa bis ins 19. Jh. gegen diese Menschenrechte gestemmt haben.



Mehrere Jahre vor Luthers Bibelübersetzung erscheint auf dem Büchermarkt eine Schrift mit folgendem Titel: "Alle Propheten nach hebräischer Sprache verdeutscht, von Ludwig Hätzer und Johannes Denk". Diese Schrift findet reissen-den Absatz; in wenigen Jahren werden 17 Auflagen gedruckt. Obwohl Luther dieser Übersetzung höchste Anerkennung zukommen lässt, wird diese Übersetzung teilweise verboten. Der Grund: Beide Übersetzer sind Täufer.

Der theologische Gelehrte und Rektor der Sebaldusschule in Nürnberg HANS DENK ist ein wichtiger Vorkämpfer der Glaubens- und Gewissensfreiheit und einer der bedeutendsten Vertreter eines undogmatischen Christentums, das in den Spiritualismus ausmündet. In Augsburg lässt er sich von Hubmaier taufen und leitet die dortige Gemeinde. Er wird vertrieben und übersetzt dann zusammen mit Hätzer in Worms die alttestamentlichen Propheten. Der erst 32jährige stirbt in Basel an der Pest.

LUDWIG HÄTZER, ein katholischer Kaplan von Zürich, wird Täufer und wirkt in Süddeutschland, in der Pfalz und im Elsass. Er wird aufgegriffen und 1529 hingerichtet und zwar, weil er einerseits Täufer und andererseits in Ehebruch gefallen ist. Noch auf dem Hinrichtungsplatz bittet er die Umstehenden um Vergebung für seine Sünden.

Inmitten aller Verfolgungen treffen sich anfangs 1527 Vertreter der schweizerischen, süddeutschen und österreichischen Täufergemeinden im Wald bei Schlatten am Randen im Kanton Schaffhausen. Unter der Leitung von MICHAEL SATTLER fassen sie ihre aus dem Neuen Testament gewonnene Erkenntnis zusammen. Die Gemeinden sollen durch diese sieben Schleitheimer Artikel innerlich gefestigt werden. Einmütig bekennen sich die Brüder zur Taufe der Gläubigen, zum Abendmahl, zur Gemeindezucht, zur Absonderung vom Bösen und zur Gewaltlosigkeit. Von den Hirten der Gemeinden wird gesagt, dass es standhafte Männer sein müssen. Sterben sie, sollen an ihrer Stelle neue Älteste eingesetzt werden, damit sich die Gemeinden nicht zerstreuen. Im letzten Artikel wird aufgeführt: Der Eid ist eine Befestigung unter denen, die zanken. Christus verbietet alles Zanken und das Schwören. Jedes Wort der Christen soll wahr sein (vgl. den Quellentext...)

Vor seiner Hinwendung zu den Täufern ist Michael Sattler (geb. ca. 1490) Prior des Benediktinerklosters St. Peter im Schwarzwald. In einer unruhigen Zeit gibt er den durch Verfolgungen und theologischen Spekulationen gefährdeten Täufergemeinden eine wichtige Orientierung. Er sucht einen Weg zwischen der Gewalt des Bauernkrieges (Thomas Müntzer), der obrigkeitlichen Reformation (Luther, Zwingli) und dem Spiritualismus (Hans Denk) und wird so biblischer Pazifist. Als Verfasser des Schleitheimer Bekenntnisses fällt Sattler für den süddeutschen Bereich ein ebenso wichtiger Platz zu, wie zwei bis drei Jahrzehnte später Menno Simons für den Norden. Bereits am 20. Mai 1527 wird Sattler in Rottenburg am Neckar auf grausame Weise umgebracht. Kurze Zeit später werden 900 weitere Gläubige in derselben Stadt in Asche verwandelt.



Brüderliche Vereinigung etlicher Kinder Gottes, sieben Artikel betreffend (1527)


Liebe Brüder und Schwestern in dem Herrn!
Uns liegt zuerst und vor allem daran, Euch zu trösten und Euer Gewissen, das eine Weile verwirrt war, zu stärken, damit Ihr nicht für immer als Heiden von uns abgesondert und mit Recht fast ganz ausgeschlossen werdet, sondern Euch wieder den wahren, eingepflanzten Gliedern Christi, die mit Geduld und Erkenntnis Christi ausgerüstet werden ...
Es ist von einigen falschen Brüdern unter uns ein sehr grosses Ärgernis erregt worden. Es haben sich einige vom Glauben abgewandt, indem sie meinten, sie übten und gebrauchten die Freiheit des Geistes und Christi. Aber sie haben die Wahrheit verfehlt und haben sich (sich selbst zum Gericht) der Geilheit und Freiheit des Fleisches ergeben und haben gedacht, der Glaube und die Liebe könnten alles tun und dulden und nichts könne ihnen schaden oder verwerflich sein, weil sie doch gläubig seien....
Zum ersten merkt Euch über die Taufe: Die Taufe soll allen denen gegeben werden, die über die Busse und Änderung des Lebens belehrt worden sind und wahrhaftig glauben, dass ihre Sünden durch Christus hinweggenommen sind, und allen denen, die wandeln wollen in der Auferstehung Jesu Christi und mit ihm in den Tod begraben sein wollen, auf dass sie mit ihm auferstehen mögen, und allen denen, die es in solcher Meinung von uns begehren und von sich selbst aus fordern. Damit wird jede Kindertaufe ausgeschlossen, des Papstes höchster und erster Greuel. ...
Zum zweiten haben wir uns folgendermassen über den Bann geeinigt. Der Bann soll bei allen denen Anwendung finden, die sich dem Herrn ergeben haben, seinen Geboten nachzuwandeln, und bei allen denen, die in den einen Leib Christi getauft worden sind, sich Brüder oder Schwestern nennen lassen und doch zuweilen ausgleiten, in einen Irrtum und eine Sünde fallen und unversehens überrascht werden. Dieselben sollen zweimal heimlich ermahnt und beim dritten Mal öffentlich vor der ganzen Gemeinde zurechtgewiesen oder gebannt werden nach dem Befehl Christi (Mt. 18,15 ff.)...
Zum dritten, was das Brotbrechen anlangt, sind wir uns einig geworden und haben folgendes vereinbart: Alle, die ein Brot brechen wollen zum Gedächtnis des gebrochenen Leibes Christi, und alle, die von einem Trank trinken wollen zum Gedächtnis des vergossenen Blutes Christi, die sollen vorher vereinigt sein zu einem Leib Christi, das ist zur Gemeinde Gottes, an welcher Christus das Haupt ist, nämlich durch die Taufe. ...
Zum vierten haben wir uns über die Absonderung geeinigt. Sie soll geschehen von den Bösen und vom Argen, das der Teufel in der Welt gepflanzt hat, damit wir ja nicht Gemeinschaft mit ihnen haben und mit ihnen in Gemeinschaft mit ihren Greueln laufen. Das heisst, weil alle, die nicht in den Gehorsam des Glaubens getreten sind und die sich nicht mit Gott vereinigt haben, dass sie seinen Willen tun wollen, ein grosser Greuel vor Gott sind, so kann und mag nichts anderes aus ihnen wachsen oder entspringen als greuliche Dinge. ... Aus dem allen sollen wir lernen, dass alles, was nicht mit unserem Gott und mit Christus vereinigt ist, nichts anderes ist als die Greuel, die wir meiden und fliehen sollen. Damit sind gemeint alle päpstlichen und widerpäpstlichen Werke und Gottesdienste, Versammlungen, Kirchenbesuche, Weinhäuser, Bündnisse und Verträge des Unglaubens und anderes dergleichen mehr, was die Welt für hoch hält und was doch stracks wider den Befehl Gottes durchgeführt wird ...
Zum fünften haben wir uns über die Hirten in der Gemeinde folgendermassen geeinigt: Der Hirte in der Gemeinde Gottes soll ganz und gar nach der Ordnung von Paulus (1.Tim. 3,7) einer sein, der einen guten Leumund von denen hat, die ausserhalb des Glaubens sind. Sein Amt soll sein Lesen und Ermahnen und Lehren, Mahnen, Zurechtweisen, Bannen in der Gemeinde und allen Brüdern und Schwestern zur Besserung vorbeten, das Brot anfangen zu brechen und in allen Dingen des Leibes Christi achthaben, dass er gebaut und gebessert und dem Lästerer der Mund verstopft wird. Er soll aber von der Gemeinde, welche ihn erwählt hat, unterhalten werden, wenn er Mangel haben sollte. Denn wer dem Evangelium dient, soll auch davon leben, wie der Herr verordnet hat '1.Kor. 9,14'. Wenn aber ein Hirte etwas tun sollte, was der Zurechtweisung bedarf, soll mit ihm nur vor zwei oder drei Zeugen gehandelt werden. Und wenn sie sündigen, sollen sie vor allen zurechtgewiesen werden, damit die andern Furcht haben. Wenn aber dieser Hirte vertrieben oder durch das Kreuz zum Herrn hingeführt werden sollte, soll von Stund an ein anderer an seine Stelle verordnet werden, damit das Völklein und Häuflein Gottes nicht zerstört, sondern durch die Mahnung erhalten und getröstet wird.
Zum sechsten haben wir uns über das Schwert folgendermassen geeinigt: Das Schwert ist eine Gottesordnung ausserhalb der Vollkommenheit Christi. Es straft und tötet den Bösen und schützt und schirmt den Guten. Im Gesetz wird das Schwert über die Bösen zur Strafe und zum Tode verordnet. Es zu gebrauchen, sind die weltlichen Obrigkeiten eingesetzt. ... Nun wird von vielen, die den Willen Christi uns gegenüber nicht erkennen, gefragt, ob auch ein Christ das Schwert gegen den Bösen zum Schutz und Schirm des Guten und um der Liebe willen führen könne und solle. Die Antwort ist einmütig folgendermassen geoffenbart. Christus lehrt und befiehlt uns (Mt. 11,29), dass wir von ihm lernen sollen; denn er sei milde und von Herzen demütig, und so würden wir Ruhe finden für unsere Seelen.
Zweitens wird wegen des Schwertes gefragt, ob ein Christ Urteil sprechen soll in weltlichem Zank und Streit, den die Ungläubigen mit einander haben. Die Antwort ist diese: Christus hat nicht entscheiden oder urteilen wollen zwischen Bruder und Bruder des Erbteils wegen, sondern hat sich dem widersetzt. So sollen wir es auch tun. Drittens wird des Schwertes halber gefragt, ob der Christ Obrigkeit sein soll, wenn er dazu gewählt wird. Dem wird so geantwortet: Christus sollte zum König gemacht werden, ist aber geflohen und hat die Ordnung seines Vaters nicht berücksichtigt. So sollen wir es auch tun und ihm nachlaufen. ...
Das Regiment der Obrigkeit ist nach dem Fleisch, das der Christen nach dem Geist. Ihre Häuser und Wohnung sind mit dieser Welt verwachsen; die der Christen sind im Himmel.
Zum siebten haben wir uns über den Eid folgender massen geeinigt: Der Eid ist eine Bekräftigung unter denen, die zanken oder Versprechungen machen, und es ist im Gesetz befohlen, dass er im Namen Gottes allein wahrhaftig und nicht falsch geleistet werden soll. Christus, der die Erfüllung des Gesetzes lehrt, der verbietet den Seinen alles Schwören ...

zit. nach H. Fast, Der linke Flügel der Reformation



BALTHASAR HUBMAIER (geb. vor 1485 in Friedberg) wird Student in Freiburg i.B., wo er von Johann Eck theologisch ausgebildet wird. In Ingolstadt promoviert er zum Doktor der Theologie und wird Leiter der Universität. 1516 wird er Domprediger von Regensburg. Auf seine Veranlassung hin werden die Juden nach 1518 aus der Stadt vertrieben. Auf dem Platz der Synagoge entsteht die Kapelle zur "Schönen Maria". Ab 1520 wirkt er im badischen Waldshut als Priester. Er öffnet sich dem reformatorischen und dem täuferischen Gedankengut und wird Reformator dieser Stadt. Als die Habsburger Waldshut besetzen, flieht er nach Zürich. Weil er mit den Täufern befreundet ist, wird er inhaftiert, zum Widerruf gezwungen und schliesslich des Landes verwiesen. Er gelangt nach Nikolsburg in Mähren. Da in Mähren für einige Zeit religiöse Versammlungsfreiheit herrscht, suchen hier viele Täufer aus dem Tirol und aus Süddeutschland Zuflucht. Gegen 12 000 Menschen schliessen sich in kurzer Zeit der Gemeinde an. In einer Disputation mit HANS HUT, der die Christen auf eine strenge pazifistische Haltung verpflichten will, tritt Hubmaier dafür ein, dass die Christen besonders dazu qualifiziert seien, Regierungsämter wahrzunehmen. In seiner Schrift "Vom Schwert" wünscht er sich christliche Obrigkeiten, da diese besser ihren Auftrag erfüllen können und nicht nur auf Macht und Pomp bedacht seien, wie die unchristlichen. Wörtlich schreibt er: "So die Obrigkeit mich oder einen andern auffordert, ihr dabei behilflich zu sein, den Übeltäter, den sie nach der Ordnung Gottes töten muss, hinzurichten, so sind wir verpflichtet, ihr zu helfen. Und wer sich dagegen zur Wehr setzt, widerstrebt der Ordnung Gottes ..."5 Als Ferdinand Landesherr von Mähren wird, lässt er im Juni 1527 den grossen Volksprediger wegen Anstiftung zur Aufruhr verhaften. Auf einen Wagen geschmiedet wird er nach Wien gebracht, eingekerkert und am 10. März 1528 in Wien auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Drei Tage später wird seine Frau mit einem Stein um den Hals von der grossen Donaubrücke gestürzt und ertränkt. Balthasar Hubmaiers Leitsatz lautet: "Die Wahrheit ist untödlich"! Die eigenständige Theologie Balthasar Hubmaiers könnte heute die freikirchliche Theologie in manchen Punkten befruchten.

Quellentext: Balthasar Hubmaier, Das wahre bibllsche Taufverständnis: Der Lehrer Urteil (1526)

Der Apostel Paulus [schrieb]: .. Lasset uns hinzutreten zu Christus, erstens mit wahrhaftigem Herzen in Vollkommenheit des Glaubens, zweitens gereinigt in unserem Herzen vom bösen Gewissen, d.h. mit der inneren Taufe, drittens gewaschen am Leibe mit reinem Wasser [Hebr 10,22]. Dann kommt [nämlich] erst die äussere Taufe, die ohne die innere nichts als Schein und Heuchelei ist. Denn wie ich den Korinthern geschrieben habe, 1Kor 11 [28f.], dass sie sich vorher prüfen sollten, ehe sie vom Brot essen und von dem Kelch trinken, oder sie werden sich selbst zur Verurteilung essen und trinken, ebenso sage ich, ja, nicht ich, sondern Christus selber, dass man vorher glauben solle, ehe man die Taufe empfange [Mark 16,16]; oder man handelt gegen seine Worte, Lehre und Einsetzung; und das ist eine greuliche Abgötterei, nicht gehorsam gegenüber den Worten des Herrn zu sein.
Ich schweige darüber, dass durch eine solche Kindertaufe die Menschen der rechten Taufe Christi beraubt werden, indem sie meinen sie seien getauft, und sind doch nicht mehr als [nur äusserlich] getauft. Es werden auch Noah mit Ham, Sem, Japhet und ihren Frauen gegen uns zeugen und sagen: "Seht ihr, wir sind ein Gleichnis für die Wassertaufe gewesen mit unserer Arche in der Sintflut, wie es der heilige Petrus euch geschrieben hat in seinem Brief", 1.Petr 3[,20; Gen 6,18]. Nun hat aber niemand die Arche betreten, es sei denn, er hätte zuvor dem Wort Gottes Glauben geschenkt, Ebenso solltet ihr auch niemanden mit Wasser taufen, der nicht vorher gläubig geworden ist ...


Balthasar Hubmaier, Schriften, hg. von G. Westin, S. 254.



Die Hutterer

Die Hutterer gehen auf JAKOB HUTTER (od. Huter, um 1500-36), einem Südtiroler Hutmacher zurück. Im Gegensatz zu Hubmaier bekennen sie sich zur Wehrlosigkeit, so dass sie sich in Mähren von der Gemeinde in Nikolsburg trennen. Nach Verfolgungen entstehen nach 1536 die ersten Bruderhöfe in Mähren. Durch Mission werden weitere Zuwanderer aus Tirol, Österreich und Süddeutschland gewonnen, so dass schliesslich an etwa 80 mährischen Orten Bruderhöfe mit ca. 80 000 Gläubigen aufgebaut werden. Durch die Gegenreformation und den Dreissigjährigen Krieg müssen viele Bruderhöfe aufgegeben werden. Die Hutterer zerstreuen sich über weite Teile Europas: einige gelangen in die Pfalz, andere nach Westpreussen, nach Siebenbürgen bis zur Ukraine. In verschiedenen Abständen lassen sie sich in Süd- und Nord-Dakota (USA) nieder, von wo sie sich rasch weiter ausbreiten. - Im Gegensatz zu den Amischen setzen die Hutterer zur Bewirtschaftung der Felder modernste Maschinen ein. Die Hutterer haben noch heute Gütergemeinschaft und pflegen einen einfachen Lebensstil. Die Bruderhöfe haben Kindergärten, Schulen, Werkstätten und gemeinsame Küchen. Der ganze Ort hat eine gemeinsame Kasse. Ihre Frömmigkeit ist von vielen traditionellen Elementen geprägt.



Die Katastrophe von Münster


Durch MELCHIOR HOFMANN (auch Hoffmann, um 1495-1543) gelangen die Gedanken des Täufertums nach Holland, Friesland, ja sogar bis nach Livland (Baltikum). JAN VOLKERTS TRYPMAKER verbreitet die Lehre der Glaubenstaufe in Holland. Hofmann vermischt sie mit eigenartigen Endzeiterwartungen, die um das 1000jährige Reich kreisen. Aus dem Kreis seiner Anhänger, der sog. "Melchioriten" entsteht eine Gruppe von militanten Täufern, die mit Gewalt auf die Errichtung des 1000jährigen Reichs hinwirken. Unter JAN VAN LEY-DEN (JAN BOCKELSON) als "Apostel" und JAN MATHYS, ein Bä-cker aus Haarlem, wird im westfälischen Münster das "Täu-ferreich" ausgerufen. Sie verkünden eine Botschaft der Rache: Die Gottlosen müssen vertilgt werden, damit die Frommen fortan herrschen und regieren können. Die Bürger der Stadt werden von einem Rausch erfasst, die Kirchen geplündert und die Altäre zerstört. Die Erwachsenentaufe wird zum Gesetz erklärt. Andersdenkende Männer, Frauen und Kinder werden mitten im Winter 1534/35 aus der Stadt verjagt oder getötet. Jan van Leyden lässt sich als "König des neuen Jerusalems" ausrufen und führt die Vielweiberei ein. Der Spuk dauert nur kurze Zeit. Fürstbischof FRANZ VON WALDECK belagert die Stadt anderthalb Jahre lang, bis sie durch Verrat gestürmt werden kann. Tausende werden niedergemetzelt. Die Anführer werden gefangen genommen und zu Tode gequält. Ihre Leichen werden in eisernen Käfigen am Turm der Lambertikirche zur Schau gestellt. Die Stadt wird nun systematisch rekatholisiert. Diese Ereignisse haben der Täufer-bewegung unsäglich viel geschadet. Bis heute zeichnet man von ihr ein oft verzerrtes und mit Vorurteilen belastetes Bild. Wer unterscheidet schon zwischen den pazifistischen Täufern, die bereit gewesen sind, bis zum Tod Jesus nachzufolgen und dieser schwärmerischen, von den Täufern selbst verurteilten Abspaltung?


Zum Ausdruck "Schwärmer"


Der Ausdruck "Schwärmer" rührt vor allem von Luther her. Er betitelt wiederholt seine Gegner, egal ob dies Katholiken, Zwingli, Schwenckfeld, die Täufer oder irgendwelche Gruppierungen sind, pauschal mit dem Schimpfwort "Schwärmer". Leider wird dieser Begriff bis heute im religionskundlichen Sinn oft unbesehen verwendet, um unterschiedlichste Strömungen "einzuordnen". Im Zusammenhang mit den Täufern sollte man jedoch folgende Begriffe gut auseinanderhalten:

Wichtigstes Kennzeichen der Täufer ist ihr Biblizismus, durch den sie die Idee des Staatskirchentums verwerfen. Neben dieser Unterscheidung von Bürgergemeinde und Christusgemeinde betonen sie auf Grund der Bergpredigt die Bekehrung zu Christus und eine kompromisslose Nachfolge des auferstandenen Herrn. Auf die Täufer werden wir weiter unten nochmals zurückkommen.


Das Denken der Spiritualisten wird stark von den Mystikern geprägt. Ihr Glaube wird "zu einem von aller Geschichte unabhängigen Erleuchtetsein".6 Sie denken in einem griechisch geprägten Dualismus, der äussere Strukturen gering achtet, dafür um so mehr das innere Licht zum Führer macht. Die äussere Gemeindebildung erachten sie als nebensächlich oder lehnen sie ab. Für den Spiritualist SEBASTIAN FRANCK (1499-1542) ist die Reformation durch die unsichtbare Geistkirche überholt. Die protestanti-sche Schriftautorität ist für ihn ein "papierenen Papst", die Bibel "eine ewige Allegorie" und der Sakramentsstreit ein "Affenspiel des Teufels". Ein anderer Spiritualist ist HANS DENK, der seine

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