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Friedrich Engels: Die deutschen Bauernkriege

Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 7,S. 327-413
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1960




Friedrich Engels

Der deutsche Bauernkrieg



geschrieben im Sommer 1850.
Erstmalig veröffentlicht in:
"Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue",
Fünftes und Sechstes Heft, Mai bis Oktober 1850.

Nach der letzten von Friedrich Engels besorgten Ausgabe von 1875. Auf Abweichungen von der Erstveröffentlichung wird in Fußnoten verwiesen.



Vorbemerkung zum Zweiten Abdruck (1870) "Der deutsche Bauernkrieg"
Ergänzung der Vorbemerkung von 1870 zu "Der deutsche Bauernkrieg"
I. Die ökonomische Lage und der soziale Schichtenbau Deutschlands
II. Die großen oppositionellen Gruppierungen und ihre Ideologien - Luther und Münzer
III. Vorläufer des großen Bauernkrieges zwischen 1476 und 1517
IV. Der Adelsaufstand
V. der schwäbisch-fränkische Bauernkrieg
VI. Der thüringische, elsässische und östreichische Bauernkrieg
VII. Die Folgen des Bauernkriegs



<329> Auch das deutsche Volk hat seine revolutionäre Tradition. Es gab eine Zeit, wo Deutschland Charaktere hervorbrachte, die sich den besten Leuten der Revolutionen anderer Länder an die Seite stellen können, wo das deutsche Volk eine Ausdauer und Energie entwickelte, die bei einer zentralisierteren Nation die großartigsten Resultate erzeugt hätte, wo deutsche Bauern und Plebejer mit Ideen und Plänen schwanger gingen, vor denen ihre Nachkommen oft genug zurückschaudern.

Es ist an der Zeit, gegenüber der augenblicklichen Erschlaffung, die sich nach zwei Jahren des Kampfes fast überall zeigt, die ungefügen, aber kräftigen und zähen Gestalten des großen Bauernkriegs dem deutschen Volke wieder vorzuführen. Drei Jahrhunderte sind seitdem verflossen, und manches hat sich geändert; und doch steht der Bauernkrieg unsern heutigen Kämpfen so überaus fern nicht, und die zu bekämpfenden Gegner sind großenteils noch dieselben. Die Klassen und Klassenfraktionen, die 1848 und 49 überall verraten haben, werden wir schon 1525, wenn auch auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe, als Verräter vorfinden. Und wenn der robuste Vandalismus des Bauernkriegs in der Bewegung der letzten Jahre nur stellenweise, im Odenwald, im Schwarzwald, in Schlesien, zu seinem Rechte kam, so ist das jedenfalls kein Vorzug der modernen Insurrektion.


I

[Die ökonomische Lage und der soziale Schichtenbau Deutschlands]


<330> Gehen wir zunächst kurz zurück auf die Verhältnisse Deutschlands zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts.

Die deutsche Industrie hatte im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert einen bedeutenden Aufschwung genommen. An die Stelle der feudalen, ländlichen Lokalindustrie war der zünftige Gewerbebetrieb der Städte getreten, der für weitere Kreise und selbst für entlegnere Märkte produzierte. Die Weberei von groben Wollentüchern und Leinwand war jetzt ein stehender, weitverbreiteter Industriezweig; selbst feinere Wollen- und Leinengewebe sowie Seidenstoffe wurden schon in Augsburg verfertigt. Neben der Weberei hatte sich besonders jene an die Kunst anstreifende Industrie gehoben, die in dem geistlichen und weltlichen Luxus des späteren Mittelalters ihre Nahrung fand: die der Gold- und Silberarbeiter, der Bildhauer und Bildschnitzer, Kupferstecher und Holzschneider, Waffenschmiede <(1850) fehlt: Waffenschmiede>, Medaillierer, Drechsler etc. etc. Eine Reihe von mehr oder minder bedeutenden Erfindungen, deren historische Glanzpunkte die des Schießpulvers (1) und der Buchdruckerei bildeten, hatte zur Hebung der Gewerbe wesentlich beigetragen. Der Handel ging mit der Industrie gleichen Schritt. Die Hanse hatte durch ihr hundertjähriges Seemonopol die Erhebung von ganz Norddeutschland aus der mittelalterlichen Barbarei sichergestellt; und wenn sie auch schon seit Ende des fünfzehnten Jahrhunderts der Konkurrenz der Engländer und Holländer rasch zu erliegen anfing, so ging doch trotz Vasco da Gamas Entdeckungen der große Handelsweg von Indien nach dem Norden immer noch durch Deutschland, <331> war Augsburg noch immer der große Stapelplatz für italienische Seidenzeuge, indische Gewürze und alle Produkte der Levante. Die oberdeutschen Städte, namentlich Augsburg und Nürnberg, waren die Mittelpunkte eines für jene Zeit ansehnlichen Reichtums und Luxus. Die Gewinnung der Rohprodukte hatte sich ebenfalls bedeutend gehoben. Die deutschen Bergleute waren im fünfzehnten Jahrhundert die geschicktesten der Welt, und auch den Ackerbau hatte das Aufblühen der Städte aus der ersten mittelalterlichen Roheit herausgerissen. Nicht nur waren ausgedehnte Strecken urbar gemacht worden, man baute auch Farbekräuter und andere eingeführte Pflanzen, deren sorgfältigere Kultur auf den Ackerhau im allgemeinen günstig einwirkt

Der Aufschwung der nationalen Produktion Deutschlands hatte indes noch immer nicht Schritt gehalten mit dem Aufschwung anderer Länder. Der Ackerbau stand weit hinter dem englischen und niederländischen, die Industrie hinter der italienischen, flämischen und englischen zurück, und im Seehandel fingen die Engländer und besonders die Holländer schon an, die Deutschen aus dem Felde zu schlagen. Die Bevölkerung war immer noch sehr dünn gesäet. Die Zivilisation in Deutschland existierte nur sporadisch, um einzelne Zentren der Industrie und des Handels gruppiert; die Interessen dieser einzelnen Zentren selbst gingen weit auseinander, hatten kaum hie und da einen Berührungspunkt. Der Süden hatte ganz andere Handelsverbindungen und Absatzmärkte als der Norden; der Osten und der Westen standen fast außer allem Verkehr. Keine einzige Stadt kam in den Fall, der industrielle und kommerzielle Schwerpunkt des ganzen Landes zu werden, wie London dies z.B. für England schon war. Der ganze innere Verkehr beschränkte sich fast ausschließlich auf die Küsten- und Flußschiffahrt und auf die paar großen Handelsstraßen, von Augsburg und Nürnberg über Köln nach den Niederlanden und über Erfurt nach dem Norden. Weiter ab von den Flüssen und Handelsstraßen lag eine Anzahl kleinerer Städte, die, vom großen Verkehr ausgeschlossen, ungestört in den Lebensbedingungen des späteren Mittelalters fortvegetierten, wenig auswärtige Waren brauchten, wenig Ausfuhrprodukte lieferten. Von der Landbevölkerung kam nur der Adel in Berührung mit ausgedehnteren Kreisen und neuen Bedürfnissen; die Masse der Bauern kam nie über die nächsten Lokalbeziehungen und den damit verbundenen lokalen Horizont hinaus.

Während in England und Frankreich das Emporkommen des Handels und der Industrie die Verkettung der Interessen über das ganze Land und damit die politische Zentralisation zur Folge hatte, brachte Deutschland es nur zur Gruppierung der Interessen nach Provinzen, um bloß lokale Zentren, und da- <332> mit zur politischen Zersplitterung; einer Zersplitterung, die bald darauf durch den Ausschluß Deutschlands vom Welthandel sich erst recht festsetzte. In demselben Maß, wie das reinfeudale Reich zerfiel, löste sich der Reichsverband überhaupt auf, verwandelten sich die großen Reichslehenträger in beinahe unabhängige Fürsten, schlossen einerseits die Reichsstädte, andererseits die Reichsritter Bündnisse, bald gegeneinander, bald gegen die Fürsten oder den Kaiser. Die Reichsgewalt, selbst an ihrer Stellung irre geworden, schwankte unsicher zwischen den verschiedenen Elementen, die das Reich ausmachten, und verlor dabei immer mehr an Autorität; ihr Versuch, in der Art Ludwigs XI. zu zentralisieren, kam trotz aller Intrigen und Gewalttätigkeiten nicht über die Zusammenhaltung der östreichischen Erblande hinaus. Wer in dieser Verwirrung, in diesen zahllosen sich durchkreuzenden Konflikten schließlich gewann und gewinnen mußte, das waren die Vertreter der Zentralisation innerhalb der Zersplitterung, der lokalen und provinziellen Zentralisation, die Fürsten, neben denen der Kaiser selbst immer mehr ein Fürst wie die andern wurde.

Unter diesen Verhältnissen hatte sich die Stellung der aus dem Mittelalter überlieferten Klassen wesentlich verändert, und neue Klassen hatten sich neben den alten gebildet.

Aus dem hohen Adel waren die Fürsten hervorgegangen. Sie waren schon fast ganz unabhängig vom Kaiser und im Besitz der meisten Hoheitsrechte. Sie machten Krieg und Frieden auf eigne Faust, hielten stehende Heere, riefen Landtage zusammen und schrieben Steuern aus. Einen großen Teil des niederen Adels und der Städte hatten sie bereits unter ihre Botmäßigkeit gebracht; sie wandten fortwährend jedes Mittel an, um die noch übrigen reichsunmittelbaren Städte und Baronien ihrem Gebiet einzuverleiben. Diesen gegenüber zentralisierten sie, wie sie gegenüber der Reichsgewalt dezentralisierend auftraten. Nach innen war ihre Regierung schon sehr willkürlich. Sie riefen die Stände meist nur zusammen, wenn sie sich nicht anders helfen konnten. Sie schrieben Steuern aus und nahmen Geld auf, wenn es ihnen gutdünkte; das Steuerbewilligungsrecht der Stände wurde selten anerkannt und kam noch seltener zur Ausübung. Und selbst dann hatte der Fürst gewöhnlich die Majorität durch die beiden steuerfreien und am Genuß der Steuern teilnehmenden Stände, die Ritterschaft und die Prälaten. Das Geldbedürfnis der Fürsten wuchs mit dem Luxus und der Ausdehnung des Hofhaltes, mit den stehenden Heeren, mit den wachsenden Kosten der Regierung. Die Steuern wurden immer drückender. Die Städte waren meist dagegen geschützt durch ihre Privilegien; die ganze Wucht der Steuerlast fiel auf die Bauern, sowohl auf die Dominialbauern der Fürsten selbst wie auch auf die Leibeigenen, Hörigen <333> und Zinsbauern <(1850) nur: Leibeigne und Hörige> der lehnspflichtigen Ritter. Wo die direkte Besteurung nicht ausreichte, trat die indirekte ein; die raffiniertesten Manöver der Finanzkunst wurden angewandt, um den löchrigen Fiskus zu füllen. Wenn alles nicht half, wenn nichts mehr zu versetzen war und keine freie Reichsstadt mehr Kredit geben wollte, so schritt man zu Münzoperationen der schmutzigsten Art, schlug schlechtes Geld, machte hohe oder niedrige Zwangskurse, je nachdem es dem Fiskus konvenierte. Der Handel mit städtischen und sonstigen Privilegien, die man nachher gewaltsam wieder zurücknahm, um sie abermals für teures Geld zu verkaufen, die Ausbeutung jedes Oppositionsversuchs zu Brandschatzungen und Plünderungen aller Art etc. etc. waren ebenfalls einträgliche und alltägliche Geldquellen für die Fürsten jener Zeit. Auch die Justiz war ein stehender und nicht unbedeutender Handelsartikel für die Fürsten. Kurz, die damaligen Untertanen, die außerdem noch der Privathabgier der fürstlichen Vögte und Amtleute zu genügen hatten, bekamen alle Segnungen des "väterlichen" Regierungssystems im vollsten Maße zu kosten.

Aus der feudalen Hierarchie des Mittelalters war der mittlere Adel fast ganz verschwunden; er hatte sich entweder zur Unabhängigkeit kleiner Fürsten emporgeschwungen oder war in die Reihen des niederen Adels herabgesunken. Der niedere Adel, die Ritterschaft, ging ihrem Verfall rasch entgegen. Ein großer Teil war schon gänzlich verarmt und lebte bloß von Fürstendienst in militärischen oder bürgerlichen Ämtern; ein andrer stand in der Lehnspflicht und Botmäßigkeit der Fürsten; der kleinere war reichsunmittelbar. Die Entwicklung des Kriegswesens, die steigende Bedeutung der Infanterie, die Ausbildung der Feuerwaffe beseitigte die Wichtigkeit ihrer militärischen Leistungen als schwere Kavallerie und vernichtete zugleich die Uneinnehmbarkeit ihrer Burgen. Gerade wie die Nürnberger Handwerker wurden die Ritter durch den Fortschritt der Industrie überflüssig gemacht. Das Geldbedürfnis der Ritterschaft trug zu ihrem Ruin bedeutend bei. Der Luxus auf den Schlössern, der Wetteifer in der Pracht bei den Turnieren und Festen, der Preis der Waffen und Pferde stieg mit den Fortschritten der gesellschaftlichen Entwicklung <(1850) der Zivilisation (statt: der gesellschaftlichen Entwicklung)>, während die Einkommenquellen der Ritter und Barone wenig oder gar nicht zunahmen. Fehden mit obligater Plünderung und Brandschatzung, Wegelagern und ähnliche noble Beschäftigungen wurden mit der Zeit zu gefährlich. Die Abgaben und Leistungen der herrschaftlichen Untertanen brachten kaum mehr ein als früher. Um ihre zunehmenden Bedürfnisse zu decken, mußten die gnädigen Herren zu denselben Mitteln ihre Zuflucht nehmen wie die Fürsten. <334> Die Bauernschinderei durch den Adel wurde mit jedem Jahre weiter ausgebildet. Die Leibeigenen wurden bis auf den letzten Blutstropfen ausgesogen, die Hörigen mit neuen Abgaben und Leistungen unter allerlei Vorwänden und Namen belegt. Die Fronden, Zinsen, Gülten, Laudemien, Sterbfallabgaben, Schutzgelder usw. wurden allen alten Verträgen zum Trotz willkürlich erhöht. Die Justiz wurde verweigert und verschachert, und wo der Ritter dem Gelde des Bauern sonst nicht beikommen konnte, warf er ihn ohne weiteres in den Turm und zwang ihn, sich loszukaufen.

Mit den übrigen Ständen lebte der niedere Adel ebenfalls auf keinem freundschaftlichen Fuß. Der lehnspflichtige Adel suchte sich reichsunmittelbar zu machen, der reichsunmittelbare seine Unabhängigkeit zu wahren; daher fortwährende Streitigkeiten mit den Fürsten. Der Geistlichkeit, die dem Ritter in ihrer damaligen aufgeblähten Gestalt als ein rein überflüssiger Stand erschien, beneidete er ihre großen Güter, ihre durch das Zölibat und die Kirchenverfassung zusammengehaltenen Reichtümer. Mit den Städten lag er sich fortwährend in den Haaren; er war ihnen verschuldet, er nährte sich von der Plünderung ihres Gebiets, von der Beraubung ihrer Kaufleute, vom Lösegeld der ihnen in den Fehden abgenommenen Gefangenen. Und der Kampf der Ritterschaft gegen alle diese Stände wurde um so heftiger, je mehr die Geldfrage auch bei ihr eine Lebensfrage wurde.

Die Geistlichkeit, die Repräsentantin der Ideologie des mittelalterlichen Feudalismus, fühlte den Einfluß des geschichtlichen Umschwungs nicht minder. Durch die Buchdruckerei und die Bedürfnisse des ausgedehnteren Handels war ihr das Monopol nicht nur des Lesens und Schreibens, sondern der höheren Bildung genommen. Die Teilung der Arbeit trat auch auf intellektuellem Gebiet ein. Der neuaufkommende Stand der Juristen verdrängte sie aus einer Reihe der einflußreichsten Ämter. Auch sie fing an, zum großen Teil überflüssig zu werden, und erkannte dies selbst an durch ihre stets wachsende Faulheit und Unwissenheit. Aber je überflüssiger sie wurde, desto zahlreicher wurde sie - dank ihren enormen Reichtümern, die sie durch Anwendung aller möglichen Mittel noch fortwährend vermehrte.

In der Geistlichkeit gab es zwei durchaus verschiedene Klassen. Die geistliche Feudalhierarchie bildete die aristokratische Klasse: die Bischöfe und Erzbischöfe, die Äbte, Prioren und sonstigen Prälaten. Diese hohen Würdenträger der Kirche waren entweder selbst Reichsfürsten, oder sie beherrschten als Feudalherren, unter der Oberhoheit andrer Fürsten, große Strecken Landes mit zahlreichen Leibeignen und Hörigen. Sie exploitierten ihre Untergebenen nicht nur ebenso rücksichtslos wie der Adel und die Fürsten, sie gingen noch viel schamloser zu Werke. Neben der brutalen Gewalt wurden <335> alle Schikanen der Religion, neben den Schrecken der Folter alle Schrecken des Bannfluchs und der verweigerten Absolution, alle Intrigen des Beichtstuhl in Bewegung gesetzt, um den Untertanen den letzten Pfennig zu entreißen oder das Erbteil der Kirche zu mehren. Urkundenfälschung war bei diesen würdigen Männern ein gewöhnliches und beliebtes Mittel der Prellerei. Aber obgleich sie außer den gewöhnlichen Feudalleistungen und Zinsen noch den Zehnten bezogen, reichten alle diese Einkünfte noch nicht aus. Die Fabrikation wundertätiger Heiligenbilder und Reliquien, die Organisation seligmachender Betstationen, der Ablaßschacher wurden zu Hülfe genommen, dem Volk vermehrte Abgaben zu entreißen, und lange Zeit mit bestem Erfolg.

Diese Prälaten und ihre zahllose, mit der Ausbreitung der politischen und religiösen Hetzereien stets verstärkte Gendarmerie von Mönchen waren es, auf die der Pfaffenhaß nicht nur des Volks, sondern auch des Adels sich konzentrierte. Soweit sie reichsunmittelbar <(1850) souverän>, standen sie dem Fürsten im Wege. Das flotte Wohlleben der beleibten Bischöfe und Äbte und ihrer Mönchsarmee erregte den Neid des Adels und empörte das Volk, das die Kosten davon tragen mußte, um so mehr, je schreiender es ihren Predigten ins Gesicht schlug.

Die plebejische Fraktion der Geistlichkeit bestand aus den Predigern auf dem Lande und in den Städten. Sie standen außerhalb der feudalen Hierarchie der Kirche und hatten keinen Anteil an ihren Reichtümern. Ihre Arbeit war weniger kontrolliert und, so wichtig sie der Kirche war, im Augenblick weit weniger unentbehrlich als die Polizeidienste der einkasernierten Mönche. Sie wurden daher weit schlechter bezahlt, und ihre Pfründen waren meist sehr knapp. Bürgerlichen oder plebejischen Ursprungs, standen sie der Lebenslage der Masse nahe genug, um trotz ihres Pfaffentums bürgerliche und plebejische Sympathien zu bewahren. Die Beteiligung an den Bewegungen der Zeit, bei den Mönchen nur Ausnahme, war bei ihnen Regel. Sie lieferten die Theoretiker und Ideologen der Bewegung, und viele von ihnen, Repräsentanten der Plebejer und Bauern, starben dafür auf dem Schafott. Der Volkshaß gegen die Pfaffen wendet sich auch nur in einzelnen Fällen gegen sie.

Wie über den Fürsten und dem Adel der Kaiser, so stand über den hohen und niederen Pfaffen der Papst. Wie dem Kaiser der "gemeine Pfennig", die Reichssteuern, bezahlt wurden, so dem Papst die allgemeinen Kirchensteuern, aus denen er den Luxus am römischen Hofe bestritt. In keinem Lande <336> wurden diese Kirchensteuern - dank der Macht und Zahl der Pfaffen - mit größerer Gewissenhaftigkeit und Strenge eingetrieben als in Deutschland. So besonders die Annaten bei Erledigung der Bistümer. Mit den steigenden Bedürfnissen wurden dann neue Mittel zur Beschaffung des Geldes erfunden: Handel mit Reliquien, Ablaß- und Jubelgelder usw. Große Summen wanderten so alljährlich aus Deutschland nach Rom, und der hierdurch vermehrte Druck steigerte nicht nur den Pfaffenhaß, er erregte auch das Nationalgefühl, besonders des Adels, des damals nationalsten Standes.

Aus den ursprünglichen Pfahlbürgern der mittelalterlichen Städte hatten sich mit dem Aufblühen des Handels und der Gewerbe drei scharf gesonderte Fraktionen entwickelt.

An der Spitze der städtischen Gesellschaft standen die patrizischen Geschlechter, die sogenannte "Ehrbarkeit". Sie waren die reichsten Familien. Sie allein saßen im Rat und in allen städtischen Ämtern. Sie verwalteten daher nicht bloß die Einkünfte der Stadt, sie verzehrten sie auch. Stark durch ihren Reichtum, durch ihre althergebrachte, von Kaiser und Reich anerkannte aristokratische Stellung, exploitierten sie sowohl die Stadtgemeinde wie die der Stadt untertänigen Bauern auf jede Weise. Sie trieben Wucher in Korn und Geld, oktroyierten sich Monopole aller Art, entzogen der Gemeinde nacheinander alle Anrechte auf Mitbenutzung der städtischen Wälder und Wiesen und benutzten diese direkt zu ihrem eigenen Privatvorteil, legten willkürlich Weg-, Brücken- und Torzölle und andere Lasten auf und trieben Handel mit Zunftprivilegien, Meisterschafts- und Bürgerrechten und mit der Justiz. Mit den Bauern des Weichbilds gingen sie nicht schonender um als der Adel oder die Pfaffen; im Gegenteil, die städtischen Vögte und Amtleute auf den Dörfern, lauter Patrizier, brachten zu der aristokratischen Härte und Habgier noch eine gewisse bürokratische Genauigkeit in der Eintreibung mit. Die so zusammengebrachten städtischen Einkünfte wurden mit der höchsten Willkür verwaltet; die Verrechnung in den städtischen Büchern, eine reine Förmlichkeit, war möglichst nachlässig und verworren; Unterschleife und Kassendefekte waren an der Tagesordnung. Wie leicht es damals einer von allen Seiten mit Privilegien umgebenen, wenig zahlreichen und durch Verwandtschaft und Interesse eng zusammengehaltenen Kaste war, sich aus den städtischen Einkünften enorm zu bereichern, begreift man, wenn man an die zahlreichen Unterschleife und Schwindeleien denkt, die das Jahr 1848 in so vielen städtischen Verwaltungen an den Tag gebracht hat.

Die Patrizier hatten Sorge getragen, die Rechte der Stadtgemeinde besonders in Finanzsachen überall einschlafen zu lassen. Erst später, als die Prellereien dieser Herren zu arg wurden, setzten sich die Gemeinden wieder <337> in Bewegung, um wenigstens die Kontrolle über die städtische Verwaltung an sich zu bringen. Sie erlangten in den meisten Städten ihre Rechte wirklich wieder. Aber bei den ewigen Streitigkeiten der Zünfte unter sich, bei der Zähigkeit der Patrizier und dem Schutz, den sie beim Reich und den Regierungen der ihnen verbündeten Städte fanden, stellten die patrizischen Ratsherren sehr bald ihre alte Alleinherrschaft faktisch wieder her, sei es durch List, sei es durch Gewalt. Im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts befand sich die Gemeinde in allen Städten wieder in der Opposition.

Die städtische Opposition gegen das Patriziat teilte sich in zwei Fraktionen, die im Bauernkrieg sehr bestimmt hervortreten.

Die bürgerliche Opposition, die Vorgängerin unsrer heutigen Liberalen, umfaßte die reicheren und mittleren Bürger sowie einen nach den Lokalumständen größeren oder geringeren Teil der Kleinbürger. Ihre Forderungen hielten sich rein auf verfassungsmäßigem Boden. Sie verlangten die Kontrolle über die städtische Verwaltung und einen Anteil an der gesetzgebenden Gewalt, sei es durch die Gemeindeversammlung selbst oder durch eine Gemeindevertretung (großer Rat, Gemeindeausschuß); ferner Beschränkung des patrizischen Nepotismus und der Oligarchie einiger weniger Familien, die selbst innerhalb des Patriziats immer offener hervortrat. Höchstens verlangten sie außerdem noch die Besetzung einiger Ratsstellen durch Bürger aus ihrer eignen Mitte. Diese Partei, der sich hier und da die unzufriedene und heruntergekommene Fraktion des Patriziats anschloß, hatte in allen ordentlichen Gemeindeversammlungen und auf den Zünften die große Majorität. Die Anhänger des Rats und die radikalere Opposition zusammen waren unter den wirklichen Bürgern bei weitem die Minderzahl.

Wir werden sehen, wie während der Bewegung des sechzehnten Jahrhunderts diese "gemäßigte", "gesetzliche", "wohlhabende" und "intelligente" Opposition genau dieselbe Rolle spielt, und genau mit demselben Erfolg, wie ihre Erbin, die konstitutionelle Partei, in der Bewegung von 1848 und 1849.

Im übrigen eiferte die bürgerliche Opposition noch sehr ernstlich wider die Pfaffen, deren faules Wohlleben und lockere Sitten ihr großes Ärgernis gaben. Sie verlangte Maßregeln gegen den skandalösen Lebenswandel dieser würdigen Männer. Sie forderte, daß die eigene Gerichtsbarkeit und die Steuerfreiheit der Pfaffen abgeschafft und die Zahl der Mönche überhaupt beschränkt werde.

Die plebejische Opposition bestand aus den heruntergekommenen Bürgern und der Masse der städtischen Bewohner, die vom Bürgerrechte ausgeschlossen war: den Handwerksgesellen, den Taglöhnern und den zahlreichen <338> Anfängen des Lumpenproletariats, die sich selbst auf den untergeordneten Stufen der städtischen Entwicklung vorfinden. Das Lumpenproletariat ist überhaupt eine Erscheinung, die, mehr oder weniger ausgebildet, in fast allen bisherigen Gesellschaftsphasen vorkommt. Die Menge von Leuten ohne bestimmten Erwerbszweig oder festen Wohnsitz wurde gerade damals sehr vermehrt durch das Zerfallen des Feudalismus in einer Gesellschaft, in der noch jeder Erwerbszweig, jede Lebenssphäre hinter einer Unzahl von Privilegien verschanzt war. In allen entwickelten Ländern war die Zahl der Vagabunden nie so groß gewesen wie in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts. Ein Teil dieser Landstreicher trat in Kriegszeiten in die Armeen, ein anderer bettelte sich durchs Land, der dritte endlich suchte in den Städten durch Taglöhnerarbeit und was sonst gerade nicht zünftig war, seine notdürftige Existenz. Alle drei spielen eine Rolle im Bauernkrieg: der erste in den Fürstenarmeen, denen die Bauern erlagen, der zweite in den Bauernverschwörungen und Bauernhaufen, wo sein demoralisierender Einfluß jeden Augenblick hervortritt, der dritte in den Kämpfen der städtischen Parteien. Es ist übrigens nicht zu vergessen, daß ein großer Teil dieser Klasse, namentlich der in den Städten lebende, damals noch einen bedeutenden Kern gesunder Bauernnatur besaß und noch lange nicht die Käuflichkeit und Verkommenheit des heutigen zivilisierten Lumpenproletariats entwickelt hatte.

Man sieht, die plebejische Opposition der damaligen Städte bestand aus sehr gemischten Elementen. Sie vereinigte die verkommenen Bestandteile der alten feudalen und zünftigen Gesellschaft mit dem noch unentwickelten, kaum emportauchenden proletarischen Element der aufkeimenden, modernen bürgerlichen Gesellschaft. Verarmte Zunftbürger, die noch durch das Privilegium mit der bestehenden bürgerlichen Ordnung zusammenhingen, auf der einen Seite; verstoßene Bauern und abgedankte Dienstleute, die noch nicht zu Proletariern werden konnten, auf der andern. Zwischen beiden die Gesellen, momentan außerhalb der offiziellen Gesellschaft stehend und sich in ihrer Lebenslage dem Proletariat so sehr nähernd, wie dies bei der damaligen Industrie und unter dem Zunftprivilegium möglich; aber, zu gleicher Zeit, fast lauter zukünftige bürgerliche Meister, kraft eben dieses Zunftprivilegiums. Die Parteistellung dieses Gemisches von Elementen war daher notwendig höchst unsicher und je nach der Lokalität verschieden. Vor dem Bauernkriege tritt die plebejische Opposition in den politischen Kämpfen nicht als Partei, sie tritt nur als turbulenter, plünderungssüchtiger, mit einigen Fässern Wein an- und abkäuflicher Schwanz der bürgerlichen Opposition auf. Erst die Aufstände der Bauern machen sie zur Partei, und auch da ist sie fast überall in ihren Forderungen und ihrem Auftreten abhängig von den Bauern - ein merk- <339> würdiger Beweis, wie sehr damals die Stadt noch abhängig vom Lande war. Soweit sie selbständig auftritt, verlangt sie die Herstellung der städtischen Gewerksmonopole auf dem Lande, will sie die städtischen Einkünfte nicht durch Abschaffung der Feudallasten im Weichbild geschmälert wissen usw.; kurz, so weit ist sie reaktionär, ordnet sie sich ihren eigenen kleinbürgerlichen Elementen unter und liefert damit ein charakteristisches Vorspiel zu der Tragikomödie, die die moderne Kleinbürgerschaft seit drei Jahren unter der Firma der Demokratie aufführt.

Nur in Thüringen unter dem direkten Einfluß Münzers und an einzelnen andern Orten unter dem seiner Schüler wurde die plebejische Fraktion der Städte von dem allgemeinen Sturm so weit fortgerissen, daß das embryonische proletarische Element in ihr momentan die Oberhand über alle andern Fraktionen <(1850) Faktoren> der Bewegung bekam. Diese Episode, die den Kulminationspunkt des ganzen Bauernkriegs bildet und sich um seine großartigste Gestalt, um Thomas Münzer, gruppiert, ist zugleich die kürzeste. Es versteht sich, daß sie am schnellsten zusammenbrechen und daß sie zu gleicher Zeit ein vorzugsweise phantastisches Gepräge tragen, daß der Ausdruck ihrer Forderungen höchst unbestimmt bleiben muß; gerade sie fand am wenigsten festen Boden in den damaligen Verhältnissen.

Unter allen diesen Klassen, mit Ausnahme der letzten, stand die große exploitierte Masse der Nation: die Bauern. Auf dem Bauer lastete der ganze Schichtenbau der Gesellschaft: Fürsten, Beamte, Adel, Pfaffen, Patrizier und Bürger. Ob er der Angehörige eines Fürsten, eines Reichsfreiherrn, eines Bischofs, eines Klosters, einer Stadt war, er wurde überall wie eine Sache, wie ein Lasttier behandelt, und schlimmer. War er Leibeigner, so war er seinem Herrn auf Gnade und Ungnade zur Verfügung gestellt. War er Höriger, so waren schon die gesetzlichen, vertragsmäßigen Leistungen hinreichend, ihn zu erdrücken; aber diese Leistungen wurden täglich vermehrt. Den größten Teil seiner Zeit mußte er auf den Gütern des Herrn arbeiten; von dem, was er sich in den wenigen freien Stunden erwarb, mußten Zehnten, Zins, Gült, Bede, Reisegeld (Kriegssteuer), Landessteuer und Reichssteuer gezahlt werden. Er konnte nicht heiraten und nicht sterben, ohne daß dem Herrn gezahlt wurde. Er mußte, außer den regelmäßigen Frondiensten, für den gnädigen Herrn Streu sammeln, Erdbeeren sammeln, Heidelbeeren sammeln, Schneckenhäuser sammeln, das Wild zur Jagd treiben, Holz hacken usw. Fischerei und Jagd gehörten dem Herrn, der Bauer mußte ruhig zusehen, wenn das Wild seine Ernte zerstörte. Die Gemeindeweiden und Waldungen der Bauern waren <340> fast überall gewaltsam von den Herren weggenommen worden. Und wie über das Eigentum, so schaltete der Herr willkürlich über die Person des Bauern, über die seiner Frau und seiner Töchter. Er hatte das Recht der ersten Nacht. Er warf ihn in den Turm, wenn's ihm beliebte, wo ihn mit derselben Sicherheit, wie jetzt der Untersuchungsrichter, damals die Folter erwartete. Er schlug ihn tot oder ließ ihn köpfen, wenn's ihm beliebte. Von jenen erbaulichen Kapiteln der Carolina, die da "von Ohrenabschneiden", "von Nasenabschneiden", "von Augenausstechen", "von Abhacken der Finger und der Hände", "von Köpfen", "von Rädern", "von Verbrennen", "von Zwicken mit glühenden Zangen", "von Vierteilen" usw. handeln, ist kein einziges, das der gnädige Leib- oder Schirmherr nicht nach Belieben gegen seine Bauern angewandt hätte. Wer sollte ihn schützen? In den Gerichten saßen Barone, Pfaffen, Patrizier oder Juristen, die wohl wußten, wofür sie bezahlt wurden. Alle offiziellen Stände des Reichs lebten ja von der Aussaugung der Bauern.

Die Bauern, knirschend unter dem furchtbaren Druck, waren dennoch schwer zum Aufstand zu bringen. Ihre Zersplitterung erschwerte jede gemeinsame Übereinkunft im höchsten Grade. Die lange Gewohnheit der von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzten Unterwerfung, die Entwöhnung vom Gebrauch der Waffen in vielen Gegenden, die je nach der Persönlichkeit der Herren bald ab-, bald zunehmende Härte der Ausbeutung trug dazu bei, die Bauern ruhig zu erhalten. Wir finden daher im Mittelalter Lokalinsurrektionen der Bauern in Menge, aber - wenigstens in Deutschland - vor dem Bauernkrieg keinen einzigen allgemeinen, nationalen Bauernaufstand. Dazu waren die Bauern allein nicht imstande, eine Revolution zu machen, solange ihnen die organisierte Macht der Fürsten, des Adels und der Städte verbündet und geschlossen entgegenstand. Nur durch eine Allianz mit andern Ständen konnten sie eine Chance des Sieges bekommen; aber wie sollten sie sich mit andern Ständen verbinden, da sie von allen gleichmäßig ausgebeutet wurden?

Wir sehen, die verschiedenen Stände des Reichs: Fürsten, Adel, Prälaten, Patrizier, Bürger, Plebejer und Bauern bildeten im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts eine höchst verworrene Masse mit den verschiedenartigsten, sich nach allen Richtungen durchkreuzenden Bedürfnissen. Jeder Stand war dem andern im Wege, lag mit allen andern in einem fortgesetzten, bald offnen, bald versteckten Kampf. Jene Spaltung der ganzen Nation in zwei große Lager, wie sie beim Ausbruch der ersten Revolution in Frankreich bestand, wie sie jetzt auf einer höheren Entwicklungsstufe in den fortgeschrittensten Ländern besteht, war unter diesen Umständen rein unmöglich; sie konnte selbst an- <341> nähernd nur dann zustande kommen, wenn die unterste, von allen übrigen Ständen exploitierte Schichte der Nation sich erhob: die Bauern und die Plebejer. Man wird die Verwirrung der Interessen, Ansichten und Bestrebungen jener Zeit leicht begreifen, wenn man sich erinnert, welche Konfusion in den letzten zwei Jahren die jetzige, weit weniger komplizierte Zusammensetzung der deutschen Nation aus Feudaladel, Bourgeoisie, Kleinbürgerschaft, Bauern und Proletariat hervorgebracht hat.



II

[Die großen oppositionellen Gruppierungen und ihre Ideologien - Luther und Münzer]


<342> Die Gruppierung der damals so mannigfaltigen Stände zu größeren Ganzen wurde schon durch die Dezentralisation und die lokale und provinzielle Selbständigkeit, durch die industrielle und kommerzielle Entfremdung der Provinzen voneinander, durch die schlechten Kommunikationen fast unmöglich gemacht. Diese Gruppierung bildet sich erst heraus mit der allgemeinen Verbreitung revolutionärer religiös-politischer Ideen in der Reformation. Die verschiedenen Stände, die sich diesen Ideen anschließen oder entgegenstellen, konzentrieren, freilich nur sehr mühsam und annähernd, die Nation in drei große Lager, in das katholische oder reaktionäre, das lutherische bürgerlich-reformierende und das revolutionäre. Wenn wir auch in dieser großen Zerklüftung der Nation wenig Konsequenz entdecken, wenn wir in den ersten beiden Lagern zum Teil dieselben Elemente finden, so erklärt sich dies aus dem Zustand der Auflösung, in dem sich die meisten, aus dem Mittelalter überlieferten offiziellen Stände befanden, und aus der Dezentralisation, die denselben Ständen an verschiedenen Orten momentan entgegengesetzte Richtungen anwies. Wir haben in den letzten Jahren so häufig ganz ähnliche Fakta in Deutschland zu sehen Gelegenheit gehabt, daß uns eine solche scheinbare Durcheinanderwürfelung der Stände und Klassen unter den viel verwickelteren Verhältnissen des 16. Jahrhunderts nicht wundern kann.

Die deutsche Ideologie sieht, trotz der neuesten Erfahrungen, in den Kämpfen, denen das Mittelalter erlag, noch immer weiter nichts als heftige theologische Zänkereien. Hätten die Leute jener Zeit sich nur über die himmlischen Dinge verständigen können, so wäre, nach der Ansicht unsrer vaterländischen Geschichtskenner und Staatsweisen, gar kein Grund vorhanden gewesen, über die Dinge dieser Welt zu streiten. Diese Ideologen sind leichtgläubig genug, alle Illusionen für bare Münze zu nehmen, die sich eine Epoche über sich selbst macht oder die die Ideologen einer Zeit sich über diese Zeit machen. Dieselbe Klasse von Leuten sieht z.B. in der Revolution <343> von 1789 nur eine etwas hitzige Debatte über die Vorzüge der konstitutionellen vor der absoluten Monarchie, in der Julirevolution eine praktische Kontroverse über die Unhaltbarkeit des Rechts "von Gottes Gnaden", in der Februarrevolution den Versuch zur Lösung der Frage "Republik oder Monarchie?" usw. Von den Klassenkämpfen, die in diesen Erschütterungen ausgefochten werden und deren bloßer Ausdruck die jedesmal auf die Fahne geschriebene politische Phrase ist, von diesen Klassenkämpfen haben selbst heute noch unsre Ideologen kaum eine Ahnung, obwohl die Kunde davon vernehmlich genug nicht nur vorn Auslande herüber, sondern auch aus dem Murren und Grollen vieler tausend einheimischen Proletarier herauf erschallt.

Auch in den sogenannten Religionskriegen des sechzehnten Jahrhunderts handelte es sich vor allem um sehr positive materielle Klasseninteressen, und diese Kriege waren Klassenkämpfe, ebensogut wie die späteren inneren Kollisionen in England und Frankreich. Wenn diese Klassenkämpfe damals religiöse Schibboleths trugen, wenn die Interessen, Bedürfnisse und Forderungen der einzelnen Klassen sich unter einer religiösen Decke verbargen, so ändert dies nichts an der Sache und erklärt sich leicht aus den Zeitverhältnissen.

Das Mittelalter hatte sich ganz aus dem Rohen entwickelt. Über die alte Zivilisation, die alte Philosophie, Politik und Jurisprudenz hatte es reinen Tisch gemacht, um in allem wieder von vorn anzufangen. Das einzige, das es aus der untergegangenen alten Welt übernommen hatte, war das Christentum und eine Anzahl halbzerstörter, ihrer ganzen Zivilisation entkleideter Städte. Die Folge davon war, daß, wie auf allen ursprünglichen Entwicklungsstufen, die Pfaffen das Monopol der intellektuellen Bildung erhielten und damit die Bildung selbst einen wesentlich theologischen Charakter bekam. Unter den Händen der Pfaffen blieben Politik und Jurisprudenz, wie alle übrigen Wissenschaften, bloße Zweige der Theologie und wurden nach denselben Prinzipien behandelt, die in dieser Geltung hatten. Die Dogmen der Kirche waren zu gleicher Zeit politische Axiome, und Bibelstellen hatten in jedem Gerichtshof Gesetzeskraft. Selbst als ein eigner Juristenstand sich bildete, blieb die Jurisprudenz noch lange unter der Vormundschaft der Theologie. Und diese Oberherrlichkeit der Theologie auf dem ganzen Gebiet der intellektuellen Tätigkeit war zugleich die notwendige Folge von der Stellung der Kirche als der allgemeinsten Zusammenfassung und Sanktion der bestehenden Feudalherrschaft.

Es ist klar, daß hiermit alle allgemein ausgesprochenen Angriffe auf den Feudalismus, vor allem Angriffe auf die Kirche, alle revolutionären, gesellschaftlichen und politischen Doktrinen zugleich und vorwiegend theologische <344> Ketzereien sein mußten. Damit die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse angetastet werden konnten, mußte ihnen der Heiligenschein abgestreift werden.

Die revolutionäre Opposition gegen die Feudalität geht durch das ganze Mittelalter. Sie tritt auf, je nach den Zeitverhältnissen, als Mystik, als offene Ketzerei, als bewaffneter Aufstand. Was die Mystik angeht, so weiß man, wie abhängig die Reformatoren des 16. Jahrhunderts von ihr waren; auch Münzer hat viel aus ihr genommen Die Ketzereien waren teils der Ausdruck der Reaktion der patriarchalischen Alpenhirten gegen die zu ihnen vordringende Feudalität (die Waldenser; teils der Opposition der dem Feudalismus entwachsenen Städte gegen ihn (die Albigenser, Arnold von Brescia etc.); teils direkter Insurrektionen der Bauern (John Ball, der Meister aus Ungarn , in der Pikardie etc.). Die patriarchalische Ketzerei der Waldenser können wir hier, ganz wie die Insurrektion der Schweizer, als einen nach Form und Inhalt reaktionären Versuch der Absperrung gegen die geschichtliche Bewegung, und von nur lokaler Bedeutung, beiseite lassen. In den beiden übrigen Formen der mittelalterlichen Ketzerei finden wir schon im zwölften Jahrhundert die Vorläufer des großen Gegensatzes zwischen bürgerlicher und bäurisch-plebejischer Opposition, an dem der Bauernkrieg zugrunde ging. Dieser Gegensatz zieht sich durchs ganze spätere Mittelalter.

Die Ketzerei der Städte - und sie ist die eigentlich offizielle Ketzerei des Mittelalters - wandte sich hauptsächlich gegen die Pfaffen, deren Reichtümer und politische Stellung sie angriff. Wie jetzt die Bourgeoisie ein gouvernement à bon marché, eine wohlfeile Regierung fordert, so verlangten die mittelalterlichen Bürger zunächst eine eglise à bon marché, eine wohlfeile Kirche. Der Form nach reaktionär, wie jede Ketzerei, die in der Fortentwicklung der Kirche und der Dogmen nur eine Entartung sehen kann, forderte die bürgerliche Ketzerei Herstellung der urchristlichen einfachen Kirchenverfassung und Aufhebung des exklusiven Priesterstandes. Diese wohlfeile Einrichtung beseitigte die Mönche, die Prälaten, den römischen Hof, kurz alles, was in der Kirche kostspielig war. Die Städte, selbst Republiken, wenn auch unter dem Schutz von Monarchen, sprachen durch ihre Angriffe gegen das Papsttum zum ersten Male in allgemeiner Form aus, daß die normale Form der Herrschaft des Bürgertums die Republik ist. Ihre Feindschaft gegen eine Reihe von Dogmen und Kirchengesetzen erklärt sich teils aus dem Gesagten, teils aus ihren sonstigen Lebensverhältnissen. Warum sie z.B. so heftig gegen das Zölibat auftraten, darüber gibt niemand besser Aufschluß als Boccaccio. <345> Arnold von Brescia in Italien und Deutschland, die Albigenser in Südfrankreich, John Wycliffe in England, Hus und die Calixtiner in Böhmen waren die Hauptrepräsentanten dieser Richtung. Daß die Opposition gegen den Feudalismus hier nur als Opposition gegen die geistliche Feudalität auftritt, erklärt sich sehr einfach daraus, daß die Städte überall schon anerkannter Stand waren und die weltliche Feudalität mit ihren Privilegien, mit den Waffen oder in den ständischen Versammlungen hinreichend bekämpfen konnten.

Auch hier sehen wir schon, sowohl in Südfrankreich wie in England und Böhmen, daß der größte Teil des niederen Adels sich den Städten im Kampf gegen die Pfaffen und in der Ketzerei anschließt - eine Erscheinung, die sich aus der Abhängigkeit des niederen Adels von den Städten und aus der Gemeinsamkeit der Interessen beider gegenüber den Fürsten und Prälaten erklärt und die wir im Bauernkrieg wiederfinden werden.

Einen ganz verschiedenen Charakter hatte die Ketzerei, die der direkte Ausdruck der bäurischen und plebejischen Bedürfnisse war und sich fast immer an einen Aufstand anschloß. Sie teilte zwar alle Forderungen der bürgerlichen Ketzerei in betreff der Pfaffen, des Papsttums und der Herstellung der urchristlichen Kirchenverfassung, aber sie ging zugleich unendlich weiter. Sie verlangte die Herstellung des urchristlichen Gleichheitsverhältnisses unter den Mitgliedern der Gemeinde und seine Anerkennung als Norm auch für die bürgerliche Welt. Sie zog von der "Gleichheit der Kinder Gottes" den Schluß auf die bürgerliche Gleichheit und selbst teilweise schon auf die Gleichheit des Vermögens. Gleichstellung des Adels mit den Bauern, der Patrizier und bevorrechteten Bürger mit den Plebejern, Abschaffung der Frondienste, Grundzinsen, Steuern, Privilegien und wenigstens der schreiendsten Vermögensunterschiede waren Forderungen, die mit mehr oder weniger Bestimmtheit aufgestellt und als notwendige Konsequenzen der urchristlichen Doktrin behauptet wurden. Diese bäurisch-plebejische Ketzerei, in der Blütezeit des Feudalismus, z.B. bei den Albigensern, kaum noch zu trennen von der bürgerlichen, entwickelt sich zu einer scharf geschiedenen Parteiansicht im 14. und 15. Jahrhundert, wo sie gewöhnlich ganz selbständig neben der bürgerlichen Ketzerei auftritt. So John Ball, der Prediger des Wat-Tylerschen Aufstandes in England neben der Wycliffeschen Bewegung, so die Taboriten neben Calixtinern in Böhmen. Bei den Taboriten tritt sogar schon die republikanische Tendenz unter theokratischer Verbrämung hervor, die am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts durch die Vertreter der Plebejer in Deutschland weiter ausgebildet wurde.

An diese Form der Ketzerei schließt sich die Schwärmerei mystizisieren- <346> der Sekten, der Geißler, Lollards etc., die in Zeiten der Unterdrückung die revolutionäre Tradition fortpflanzen.

Die Plebejer waren damals die einzige Klasse, die ganz außerhalb der offiziell bestehenden Gesellschaft stand. Sie befand sich außerhalb des feudalen und außerhalb des bürgerlichen Verbandes. Sie hatte weder Privilegien noch Eigentum; sie hatte nicht einmal, wie die Bauern und Kleinbürger, einen mit drückenden Lasten beschwerten Besitz. Sie war in jeder Beziehung besitzlos und rechtlos; ihre Lebensbedingungen kamen direkt nicht einmal in Berührung mit den bestehenden Institutionen, von denen sie vollständig ignoriert wurden. Sie war das lebendige Symptom der Auflösung der feudalen und zunftbürgerlichen Gesellschaft und zugleich der erste Vorläufer der modern-bürgerlichen Gesellschaft.

Aus dieser Stellung erklärt es sich, warum die plebejische Fraktion schon damals nicht bei der bloßen Bekämpfung des Feudalismus und der privilegierten Pfahlbürgerei stehenbleiben konnte, warum sie, wenigstens in der Phantasie, selbst über die kaum empordämmernde modern-bürgerliche Gesellschaft hinausgreifen, warum sie, die vollständig besitzlose Fraktion, schon Institutionen, Anschauungen und Vorstellungen in Frage stellen mußte, welche allen auf Klassengegensätzen beruhenden Gesellschaftsformen gemeinsam sind. Die chiliastischen Schwärmereien des ersten Christentums boten hierzu einen bequemen Anknüpfungspunkt. Aber zugleich konnte dies Hinausgehen nicht nur über die Gegenwart, sondern selbst über die Zukunft, nur ein gewaltsames, phantastisches sein und mußte beim ersten Versuch der praktischen Anwendung zurückfallen in die beschränkten Grenzen, die die damaligen Verhältnisse allein zuließen. Der Angriff auf das Privateigentum, die Forderung der Gütergemeinschaft, mußte sich auflösen in eine rohe Organisation der Wohltätigkeit; die vage christliche Gleichheit konnte höchstens auf die bürgerliche "Gleichheit vor dem Gesetz" hinauslaufen; die Beseitigung aller Obrigkeit verwandelt sich schließlich in die Herstellung vom Volke gewählter republikanischer Regierungen. Die Antizipation des Kommunismus durch die Phantasie wurde in der Wirklichkeit eine Antizipation der modernen bürgerlichen Verhältnisse.

Diese gewaltsame, aber dennoch aus der Lebenslage der plebejischen Fraktion sehr erklärliche Antizipation auf die spätere Geschichte finden wir zuerst in Deutschland, bei Thomas Münzer und seiner Partei. Bei den Taboriten hatte allerdings eine Art chiliastischer Gütergemeinschaft bestanden, aber nur als rein militärische Maßregel. Erst bei Münzer sind diese kommunistischen Anklänge Ausdruck der Bestrebungen einer wirklichen Gesellschaftsfraktion, erst bei ihm sind sie mit einer gewissen Bestimmtheit formuliert, und seit ihm <347> finden wir sie in jeder großen Volkserschütterung wieder, bis sie allmählich mit der modernen proletarischen Bewegung zusammenfließen; geradeso wie im Mittelalter die Kämpfe der freien Bauern gegen die sie mehr und mehr umstrickende Feudalherrschaft zusammenfließen mit den Kämpfen der Leibeigenen und Hörigen um den vollständigen Bruch der Feudalherrschaft.

Während sich in dem ersten der drei großen Lager, im konservativ-katholischen, alle Elemente zusammenfanden, die an der Erhaltung des Bestehenden interessiert waren, also die Reichsgewalt, die geistlichen und ein Teil der weltlichen Fürsten, der reichere Adel, die Prälaten und das städtische Patriziat, sammeln sich um das Banner der bürgerlich-gemaßigten lutherischen Reform die besitzenden Elemente der Opposition, die Masse des niederen Adels, die Bürgerschaft und selbst ein Teil der weltlichen Fürsten, der sich durch Konfiskation der geistlichen Güter zu bereichern hoffte und die Gelegenheit zur Erringung größerer Unabhängigkeit vom Reich benutzen wollte. Die Bauern und Plebejer endlich schlossen sich zur revolutionären Partei zusammen, deren Forderungen und Doktrinen am schärfsten durch Münzer ausgesprochen wurden.

Luther und Münzer repräsentieren nach ihrer Doktrin wie nach ihrem Charakter und ihrem Auftreten jeder seine Partei vollständig.

Luther hat in den Jahren 1517 bis 1525 ganz dieselben Wandlungen durchgemacht, die die modernen deutschen Konstitutionellen von 1846 bis 1849 durchmachten und die jede bürgerliche Partei durchmacht, welche, einen Moment an die Spitze der Bewegung gestellt, in dieser Bewegung selbst von der hinter ihr stehenden plebejischen oder proletarischen Partei überflügelt wird.

Als Luther 1517 zuerst gegen die Dogmen und die Verfassung der katholischen Kirche auftrat, hatte seine Opposition durchaus noch keinen bestimmten Charakter. Ohne über die Forderungen der früheren bürgerlichen Ketzerei hinauszugehn, schloß sie keine einzige weitergehende Richtung aus und konnte es nicht. Im ersten Moment mußten alle oppositionellen Elemente vereinigt, mußte die entschiedenste revolutionäre Energie angewandt, mußte die Gesamtmasse der bisherigen Ketzerei gegenüber der katholischen Rechtgläubigkeit vertreten werden. Geradeso waren unsere liberalen Bourgeois noch 1847 revolutionär, nannten sich Sozialisten und Kommunisten und schwärmten für die Emanzipation der Arbeiterklasse. Die kräftige Bauernnatur Luthers machte sich in dieser ersten Periode seines Auftretens in der ungestümsten Weise Luft.

"Wenn ihr" (der römischen Pfaffen) "rasend Wüten einen Fortgang haben sollte, mich es wäre schier kein besserer Rat und Arznei, ihm zu steuern, denn daß <348> Könige und Fürsten mit Gewalt dazutäten, sich rüsteten und diese schädlichen Leute, so alle Welt vergiften, angriffen und einmal des Spiels ein Ende machten, mit Waffen, nicht mit Worten. So wir Diebe mit Schwert, Mörder mit Strang , Ketzer mit Feuer strafen, warum greifen wir nicht vielmehr an diese schädlichen Lehrer des Verderbens, als Päpste, Kardinäle, Bischöfe und das [ganze] Geschwärm der römischen Sodoma mit allerlei Waffen und waschen unsere Hände in ihrem Blut?"

Aber dieser erste revolutionäre Feuereifer dauerte nicht lange. Der Blitz schlug ein, den Luther geschleudert hatte. Das ganze deutsche Volk geriet in Bewegung. Auf der einen Seite sahen Bauern und Plebejer in seinen Aufrufen wider die Pfaffen, in seiner Predigt von der christlichen Freiheit das Signal zur Erhebung; auf der andern schlossen sich die gemäßigteren Bürger und ein großer Teil des niederen Adels ihm an, wurden selbst Fürsten vom Strom mit fortgerissen. Die einen glaubten den Tag gekommen, wo sie mit allen ihren Unterdrückern Abrechnung halten könnten, die andern wollten nur die Macht der Pfaffen, die Abhängigkeit von Rom, die katholische Hierarchie brechen und sich aus der Konfiskation des Kirchengutes bereichern. Die Parteien sonderten sich und fanden ihre Repräsentanten. Luther mußte zwischen ihnen wählen. Er, der Schützling des Kurfürsten von Sachsen, der angesehene Professor von Wittenberg, der über Nacht mächtig und berühmt gewordene, mit einem Zirkel von abhängigen Kreaturen und Schmeichlern umgebene große Mann zauderte keinen Augenblick. Er ließ die populären Elemente der Bewegung fallen und schloß sich der bürgerlichen, adligen und fürstlichen Seite an. Die Aufrufe zum Vertilgungskampfe gegen Rom verstummten; Luther predigte jetzt die friedliche Entwicklung und den passiven Widerstand (vgl. z.B. "An den Adel teutscher Nation", 1520 etc.). Auf Huttens Einladung, zu ihm und Sickingen auf die Ebernburg, den Mittelpunkt der Adelsverschwörung gegen Pfaffen und Fürsten, zu kommen, antwortete Luther:

"Ich möchte nicht, daß man das Evangelium mit Gewalt und Blutvergießen verfechte. Durch das Wort ist die Welt überwunden worden, durch das Wort ist die Kirche erhalten, durch das Wort wird sie auch wieder in den Stand kommen, und der Antichrist, wie er Seines ohne Gewalt bekommen, wird ohne Gewalt fallen."

Von dieser Wendung, oder vielmehr von dieser bestimmteren Feststellung der Richtung Luthers, begann jenes Markten und Feilschen um die beizubehaltenden oder zu reformierenden Institutionen und Dogmen, jenes widerwärtige Diplomatisieren, Konzedieren, Intrigieren und Vereinbaren, <349> dessen Resultat die Augsburgische Konfession war, die schließlich erhandelte Verfassung der reformierten Bürgerkirche. Es ist ganz derselbe Schacher, der sich neuerdings in deutschen Nationalversammlungen, Vereinbarungsversammlungen, Revisionskammern und Erfurter Parlamenten in politischer Form bis zum Ekel wiederholt hat. Der spießbürgerliche Charakter der offiziellen Reformation trat in diesen Verhandlungen aufs offenste hervor.

Daß Luther, als nunmehr erklärter Repräsentant der bürgerlichen Reform, den gesetzlichen Fortschritt predigte, hatte seine guten Gründe. Die Masse der Städte war der gemäßigten Reform zugefallen; der niedere Adel schloß sich ihr mehr und mehr an, ein Teil der Fürsten fiel zu, ein anderer schwankte. Ihr Erfolg war so gut wie gesichert, wenigstens in einem großen Teile von Deutschland. Bei fortgesetzter friedlicher Entwicklung konnten die übrigen Gegenden auf die Dauer dem Andrang der gemäßigten Opposition nicht widerstehn. Jede gewaltsame Erschütterung aber mußte die gemäßigte Partei in Konflikt bringen mit der extremen, plebejischen und Bauernpartei, mußte die Fürsten, den Adel und manche Städte der Bewegung entfremden und ließ nur die Chance entweder der Überflügelung der bürgerlichen Partei durch die Bauern und Plebejer oder der Unterdrückung sämtlicher Bewegungsparteien durch die katholische Restauration. Und wie die bürgerlichen Parteien, sobald sie die geringsten Siege erfochten haben, vermittelst des gesetzlichen Fortschritts zwischen der Scylla der Revolution und der Charybdis der Restauration durchzulavieren suchen, davon haben wir in der letzten Zeit Exempel genug gehabt.

Wie unter den allgemein gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen der damaligen Zeit die Resultate jeder Veränderung notwendig den Fürsten zugute kommen und ihre Macht vermehren mußten, so mußte die bürgerliche Reform, je schärfer sie sich von den plebejischen und bäurischen Elementen schied, immer mehr unter die Kontrolle der reformierten Fürsten geraten. Luther selbst wurde mehr und mehr ihr Knecht, und das Volk wußte sehr gut, was es tat, wenn es sagte, er sei ein Fürstendiener geworden wie die andern, und wenn es ihn in Orlamünde mit Steinwürfen verfolgte.

Als der Bauernkrieg losbrach, und zwar in Gegenden, wo Fürsten und Adel größtenteils katholisch waren, suchte Luther eine vermittelnde Stellung einzunehmen. Er griff die Regierungen entschieden an. Sie seien schuld am Aufstand durch ihre Bedrückungen; nicht die Bauern setzten sich wider sie, sondern Gott selbst. Der Aufstand sei freilich auch ungöttlich und wider das Evangelium, hieß es auf der andern Seite. Schließlich riet er beiden Parteien, nachzugeben und sich gütlich zu vertragen.

<350> Aber der Aufstand, trotz dieser wohlmeinenden Vermittlungsvorschläge, dehnte sich rasch aus, ergriff sogar protestantische, von lutherischen Fürsten, Herren und Städten beherrschte Gegenden und wuchs der bürgerlichen, "besonnenen" Reform rasch über den Kopf. In Luthers nächster Nähe, in Thüringen, schlug die entschiedenste Fraktion der Insurgenten unter Münzer ihr Hauptquartier auf. Noch ein paar Erfolge, und ganz Deutschland stand in Flammen, Luther war umzingelt, vielleicht als Verräter durch die Spieße gejagt, und die bürgerliche Reform weggeschwemmt von der Sturmflut der bäurisch-plebejischen Revolution. Da galt kein Besinnen mehr. Gegenüber der Revolution wurden alle alten Feindschaften vergessen; im Vergleich mit den Rotten der Bauern waren die Diener der römischen Sodoma unschuldige Lämmer, sanftmütige Kinder Gottes; und Bürger und Fürsten, Adel und Pfaffen, Luther und Papst verbanden sich "wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern".

"Man soll sie zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund totschlagen muß!" schrie Luther. "Darum, liebe Herren, loset hie, rettet da, steche, schlage, würge sie, wer da kann, bleibst du darüber tot, wohl dir, seligeren Tod kannst du nimmermehr überkommen."

Man solle nur keine falsche Barmherzigkeit mit den Bauern haben. Die mengen sich selber unter die Aufrührischen, die sich derer erbarmen, welcher sich Gott nicht erbarmt, sondern welche er gestraft und verderbet haben will. Nachher werden die Bauern selber Gott danken lernen, wenn sie die eine Kuh hergeben müssen, auf daß sie die andre in Frieden genießen können; und die Fürsten werden durch den Aufruhr erkennen, wes Geistes der Pöbel sei, der nur mit Gewalt zu regieren.

"Der weise Mann sagt: Cibus, onus et virga asino - in einen Bauern gehört Haberstroh, sie hören nicht das Wort und sind unsinnig, so müssen sie die virgam, die Büchse, hören, und geschieht ihnen recht. Bitten sollen wir für sie, daß sie gehorchen; wo nicht, so gilt's hier nicht viel Erbarmens. Lasset nur die Büchsen unter sie sausen, sie machen's sonst tausendmal ärger."

Geradeso sprachen unsere weiland sozialistischen und philanthropischen Bourgeois, als das Proletariat nach den Märztagen seinen Anteil an den Früchten des Siegs reklamieren kam.

Luther hatte der plebejischen Bewegung ein mächtiges Werkzeug in die Hand gegeben durch die Übersetzung der Bibel. In der Bibel hatte er dem feudalisierten Christentum der Zeit das bescheidene Christentum der ersten <351> Jahrhunderte, der zerfallenden feudalen Gesellschaft das Abbild einer Gesellschaft entgegengehalten, die nichts von der weitschichtigen, kunstmäßigen Feudalhierarchie wußte. Die Bauern hatten dies Werkzeug gegen Fürsten, Adel, Pfaffen, nach allen Seiten hin benutzt. Jetzt kehrte Luther es gegen sie und stellte aus der Bibel einen wahren Dithyrambus auf die von Gott eingesetzte Obrigkeit zusammen, wie ihn kein Tellerlecker der absoluten Monarchie je zustande gebracht hat. Das Fürstentum von Gottes Gnaden, der passive Gehorsam, selbst die Leibeigenschaft wurde mit der Bibel sanktioniert. Nicht nur der Bauernaufstand, auch die ganze Auflehnung Luthers selbst gegen die geistliche und weltliche Autorität war hierin verleugnet; nicht nur die populäre Bewegung, auch die bürgerliche war damit an die Fürsten verraten.

Brauchen wir die Bourgeois zu nennen, die auch von dieser Verleugnung ihrer eignen Vergangenheit uns kürzlich wieder Beispiele gegeben haben?

Stellen wir nun dem bürgerlichen Reformator Luther den plebejischen Revolutionär Münzer gegenüber.

Thomas Münzer war geboren zu Stolberg am Harz, um das Jahr 1498. Sein Vater soll, ein Opfer der Willkür der Stolbergschen Grafen, am Galgen gestorben sein. Schon in seinem fünfzehnten Jahre stiftete Münzer auf der Schule zu Halle einen geheimen Bund gegen den Erzbischof von Magdeburg und die römische Kirche überhaupt. Seine Gelehrsamkeit in der damaligen Theologie verschaffte ihm früh den Doktorgrad und eine Stelle als Kaplan in einem Nonnenkloster zu Halle. Hier behandelte er schon Dogmen und Ritus der Kirche mit der größten Verachtung, bei der Messe ließ er die Worte der Wandlung ganz aus und aß, wie Luther von ihm erzählt, die Herrgötter ungeweiht. Sein Hauptstudium waren die mittelalterlichen Mystiker, besonders die chiliastischen Schriften Joachims des Calabresen. Das Tausendjährige Reich, das Strafgericht über die entartete Kirche und die verderbte Welt, das dieser verkündete und ausmalte, schien Münzer mit der Reformation und der allgemeinen Aufregung der Zeit nahe herbeigekommen. Er predigte in der Umgegend mit großem Beifall. 1520 ging er als erster evangelischer Prediger nach Zwickau. Hier fand er eine jener schwärmerischen chiliastischen Sekten vor, die in vielen Gegenden im stillen fortexistierten, hinter deren momentaner Demut und Zurückgezogenheit sich die fortwuchernde Opposition der untersten Gesellschaftsschichten gegen die bestehenden Zustände verborgen hatte und die jetzt mit der wachsenden Agitation immer offener und beharrlicher ans Tageslicht hervortraten. Es war die Sekte der Wiedertäufer, an deren Spitze Niklas Storch stand. Sie predigten das Nahen des Jüngsten Gerichts und des Tausendjährigen Reichs; sie <352> hatten "Gesichte, Verzückungen und den Geist der Weissagung". Bald kamen sie in Konflikt mit dem Zwickauer Rat; Münzer verteidigte sie, obwohl er sich ihnen nie unbedingt anschloß, sondern sie vielmehr unter seinen Einfluß bekam. Der Rat schritt energisch gegen sie ein; sie mußten die Stadt verlassen, und Münzer mit ihnen. Es war Ende 1521.

Er ging nach Prag und suchte, an die Reste der hussitischen Bewegung anknüpfend, hier Boden zu gewinnen; aber seine Proklamation hatte nur den Erfolg, daß er auch aus Böhmen wieder fliehen mußte. 1522 wurde er Prediger zu Allstedt in Thüringen. Hier begann er damit, den Kultus zu reformieren. Noch ehe Luther so weit zu gehen wagte, schaffte er die lateinische Sprache total ab und ließ die ganze Bibel, nicht bloß die vorgeschriebenen sonntäglichen Evangelien und Episteln verlesen. Zu gleicher Zeit organisierte er die Propaganda in der Umgegend. Von allen Seiten lief das Volk ihm zu, und bald wurde Allstedt das Zentrum der populären Antipfaffenbewegung von ganz Thüringen.

Noch war Münzer vor allem Theologe; noch richtete er seine Angriffe fast ausschließlich gegen die Pfaffen. Aber er predigte nicht, wie Luther damals schon, die ruhige Debatte und den friedlichen Fortschritt, er setzte die früheren gewaltsamen Predigten Luthers fort und rief die sächsischen Fürsten und das Volk auf zum bewaffneten Einschreiten gegen die römischen Pfaffen.

"Sagt doch Christus, ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Was sollt ihr" (die sächsischen Fürsten) "aber mit demselben machen? Nichts anders, denn die Bösen, die das Evangelium verhindern, wegtun und absondern, wollt ihr anders Diener Gottes sein. Christus hat mit großem Ernst befohlen, Luc. 19,27, nehmt meine Feinde und würget sie vor meinen Augen ... Gebet uns keine schalen Fratzen vor, daß die Kraft Gottes es tun soll ohne euer Zutun des Schwertes, es möchte euch sonst in der Scheide verrosten. Die, welche Gottes Offenbarung zuwider sind, soll man wegtun, ohne alle Gnade, wie Hiskias, Cyrus, Josias, Daniel und Elias die Baalspfaffen verstöret haben, anders mag die christliche Kirche zu ihrem Ursprung nicht wieder kommen. Man muß das Unkraut ausraufen aus dem Weingarten Gottes in der Zeit der Ernte. Gott hat 5. Mose 7 gesagt, ihr sollt euch nicht erbarmen über die Abgöttischen, zerbrecht ihre Altäre, zerschmeißt ihre Bilder und verbrennet sie, auf daß ich nicht mit euch zürne."

Aber diese Aufforderungen an die Fürsten blieben ohne Erfolg, während gleichzeitig unter dem Volk die revolutionäre Aufregung von Tag zu Tag wuchs. Münzer, dessen Ideen immer schärfer ausgebildet, immer kühner wurden, trennte sich jetzt entschieden von der bürgerlichen Reformation und trat von nun an zugleich direkt als politischer Agitator auf.

<353> Seine theologisch- philosophische Doktrin griff alle Hauptpunkte nicht nur des Katholizismus, sondern des Christentums überhaupt an. Er lehrte unter christlichen Formen einen Pantheismus, der mit der modernen spekulativen Anschauungsweise eine merkwürdige Ähnlichkeit hat und stellenweise sogar an Atheismus anstreift. Er verwarf die Bibel sowohl als ausschließliche wie als unfehlbare Offenbarung. Die eigentliche, die lebendige Offenbarung sei die Vernunft, eine Offenbarung, die zu allen Zeiten und bei allen Völkern existiert habe und noch existiere. Der Vernunft die Bibel entgegenhalten, heiße den Geist durch den Buchstaben töten. Denn der Heilige Geist, von dem die Bibel spreche, sei nichts außer uns Existierendes; der Heilige Geist ist sei eben die Vernunft. Der Glaube sei nichts anderes als das Lebendigwerden der Vernunft im Menschen, und daher könnten auch die Heiden den Glauben haben. Durch diesen Glauben, durch die lebendig gewordene Vernunft werde der Mensch vergöttlicht und selig. Der Himmel sei daher nichts Jenseitiges, er sei in diesem Leben zu suchen, und der Beruf der Gläubigen sei, diesen Himmel, das Reich Gottes, hier auf der Erde herzustellen. Wie keinen jenseitigen Himmel, so gebe es auch keine jenseitige Hölle oder Verdammnis. Ebenso gebe es keinen Teufel als die bösen Lüste und Begierden der Menschen. Christus sei ein Mensch gewesen wie wir, ein Prophet und Lehrer, und sein Abendmahl sei ein einfaches Gedächtnismahl, worin Brot und Wein ohne weitere mystische Zutat genossen werde.

Diese Lehren predigte Münzer meist versteckt unter denselben christlichen Redeweisen, unter denen sich die neuere Philosophie eine Zeitlang verstecken mußte. Aber der erzketzerische Grundgedanke blickt überall aus seinen Schriften hervor, und man sieht daß es ihm mit dem biblischen Deckmantel weit weniger ernst war als manchem Schüler Hegels in neuerer Zeit. Und doch liegen drei hundert Jahre zwischen Münzer und der modernen Philosophie.

Seine politische Doktrin schloß sich genau an diese revolutionäre religiöse Anschauungsweise an und griff ebensoweit über die unmittelbar vorliegenden gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse hinaus wie seine Theologie über die geltenden Vorstellungen seiner Zeit. Wie Münzers Religionsphilosophie an den Atheismus, so streifte sein politisches Programm an den Kommunismus, und mehr als eine moderne kommunistische Sekte hatte noch am Vorabend der Februarrevolution über kein reichhaltigeres theoretisches Arsenal zu verfügen als die "Münzerschen" des sechzehnten Jahrhunderts. Dies Programm, weniger die Zusammenfassung der Forderungen der damaligen Plebejer als die geniale Antizipation der Emanzipationsbedingungen der kaum sich entwickelnden proletarischen Elemente unter diesen Plebejern - dies Programm forderte die sofortige Herstellung des Reiches Gottes, des prophe- <354> zeiten Tausendjährigen Reichs auf Erden, durch Zurückführung der Kirche auf ihren Ursprung und Beseitigung aller Institutionen, die mit dieser angeblich urchristlichen, in Wirklichkeit aber sehr neuen Kirche in Widerspruch standen. Unter dem Reich Gottes verstand Münzer aber nichts anderes als einen Gesellschaftszustand, in dem keine Klassenunterschiede, kein Privateigentum und keine den Gesellschaftsmitgliedern gegenüber selbständige, fremde Staatsgewalt mehr bestehen. Sämtliche bestehende Gewalten, sofern sie nicht sich fügen und der Revolution anschließen wollten, sollten gestürzt, alle Arbeiten und alle Güter gemeinsam und die vollständigste Gleichheit durchgeführt werden. Ein Bund sollte gestiftet werden, um dies durchzusetzen, nicht nur über ganz Deutschland, sondern über die ganze Christenheit; Fürsten und Herren sollten eingeladen werden, sich anzuschließen; wo nicht, sollte der Bund sie bei der ersten Gelegenheit mit den Waffen in der Hand stürzen oder töten.

Münzer setzte sich gleich daran, diesen Bund zu organisieren. Seine Predigten nahmen einen noch heftigeren, revolutionäreren Charakter an; neben den Angriffen auf die Pfaffen donnerte er mit gleicher Leidenschaft gegen die Fürsten, den Adel, das Patriziat, schilderte er in glühenden Farben den bestehenden Druck und hielt dagegen sein Phantasiebild des Tausendjährigen Reichs der sozial-republikanischen Gleichheit. Zugleich veröffentlichte er ein revolutionäres Pamphlet nach dem andern und sandte Emissäre nach allen 3 Richtungen aus, während er selbst den Bund in Allstedt und der Umgegend organisierte.

Die erste Frucht dieser Propaganda war die Zerstörung der Marienkapelle zu Mellerbach bei Allstedt, nach dem Gebot: "Ihre Altäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen und ihre Götzen mit Feuer verbrennen, denn ihr seid ein heilig Volk" (Deut. 7, 6 ). Die sächsischen Fürsten kamen selbst nach Allstedt, um den Aufruhr zu stillen, und ließen Münzer aufs Schloß rufen. Dort hielt er eine Predigt, wie sie deren von Luther, "dem sanftlebenden Fleisch zu Wittenberg", wie Münzer ihn nannte, nicht gewohnt waren. Er bestand darauf, daß die gottlosen Regenten, besonders Pfaffen und Mönche, die das Evangelium als Ketzerei behandeln, getötet werden müßten, und berief sich dafür aufs Neue Testament. Die Gottlosen hätten kein Recht zu leben, es sei denn durch die Gnade der Auserwählten. Wenn die Fürsten die Gottlosen nicht vertilgen, so werde Gott ihnen das Schwert nehmen, denn die ganze Gemeinde habe die Gewalt des Schwerts. Die Grundsuppe < alter Kraftausdruck; Inbegriff alles Schlechten> des Wuchers, der <355> Dieberei und Räuberei seien die Fürsten und Herren; sie nehmen alle Kreaturen zum Eigentum, die Fische im Wasser, die Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden. Und dann predigen sie gar noch den Armen das Gebot: Du sollst nicht stehlen, sie selber aber nehmen, wo sie's finden, schinden und schaben den Bauer und den Handwerker; wo aber dieser am Allergeringsten sich vergreife, so müsse er hängen, und zu dem allen sage dann der Doktor Lügner: Amen.

"Die Herren machen das selber, daß ihnen der arme Mann feind wird. Die Ursache des Aufruhrs wollen sie nicht wegtun, wie kann es in die Länge gut werden? Ach, liebe Herren, wie hübsch wird der Herr unter die alten Töpfe schmeißen mit einer eisernen Stange! So ich das sage, werde ich aufrührisch sein. Wohl hin!" (Vgl. Zimmermann, "Bauernkrieg", II, S. 75)

Münzer ließ die Predigt drucken; sein Drucker in Allstedt wurde zur Strafe vom Herzog Johann von Sachsen gezwungen, das Land zu verlassen, und ihm selbst wurde für alle seine Schriften die Zensur der herzoglichen Regierung zu Weimar auferlegt. Aber diesen Befehl achtete er nicht. Er ließ gleich darauf eine höchst aufregende Schrift in der Reichsstadt Mühlhausen drucken, worin er das Volk aufforderte,

"das Loch weit zu machen, auf daß alle Welt sehen und greifen möge, wer unsre großen Hansen sind, die Gott also lästerlich zum gemalten Männlein gemacht haben", und die er mit den Worten beschloß: "Die ganze Welt muß einen großen Stoß aushalten; es wird ein solch Spiel angehn, daß die Gottlosen vom Stuhl gestürzt, die Niedrigen aber erhöhet werden."

Als Motto schrieb "Thomas Münzer mit dem Hammer" auf den Titel:

"Nimm wahr, ich habe meine Worte in deinen Mund gesetzt, ich habe dich heute über die Leute und über die Reiche gesetzt <(1895) fehlt: ich habe die heute über die Leute und über die Reiche gesetzt>, auf daß du auswurzlest, zerbrechest, zerstreuest und verstürzest, und bauest und pflanzest. Eine eiserne Mauer wider die Könige, Fürsten, Pfaffen und wider das Volk ist dargestellt. Die mögen streiten, der Sieg ist wunderlich zum Untergang der starken gottlosen Tyrannen."

Der Bruch Münzers mit Luther und seiner Partei war schon lange vorhanden. Luther hatte manche Kirchenreformen selbst annehmen müssen, die Münzer, ohne ihn zu fragen, eingeführt hatte. Er beobachtete Münzers Tätigkeit mit dem ärgerlichen Mißtrauen des gemäßigten Reformers gegen energischere, weitertreibende Partei. Schon im Frühjahr 1524 hatte Münzer an Melanchthon, dieses Urbild des philiströsen, hektischen Stubenhockers, geschrieben, er und Luther verständen die Bewegung gar nicht. Sie suchten sie <356> im biblischen Buchstabenglauben zu ersticken, ihre ganze Doktrin sei wurmstichig.

"Lieben Brüder, laßt euer Warten und Zaudern, es ist Zeit, der Sommer ist vor der Tür. Wollet nicht Freundschaft halten mit den Gottlosen, sie hindern, daß das Wort nicht wirke in voller Kraft. Schmeichelt nicht euren Fürsten, sonst werdet ihr selbst mit ihnen verderben. Ihr zarten Schriftgelehrten, seid nicht unwillig, ich kann es nicht anders machen."

Luther fordert Münzer mehr als einmal zur Disputation heraus; aber dieser, bereit, den Kampf jeden Augenblick vor dem Volk aufzunehmen, hatte nicht die geringste Lust, sich in eine theologische Zänkerei vor dem parteiischen Publikum der Wittenberger Universität einzulassen. Er wollte "das Zeugnis des Geistes nicht ausschließlich auf die hohe Schule bringen". Wenn Luther aufrichtig sei, so solle er seinen Einfluß dahin verwenden, daß die Schikanen gegen Münzers Drucker und das Gebot der Zensur aufhöre, damit der Kampf ungehindert in der Presse ausgefochten werden könne.

Jetzt, nach der erwähnten revolutionären Broschüre Münzers, trat Luther öffentlich als Denunziant gegen ihn auf. In seinem gedruckten "Brief an die Fürsten zu Sachsen wider den aufrührerischen Geist" erklärte er Münzer für ein Werkzeug des Satans und forderte die Fürsten auf, einzuschreiten und die Anstifter des Aufruhrs zum Lande hinauszujagen, da sie sich nicht begnügen, ihre schlimmen Lehren zu predigen, sondern zum Aufstand und zur gewaltsamen Widersetzlichkeit gegen die Obrigkeit aufrufen.

Am 1. August mußte Münzer sich vor den Fürsten auf dem Schloß zu Weimar gegen die Anklage aufrührerischer Umtriebe verantworten. Es lagen höchst kompromittierende Tatsachen gegen ihn vor; man war seinem geheimen Bund auf die Spur gekommen, man hatte in den Verbindungen der Bergknappen und Bauern seine Hand entdeckt. Man bedrohte ihn mit Verbannung. Kaum nach Allstedt zurück, erfuhr er, daß Herzog Georg von Sachsen seine Auslieferung verlangte; Bundesbriefe von seiner Handschrift waren aufgefangen worden, worin er Georgs Untertanen zu bewaffnetem Widerstand gegen die Feinde des Evangeliums aufforderte. Der Rat hätte ihn ausgeliefert, wenn er nicht die Stadt verlassen hätte.

Inzwischen hatte die steigende Agitation unter Bauern und Plebejern die Münzersche Propaganda ungemein erleichtert. Für diese Propaganda hatte er an den Wiedertäufern unschätzbare Agenten gewonnen. Diese Sekte, ohne bestimmte positive Dogmen, zusammengehalten nur durch ihre gemeinsame Opposition gegen alle herrschenden Klassen und durch das gemeinsame Symbol der Wiedertaufe, asketisch-streng im Lebenswandel, unermüdlich, fanatisch und unerschrocken in der Agitation, hatte sich mehr und mehr um <357> Münzer gruppiert. Durch die Verfolgungen von jedem festen Wohnsitz ausgeschlossen, streifte sie über ganz Deutschland und verkündete überall die neue Lehre, in der Münzer ihnen ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche klargemacht hatte. Unzählige wurden gefoltert, verbrannt oder sonst hingerichtet, aber der Mut und die Ausdauer dieser Emissäre war unerschütterlich, und der Erfolg ihrer Tätigkeit, bei der schnell wachsenden Aufregung des Volks, war unermeßlich. Daher fand Münzer bei seiner Flucht aus Thüringen den Boden überall vorbereitet, er mochte sich hinwenden, wohin er wollte.

Bei Nürnberg, wohin Münzer zuerst ging, war kaum einen Monat vorher ein Bauernaufstand im Keime erstickt worden. Münzer agitierte hier im stillen; bald traten Leute auf, die seine kühnsten theologischen Sätze von der Unverbindlichkeit der Bibel und der Nichtigkeit der Sakramente verteidigten, Christus für einen bloßen Menschen und die Gewalt der weltlichen Obrigkeit für ungöttlich erklärten. "Da sieht man den Satan umgehn, den Geist aus Allstedt!" rief Luther. Hier in Nürnberg ließ Münzer seine Antwort an Luther drucken. Er klagte ihn geradezu an, daß er den Fürsten heuchle und die reaktionäre Partei mit seiner Halbheit unterstütze. Aber das Volk werde trotzdem frei werden, und dem Doktor Luther werde es dann gehen wie einem gefangenen Fuchs. - Die Schrift wurde von Rats wegen mit Beschlag belegt, und Münzer mußte Nürnberg verlassen.

Er ging jetzt durch Schwaben nach dem Elsaß, der Schweiz und zurück nach dem oberen Schwarzwald, wo schon seit einigen Monaten der Aufstand ausgebrochen war, beschleunigt zum großen Teil durch seine wiedertäuferischen Emissäre. Diese Propagandareise Münzers hat offenbar zur Organisation der Volkspartei, zur klaren Feststellung ihrer Forderungen und zum endlichen allgemeinen Ausbruch des Aufstandes im April 1525 wesentlich beigetragen. Die doppelte Wirksamkeit Münzers, einerseits für das Volk, dem er in der ihm damals allein verständlichen Sprache des religiösen Prophetismus zuredete, und andrerseits für die Eingeweihten, gegen die er sich offen über seine schließliche Tendenz aussprechen konnte, tritt hier besonders deutlich hervor. Hatte er schon früher in Thüringen einen Kreis der entschiedensten Leute, nicht nur aus dem Volk, sondern auch aus der niedrigen Geistlichkeit, um sich versammelt und an die Spitze der geheimen Verbindung gestellt, so wird er hier der Mittelpunkt der ganzen revolutionären Bewegung von Südwestdeutschland, so organisiert er die Verbindung von Sachsen und Thüringen über Franken und Schwaben bis nach dem Elsaß und der Schweizer Grenze und zählt die süddeutschen Agitatoren, wie Hubmaier in Waldshut, Konrad Grebel von Zürich, Franz Rabmann zu Grießen, Schappeler zu Mem- <358> mingen, Jakob Wehe zu Leipheim, Doktor Mantel in Stuttgart, meist revolutionäre Pfarrer, unter seine Schüler und unter die Häupter des Bundes. Er selbst hielt sich meist in Grießen an der Schaffhausener Grenze auf und durchstreifte von da den Hegau, Klettgau etc. Die blutigen Verfolgungen, die die beunruhigten Fürsten und Herren überall gegen diese neue plebejische Ketzerei unternahmen, trugen nicht wenig dazu bei, den rebellischen Geist zu schüren und die Verbindung fester zusammenzuschließen. So agitierte Münzer gegen fünf Monate in Oberdeutschland und ging um die Zeit, wo der Ausbruch der Verschwörung herannahte, wieder nach Thüringen zurück, wo er den Aufstand selbst leiten wollte und wo wir ihn wiederfinden werden.

Wir werden sehen, wie treu der Charakter und das Auftreten der beiden Parteichefs die Haltung ihrer Parteien selbst widerspiegeln; wie die Unentschiedenheit, die Furcht vor der ernsthaft werdenden Bewegung selbst, die feige Fürstendienerei Luthers ganz der zaudernden, zweideutigen Politik der Bürgerschaft entsprach und wie die revolutionäre Energie und Entschlossenheit Münzers in der entwickeltsten Fraktion der Plebejer und Bauern sich reproduzieren. Der Unterschied ist nur, daß, während Luther sich begnügte, die Vorstellungen und Wünsche der Majorität seiner Klasse auszusprechen und sich damit eine höchst wohlfeile Popularität bei ihr zu erwerben, Münzer im Gegenteil weit über die unmittelbaren Vorstellungen und Ansprüche der Plebejer und Bauern hinausging und sich aus der Elite der vorgefundenen revolutionären Elemente erst eine Partei bildete, die übrigens, soweit sie auf der Höhe seiner Ideen stand und seine Energie teilte, immer nur eine kleine Minorität der insurgierten Masse blieb.



III

[Vorläufer des großen Bauernkriegs zwischen 1476 und 1517]


<359> Ungefähr fünfzig Jahre nach der Unterdrückung der hussitischen Bewegung zeigten sich die ersten Symptome des aufkeimenden revolutionären Geistes unter den deutschen Bauern. (2)

Im Bistum Würzburg, einem durch die Hussitenkriege, "durch schlechte Regierung, durch vielfältige Steuern, Abgaben, Fehde, Feindschaft, Krieg, Brand, Mord, Gefängnis und dergleichen" schon früher verarmten und fortwährend von Bischöfen, Pfaffen und Adel schamlos ausgeplünderten Lande entstand 1476 die erste Bauernverschwörung. Ein junger Hirte und Musikant, Hans Böheim von Niklashausen, auch Pauker und Pfeiferhänslein genannt, trat plötzlich im Taubergrund als Prophet auf. Er erzählte, die Jungfrau Maria sei ihm erschienen; sie habe ihm geboten, seine Pauke zu verbrennen, dem Tanz und den sündigen Wollüsten nicht ferner zu dienen, sondern das Volk zur Buße zu ermahnen. So solle denn jeder von seinen Sünden und von der eitlen Lust dieser Welt ablassen, allen Schmuck und Zierat ablegen und zur Mutter Gottes von Niklashausen wallfahrten, um die Vergebung seiner Sünden zu erlangen.

Wir finden schon hier, bei dem ersten Vorläufer der Bewegung, jenen Asketismus, den wir bei allen mittelalterlichen Aufständen mit religiöser Färbung und in der neueren Zeit im Anfang jeder proletarischen Bewegung antreffen. Diese asketische Sittenstrenge, diese Forderung der Lossagung von allen Lebensgenüssen und Vergnügungen stellt einerseits gegenüber den herrschenden Klassen das Prinzip der spartanischen Gleichheit auf und ist andrerseits eine notwendige Durchgangsstufe, ohne die die unterste Schicht der Gesellschaft sich nie in Bewegung setzen kann. Um ihre revolutionäre Energie zu <360> entwickeln, um über ihre feindselige Stellung gegenüber allen andern Elementen der Gesellschaft sich selbst klarzuwerden, um sich als Klasse zu konzentrieren, muß sie damit anfangen, alles das von sich abzustreifen, was sie noch mit der bestehenden Gesellschaftsordnung versöhnen könnte, muß sie den wenigen Genüssen entsagen, die ihr die unterdrückte Existenz noch momentan erträglich machen und die selbst der härteste Druck ihr nicht entreißen kann. Dieser plebejische und proletarische Asketismus unterscheidet sich sowohl seiner wild-fanatischen Form wie seinem Inhalt nach durchaus von dem bürgerlichen Asketismus, wie ihn die bürgerliche, lutherische Moral und die englischen Puritaner (im Unterschied von den Independenten und weitergehenden Sekten) predigten, und dessen ganzes Geheimnis die bürgerliche Sparsamkeit ist. Es versteht sich übrigens, daß dieser plebejisch-proletarische Asketismus in demselben Maße seinen revolutionären Charakter verliert, in welchem einerseits die Entwicklung der modernen Produktivkräfte das Material des Genießens ins Unendliche vermehrt und damit die spartanische Gleichheit überflüssig macht und andrerseits die Lebensstellung des Proletariats und damit das Proletariat selbst immer revolutionärer wird. Er verschwindet dann allmählich aus der Masse und verläuft sich bei den Sektierern, die sich auf ihn steifen, entweder direkt in die bürgerliche Knickerei oder in ein hochtrabendes Tugendrittertum, das in der Praxis ebenfalls auf eine spießbürgerliche oder zunfthandwerkermäßige Knauserwirtschaft hinauskommt. Der Masse des Proletariats braucht die Entsagung um so weniger gepredigt zu werden, als sie fast nichts mehr hat, dem sie noch entsagen könnte.

Die Bußpredigt Pfeiferhänsleins fand großen Anklang; alle Aufstandspropheten begannen mit ihr, und in der Tat konnte nur eine gewaltsame Anstrengung, eine plötzliche Lossagung von der ganzen gewohnten Daseinsweise dies zersplitterte, dünngesäete, in blinder Unterwerfung herangewachsene Bauerngeschlecht in Bewegung setzen. Die Wallfahrten nach Niklashausen begannen und nahmen rasch überhand; und je massenhafter das Volk hinströmte, desto offener sprach der junge Rebell seine Pläne aus. Die Mutter Gottes von Niklashausen habe ihm verkündet, predigte er, daß fortan kein Kaiser noch Fürst, noch Papst, noch andere geistliche oder weltliche Obrigkeit mehr sein sollte; ein jeder solle des andern Bruder sein, sein Brot mit seiner Hände Arbeit gewinnen und keiner mehr haben als der andere. Alle Zinsen, Gülten, Fronden, Zoll, Steuer und andre Abgaben und Leistungen sollten für ewig ab, und Wald, Wasser und Weide überall frei sein.

Das Volk nahm dies neue Evangelium mit Freuden auf. Rasch breitete sich der Ruhm des Propheten, "unsrer Frauen Botschaft", in die Ferne aus; vom Odenwald, vom Main, Kocher und Jagst, ja von Bayern, Schwaben und <361> vom Rhein zogen ihm Haufen von Pilgern zu. Man erzählte sich Wunder, die er getan haben sollte; man fiel auf die Knie vor ihm und betete ihn an wie einen Heiligen; man riß sich um die Zotteln von seiner Kappe, als ob es Reliquien und Amulette wären. Vergeblich traten die Pfaffen gegen ihn auf, schilderten seine Gesichte als Blendwerk des Teufels, seine Wunder als höllische Betrügereien. Die Masse der Gläubigen nahm reißend zu, die revolutionäre Sekte fing an sich zu bilden, die sonntäglichen Predigten des rebellischen Hirten riefen Versammlungen von 40.000 und mehr Menschen nach Niklashausen zusammen.

Mehrere Monate predigte Pfeiferhänslein vor den Massen. Aber er hatte nicht die Absicht, bei der Predigt zu bleiben. Er stand in geheimem Verkehr mit dem Pfarrer von Niklashausen und mit zwei Rittern, Kunz von Thunfeld und seinem Sohn, die zur neuen Lehre hielten und die militärischen Führer des beabsichtigten Aufstandes werden sollten. Endlich am Sonntag vor St. Kilian, als seine Macht groß genug zu sein schien, gab er das Signal.

"Und nun", schloß er seine Predigt, "gehet heim und erwäget, was euch die allerheiligste Mutter Gottes verkündet hat; und lasset am nächsten Samstag Weiber und Kinder und Greise daheim bleiben, aber ihr, ihr Männer, kommet wieder her nach Niklashausen auf St. Margarethentag, das ist nächsten Samstag; und bringt mit eure Brüder und Freunde soviel ihrer sein mögen. Kommt aber nicht mit dem Pilgerstab, sondern angetan mit Wehr und Waffen, in der einen Hand die Wallkerze, in der andern Schwert und Spieß oder Hellebarde; und die heilige Jungfrau wird euch alsdann verkünden, was ihr Wille ist, das ihr tun sollt."

Aber ehe die Bauern in Massen ankamen, hatten die Reiter des Bischofs den Aufruhrpropheten nächtlicherweile abgeholt und auf das Würzburger Schloß gebracht. Am bestimmten Tage kamen an 34.000 bewaffnete Bauern, aber diese Nachricht wirkte niederschlagend auf sie. Der größte Teil verlief sich; die Eingeweihteren hielten gegen 16.000 zusammen und zogen mit ihnen vor das Schloß, unter der Führung Kunzens von Thunfeld und Michaels, seines Sohnes. Der Bischof brachte sie durch Versprechungen wieder zum Abzug; aber kaum hatten sie angefangen sich zu zerstreuen, so wurden sie von des Bischofs Reitern überfallen und mehrere zu Gefangenen gemacht. Zwei wurden enthauptet, Pfeiferhänslein selbst aber wurde verbrannt. Kunz von Thunfeld wurde flüchtig und erst gegen Abtretung aller seiner Güter an das Stift wieder angenommen. Die Wallfahrten nach Niklashausen dauerten noch einige Zeit fort, wurden aber schließlich auch unterdrückt.

<362> Nach diesem ersten Versuch blieb Deutschland wieder längere Zeit ruhig. Erst mit Ende der neunziger Jahre begannen neue Aufstände und Verschwörungen der Bauern.

Wir übergehen den holländischen Bauernaufstand von 1491 und 92, der erst durch Herzog Albrecht von Sachsen in der Schlacht bei Heemskerk unterdrückt wurde, den gleichzeitigen Aufstand der Bauern der Abtei Kempten in Oberschwaben und den friesischen Aufstand unter Syaard Aylva um 1497, der ebenfalls durch Albrecht von Sachsen unterdrückt wurde. Diese Aufstände liegen teils zu weit vom Schauplatze des eigentlichen Bauernkriegs entfernt, teils sind sie Kämpfe bisher freier Bauern gegen den Versuch, ihnen den Feudalismus aufzudrängen. Wir gehen gleich über zu den beiden großen Verschwörungen, die den Bauernkrieg vorbereiteten: dem Bundschuh und dem Armen Konrad.

Dieselbe Teurung, die in den Niederlanden den Aufstand der Bauern hervorgerufen hatte, brachte 1493 im Elsaß einen geheimen Bund von Bauern und Plebejern zustande, bei dem sich auch Leute von der bloß bürgerlichen Opposition beteiligten und mit dem sogar ein Teil des niederen Adels mehr oder weniger sympathisierte. Der Sitz des Bundes war die Gegend von Schlettstadt, Sulz, Dambach, Rosheim, Scherweiler etc. etc. Die Verschwornen verlangten Plünderung und Ausrottung der Juden, deren Wucher damals schon, so gut wie jetzt, die Elsässer Bauern aussog, Einführung eines Jubeljahres, mit dem alle Schulden verjähren sollten, Aufhebung des Zolls, Umgelds und anderer Lasten, Abschaffung des geistlichen und rottweilschen (Reichs-)Gerichts, Steuerbewilligungsrecht, Beschränkung der Pfaffen auf je eine Pfründe von 50-60 Gulden, Abschaffung der Ohrenbeichte und eigene, selbstgewählte Gerichte für jede Gemeinde. Der Plan der Verschwornen war, sobald man stark genug sei, das feste Schlettstadt zu überrumpeln, die Klöster- und Stadtkassen mit Beschlag zu belegen und von hier aus das ganze Elsaß zu insurgieren. Die Bundesfahne, die im Moment der Erhebung entfaltet werden sollte, enthielt einen Bauernschuh mit langen Bindriemen, den sogenannten Bundschuh, der von nun an den Bauernverschwörungen der nächsten 20 Jahre Symbol und Namen gab.

Die Verschwornen pflegten ihre Zusammenkünfte des Nachts auf dem einsamen Hungerberg zu halten. Die Aufnahme in den Bund war mit den geheimnisvollsten Zeremonien und den härtesten Strafandrohungen gegen die Verräter verknüpft. Aber trotzdem kam die Sache aus, gerade als der Schlag gegen Schlettstadt geführt werden sollte, um die Karwoche 1493. Die Behörden schritten schleunig ein; viele der Verschwornen wurden verhaftet und gefoltert, und teils gevierteilt oder enthauptet, teils an Händen und Fingern <363> verstümmelt und des Landes verwiesen. Eine große Zahl floh nach der Schweiz.

Aber mit dieser ersten Sprengung war der Bundschuh keineswegs vernichtet. Im Gegenteil, er bestand im geheimen fort, und die vielen über die Schweiz und Süddeutschland zerstreuten Flüchtlinge wurden ebenso viele Emissäre, die, überall mit dem gleichen Druck die gleiche Neigung zum Aufstand vorfindend, den Bundschuh über das ganze jetzige Baden verbreiteten. Die Zähigkeit und Ausdauer, mit der die oberdeutschen Bauern von 1493 an dreißig Jahre lang konspirierten, mit der sie alle aus ihrer ländlich-zerstreuten Lebensweise hervorgehenden Hindernisse einer größeren, zentralisierten Verbindung überwanden und nach unzähligen Sprengungen, Niederlagen, Hinrichtungen der Führer immer von neuem wieder konspirierten, bis endlich die Gelegenheit zum Aufstand in Masse kam - diese Hartnäckigkeit ist wirklich bewundernswert.

1502 zeigten sich im Bistum Speyer, das damals auch die Gegend von Bruchsal umfaßte, Zeichen einer geheimen Bewegung unter den Bauern. Der Bundschuh hatte sich hier wirklich mit bedeutendem Erfolg reorganisiert. An 7.000 Männer waren in der Verbindung, deren Zentrum zu Untergrombach, zwischen Bruchsal und Weingarten, war und deren Verzweigungen sich den Rhein hinab bis an den Main, hinauf bis über die Markgrafschaft Baden erstreckten. Ihre Artikel enthielten: Es solle kein Zins noch Zehnt, Steuer oder Zoll mehr an Fürsten, Adel und Pfaffen gezahlt werden; die Leibeigenschaft soll abgetan sein, die Klöster und sonstigen geistlichen Güter eingezogen und unter das Volk verteilt und kein anderer Herr mehr anerkannt werden als der Kaiser.

Wir finden hier zum erstenmal bei den Bauern die beiden Forderungen der Säkularisation der geistlichen Güter zum Besten des Volks und der einigen und unteilbaren deutschen Monarchie ausgesprochen; zwei Forderungen, die von nun an bei der entwickelteren Fraktion der Bauern und Plebejer regelmäßig wieder erscheinen, bis Thomas Münzer die Teilung der geistlichen Güter in ihre Konfiskation zum Besten der Gütergemeinschaft und das einige deutsche Kaisertum in die einige und unteilbare Republik verwandelt.

Der erneuerte Bundschuh hatte, wie der alte, seinen geheimen Versammlungsort, seinen Eid der Verschwiegenheit, seine Aufnahmezeremonien und seine Bundschuhfahne mit der Inschrift: "Nichts denn die Gerechtigkeit Gottes!" Der Plan der Handlung war dem der Elsässer ähnlich; Bruchsal, wo die Majorität der Einwohner im Bunde war, sollte überrumpelt, dort ein Bundesheer organisiert und als wandelndes Sammlungszentrum in die umliegenden Fürstentümer geschickt werden.

<364> Der Plan wurde verraten durch einen Geistlichen, dem einer der Verschwornen ihn gebeichtet hatte. Sogleich ergriffen die Regierungen Gegenmaßregeln. Wie weit der Bund verzweigt war, zeigt sich aus dem Schrecken, der die verschiedenen Elsässer Reichsstände und den Schwäbischen Bund ergriff. Man zog Truppen zusammen und ließ massenhafte Verhaftungen bewerkstelligen. Kaiser Maximilian, der "letzte Ritter", erließ die blutdürstigsten Strafverordnungen gegen das unerhörte Unternehmen der Bauern. Hier und dort kam es zu Zusammenrottungen und bewaffnetem Widerstand; doch hielten sich die vereinzelten Bauernhaufen nicht lange. Einige der Verschwornen wurden hingerichtet, manche flohen; doch wurde das Geheimnis so gut bewahrt, daß die meisten, selbst der Führer, entweder in ihren eigenen Ortschaften oder doch in benachbarter Herren Ländern ganz ungestört bleiben konnten.

Nach dieser neuen Niederlage trat wieder eine längere scheinbare Stille in den Klassenkämpfen ein. Aber unterderhand wurde fortgearbeitet. In Schwaben bildete sich, offenbar in Verbindung mit den zersprengten Mitgliedern des Bundschuhs, schon in den ersten Jahren des sechzehnten Jahrhunderts der Arme Konrad; im Schwarzwald bestand der Bundschuh in einzelnen kleineren Kreisen fort, bis es nach zehn Jahren einem energischen Bauernchef gelang, die einzelnen Fäden wieder zu einer großen Verschwörung zusammenzuknüpfen. Beide Verschwörungen traten kurz nacheinander in die Öffentlichkeit und fallen in die bewegten Jahre 1513-15, in denen gleichzeitig die Schweizer, ungarischen und slowenischen Bauern eine Reihe von bedeutenden Insurrektionen machen.

Der Wiederhersteller des oberrheinischen Bundschuhs war Joß Fritz aus Untergrombach, Flüchtling von der Verschwörung von 1502, ein ehemaliger Soldat und ein in jeder Beziehung hervorragender Charakter. Er hatte sich seit seiner Flucht zwischen Bodensee und Schwarzwald an verschiedenen Orten aufgehalten und sich schließlich in Lehen bei Freiburg im Breisgau niedergelassen, wo er sogar Bannwart geworden war. Wie er von hier aus die Verbindung reorganisierte, wie geschickt er die verschiedenartigsten Leute hineinzubringen wußte, darüber enthalten die Untersuchungsakten die interessantesten Details. Es gelang dem diplomatischen Talent und der unermüdlichen Ausdauer dieses Musterkonspirateurs, eine ungemeine Anzahl von Leuten der verschiedensten Klassen in den Bund zu verwickeln: Ritter, Pfaffen, Bürger, Plebejer und Bauern; und es scheint ziemlich sicher, daß er sogar mehrere, mehr oder minder scharf geschiedne Grade der Verschwörung organisierte. Alle brauchbaren Elemente wurden mit der größten Umsicht und Geschicklichkeit benutzt. Außer den eingeweihteren Emissären, die in den <365> verschiedensten Verkleidungen das Land durchstreiften, wurden die Landstreicher und Bettler zu den untergeordneteren Missionen verwandt. Mit den Bettlerkönigen stand Joß in direktem Verkehr und hielt durch sie die ganze zahlreiche Vagabundenbevölkerung unter der Hand. Diese Bettlerkönige spielen in seiner Verschwörung eine bedeutende Rolle. Es waren höchst originelle Figuren: Einer zog mit einem Mädchen umher, auf dessen angeblich wunde Füße er bettelte; er trug mehr als acht Zeichen am Hut, die vierzehn Nothelfer, St. Ottilien, unsere Frauen u.a., dazu einen langen roten Bart und einen großen Knotenstock mit Dolch und Stachel; ein anderer, der um St. Veltens willen heischte, hatte Gewürz und Wurmsamen feil, trug einen eisenfarbnen langen Rock, ein rotes Barett und das Kindlein von Trient daran, einen Degen an der Seite und viele Messer nebst einem Dolch im Gürtel; andre hatten künstlich offengehaltene Wunden, dazu ähnliche abenteuerliche Kostüme. Es waren ihrer mindestens zehn; sie sollten, gegen 2.000 Gulden Belohnung, zu gleicher Zeit im Elsaß, in der Markgrafschaft Baden und im Breisgau Feuer anlegen und sich mit wenigstens 2.000 Mann der Ihrigen auf den Tag der Zaberner Kirchweih in Rosen unter das Kommando Georg Schneiders, eines ehemaligen Landsknechthauptmanns stellen, um die Stadt einzunehmen. Unter den eigentlichen Bundesmitgliedern wurde von Station zu Station ein Stafettendienst eingerichtet, und Joß Fritz und sein Hauptemissär, Stoffel von Freiburg, ritten fortwährend von Ort zu Ort und nahmen nächtliche Heerschau ab über die Neuangeworbenen. Über die Verbreitung des Bundes am Oberrhein und im Schwarzwald legen die Untersuchungsakten hinreichend Zeugnis ab; sie enthalten unzählige Namen von Mitgliedern, nebst den Signalements, aus den verschiedensten Orten jener Gegend. Die meisten sind Handwerksgesellen, dann Bauern und Wirte, einige Adelige, Pfaffen (so der von Lehen selbst) und brotlose Landsknechte. Man sieht schon aus dieser Zusammensetzung den viel entwickelteren Charakter, den der Bundschuh unter Joß Fritz angenommen hatte; das plebejische Element der Städte fing an sich mehr und mehr geltend zu machen. Die Verzweigungen der Verschwörung gingen über den ganzen Elsaß, das jetzige Baden, bis nach Württemberg und an den Main. Zuweilen wurden auf abgelegenen Bergen, auf dem Kniebis etc. etc. größere Versammlungen gehalten und die Bundesangelegenheiten beraten. Die Zusammenkünfte der Chefs, denen die Mitglieder der Lokalität sowie Delegierte der entfernteren Ortschaften häufig beiwohnten, fanden auf der Hartmatte bei Lehen statt, und hier wurden auch die vierzehn Bundesartikel angenommen. Kein Herr mehr als der Kaiser und (nach einigen) der Papst; Abschaffung des rottweilschen, Beschränkung des geistlichen Gerichts auf geistliche Sachen; Abschaffung <366> aller Zinsen, die so lange gezahlt seien, bis sie dem Kapital gleichkämen; fünf Prozent Zinsen als höchster erlaubter Satz, Freiheit der Jagd, Fischerei, Weide und Holzung; Beschränkung der Pfaffen auf je eine Pfründe; Konfiskation der geistlichen Güter und Klosterkleinodien für die Bundeskriegskasse; Abschaffung aller unbilligen Steuern und Zölle; ewiger Friede in der gesamten Christenheit; energisches Einschreiten gegen alle Gegner des Bundes; Bundessteuer; Einnahme einer festen Stadt - Freiburgs -, um dem Bunde zum Zentrum zu dienen; Eröffnung von Unterhandlungen mit dem Kaiser, sobald die Bundeshaufen versammelt seien, und mit der Schweiz, im Fall der Kaiser abschlage - das sind die Punkte, über die man übereinkam. Man sieht aus ihnen, wie einerseits die Forderungen der Bauern und Plebejer eine immer bestimmtere und festere Gestalt annahmen, anderseits den Gemäßigten und Zaghaften in demselben Maße Konzessionen gemacht werden mußten.

Gegen Herbst 1513 sollte losgeschlagen werden. Es fehlte nur noch an der Bundesfahne, und diese malen zu lassen, ging Joß Fritz nach Heilbronn. Sie enthielt neben allerlei Emblemen und Bildern den Bundschuh und die Inschrift: Herr, steh deiner göttlichen Gerechtigkeit bei. Aber während er fort war, wurde ein übereilter Versuch zur Überrumpelung von Freiburg gemacht und vor der Zeit entdeckt; einige Indiskretionen bei der Propaganda halfen dem Freiburger Rat und dem badischen Markgrafen auf die richtige Spur, und der Verrat zweier Verschwornen vollendete die Reihe der Enthüllungen. Sofort sandten der Markgraf, der Freiburger Rat und die kaiserliche Regierung zu Ensisheim ihre Häscher und Soldaten aus; eine Anzahl Bundschuher wurde verhaftet, gefoltert und hingerichtet; doch auch diesmal entkamen die meisten, namentlich Joß Fritz. Die Schweizer Regierungen verfolgten die Flüchtlinge diesmal mit großer Heftigkeit und richteten selbst mehrere hin; aber sie konnten ebensowenig wie ihre Nachbarn verhindern daß der größte Teil der Flüchtigen fortwährend in der Nähe seiner bisherigen Wohnorte blieb und nach und nach sogar zurückkehrte. Am meisten wütete die Elsässer Regierung in Ensisheim; auf ihren Befehl wurden sehr viele geköpft, gerädert und gevierteilt. Joß Fritz selbst hielt sich meist auf dem schweizerischen Rheinufer auf, ging aber häufig nach dem Schwarzwald herüber, ohne daß man seiner je habhaft werden konnte.

Warum die Schweizer diesmal sich mit den Nachbarregierungen gegen die Bundschuher verbanden, das zeigt der Bauernaufstand, der im nächsten Jahre, 1514, in Bern, Solothurn und Luzern zum Ausbruch kam und eine Epuration der aristokratischen Regierungen und des Patriziats überhaupt zur Folge hatte. Die Bauern setzten außerdem manche Vorrechte für sich durch. Wenn diese schweizerischen Lokalaufstände gelangen, so lag dies einfach dar- <367> an, daß in der Schweiz noch weit weniger Zentralisation bestand als in Deutschland. Mit ihren Lokalherren wurden die Bauern auch 1525 überall fertig, aber den organisierten Heeresmassen der Fürsten erlagen sie, und gerade diese existierten nicht in der Schweiz.

Gleichzeitig mit dem Bundschuh in Baden und offenbar in direkter Verbindung mit ihm hatte sich in Württemberg eine zweite Verschwörung gebildet. Sie bestand urkundlich schon seit 1503, und da der Name Bundschuh seit der Sprengung der Untergrombacher zu gefährlich wurde, nahm sie den des Armen Konrad an. Ihr Hauptsitz war das Remstal unterhalb des Hohenstaufenbergs. Ihre Existenz war wenigstens unter dem Volk schon lange kein Geheimnis mehr. Der schamlose Druck der Regierung Ulrichs und eine Reihe von Hungerjahren, die zum Ausbruch der Bewegungen von 1513 und 14 mächtig beitrugen, hatten die Zahl der Verbündeten verstärkt; die neuaufgelegten Steuern auf Wein, Fleisch und Brot sowie eine Kapitalsteuer von einem Pfennig jährlich für jeden Gulden provozierten den Ausbruch. Die Stadt Schorndorf, wo die Häupter des Komplotts in des Messerschmieds Kaspar Pregizers Haus zusammenkamen, sollte zuerst genommen werden. Im Frühjahr 1514 brach der Aufstand los. 3.000, nach andern 5.000 Bauern zogen vor die Stadt, wurden aber durch gütliche Versprechungen der herzoglichen Beamten wieder zum Abzug bewogen: Herzog Ulrich eilte herbei mit achtzig Reitern, nachdem er die Aufhebung der neuen Steuern zugesagt hatte, und fand infolge dieses Versprechens alles ruhig. Er versprach einen Landtag zu berufen, um dort alle Beschwerden untersuchen zu lassen. Aber die Chefs der Verbindung wußten sehr gut, daß Ulrich weiter nichts beabsichtige, als das Volk so lange ruhig zu halten, bis er hinreichende Truppen angeworben und zusammengezogen habe, um sein Wort brechen und die Steuern mit Gewalt eintreiben zu können. Sie ließen daher von Kaspar Pregizers Haus, "des Armen Konrads Kanzlei", Aufforderungen zu einem Bundeskongreß ausgehen, den Emissäre nach allen Richtungen hin unterstützten. Der Erfolg der ersten Erhebung im Remstal hatte die Bewegung unter dem Volk überall gehoben; die Schreiben und Emissäre fanden überall ein günstiges Terrain vor, und so wurde der am 28. Mai in Untertürkheim abgehaltene Kongreß zahlreich von allen Teilen Württembergs beschickt. Es wurde beschlossen, schleunig fortzuagitieren und bei der ersten Gelegenheit im Remstal loszuschlagen, um von hier aus den Aufstand weiterzuverbreiten. Während Bantelhans von Dettingen, ein ehemaliger Soldat, und Singerhans von Würtingen, ein angesehener Bauer, die Schwäbische Alb in den Bund brachten, brach schon von allen Seiten der Aufstand los. Singerhans wurde zwar überfallen und gefangen, aber die Städte Backnang, Winnenden, Markgröningen <368> fielen in die Hände der mit den Plebejern verbündeten Bauern, und das ganze Land von Weinsberg bis Blaubeuren und von dort bis an die badische Grenze war in offener Insurrektion; Ulrich mußte nachgeben. Während er aber den Landtag auf den 25. Juni einberief, schrieb er zu gleicher Zeit an die umliegenden Fürsten und freien Städte um Hülfe gegen den Aufstand, der alle Fürsten, Obrigkeit und Ehrbarkeit im Reich gefährde und "ein seltsam bundschühlich Ansehn habe".

Inzwischen kam der Landtag, d.h. die Abgeordneten der Städte und viele Delegierte der Bauern, die ebenfalls Sitz auf dem Landtag verlangten, schon am 18. Juni in Stuttgart zusammen. Die Prälaten waren noch nicht da, die Ritter waren gar nicht eingeladen. Die Stuttgarter städtische Opposition sowie zwei nahe, drohende Bauernhaufen, zu Leonberg und im Remstal, unterstützten die Forderungen der Bauern. Ihre Delegierten wurden zugelassen, und man beschloß, die drei verhaßten Räte des Herzogs, Lamparter, Thumb und Lorcher, abzusetzen und zu bestrafen, einen Rat von vier Rittern, vier Bürgern und vier Bauern dem Herzog beizugeben, ihm eine fixe Zivilliste zu bewilligen und die Klöster und Stifter zum Besten des Staatsschatzes zu konfiszieren.

Herzog Ulrich setzte diesen revolutionären Beschlüssen einen Staatsstreich entgegen. Er ritt am 21 Juni mit seinen Rittern und Räten nach Tübingen, wohin ihm die Prälaten folgten, befahl der Bürgerschaft ebenfalls dorthin zu kommen, was auch geschah, und setzte hier den Landtag ohne die Bauern fort. Hier verrieten die Bürger, unter den militärischen Terrorismus gestellt, ihre Bundesgenossen, die Bauern. Am 8. Juli kam der Tübinger Vertrag zustande, der dem Lande beinahe eine Million herzoglicher Schulden, dem Herzog einige Beschränkungen auflegte, die er nie einhielt, und die Bauern mit einigen dünnen allgemeinen Redensarten und einem sehr positiven Strafgesetz gegen Aufruhr und Verbindungen abspeiste. Von Vertretung der Bauern auf dem Landtag war natürlich keine Rede mehr. Das Landvolk schrie über Verrat; aber da der Herzog, seit der Übernahme seiner Schulden durch die Stände, wieder Kredit hatte, so brachte er bald Truppen zusammen, und auch seine Nachbarn, besonders der Kurfürst von der Pfalz, schickten Hülfstruppen. So wurde bis Ende Juli der Tübinger Vertrag vom ganzen Lande angenommen und die neue Huldigung geleistet. Nur im Remstal leistete der Arme Konrad Widerstand; der Herzog, der wieder selbst hinritt, wurde fast ermordet und ein Bauernlager auf dem Kappelberg gebildet. Aber als die Sache sich in die Länge zog, verliefen sich die meisten Insurgenten wieder aus Mangel an Lebensmitteln, und der Rest ging infolge eines zweideutigen Vertrags mit einigen Landtagsabgeordneten ebenfalls heim. Ulrich, dessen Heer in- <369> zwischen noch durch die bereitwillig gestellten Fähnlein der Städte verstärkt wurde, die sich jetzt nach Erlangung ihrer Forderungen fanatisch gegen die Bauern kehrten, Ulrich überfiel jetzt trotz des Vertrags das Remstal, dessen Städte und Dörfer geplündert wurden. 1.600 Bauern wurden verhaftet, davon 16 sofort enthauptet, die übrigen meist zu schweren Geldstrafen zum Besten von Ulrichs Kasse verurteilt. Viele blieben lange im Gefängnis. Gegen die Erneuerung der Verbindung, gegen alle Versammlungen der Bauern wurden strenge Strafgesetze erlassen, und der schwäbische Adel schloß einen speziellen Bund zur Unterdrückung aller Aufstandsversuche. - Die Hauptführer des Armen Konrad waren indes glücklich nach der Schweiz entkommen und kamen von dort nach einigen Jahren meist einzeln wieder nach Hause.

Gleichzeitig mit der württembergischen Bewegung zeigten sich Symptome neuer Bundschuhumtriebe im Breisgau und in der Markgrafschaft Baden. Bei Bühl wurde im Juni ein Versuch zum Aufstand gemacht, aber vom Markgrafen Philipp gleich gesprengt und der Führer Gugel-Bastian in Freiburg verhaftet und enthauptet.

In demselben Jahre 1514, ebenfalls im Frühjahr, kam in Ungarn ein allgemeiner Bauernkrieg zum Ausbruch. Es wurde ein Kreuzzug wider die Türken gepredigt und wie gewöhnlich den Leibeignen und Hörigen, die sich anschlössen, die Freiheit zugesagt. Gegen 60.000 kamen zusammen und wurden unter das Kommando Georg Dózsas, eines Szeklers, gestellt, der sich schon in früheren Türkenkriegen ausgezeichnet und den Adel erworben hatte. Aber die ungarischen Ritter und Magnaten sahen nur ungern diesen Kreuzzug, der ihnen ihr Eigentum, ihre Knechte, zu entziehen drohte. Sie eilten den einzelnen Bauernhaufen nach und holten ihre Leibeignen mit Gewalt und unter Mißhandlungen zurück. Als dies im Kreuzheer bekannt wurde, brach die Wut der unterdrückten Bauern los. Zwei der eifrigsten Kreuzprediger, Laurentius und Barnabas, stachelten den Haß gegen den Adel im Heer durch ihre revolutionären Reden noch heftiger an. Dózsa selbst teilte den Zorn seiner Truppen gegen den verräterischen Adel; das Kreuzheer wurde eine Revolutionsarmee, und er stellte sich an die Spitze dieser neuen Bewegung.

Er lagerte mit seinen Bauern auf dem Rákosfelde bei Pest. Die Feindseligkeiten wurden eröffnet durch Streitigkeiten mit den Leuten der Adelspartei in den umliegenden Dörfern und den Pester Vorstädten; bald kam es zu Scharmützeln, endlich zu einer Sizilianischen Vesper für alle Adligen, die den Bauern in die Hände fielen; und zur Niederbrennung aller umliegenden Schlösser. Der Hof drohte, aber umsonst. Als die erste Volksjustiz unter den Mauern der Hauptstadt am Adel vollstreckt war, schritt Dózsa zu weiteren Operationen. Er teilte sein Heer in fünf Kolonnen. Zwei wurden nach dem <370> oberungarischen Gebirge geschickt, um hier alles zu insurgieren und den Adel auszurotten. Die dritte, unter Ambros Száleresi, einem Pester Bürger, blieb zur Beobachtung der Hauptstadt auf dem Rákos; die vierte und fünfte führten Dózsa und sein Bruder Gregor gegen Szegedin.

Inzwischen sammelte sich der Adel in Pest und rief den Woiwoden von Siebenbürgen, Johann Zápolya, zu Hülfe. Der Adel, in Gemeinschaft mit den Bürgern von Budapest, schlug und vernichtete das auf dem Rákos lagernde Korps, nachdem Szaleresi mit den bürgerlichen Elementen des Bauernheers zum Feinde übergegangen war. Eine Menge Gefangener wurden auf die grausamste Weise hingerichtet, der Rest mit abgeschnittenen Nasen und Ohren nach Hause geschickt.

Dózsa scheiterte vor Szegedin und zog gegen Csanád, das er eroberte, nachdem er ein Adelsheer unter Bátori István und dem Bischof Csáky geschlagen und an den Gefangenen, worunter auch der Bischof und der königliche Schatzmeister Teleki, blutige Repressalien für die Grausamkeiten auf dem Rákos genommen hatte. In Csanád proklamierte er die Republik, die Abschaffung des Adels, die allgemeine Gleichheit und die Souveränetät des Volks und zog dann gegen Temesvár, wohinein sich Bátori geworfen hatte. Aber während er diese Festung zwei Monate lang belagerte und durch ein neues Heer unter Anton Hosszu verstärkt wurde, erlagen die beiden oberungarischen Heerhaufen in mehreren Schlachten vor dem Adel und rückte Johann Zápolya mit der siebenbürgischen Armee gegen ihn an. Die Bauern wurden von Zápolya überfallen und zersprengt, Dózsa selbst gefangen, auf einem glühenden Thron gebraten und von seinen eigenen Leuten, die nur unter dieser Bedingung das Leben geschenkt erhielten, lebendig gegessen. Die versprengten Bauern, von Laurentius und Hosszu wieder gesammelt, wurden nochmals geschlagen und alles, was den Feinden in die Hände fiel, gepfählt oder gehängt. Zu Tausenden hingen die Bauernleichen die Straßen entlang oder an den Eingängen verbrannter Dörfer. An 60.000 sollen teils gefallen, teils massakriert sein. Der Adel aber trug Sorge, auf dem nächsten Landtag die Knechtschaft der Bauern abermals als Gesetz des Landes zur Anerkennung zu bringen.

Der Bauernaufstand in der "windischen Mark", d.h. in Kärnten, Kram und Steiermark, der um dieselbe Zeit losbrach, beruhte auf einer bundschuhartigen Verschwörung, die sich in dieser von Adel und kaiserlichen Beamten ausgesognen, von Türkeneinfällen verheerten und von Hungersnot geplagten Gegend schon 1503 gebildet und einen Aufstand hervorgerufen hatte. Die slowenischen Bauern dieser Gegend sowohl wie die deutschen erhoben schon 1513 wieder die Kriegsfahne der stara prawa (der alten Rechte), und wenn sie auch in die- <371> sem Jahr sich nochmals beschwichtigen ließen, wenn sie 1514, wo sie sich noch massenhafter zusammenrotteten, durch Kaiser Maximilians ausdrückliche Zusage, die alten Rechte wiederherzustellen, zum Auseinandergehen bewogen wurden, so brach 1515 im Frühjahr der Rachekrieg des stets getäuschten Volks um so heftiger los. Wie in Ungarn, wurden Schlösser und Klöster überall zerstört und die gefangenen Adligen von Bauerngeschworenen gerichtet und enthauptet. In Steiermark und Kärnten gelang es dem kaiserlichen Hauptmann Dietrichstein, den Aufstand bald zu dämpfen; in Krain wurde er erst durch den Überfall von Rain (Herbst 1516) und durch die darauffolgenden, den Infamien des ungarischen Adels sich würdig anschließenden, zahllosen östreichischen Grausamkeiten unterdrückt.

Man begreift, daß nach einer Reihe so entscheidender Niederlagen und nach diesen massenhaften Grausamkeiten des Adels die Bauern in Deutschland eine längere Zeit ruhig waren. Und doch hörten weder die Verschwörungen noch die Lokalaufstände ganz auf. Schon 1516 kamen die meisten Flüchtlinge vom Bundschuh und Armen Konrad nach Schwaben und dem Oberrhein zurück, und 1517 war der Bundschuh im Schwarzwald wieder in vollem Gange. Joß Fritz selbst, der noch immer die alte Bundschuhfahne von 1513 auf der Brust versteckt mit sich führte, durchstreifte den Schwarzwald wieder und entwickelte große Tätigkeit. Die Verschwörung organisierte sich aufs neue. Wie vor vier Jahren wurden wieder Versammlungen auf dem Kniebis angesagt. Aber das Geheimnis wurde nicht gehalten, die Regierungen erfuhren die Sache und schritten ein. Mehrere wurden gefangen und hingerichtet; die tätigsten und intelligentesten Mitglieder mußten fliehen, unter ihnen Joß Fritz, dessen man auch diesmal nicht habhaft wurde, der aber bald darauf in der Schweiz gestorben zu sein scheint, da er von jetzt an nirgends mehr genannt wird.



IV

[Der Adelsaufstand]


<372> Um dieselbe Zeit, wo im Schwarzwald die vierte Bundschuhverschwörung unterdrückt wurde, gab Luther in Wittenberg das Signal zu der Bewegung, die alle Stände mit in den Strudel reißen und das ganze Reich erschüttern sollte. Die Thesen des thüringischen Augustiners zündeten wie ein Blitz in ein Pulverfaß Die mannigfaltig durcheinanderkreuzenden Bestrebungen der Ritter wie der Bürger, der Bauern wie der Plebejer, der souveränetätssüchtigen Fürsten wie der niederen Geistlichkeit, der mystizisierenden verborgenen Sekten wie der gelehrten und satirisch-burlesken Schriftstelleropposition erhielten in ihnen einen zunächst gemeinsamen allgemeinen Ausdruck, um den sie sich mit überraschender Schnelligkeit gruppierten. Diese über Nacht gebildete Allianz aller Oppositionselemente, so kurz ihre Dauer war, enthüllte plötzlich die ungeheure Macht der Bewegung und trieb sie um so rascher voran.

Aber eben diese rasche Entwicklung der Bewegung mußte auch sehr bald die Keime des Zwiespalts entwickeln, die in ihr lagen, mußte wenigstens die durch ihre ganze Lebensstellung direkt einander entgegenstehenden Bestandteile der erregten Masse wieder voneinander reißen und in ihre normale feindliche Stellung bringen. Diese Polarisation der bunten Oppositionsmasse um zwei Attraktionszentren trat schon in den ersten Jahren der Reformation hervor; Adel und Bürger gruppierten sich unbedingt um Luther; Bauern und Plebejer, ohne schon in Luther einen direkten Feind zu sehen, bildeten wie früher eine besondere, revolutionäre Oppositionspartei. Nur daß die Bewegung jetzt viel allgemeiner, viel tiefer greifend war als vor Luther, und daß damit die Notwendigkeit des scharf ausgesprochenen Gegensatzes, der direkten Bekämpfung beider Parteien untereinander gegeben war. Dieser direkte Gegensatz trat bald ein; Luther und Münzer bekämpften sich in der Presse und auf der Kanzel, wie die größtenteils aus lutherischen oder wenigstens zum Luthertum hinneigenden Kräften bestehenden Heere der Fürsten, Ritter und Städte die Haufen der Bauern und Plebejer zersprengten.

<373> Wie sehr die Interessen und Bedürfnisse der verschiedenen Elemente, die die Reformation angenommen, auseinandergingen, zeigt schon vor dem Bauernkrieg der Versuch des Adels, seine Forderungen gegenüber den Fürsten und Pfaffen durchzusetzen.

Wir haben schon oben gesehen, welche Stellung der deutsche Adel im Anfang des 16. Jahrhunderts einnahm. Er war im Begriff, seine Unabhängigkeit an die immer mächtiger werdenden weltlichen und geistlichen Fürsten zu verlieren. Er sah zu gleicher Zeit, in demselben Maß wie er sank, auch die Reichsgewalt sinken und das Reich sich in eine Anzahl souveräner Fürstentümer auflösen. Sein Untergang mußte für ihn mit dem Untergang der Deutschen als Nation zusammenfallen. Dazu kam, daß der Adel, besonders der reichsunmittelbare Adel, derjenige Stand war, der sowohl durch seinen militärischen Beruf wie durch seine Stellung gegenüber den Fürsten das Reich und die Reichsgewalt besonders vertrat. Er war der nationalste Stand, und je mächtiger die Reichsgewalt, je schwächer und je weniger zahlreich die Fürsten, je einiger Deutschland, desto mächtiger war er. Daher der allgemeine Unwille der Ritterschaft über die erbärmliche politische Stellung Deutschlands, über die Ohnmacht des Reichs nach außen, die in demselben Maße zunahm, als das Kaiserhaus durch Erbschaft eine Provinz nach der andern an das Reich anhing; über die Intrigen fremder Mächte im Innern Deutschlands und die Komplotte deutscher Fürsten mit dem Ausland gegen die Reichsgewalt. Die Forderungen des Adels mußten sich also vor allem in der Forderung einer Reichsreform zusammenfassen, deren Opfer die Fürsten und die höhere Geistlichkeit werden sollten. Diese Zusammenfassung übernahm Ulrich von Hutten, der theoretische Repräsentant des deutschen Adels, in Gemeinschaft mit Franz von Sickingen, seinem militärischen und staatsmännischen Repräsentanten.

Hutten hat seine im Namen des Adels geforderte Reichsreform sehr bestimmt ausgesprochen und sehr radikal gefaßt. Es handelt sich um nichts Geringeres als um die Beseitigung sämtlicher Fürsten, die Säkularisation sämtlicher geistlichen Fürstentümer und Güter, um die Herstellung einer Adelsdemokratie mit monarchischer Spitze, ungefähr wie sie in den besten Tagen der weiland polnischen Republik bestanden hat. Durch die Herstellung der Herrschaft des Adels, der vorzugsweise militärischen Klasse, durch die Entfernung der Fürsten, der Träger der Zersplitterung, durch die Vernichtung der Macht der Pfaffen und durch die Losreißung Deutschlands von der geistlichen Herrschaft Roms glaubten Hutten und Sickingen, das Reich wieder einig, frei und mächtig zu machen.

Die auf der Leibeigenschaft beruhende Adelsdemokratie, wie sie in Polen <374> und in etwas modifizierter Form in den ersten Jahrhunderten der von den Germanen eroberten Reiche bestanden hat, ist eine der rohesten Gesellschaftsformen und entwickelt sich ganz normal weiter zur ausgebildeten Feudalhierarchie, die schon eine bedeutend höhere Stufe ist. Diese reine Adelsdemokratie war also im 16. Jahrhundert unmöglich. Sie war schon unmöglich, weil überhaupt bedeutende und mächtige Städte in Deutschland bestanden. Auf der andern Seite war aber auch jene Allianz des niedern Adels und der Städte unmöglich, die in England die Verwandlung der feudal-ständischen Monarchie in die bürgerlich-konstitutionelle zustande brachte. In Deutschland hatte sich der alte Adel erhalten, in England war er durch die Rosenkriege bis auf 28 Familien ausgerottet und wurde durch einen neuen Adel bürgerlichen Ursprungs und mit bürgerlichen Tendenzen ersetzt; in Deutschland bestand die Leibeigenschaft fort, und der Adel hatte feudale Einkommenquellen, in England war sie fast ganz beseitigt, und der Adel war einfacher bürgerlicher Grundbesitzer mit der bürgerlichen Einkommenquelle: der Grundrente. Endlich war die Zentralisation der absoluten Monarchie, die in Frankreich seit Ludwig XI. durch den Gegensatz von Adel und Bürgerschaft bestand und sich immer weiter ausbildete, schon darum in Deutschland unmöglich, weil hier überhaupt die Bedingungen der nationalen Zentralisation gar nicht oder nur unentwickelt vorhanden waren.

Je mehr unter diesen Verhältnissen Hutten sich auf die praktische Durchführung seines Ideals einließ, desto mehr Konzessionen mußte er machen und desto unbestimmter mußten die Umrisse seiner Reichsreform werden. Der Adel allein war nicht mächtig genug, das Unternehmen durchzusetzen, das bewies seine wachsende Schwäche gegenüber den Fürsten. Man mußte Bundesgenossen haben, und die einzig möglichen waren die Städte, die Bauern und die einflußreichen Theoretiker der Reformationsbewegung. Aber die Städte kannten den Adel hinreichend, um ihm nicht zu trauen und jedes Bündnis mit ihm zurückzuweisen. Die Bauern sahen im Adel, der sie aussog und mißhandelte, mit vollem Recht ihren bittersten Feind. Und die Theoretiker hielten es entweder mit den Bürgern, Fürsten oder den Bauern. Was sollte auch der Adel den Bürgern und Bauern Positives versprechen von einer Reichsreform, deren Hauptzweck immer die Hebung des Adels war? Unter diesen Umständen blieb Hutten nichts übrig, als in seinen Propagandaschriften über die künftige gegenseitige Stellung des Adels, der Städte und der Bauern wenig oder gar nichts zu sagen, alles Übel auf die Fürsten und Pfaffen und die Abhängigkeit von Rom zu schieben und den Bürgern nachzuweisen, daß ihr Interesse ihnen gebiete, im bevorstehenden Kampf zwischen Fürsten und Adel sich mindestens neutral zu halten. Von Aufhebung der Leibeigenschaft <375> und der Lasten, die der Bauer dem Adel schuldig war, ist bei Hutten nirgends die Rede.

Die Stellung des deutschen Adels gegenüber den Bauern war damals ganz dieselbe wie die des polnischen Adels zu seinen Bauern in den Insurrektionen 1830-46 <(1850) seit 1830>. Wie in den modernen polnischen Aufständen, war damals in Deutschland die Bewegung nur durchzuführen durch eine Allianz aller Oppositionsparteien und namentlich des Adels mit den Bauern. Aber grade diese Allianz war in beiden Fällen unmöglich. Weder war der Adel in die Notwendigkeit versetzt, seine politischen Privilegien und seine Feudalgerechtsame gegenüber den Bauern aufzugeben, noch konnten die revolutionären Bauern sich auf allgemeine unbestimmte Aussichten hin in eine Allianz mit dem Adel einlassen, mit dem Stand, der sie gerade am meisten bedrückte. Wie in Polen 1830, so konnte in Deutschland 1522 der Adel die Bauern nicht mehr gewinnen. Nur die gänzliche Beseitigung der Leibeigenschaft und Hörigkeit, das Aufgeben aller Adelsprivilegien hätte das Landvolk mit dem Adel vereinigen können; aber der Adel, wie jeder privilegierte Stand, hatte nicht die geringste Lust, seine Vorrechte, seine ganze exzeptionelle Stellung und den größten Teil seiner Einkommenquellen freiwillig aufzugeben.

Der Adel stand also schließlich, als es zum Kampfe kam, den Fürsten allein gegenüber. Daß die Fürsten, die ihm seit zwei Jahrhunderten fortwährend Terrain abgewonnen, ihn auch diesmal mit leichter Mühe erdrücken mußten, war vorherzusehen.

Der Verlauf des Kampfes selbst ist bekannt. Hutten und Sickingen, der schon als politisch-militärischer Chef des mitteldeutschen Adels anerkannt war, brachten 1522 zu Landau einen Bund des rheinischen, schwäbischen und fränkischen Adels auf sechs Jahre zustande, angeblich zur Selbstverteidigung; Sickingen zog ein Heer, teils aus eignen Mitteln, teils in Verbindung mit den umliegenden Rittern, zusammen, organisierte Werbungen und Zuzüge in Franken, am Niederrhein, in den Niederlanden und Westfalen und eröffnete im September 1522 die Feindseligkeiten mit einer Fehdeerklärung an den Kurfürsten-Erzbischof von Trier. Aber während er vor Trier lag, wurden seine Zuzüge durch rasches Einschreiten der Fürsten abgeschnitten; der Landgraf von Hessen und der Kurfürst von der Pfalz zogen den Trierern zu Hülfe, und Sickingen mußte sich in sein Schloß Landstuhl werfen. Trotz aller Bemühungen Huttens und seiner übrigen Freunde ließ ihn hier der verbündete Adel, eingeschüchtert durch die konzentrierte und rasche Aktion der Fürsten, im Stich; er selbst wurde tödlich verwundet, über- <376> gab dann Landstuhl und starb gleich darauf. Hutten mußte in die Schweiz flüchten und starb wenige Monate später auf der Insel Ufnau im Zürchersee.

Mit dieser Niederlage und dem Tod der beiden Führer war die Macht des Adels als einer von den Fürsten unabhängigen Körperschaft gebrochen. Von jetzt an tritt der Adel nur noch im Dienst und unter der Leitung der Fürsten auf. Der Bauernkrieg, der gleich darauf ausbrach, zwang ihn noch mehr, sich direkt oder indirekt unter den Schutz der Fürsten zu stellen, und bewies zu gleicher Zeit, daß der deutsche Adel es vorzog, lieber unter fürstlicher Oberhoheit die Bauern fernerhin zu exploitieren, als die Fürsten und Pfaffen durch ein offenes Bündnis mit den emanzipierten Bauern zu stürzen.


V

[Der schwäbisch-fränkische Bauernkrieg]


<377> Von dem Augenblick an, wo Luthers Kriegserklärung gegen die katholische Hierarchie alle Oppositionselemente Deutschlands in Bewegung gesetzt, verging kein Jahr, in dem nicht die Bauern ebenfalls wieder mit ihren Forderungen hervortraten. Von 1518 bis 1523 folgte ein lokaler Bauernaufstand im Schwarzwald und in Oberschwaben auf den andern. Seit Frühjahr 1524 nahmen diese Aufstände einen systematischen Charakter an. Im April dieses Jahres verweigerten die Bauern der Abtei Marchthal die Frondienste und Leistungen; im Mai verweigerten die Sankt-Blasier Bauern die Leibeigenschaftsgebühren; im Juni erklärten die Bauern von Steinheim bei Memmingen, weder Zehnten noch sonstige Gebühren zahlen zu wollen; im Juli und August standen die Thurgauer Bauern auf und wurden teils durch die Vermittlung der Zürcher, teils durch die Brutalität der Eidgenossenschaft, die mehrere hinrichten ließ, wieder zur Ruhe gebracht. Endlich erfolgte in der Landgrafschaft Stühlingen ein entschiednerer Aufstand, der als der unmittelbare Anfang des Bauernkriegs gelten kann.

Die Stühlinger Bauern verweigerten plötzlich die Leistungen an den Landgrafen, rotteten sich in starken Haufen zusammen und zogen unter Hans Müller von Bulgenbach am 24. August <(1850 und 1875) irrtümlich: Oktober> 1524 nach Waldshut. Hier stifteten sie in Gemeinschaft mit den Bürgern eine evangelische Brüderschaft. Die Bürger traten der Verbindung um so eher bei, als sie gleichzeitig wegen religiöser Verfolgungen gegen Balthasar Hubmaier, ihren Prediger, einen Freund und Schüler Thomas Münzers, mit der vorderöstreichischen Regierung im Konflikt waren. Es wurde also eine Bundessteuer von drei Kreuzern wöchentlich - ein enormer Betrag für den damaligen Geldwert - aufgelegt, Emissäre nach dem Elsaß, der Mosel, dem ganzen Oberrhein und Franken geschickt, um die Bauern überall in den Bund zu bringen, und als <378> Zweck des Bundes die Abschaffung der Feudalherrschaft, die Zerstörung aller Schlösser und Klöster und die Beseitigung aller Herren außer dem Kaiser proklamiert. Die Bundesfahne war die deutsche Trikolore .

Der Aufstand gewann rasch Terrain im ganzen jetzigen badischen Oberland. Ein panischer Schrecken ergriff den oberschwäbischen Adel, dessen Streitkräfte fast sämtlich in Italien, im Kriege gegen Franz I. von Frankreich, beschäftigt waren. Es blieb ihm nichts übrig, als die Sache durch Unterhandlungen in die Länge zu ziehen und inzwischen Gelder aufzutreiben und Truppen zu werben, bis er stark genug sei, die Bauern für ihre Vermessenheit mit "Sengen und Brennen, Plündern und Morden" zu züchtigen. Von jetzt an begann jener systematische Verrat, jene konsequente Wortbrüchigkeit und Heimtücke, durch die der Adel und die Fürsten sich während des ganzen Bauernkriegs auszeichneten und die gegenüber den dezentralisierten und schwer organisierbaren Bauern ihre stärkste Waffe war. Der Schwäbische Bund, der die Fürsten, den Adel und die Reichsstädte Südwestdeutschlands umfaßte, legte sich ins Mittel, aber ohne den Bauern positive Konzessionen zu garantieren. Diese blieben in Bewegung. Hans Müller von Bulgenbach zog vom 30. September bis Mitte Oktober durch den Schwarzwald bis Urach und Furtwangen, brachte seinen Haufen bis auf 3.500 Mann und nahm mit diesem bei Ewattingen (nicht weit von Stühlingen) Position. Der Adel hatte nicht über 1.700 Mann zur Verfügung, und auch diese waren zersplittert. Er war gezwungen, sich auf einen Waffenstillstand einzulassen, der auch wirklich im Ewattinger Lager zustande kam. Gütlicher Vertrag, entweder direkt zwischen den Beteiligten oder durch Schiedsrichter, und Untersuchung der Beschwerden durch das Landgericht zu Stockach wurden den Bauern zugesagt. Sowohl die Adelstruppen wie die Bauern gingen auseinander.

Die Bauern vereinigten sich auf 16 Artikel, deren Bewilligung vom Stockacher Gericht verlangt werden sollte. Sie waren sehr gemäßigt. Abschaffung des Jagdrechts, der Fronden, der drückenden Steuern und Herrschaftsprivilegien überhaupt, Schutz gegen willkürliche Verhaftung und gegen parteiische, nach Willkür urteilende Gerichte - weiter forderten sie nichts.

Der Adel dagegen forderte, sobald die Bauern heimgegangen waren, sogleich sämtliche streitige Leistungen wieder ein, so lange bis das Gericht entschieden habe. Die Bauern weigerten sich natürlich und verwiesen die Herren an das Gericht. Der Streit brach von neuem aus; die Bauern zogen sich wieder zusammen, die Fürsten und Herren konzentrierten ihre Truppen. Diesmal ging die Bewegung wieder weiter, bis über den Breisgau und tief ins Württem- <379> bergische hinein. Die Truppen unter Georg Truchseß von Waldburg, dem Alba des Bauernkriegs, beobachteten sie, schlugen einzelne Zuzüge, wagten aber nicht, das Gros anzugreifen. Georg Truchseß unterhandelte mit den Bauernchefs und brachte hier und da Verträge zustande.

Ende Dezember begannen die Verhandlungen vor dem Landgericht zu Stockach. Die Bauern protestierten gegen die Zusammensetzung des Gerichts aus lauter Adligen. Ein kaiserlicher Bestallungsbrief wurde ihnen als Antwort vorgelesen. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge, inzwischen rüsteten der Adel, die Fürsten, die schwäbischen Bundesbehörden. Erzherzog Ferdinand, der außer den jetzt noch östreichischen Erblanden auch Württemberg, den badischen Schwarzwald und den südlichen Elsaß beherrschte, befahl die größte Strenge gegen die rebellischen Bauern. Man solle sie fangen, foltern und ohne Gnade erschlagen, man solle sie, wie es am bequemsten sei, verderben, ihr Hab und Gut verbrennen und veröden und ihre Weiber und Kinder aus dem Lande jagen. Man sieht, wie die Fürsten und Herren den Waffenstillstand hielten und was sie unter gütlicher Vermittlung und Untersuchung der Beschwerden verstanden. Erzherzog Ferdinand, dem das Haus Welser in Augsburg Geld vorgeschossen, rüstete in aller Eile; der Schwäbische Bund schrieb ein in drei Terminen zu stellendes Kontingent von Geld und Truppen aus.

Diese bisherigen Aufstände fallen zusammen mit der fünfmonatlichen Anwesenheit Thomas Münzers im Oberland. Von dem Einfluß, den er auf den Ausbruch und Gang der Bewegung gehabt, sind zwar keine direkten Beweise vorhanden, aber dieser Einfluß ist indirekt vollständig konstatiert. Die entschiedneren Revolutionäre unter den Bauern sind meist seine Schüler und vertreten seine Ideen. Die zwölf Artikel wie der Artikelbrief der oberländischen Bauern werden ihm von allen Zeitgenossen zugeschrieben, obwohl er wenigstens erstere gewiß nicht verfaßt hat. Noch auf seiner Rückreise nach Thüringen erließ er eine entschieden revolutionäre Schrift an die insurgierten Bauern.

Gleichzeitig intrigierte der seit 1519 aus Württemberg vertriebene Herzog Ulrich, um mit Hülfe der Bauern wieder in den Besitz seines Landes zu kommen. Es ist faktisch, daß er seit seiner Vertreibung die revolutionäre Partei zu benutzen suchte und sie fortwährend unterstützte. In die meisten von 1520-24 vorgekommenen Lokalunruhen im Schwarzwald und in Württemberg wird sein Name verwickelt, und jetzt rüstete er direkt zu einem Einfall von seinem Schloß Hohentwiel aus nach Württemberg. Er wurde indes von den Bauern nur benutzt, hatte nie Einfluß auf sie und noch weniger ihr Vertrauen.

<380> So verging der Winter, ohne daß es von einer der beiden Seiten zu etwas Entscheidendem kam. Die fürstlichen Herrn versteckten sich, der Bauernaufstand gewann an Ausdehnung. Im Januar 1525 war das ganze Land zwischen Donau, Rhein und Lech in voller Gärung, und im Februar brach der Sturm los.

Während der Schwarzwald-Hegauer Haufe unter Hans Müller von Bulgenbach mit Ulrich von Württemberg konspirierte und zum Teil seinen vergeblichen Zug nach Stuttgart mitmachte (Februar und März 1525), standen die Bauern im Ried, oberhalb Ulm, am 9. Februar auf, sammelten sich in einem von Sümpfen gedeckten Lager bei Baltringen, pflanzten die rote Fahne auf und formierten, unter der Führung von Ulrich Schmid, den Baltringer Haufen. Sie waren 10.000 bis 12.000 Mann stark.

Am 25. Februar zog sich der Oberallgäuer Haufen, 7.000 Mann stark, am Schussen zusammen, auf das Gerücht hin, daß die Truppen gegen die auch hier aufgetretenen Mißvergnügten heranzögen. Die Kemptner, die den ganzen Winter über mit ihrem Erzbischof im Streit gewesen, traten am 26. zusammen und vereinigten sich mit ihnen. Die Städte Memmingen und Kaufbeuren schlossen sich, unter Bedingungen, der Bewegung an; doch trat schon hier die Zweideutigkeit der Stellung hervor, die die Städte in diesem Kampf einnahmen. Am 7. März wurden in Memmingen die zwölf Memminger Artikel für alle Oberallgäuer Bauern angenommen.

Auf Botschaft der Allgäuer bildete sich am Bodensee, unter Eitel Hans, der Seehaufen. Auch dieser Haufe verstärkte sich rasch. Das Hauptquartier war in Bermatingen.

Ebenso standen im unteren Allgäu, in der Gegend von Ochsenhausen und Schellenberg, im Zeilschen und Waldburgschen, den Herrschaften des Truchseß, die Bauern auf, und zwar schon in den ersten Tagen des März. Dieser Unterallgäuer Haufen lagerte, 7.000 Mann stark, bei Wurzach.

Diese vier Haufen nahmen alle die Memminger Artikel an, die übrigens noch viel gemäßigter waren als die der Hegauer und auch in den Punkten, die sich auf das Verhalten der bewaffneten Haufen zum Adel und den Regierungen bezogen, einen merkwürdigen Mangel an Entschiedenheit zur Schau tragen. Die Entschiedenheit, wo sie kam, kam erst im Laufe des Kriegs, nachdem die Bauern Erfahrungen über die Handlungsweise ihrer Feinde gemacht hatten.

Gleichzeitig mit diesen Haufen bildete sich ein sechster an der Donau. Aus der ganzen Gegend von Ulm bis Donauwörth, aus den Tälern der Iller, Roth <381> und Biber kamen die Bauern nach Leipheim und schlugen dort ein Lager auf. Von 15 Ortschaften war jeder waffenfähige Mann, von 117 waren Zuzüge da. Der Führer des Leipheimer Haufens war Ulrich Schön, sein Prediger Jakob Wehe, der Pfarrer von Leipheim.

So standen anfangs März, in sechs Lagern, an 30.000 bis 40.000 insurgierte oberschwäbische Bauern unter den Waffen. Der Charakter dieser Bauernhaufen war sehr gemischt. Die revolutionäre - Münzersche - Partei war überall in der Minorität. Trotzdem bildete sie überall den Kern und Halt der Bauernlager. Die Masse der Bauern war immer bereit, sich auf ein Abkommen mit den Herren einzulassen, wenn ihr nur die Konzessionen gesichert wurden, die sie durch ihre drohende Haltung zu ertrotzen hoffte. Dazu wurde sie, als die Sache sich in die Lange zog und die Fürstenheere heranrückten, des Kriegführens überdrüssig, und diejenigen, die noch etwas zu verlieren hatten, gingen größtenteils nach Hause. Dabei hatte sich den Haufen das vagabundierende Lumpenproletariat massenweise angeschlossen, das die Disziplin erschwerte, die Bauern demoralisierte und ebenfalls häufig ab- und zulief. Schon hieraus erklärt sich, daß die Bauernhaufen anfangs überall in der Defensive blieben, in den Feldlagern sich demoralisierten und auch, abgesehen von ihrer taktischen Unzulänglichkeit und von der Seltenheit guter Führer, den Armeen der Fürsten keineswegs gewachsen waren.

Noch während die Haufen sich zusammenzogen, fiel Herzog Ulrich mit geworbenen Truppen und einigen Hegauer Bauern von Hohentwiel nach Württemberg ein. Der Schwäbische Bund war verloren, wenn die Bauern jetzt von der andern Seite her gegen die Truppen des Truchseß von Waldburg heranrückten. Aber bei der bloß defensiven Haltung der Haufen gelang es dem Truchseß bald, mit den Baltringer, Allgäuer und Seebauern einen Waffenstillstand abzuschließen, Verhandlungen einzuleiten und einen Termin zur Abmachung der Sache auf Sonntag Judika (2. April) anzusetzen. Währenddes konnte er gegen Herzog Ulrich ziehn, Stuttgart besetzen und ihn zwingen, schon am 17. März Württemberg wieder zu verlassen. Dann wandte er sich gegen die Bauern; aber in seinem eignen Heer revoltierten die Landsknechte und weigerten sich, gegen diese zu ziehn. Es gelang dem Truchseß, die Meuterer zu beschwichtigen, und nun marschierte er nach Ulm, wo sich neue Verstärkungen sammelten. Bei Kirchheim unter Teck hatte er ein Beobachtungslager zurückgelassen.

Der Schwäbische Bund, der endlich die Hände frei und seine ersten Kontingente beisammen hatte, warf jetzt die Maske ab und erklärte, daß er "das, was die Bauern eigenen Willens sich unterfangen, mit den Waffen und mit Gottes Hülfe zu wenden entschlossen sei".

<382> Die Bauern hatten sich inzwischen streng an den Waffenstillstand gehalten. Sie hatten für die Verhandlung am Sonntag Judika ihre Forderungen aufgesetzt, die berühmten zwölf Artikel. Sie verlangten Wahl und Absetzbarkeit der Geistlichen durch die Gemeinden, Abschaffung des kleinen Zehnten und Verwendung des großen zu öffentlichen Zwecken nach Abzug des Pfaffengehalts, Abschaffung der Leibeigenschaft, des Fischerei- und Jagdrechts und des Todfalls, Beschränkung der übermäßigen Fronden, Steuern und Gülten, Restitution der den Gemeinden und einzelnen gewaltsam entzogenen Waldungen, Weiden und Privilegien und Beseitigung der Willkür in Justiz und Verwaltung. Man sieht, die gemäßigte, verträgliche Partei wog noch bedeutend vor unter den Bauernhaufen. Die revolutionäre Partei hatte schon früher im "Artikelbrief" ihr Programm aufgestellt. Dieser offne Brief an sämtliche Bauernschaften fordert sie auf, einzutreten in die "christliche Vereinigung und Brüderschaft" zur Entfernung aller Lasten, sei es durch Güte, "was nicht wohl sein mag", sei es durch Gewalt, und bedroht alle Weigernden mit dem "weltlichen Bann", d.h. mit der Ausstoßung aus der Gesellschaft und aus allem Verkehr mit den Bundesmitgliedern. Alle Schlösser, Klöster und Pfaffenstifter sollen gleichfalls in den weltlichen Bann getan werden, es sei denn, daß Adel, Pfaffen und Mönche sie freiwillig verlassen, in gewöhnliche Häuser ziehn wie andre Leute und sich der christlichen Vereinigung anschließen. - In diesem radikalen Manifest, das offenbar vor dem Frühjahrsaufstand 1525 abgefaßt wurde, handelt es sich also vor allem um die Revolution, die vollständige Besiegung der noch herrschenden Klassen, und der "weltliche Bann" designiert nur die Unterdrücker und Verräter, die erschlagen, die Schlösser, die verbrannt, die Klöster und Stifter, die konfisziert und deren Schätze in Geld verwandelt werden sollen.

Ehe jedoch die Bauern dazu kamen, ihre zwölf Artikel den berufenen Schiedsrichtern vorzulegen, kam ihnen die Nachricht von dem Vertragsbruch des Schwäbischen Bundes und dem Herannahen der Truppen. Sogleich trafen sie ihre Maßregeln. Eine Generalversammlung der Allgäuer, Baltringer und Seebauern wurde zu Gaisbeuren abgehalten. Die vier Haufen wurden vermischt und vier neue Kolonnen aus ihnen organisiert, die Konfiskation der geistlichen Güter, der Verkauf ihrer Kleinodien zum Besten der Kriegskasse und die Verbrennung der Schlösser wurden beschlossen. So wurde neben den offiziellen zwölf Artikeln der Artikelbrief die Regel ihrer Kriegsführung und der Sonntag Judika, der zum Friedensschluß angesetzte Tag, das Datum der allgemeinen Erhebung.

Die überall wachsende Aufregung, die fortwährenden Lokalkonflikte der Bauern mit dem Adel, die Nachricht von dem seit sechs Monaten immer <383> wachsenden Aufstand im Schwarzwald und von seiner Verbreitung bis an die Donau und den Lech reichen allerdings hin, um die rasche Aufeinanderfolge der Bauernaufstände in zwei Dritteln von Deutschland zu erklären. Aber daß Leute an der Spitze der Bewegung standen, die diese durch wiedertäuferische und sonstige Emissäre organisiert hatten, das beweist das Faktum der Gleichzeitigkeit aller einzelnen Aufstände. In der letzten Hälfte des März waren schon Unruhen im Württembergischen, am untern Neckar, im Odenwald, in Unter- und Mittelfranken ausgebrochen; aber überall wurde schon vorher der 2. April, der Sonntag Judika, als Tag des allgemeinen Losbruchs angegeben, überall geschah der entscheidende Schlag, der Aufstand in Masse, in der ersten Woche des April. Auch die Allgäuer, Hegauer und Seebauern riefen am 1. April durch Sturmläuten und Massenversammlungen alle waffenfähigen Männer ins Lager und eröffneten, gleichzeitig mit den Baltringern, die Feindseligkeiten gegen die Schlösser und Klöster.

In Franken, wo sich die Bewegung um sechs Zentren gruppierte, brach der Aufstand überall in den ersten Tagen des April los. Bei Nördlingen bildeten sich um diese Zeit zwei Bauernlager, mit deren Hülfe die revolutionäre Partei in der Stadt, deren Chef Anton Forner war, die Oberhand erhielt und Forners Ernennung zum Bürgermeister sowie den Anschluß der Stadt an die Bauern durchsetzte. Im Ansbachschen standen die Bauern vom 1. bis 7. April überall auf, und der Aufstand verbreitete sich von hier bis nach Bayern hinüber. Im Rothenburgschen standen die Bauern schon seit dem 22. März unter den Waffen; in der Stadt Rothenburg wurde am 27. März die Herrschaft der Ehrbarkeit durch die Kleinbürger und Plebejer unter Stephan von Menzingen gestürzt; aber da gerade die Leistungen der Bauern hier die Haupteinkünfte der Stadt waren, hielt sich auch die neue Regierung sehr schwankend und zweideutig gegenüber den Bauern. Im Hochstift Würzburg erhoben sich anfangs April die Bauern und die kleinen Städte allgemein, und im Bistum Bamberg zwang die allgemeine Insurrektion binnen fünf Tagen den Bischof zur Nachgiebigkeit. Endlich im Norden, an der thüringischen Grenze, zog sich das starke Bildhäuser Bauernlager zusammen.

Im Odenwald, wo Wendel Hipler, ein Adliger und ehemaliger Kanzler der Grafen von Hohenlohe, und Georg Metzler, Wirt zu Ballenberg bei Krautheim, an der Spitze der revolutionären Partei standen, brach der Sturm schon am 26. März los. Die Bauern zogen von allen Seiten nach der Tauber. Auch 2.000 Mann aus dem Lager vor Rothenburg schlossen sich an. Georg Metzler übernahm die Führung und marschierte, nachdem alle Verstärkungen eingetroffen, am 4. April nach dem Kloster Schöntal an der Jagst, wo die Neckartaler zu ihm stießen. Diese, von Jäcklein Rohrbach, Wirt zu Böckingen bei <384> Heilbronn, geführt, hatten am Sonntag Judika in Flein, Sontheim usw. die Insurrektion proklamiert, während gleichzeitig Wendel Hipler mit einer Anzahl Verschworner Öhringen überrumpelt und die umwohnenden Bauern in die Bewegung hineingerissen hatte. Zu Schöntal wurden von den beiden, zum "hellen Haufen" vereinigten Bauernkolonnen die zwölf Artikel angenommen und Streifzüge gegen Schlösser und Klöster organisiert. Der helle Haufen war an 8.000 Mann stark und hatte Kanonen und 3.000 Handbüchsen. Auch Florian Geyer, ein fränkischer Ritter, schloß sich ihm an und bildete die Schwarze Schar, ein Elitekorps, das besonders aus der Rothenburger und Öhringer Landwehr sich rekrutierte.

Der württembergsche Vogt in Neckarsulm, Graf Ludwig von Helfenstein, eröffnete die Feindseligkeiten. Er ließ alle Bauern, die ihm in die Hände fielen, ohne weiteres niedermachen. Der helle Haufen zog ihm entgegen. Diese Metzeleien sowie die eben eingetroffene Nachricht von der Niederlage des Leipheimer Haufens, von Jakob Wehes Hinrichtung und den Grausamkeiten des Truchseß erbitterten die Bauern. Der Helfensteiner, der sich nach Weinsberg hineingeworfen hatte, wurde hier angegriffen. Das Schloß wurde von Florian Geyer gestürmt, die Stadt nach längerem Kampf genommen und Graf Ludwig nebst mehreren Rittern gefangen. Am nächsten Tag, am 17. April, hielt Jäcklein Rohrbach mit den entschiedensten Leuten des Haufens Gericht über die Gefangenen und ließ ihrer vierzehn, den Helfensteiner an der Spitze, durch die Spieße jagen - den schimpflichsten Tod, den er sie erdulden lassen konnte. Die Einnahme von Weinsberg und die terroristische Rache Jäckleins an dem Helfensteiner verfehlten ihre Wirkung auf den Adel nicht. Die Grafen von Löwenstein traten der Bauernverbindung bei, die von Hohenlohe, die schon früher zugetreten waren, aber noch keine Hülfe geleistet hatten, schickten sofort das verlangte Geschütz und Pulver.

Die Hauptleute berieten darüber, ob sie nicht Götz von Berlichingen zum Hauptmann nehmen sollten, "da dieser den Adel zu ihnen bringen könne". Der Vorschlag fand Anklang; aber Florian Geyer, der in dieser Stimmung der Bauern und Hauptleute den Anfang einer Reaktion sah, trennte sich hierauf mit seiner Schwarzen Schar vom Haufen, durchstreifte auf eigne Faust zuerst die Neckargegend, dann das Würzburgische und zerstörte überall die Schlösser und Pfaffennester.

Der Rest des Haufens zog nun zunächst gegen Heilbronn. In dieser mächtigen freien Reichsstadt stand, wie fast überall, der Ehrbarkeit eine bürgerliche und eine revolutionäre Opposition entgegen. Die letztere, im geheimen Einverständnis mit den Bauern, öffnete während eines Tumults schon am 17. April G[eorg] Metzler und Jäcklein Rohrbach die Tore. Die Bauernchefs nahmen <385> mit ihren Leuten Besitz von der Stadt, die in die Brüderschaft aufgenommen wurde und 1.200 Gulden Geld sowie ein Fähnlein Freiwilliger stellte. Nur die Geistlichkeit und die Besitzungen der Deutschordensherren wurden gebrandschatzt. Am 22. zogen die Bauern wieder ab, nachdem sie eine kleine Besatzung hinterlassen hatten. Heilbronn sollte das Zentrum der verschiedenen Haufen werden, die auch wirklich Delegierte hinschickten und über gemeinsame Aktion und gemeinsame Forderungen der Bauernschaften berieten. Aber die bürgerliche Opposition und die seit dem Einmarsch der Bauern mit ihr verbündete Ehrbarkeit hatten jetzt wieder die Oberhand in der Stadt, verhinderten alle energischen Schritte und warteten nur auf das Herannahen der fürstlichen Heere, um die Bauern definitiv zu verraten.

Die Bauern zogen dem Odenwald zu. Am 24. April mußte Götz von Barlichingen, der sich wenige Tage vorher zuerst dem Kurfürsten von der Pfalz, dann den Bauern, dann wieder dem Kurfürsten angetragen hatte, in die evangelische Brüderschaft treten und das Oberkommando des hellen lichten Haufens (im Gegensatz zum schwarzen Haufen Florian Geyers) übernehmen. Er war aber zu gleicher Zeit Gefangener der Bauern, die ihn mißtrauisch überwachten und ihn an den Beirat der Hauptleute banden, ohne die er nichts tun konnte. Götz und Metzler zogen nun mit der Masse der Bauern über Buchen nach Amorbach, wo sie vom 30. April bis 5. Mai blieben und das ganze Mainzische insurgierten. Der Adel wurde überall zum Anschluß gezwungen und seine Schlösser dadurch geschont; nur die Klöster wurden verbrannt und geplündert. Der Haufen hatte sich zusehends demoralisiert; die energischsten Leute waren mit Florian Geyer oder mit Jäcklein Rohrbach fort, denn auch dieser hatte sich nach der Einnahme Heilbronns getrennt. offenbar weil er, der Richter des Grafen Helfenstein, nicht länger bei einem Haufen bleiben konnte, der sich mit dem Adel vertragen wollte. Dies Dringen auf eine Verständigung mit dem Adel war selbst schon ein Zeichen von Demoralisation. Bald darauf schlug Wendel Hipler eine sehr passende Reorganisation das Haufens vor: Man solle die sich täglich anbietenden Landsknechte in Dienst nehmen und den Haufen nicht wie bisher monatlich durch Einziehung von neuen und Entlassung der alten Kontingente erneuern, sondern die einmal unter den Waffen befindliche, einigermaßen geübte Mannschaft behalten. Aber die Gemeindeversammlung verwarf beide Anträge; die Bauern waren bereits übermütig geworden und sahen den ganzen Krieg als einen Beutezug an, wobei ihnen die Konkurrenz der Landsknechte nicht zusagen konnte und wobei es ihnen freistehen mußte, nach Hause zu ziehen, sobald ihre Taschen gefüllt waren. In Amorbach kam es sogar so weit, daß der Heilbronner Ratsherr Hans Berlin die "Deklaration der zwölf Artikel", ein Akten- <386> stück, worin selbst die letzten Spitzen der zwölf Artikel abgebrochen und den Bauern eine demütig supplizierende Sprache in den Mund gelegt wurde, bei den Hauptleuten und Räten des Haufens durchsetzte. Diesmal war die Sache den Bauern doch zu stark; sie verwarfen die Deklaration unter großem Lärm und beharrten auf den ursprünglichen Artikeln.

Inzwischen war im Würzburgischen eine entscheidende Wendung eingetreten. Der Bischof, der sich bei dem ersten Bauernaufstand anfangs April auf den festen Frauenberg bei Würzburg zurückgezogen und nach allen Seiten, aber vergeblich, um Hülfe geschrieben hatte, war endlich zur momentanen Nachgiebigkeit gezwungen worden. Am 2. Mai wurde ein Landtag eröffnet, auf dem auch die Bauern vertreten waren. Aber ehe irgendein Resultat gewonnen werden konnte, wurden Briefe aufgefangen, die die verräterischen Umtriebe des Bischofs konstatierten. Der Landtag ging gleich auseinander, und die Feindseligkeiten begannen zwischen den insurgierten Städtern und Bauern und den Bischöflichen. Der Bischof selbst entfloh am 5. Mai nach Heidelberg; am nächsten Tag schon kam Florian Geyer und die Schwarze Schar in Würzburg an, mit ihm der fränkische Tauberhaufen, der sich aus Mergentheimer, Rothenburger und ansbachschen Bauern gebildet hatte. Am 7. Mai rückte auch Götz von Berlichingen mit dem hellen lichten Haufen ein, und die Belagerung des Frauenbergs begann.

Im Limpurgischen und in der Gegend von Ellwangen und Hall bildete sich ein andrer, der Gaildorfer oder gemeine helle Haufen, schon Ende März und Anfang April. Er trat sehr gewaltsam auf, insurgierte die ganze Gegend, verbrannte viele Klöster und Schlösser, u.a. auch das Schloß Hohenstaufen, zwang alle Bauern zum Mitzug und alle Adligen, selbst die Schenken von Limpurg, zum Eintritt in die christliche Verbrüderung. Anfang Mai machte er einen Einfall nach Württemberg, wurde aber zum Rückzug bewogen. Der Partikularismus der deutschen Kleinstaaterei erlaubte damals sowenig wie 1848, daß die Revolutionäre verschiedner Staatsgebiete gemeinsam agierten. Die Gaildorfer, auf ein kleines Terrain beschränkt, fielen notwendig in sich zusammen, nachdem sie allen Widerstand auf diesem Terrain besiegt hatten. Sie vertrugen sich mit der Stadt Gmünd und gingen mit Hinterlassung von nur 500 Bewaffneten auseinander.

In der Pfalz hatten sich auf beiden Rheinufern gegen Ende April Bauernhaufen gebildet. Sie zerstörten viele Schlösser und Klöster und nahmen am 1. Mai Neustadt a.d. Haardt, nachdem die herübergekommenen Bruchrainer schon tags vorher Speyer zu einem Vertrag gezwungen hatten. Der Marschall von Habern konnte mit den wenigen kurfürstlichen Truppen nichts gegen sie ausrichten, und am 10. Mai mußte der Kurfürst mit den insurgierten Bauern <387> einen Vertrag abschließen, in welchem er ihnen Abstellung ihrer Beschwerden auf einem Landtag garantierte.

In Württemberg endlich war der Aufstand schon früh in einzelnen Gegenden losgebrochen. Auf der Uracher Alb hatten die Bauern schon im Februar einen Bund gegen die Pfaffen und Herren geschlossen, und Ende März erhoben sich die Blaubeurer, Uracher, Münsinger, Balinger und Rosenfelder Bauern. Die Gaildorfer fielen bei Göppingen, Jäcklein Rohrbach bei Brackenheim, die Trümmer des geschlagenen Leipheimer Haufens bei Pfullingen in württembergisches Gebiet ein und insurgierten das Landvolk. Auch in andern Gegenden brachen ernsthafte Unruhen aus. Schon am 6. April mußte Pfullingen mit den Bauern kapitulieren. Die Regierung des östreichischen Erzherzogs war in der größten Verlegenheit. Sie hatte gar kein Geld und sehr wenig Truppen. Die Städte und Schlösser waren im schlechtesten Zustand und hatten weder Besatzung noch Munition. Selbst der Asperg war fast schutzlos.

Der Versuch der Regierung, die Aufgebote der Städte gegen die Bauern zusammenzuziehn, entschied ihre momentane Niederlage. Am 16. April weigerte sich das Bottwarer Aufgebot zu marschieren und zog, statt nach Stuttgart, auf den Wunnenstein bei Bottwar, wo es den Kern eines Lagers von Bürgern und Bauern bildete, das sich rasch vermehrte. An demselben Tage brach der Aufstand im Zabergäu aus; das Kloster Maulbronn wurde geplündert und eine Anzahl von Klöstern und Schlössern vollständig verwüstet. Aus dem benachbarten Bruchrain zogen den Gäubauern Verstärkungen zu.

An die Spitze des Haufens auf dem Wunnenstein trat Matern Feuerbacher, Ratsherr von Bottwar, einer der Führer der bürgerlichen Opposition, aber hinreichend kompromittiert, um mit den Bauern gehn zu müssen. Er blieb indes fortwährend sehr gemäßigt, verhinderte die Vollziehung des Artikelbriefs an den Schlössern und suchte überall zwischen den Bauern und der gemäßigten Bürgerschaft zu vermitteln. Er verhinderte die Vereinigung der Württemberger mit dem hellen lichten Haufen und bewog später ebenfalls die Gaildorfer zum Rückzug aus Württemberg. Wegen seiner bürgerlichen Tendenzen wurde er am 19 April abgesetzt, aber bereits am nächsten Tag wieder zum Hauptmann ernannt. Er war unentbehrlich, und selbst als Jäcklein Rohrbach am 22. mit 200 Mann entschlossenen Leuten den Württembergern zuzog, blieb ihm nichts übrig, als jenen in seiner Stelle zu lassen und sich auf genaue Überwachung seiner Handlungen zu beschränken.

Am 18. April versuchte die Regierung mit den Bauern auf dem Wunnenstein zu unterhandeln. Die Bauern bestanden darauf, die Regierung müsse die zwölf Artikel annehmen, und dies konnten die Bevollmächtigten natürlich nicht. Der Haufen setzte sich nun in Bewegung. Am 20. war er in Lauffen, wo <388> die Abgeordneten der Regierung zum letztenmal zurückgewiesen wurden. Am 22. stand er, 6.000 Mann stark, in Bietigheim und bedrohte Stuttgart. Hier war der Rat größtenteils geflohen und ein Bürgerausschuß an die Spitze der Verwaltung gesetzt. In der Bürgerschaft waren dieselben Parteispaltungen zwischen Ehrbarkeit, bürgerlicher Opposition und revolutionären Plebejern wie überall. Die letzteren öffneten am 25. April den Bauern die Tore, und Stuttgart wurde sogleich besetzt. Hier wurde die Organisation des hellen christlichen Haufens, wie sich die württembergischen Insurgenten jetzt nannten, vollständig durchgeführt und Löhnung, Beuteverteilung und Verpflegung etc. in feste Regeln gebracht. Ein Fähnlein Stuttgarter unter Theus Gerber schloß sich an.

Am 29. April zog Feuerbacher mit dem ganzen Haufen gegen die bei Schorndorf ins Württembergische eingefallenen Gaildorfer, nahm die ganze Gegend in die Verbindung auf und bewog dadurch die Gaildorfer zum Rückzug. Er verhinderte so, daß durch die Vermischung mit den rücksichtslosen Gaildorfern das revolutionäre Element in seinem Haufen, an dessen Spitze Rohrbach stand, eine gefährliche Verstärkung erhielt. Von Schorndorf zog er auf die Nachricht, daß der Truchseß heranziehe, diesem entgegen und lagerte am 1. Mai bei Kirchheim unter Teck.

Wir haben hiermit das Entstehen und die Entwickelung des Aufstandes in demjenigen Teil Deutschlands geschildert, den wir als das Terrain der ersten Gruppe der Bauernhaufen betrachten müssen. Ehe wir auf die übrigen Gruppen (Thüringen und Hessen, Elsaß, Östreich und die Alpen) eingehn, müssen wir den Feldzug des Truchseß berichten, in dem er, anfangs allein, später unterstützt von verschiedenen Fürsten und Städten, diese erste Gruppe von Insurgenten vernichtete.

Wir verließen den Truchseß bei Ulm, wohin er sich Ende März wandte, nachdem er bei Kirchheim unter Teck ein Beobachtungskorps unter Dietrich Spät zurückgelassen. Das Korps des Truchseß, nach Herbeiziehung der in Ulm konzentrierten bündischen Verstärkungen nicht ganz 10.000 Mann stark, wovon 7.200 Mann Infanterie, war das einzige zum Angriffskrieg gegen die Bauern disponible Heer. Die Verstärkungen kamen nur sehr langsam nach Ulm zusammen, teils wegen der Schwierigkeit der Werbung in insurgierten Ländern, teils wegen des Geldmangels der Regierungen, teils weil überall die wenigen Truppen zur Besatzung der Festungen und Schlösser mehr als unentbehrlich waren. Wie wenig Truppen die Fürsten und Städte disponibel hatten, die nicht zum Schwäbischen Bund gehörten, haben wir schon gesehn. Von den Erfolgen, die Georg Truchseß mit seiner Bundesarmee erfechten würde, hing also alles ab.

<389> Der Truchseß wandte sich zuerst gegen den Baltringer Haufen, der inzwischen begonnen hatte, Schlösser und Klöster in der Umgehung des Ried zu verwüsten. Die Bauern, beim Herannahen der Bundestruppen zurückgegangen, wurden aus den Sümpfen durch Umgehung vertrieben, gingen über die Donau und warfen sich in die Schluchten und Wälder der Schwäbischen Alb. Hier, wo ihnen die Reiterei und das Geschütz, die Hauptstärke der hündischen Armee, nichts anhaben konnte, verfolgte sie der Truchseß nicht weiter. Er zog gegen die Leipheimer, die mit 5.000 Mann bei Leipheim, mit 4.000 im Mindeltal und mit 6.000 bei Illertissen standen, die ganze Gegend insurgierten, Klöster und Schlösser zerstörten und sich vorbereiteten, mit allen drei Kolonnen gegen Ulm zu ziehn. Auch hier scheint bereits einige Demoralisation unter den Bauern eingerissen zu sein und die militärische Zuverlässigkeit des Haufens vernichtet zu haben; denn Jakob Wehe suchte von vornherein mit dem Truchseß zu unterhandeln. Dieser aber ließ sich jetzt, wo er eine hinreichende Truppenmacht hinter sich hatte, auf nichts ein, sondern griff am 4. April den Haupthaufen bei Leipheim an und zersprengte ihn vollständig. Jakob Wehe und Ulrich Schön sowie zwei andere Bauernführer wurden gefangen und enthauptet; Leipheim kapitulierte, und mit einigen Streifzügen in der Umgegend war der ganze Bezirk unterworfen.

Eine neue Rebellion der Landsknechte, durch das Verlangen der Plünderung und einer Extralöhnung veranlaßt, hielt den Truchseß abermals bis zum 10. April auf. Dann zog er südwestlich gegen die Baltringer, die inzwischen in seine Herrschaften Waldburg, Zeil und Wolfegg eingefallen waren und seine Schlösser belagerten. Auch hier fand er die Bauern zersplittert und schlug sie am 11. und 12. April nacheinander in einzelnen Gefechten, die den Baltringer Haufen ebenfalls vollständig auflösten. Der Rest zog sich unter dem Pfaffen Florian auf den Seehaufen zurück. Gegen diesen wandte sich nun der Truchseß. Der Seehaufen, der inzwischen nicht nur Streifzüge gemacht, sondern auch die Städte Buchhorn (Friedrichshafen) und Wollmatingen in die Verbrüderung gebracht hatte, hielt am 13. großen Kriegsrat im Kloster Salem und beschloß, dem Truchseß entgegenzuziehn. Sofort wurde überall Sturm geläutet, und 10.000 Mann, zu denen noch die geschlagenen Baltringer stießen, versammelten sich im Bermatinger Lager. Sie bestanden am 15. April ein günstiges Gefecht mit dem Truchseß, der seine Armee hier nicht in einer Entscheidungsschlacht aufs Spiel setzen wollte und vorzog zu unterhandeln, um so mehr, als er erfuhr, daß die Allgäuer und Hegauer ebenfalls heranrückten. Er schloß also am 17. April mit den Seebauern und Baltringern zu Weingarten einen für sie scheinbar ziemlich günstigen Vertrag, auf den die Bauern ohne Bedenken eingingen. Er brachte es ferner dahin, daß die Dele- <390> gierten der Ober- und Unterallgäuer diesen Vertrag ebenfalls annahmen, und zog dann nach Württemberg ab.

Die List des Truchseß rettete ihn hier vor sicherem Untergang. Hätte er nicht verstanden, die schwachen, beschränkten, größtenteils schon demoralisierten Bauern und ihre meist unfähigen, ängstlichen und bestechlichen Führer zu betören, so war er mit seiner kleinen Armee zwischen vier Kolonnen, zusammen mindestens 25.000 bis 30.000 Mann stark, eingeschlossen und unbedingt verloren. Aber die bei Bauernmassen immer unvermeidliche Borniertheit seiner Feinde machte es ihm möglich, sich ihrer gerade in dem Moment zu entledigen, wo sie den ganzen Krieg, wenigstens für Schwaben und Franken, mit einem Schlage beendigen konnten. Die Seebauern hielten den Vertrag, mit dem sie schließlich natürlich geprellt wurden, so genau, daß sie später gegen ihre eignen Bundesgenossen, die Hegauer, die Waffen ergriffen; die Allgäuer, durch ihre Führer in den Verrat verwickelt, sagten sich zwar gleich davon los, aber inzwischen war der Truchseß aus der Gefahr.

Die Hegauer, obwohl nicht in den Weingarter Vertrag eingeschlossen, gaben gleich darauf einen neuen Beleg von der grenzenlosen Lokalborniertheit und dem eigensinnigen Provinzialismus, der den ganzen Bauernkrieg zugrunde richtete. Nachdem der Truchseß vergeblich mit ihnen unterhandelt hatte und nach Württemberg abmarschiert war, zogen sie ihm nach und blieben ihm fortwährend in der Flanke; es fiel ihnen aber nicht ein, sich mit dem württembergischen hellen christlichen Haufen zu vereinigen, und zwar aus dem Grunde, weil die Württemberger und Neckartaler ihnen auch einmal Hülfe abgeschlagen hatten. Als daher der Truchseß sich weit genug von ihrer Heimat entfernt hatte, kehrten sie ruhig wieder um und zogen gegen Freiburg.

Wir verließen die Württemberger unter Matern Feuerbacher bei Kirchheim unter Teck, von wo das vom Truchseß zurückgelassene Beobachtungskorps unter Dietrich Spät sich nach Urach zurückgezogen hatte. Nach einem vergeblichen Versuch auf Urach wandte sich Feuerbacher nach Nürtingen und schrieb an alle benachbarten Insurgentenhaufen um Zuzug für die Entscheidungsschlacht. Es kamen in der Tat sowohl aus dem württembergischen Unterland wie aus dem Gäu bedeutende Verstärkungen. Namentlich rückten die Gäubauern, die sich um die bis nach Westwürttemberg zurückgegangenen Trümmer der Leipheimer gesammelt und das ganze obere Neckar- und Nagoldtal bis nach Böblingen und Leonberg insurgiert hatten, in zwei starken Haufen heran und vereinigten sich am 5. Mai in Nürtingen mit Feuerbacher. Bei Böblingen stieß der Truchseß auf die vereinigten Haufen. Ihre Zahl, ihr Geschütz und ihre Stellung machten ihn stutzig; er fing nach seiner üblichen <391> Methode sofort Unterhandlungen an und schloß einen Waffenstillstand mit den Bauern. Kaum hatte er sie hierdurch sicher gemacht, so überfiel er sie am 12. Mai während des Waffenstillstandes und zwang sie zu einer Entscheidungsschlacht. Die Bauern leisteten langen und tapferen Widerstand, bis endlich Böblingen dem Truchseß durch den Verrat der Bürgerschaft überliefert wurde. Der linke Flügel der Bauern war hiermit seines Stützpunktes beraubt, wurde geworfen und umgangen. Hierdurch war die Schlacht entschieden. Die undisziplinierten Bauern gerieten in Unordnung und bald in wilde Flucht; was nicht von den bündischen Reitern niedergemacht oder gefangen wurde, warf die Waffen weg und eilte nach Hause. Der "helle christliche Haufen", und mit ihm die ganze württembergische Insurrektion, war vollständig aufgelöst. Theus Gerber entkam nach Eßlingen, Feuerbacher floh nach der Schweiz, Jäcklein Rohrbach wurde gefangen und in Ketten bis Neckargartach mitgeschleppt, wo ihn der Truchseß an einen Pfahl ketten, ringsherum Holz aufschichten und so bei langsamem Feuer lebendig braten ließ, während er selbst, mit seinen Rittern zechend, sich an diesem ritterlichen Schauspiel weidete.

Von Neckargartach aus unterstützte der Truchseß durch einen Einfall in den Kraichgau die Operationen des Kurfürsten von der Pfalz. Dieser, der inzwischen Truppen gesammelt, brach auf die Nachricht von den Erfolgen des Truchseß sofort den Vertrag mit den Bauern, überfiel am 23. Mai den Bruchrain, nahm und verbrannte Malsch nach heftigem Widerstande, plünderte eine Anzahl von Dörfern und besetzte Bruchsal. Zu gleicher Zeit überfiel der Truchseß Eppingen und nahm den dortigen Chef der Bewegung, Anton Eisenhut, gefangen, den der Kurfürst nebst einem Dutzend anderer Bauernführer sogleich hinrichten ließ. Der Bruchrain und Kraichgau waren hiermit pazifiziert und mußten gegen 40.000 Gulden Brandschatzung zahlen. Die beiden Heere des Truchsessen - auf 6.000 Mann reduziert durch die bisherigen Schlachten - und des Kurfürsten (6.500 Mann) vereinigten sich nun und zogen den Odenwäldern entgegen.

Die Nachricht von der Böblinger Niederlage hatte überall Schrecken unter den Insurgenten verbreitet. Die freien Reichsstädte, soweit sie unter die drückende Hand der Bauern geraten waren, atmeten plötzlich wieder auf. Heilbronn war die erste, die zur Versöhnung mit dem Schwäbischen Bund Schritte tat. In Heilbronn saßen die Bauernkanzlei und die Delegierten der verschiedenen Haufen, um die Anträge zu beraten, die im Namen sämtlicher Insurgierten Bauern an Kaiser und Reich gestellt werden sollten. In diesen Verhandlungen, die ein allgemeines, für ganz Deutschland gültiges Resultat haben sollten, stellte sich abermals heraus, wie kein einzelner Stand, auch der der Bauern nicht, weit genug entwickelt war, um von seinem Standpunkt aus <392> die gesamten deutschen Zustände neu zu gestalten. Es zeigte sich sogleich, daß man zu diesem Zweck den Adel und ganz besonders die Bürgerschaft gewinnen mußte. Wendel Hipler bekam hiermit die Leitung der Verhandlungen in seine Hände. Wendel Hipler erkannte von allen Führern der Bewegung die bestehenden Verhältnisse am richtigsten. Er war kein weitgreifender Revolutionär wie Münzer, kein Repräsentant der Bauern wie Metzler oder Rohrbach. Seine vielseitige Erfahrung, seine praktische Kenntnis der Stellung der einzelnen Stände gegeneinander verhinderte ihn, einen der in der Bewegung verwickelten Stände gegen die andern ausschließlich zu vertreten. Gerade wie Münzer, als Repräsentant der ganz außer dem bisherigen offiziellen Gesellschaftsverband stehenden Klasse, der Anfänge des Proletariats, zur Vorahnung des Kommunismus getrieben wurde, geradeso kam Wendel Hipler, der Repräsentant sozusagen des Durchschnitts aller progressiven Elemente der Nation, bei der Vorahnung der modernen bürgerlichen Gesellschaft an. Die Grundsätze, die er vertrat, die Forderungen, die er aufstellte, waren zwar nicht das unmittelbar Mögliche, sie waren aber das, etwas idealisierte, notwendige Resultat der bestehenden Auflösung der feudalen Gesellschaft; und die Bauern, sobald sie sich darangaben, für das ganze Reich Gesetzentwürfe zu machen, waren genötigt, darauf einzugehn. So nahm die Zentralisation, die von den Bauern gefordert wurde, hier in Heilbronn eine positivere Gestalt an, eine Gestalt, die von der Vorstellung der Bauern über sie indes himmelweit verschieden war. So wurde sie z.B. in der Herstellung der Einheit von Münze, Maß und Gewicht, in der Aufhebung der inneren Zölle etc. näher bestimmt, kurz, in Forderungen, die weit mehr im Interesse der Städtebürger als der Bauern waren. So wurden dem Adel Konzessionen gemacht, die sich den modernen Ablösungen bedeutend nähern und die auf die schließliche Verwandlung des feudalen Grundbesitzes in bürgerlichen hinausliefen. Kurz, sobald die Forderungen der Bauern zu einer "Reichsreform" zusammengefaßt wurden, mußten sie sich nicht den momentanen Forderungen, aber den definitiven Interessen der Bürger unterordnen.

Während diese Reichsreform in Heilbronn noch debattiert wurde, reiste der Verfasser der "Deklaration der zwölf Artikel", Hans Berlin, schon dem Truchseß entgegen, um im Namen der Ehrbarkeit und Bürgerschaft wegen Übergabe der Stadt zu unterhandeln. Reaktionäre Bewegungen in der Stadt unterstützten den Verrat, und Wendel Hipler mußte mit den Bauern fliehen. Er ging nach Weinsberg, wo er die Trümmer der Württemberger und die wenige mobile Mannschaft der Gaildorfer zu sammeln suchte. Aber das Herannahen des Kurfürsten von der Pfalz und des Truchseß vertrieb ihn auch von hier, und so mußte er nach Würzburg gehn, um den hellen lichten Haufen <393> in Bewegung zu bringen. Die bündischen und kurfürstlichen Truppen unterwarfen indes die ganze Neckargegend, zwangen die Bauern, neu zu huldigen, verbrannten viele Dörfer und erstachen oder hängten alle flüchtigen Bauern, deren sie habhaft wurden. Weinsberg wurde, zur Rache für die Hinrichtung des Helfensteiners, niedergebrannt.

Die vor Würzburg vereinigten Haufen hatten inzwischen den Frauenberg belagert und am 15. Mai, noch ehe die Bresche geschossen war, einen tapfern, aber vergeblichen Sturm auf die Festung versucht. 400 der besten Leute, meist von Florian Geyers Schar, blieben in den Gräben tot oder verwundet liegen. Zwei Tage später, am 17., kam Wendel Hipler an und ließ einen Kriegsrat halten. Er schlug vor, nur 4.000 Mann vor dem Frauenberg zu lassen und mit der ganzen, an 20.000 Mann starken Hauptmacht unter den Augen des Truchseß bei Krautheim an der Jagst ein Lager zu beziehen, auf das sich alle Verstärkungen konzentrieren könnten. Der Plan war vortrefflich; nur durch Zusammenhalten der Massen und durch Überzahl konnte man hoffen, das jetzt an 13.000 Mann starke fürstliche Heer zu schlagen. Aber schon war die Demoralisation und Entmutigung unter den Bauern zu groß geworden, um noch irgendeine energische Aktion zuzulassen. Götz von Berlichingen, der bald darauf offen als Verräter auftrat, mag auch dazu beigetragen haben, den Haufen hinzuhalten, und so wurde der Hiplersche Plan nie ausgeführt. Statt dessen wurden die Haufen, wie immer, zersplittert. Erst am 23. Mai setzte sich der helle lichte Haufen in Bewegung, nachdem die Franken versprochen hatten, schleunigst zu folgen. Am 26. wurden die in Würzburg lagernden markgräflich-ansbachschen Fähnlein heimgerufen durch die Nachricht, daß der Markgraf die Feindseligkeiten gegen die Bauern eröffnet habe. Der Rest des Belagerungsheers, nebst Florian Geyers Schwarzer Schar, nahm Position bei Heidingsfeld, nicht weit von Würzburg.

Der helle lichte Haufen kam am 24. Mai in Krautheim an, in einem wenig schlagfertigen Zustand. Hier hörten viele, daß ihre Dörfer inzwischen dem Truchseß gehuldigt hatten, und nahmen dies zum Vorwand, um nach Hause zu gehn. Der Haufe zog weiter nach Neckarsulm und unterhandelte am 28. mit dem Truchseß. Zugleich wurden Boten an die Franken, Elsässer und Schwarzwald-Hegauer mit der Aufforderung zu schleunigem Zuzug geschickt. Von Neckarsulm marschierte Götz [von Berlichingen] auf Öhringen zurück. Der Haufe schmolz täglich zusammen; auch Götz von Berlichingen verschwand während des Marsches; er war heimgeritten, nachdem er schon früher durch seinen alten Waffengefährten Dietrich Spät mit dem Truchseß wegen seines Übertritts unterhandelt hatte. Bei Öhringen, infolge falscher Nachrichten über das Herannahen des Feindes, ergriff plötzlich ein panischer <394> Schreck die rat- und mutlose Masse; der Haufen lief in voller Unordnung auseinander, und nur mit Mühe konnten Metzler und Wendel Hipler etwa 2.000 Mann zusammenhalten, die sie wieder auf Krautheim führten. Inzwischen war das fränkische Aufgebot, 5.000 Mann stark, herangekommen, aber durch einen von Götz offenbar in verräterischer Absicht angeordneten Seitenmarsch über Löwenstein nach Öhringen verfehlte es den hellen Haufen und zog auf Neckarsulm. Dies Städtchen, von einigen Fähnlein des hellen lichten Haufens besetzt, wurde vom Truchseß belagert. Die Franken kamen in der Nacht an und sahen die Feuer des bündischen Lagers; aber ihre Führer hatten nicht den Mut, einen Überfall zu wagen, und zogen sich nach Krautheim zurück, wo sie endlich den Rest des hellen lichten Haufens fanden. Neckarsulm ergab sich, als kein Entsatz kam, am 29. an die Bündischen, der Truchseß ließ sofort dreizehn Bauern hinrichten und zog dann sengend und brennend, plündernd und mordend den Haufen entgegen. Im ganzen Neckar-, Kocher- und Jagsttal bezeichneten Schutthaufen und an den Bäumen aufgehängte Bauern seinen Weg.

Bei Krautheim stieß das bündische Heer auf die Bauern, die sich, durch eine Flankenbewegung des Truchseß gezwungen, auf Königshofen an der Tauber zurückgezogen. Hier faßten sie, 8.000 Mann mit 32 Kanonen, Position. Der Truchseß näherte sich ihnen hinter Hügeln und Wäldern versteckt, ließ Umgehungskolonnen vorrücken und überfiel sie am 2. Juni mit solcher Übermacht und Energie, daß sie trotz der hartnäckigsten, bis in die Nacht fortgesetzten Gegenwehr mehrerer Kolonnen vollständig geschlagen und aufgelöst wurden. Wie immer, trug auch hier die bündische Reiterei, "der Bauern Tod", hauptsächlich zur Vernichtung des Insurgentenheers bei, indem sie sich auf die durch Artillerie, Büchsenfeuer und Lanzenangriffe erschütterten Bauern warf, sie vollständig zersprengte und einzeln niedermachte. Welche Art von Krieg der Truchseß mit seinen Reitern führte, beweist das Schicksal der 300 Königshofener Bürger, die beim Bauernheer waren. Sie wurden während der Schlacht bis auf fünfzehn niedergehauen, und von diesen fünfzehn wurden nachträglich noch vier enthauptet.

Nachdem er so mit den Odenwäldern, Neckartalern und Niederfranken fertig geworden, pazifizierte der Truchseß durch Streifzüge, Verbrennung ganzer Dörfer und zahllose Hinrichtungen die ganze Umgegend und zog dann gegen Würzburg. Unterwegs erfuhr er, daß der zweite fränkische Haufe unter Florian Geyer und Gregor von Burgbernheim bei Sulzdorf stand, und sofort wandte er sich gegen diesen.

Florian Geyer, der seit dem vergeblichen Sturm auf den Frauenberg hauptsächlich mit den Fürsten und Städten, namentlich mit Rothenburg und <395> dem Markgrafen Kasimir von Ansbach, wegen ihres Beitritts zur Bauernverbrüderung unterhandelt hatte, wurde durch die Nachricht der Königshofener Niederlage plötzlich abgerufen. Mit seinem Haufen vereinigte sich der ansbachsche unter Gregor von Burgbernheim. Dieser Haufe hatte sich erst neuerdings gebildet. Der Markgraf Kasimir hatte in echt hohenzollerscher Weise den Bauernaufstand in seinem Gebiet teils durch Versprechungen, teils durch drohende Truppenmassen im Schach zu halten gewußt. Er hielt vollständige Neutralität gegen alle fremden Haufen, solange sie keine ansbachschen Untertanen an sich zogen. Er suchte den Haß der Bauern hauptsächlich auf die geistlichen Stifter zu lenken, durch deren schließliche Konfiskation er sich zu bereichern gedachte. Dabei rüstete er fortwährend und wartete die Ereignisse ab. Kaum war die Nachricht von der Schlacht bei Böblingen eingetroffen, als er sofort die Feindseligkeiten gegen seine rebellischen Bauern eröffnete, ihnen die Dörfer plünderte und verbrannte und viele von ihnen hängen und niedermachen ließ. Die Bauern jedoch zogen sich rasch zusammen und schlugen ihn, unter Gregor von Burgbernheim, am 29. Mai bei Windsheim. Während sie ihn noch verfolgten, erreichte sie der Ruf der bedrängten Odenwälder, und sofort wandten sie sich nach Heidingsfeld und von dort mit Florian Geyer wieder nach Würzburg (2. Juni). Hier ließen sie, stets ohne Nachricht von den Odenwäldern, 5.000 Bauern zurück und zogen mit 4.000 Mann - der Rest war auseinandergelaufen - den übrigen nach. Durch falsche Nachrichten über den Ausfall der Schlacht bei Königshofen sicher gemacht, wurden sie bei Sulzdorf vom Truchseß überfallen und total geschlagen. Wie gewöhnlich richteten die Reiter und Knechte des Truchsessen ein furchtbares Blutbad an. Florian Geyer hielt den Rest seiner Schwarzen Schar, 600 Mann, zusammen und schlug sich durch nach dem Dorf Ingolstadt. 200 Mann besetzten die Kirche und den Kirchhof, 400 das Schloß. Die Pfälzer hatten ihn verfolgt, eine Kolonne von 1.200 Mann nahm das Dorf und zündete die Kirche an; was nicht in den Flammen unterging, wurde niedergemacht. Dann schossen die Pfälzer Bresche in die baufällige Mauer des Schlosses und versuchten den Sturm. Zweimal von den Bauern, die hinter einer inneren Mauer gedeckt standen, zurückgeschlagen, schossen sie auch diese zweite Mauer zusammen und versuchten dann den dritten Sturm, der auch gelang. Die Hälfte von Geyers Leuten wurde zusammengehauen; mit den letzten zweihundert entkam er glücklich. Aber sein Zufluchtsort wurde schon am nächsten Tage (Pfingstmontag) entdeckt; die Pfälzer umzingelten den Wald, in dem er versteckt lag, und hieben den ganzen Haufen nieder. Nur 17 Gefangene wurden während dieser zwei Tage gemacht. Florian Geyer hatte sich mit wenigen der Entschlossensten wieder durchgeschlagen und <396> wandte sich nun zu den Gaildorfern, die wieder an 7.000 Mann stark zusammengetreten waren. Aber als er hinkam, fand er sie, infolge der niederschlagenden Nachrichten von allen Seiten, größtenteils wieder aufgelöst. Er machte noch den Versuch, die Versprengten in den Wäldern zu sammeln, wurde aber am 9. Juni bei Hall von Truppen überrascht und fiel fechtend.

Der Truchseß, der schon gleich nach dem Sieg von Königshofen den Belagerten auf dem Frauenberg Nachricht gegeben hatte, rückte nun auf Würzburg. Der Rat verständigte sich heimlich mit ihm, so daß das bündische Heer in der Nacht des 7. Juni die Stadt nebst den darin befindlichen 5.000 Bauern umzingeln und am nächsten Morgen in die vom Rat geöffneten Tore ohne Schwertstreich einziehen konnte. Durch diesen Verrat der Würzburger "Ehrbarkeit" wurde der letzte fränkische Bauernhaufe entwaffnet und sämtliche Führer gefangen. Der Truchseß ließ sogleich 81 enthaupten. Hier in Würzburg trafen nun nacheinander die verschiedenen fränkischen Fürsten ein; der Bischof von Würzburg selbst, der von Bamberg und der Markgraf von Brandenburg-Ansbach. Die gnädigen Herren verteilten unter sich die Rollen. Der Truchseß zog mit dem Bischof von Bamberg, der jetzt sofort den mit seinen Bauern abgeschlossenen Vertrag brach und sein Land den wütenden Mordbrennerhorden des bündischen Heeres preisgab. Der Markgraf Kasimir verwüstete sein eigenes Land. Deiningen wurde verbrannt; zahllose Dörfer wurden geplündert oder den Flammen preisgegeben; dabei hielt der Markgraf in jeder Stadt ein Blutgericht ab. In Neustadt an der Aisch ließ er achtzehn, in Bergel dreiundvierzig Rebellen enthaupten. Von da zog er nach Rothenburg, wo die Ehrbarkeit bereits eine Kontrerevolution gemacht und Stephan von Menzingen verhaftet hatte. Die Rothenburger Kleinbürger und Plebejer mußten jetzt schwer dafür büßen, daß sie sich den Bauern gegenüber so zweideutig benommen, daß sie ihnen bis ganz zuletzt alle Hülfe abgeschlagen, daß sie in ihrem lokalbornierten Eigennutz auf Unterdrückung der ländlichen Gewerbe zugunsten der städtischen Zünfte bestanden und nur widerwillig die aus den Feudalleistungen der Bauern fließenden städtischen Einkünfte aufgegeben hatten. Der Markgraf ließ ihrer sechzehn köpfen, voran natürlich Menzingen. - Der Bischof von Würzburg durchzog in gleicher Weise sein Gebiet, überall plündernd, verwüstend und sengend. Er ließ auf seinem Siegeszug 256 Rebellen hinrichten und krönte sein Werk, bei seiner Rückkehr nach Würzburg, durch die Enthauptung von noch dreizehn Würzburgern.

Im Mainzischen stellte der Statthalter, Bischof Wilhelm von Straßburg, die Ruhe ohne Widerstand her. Er ließ nur vier hinrichten. Der Rheingau, der ebenfalls erregt gewesen, wo aber längst alles nach Hause gegangen war, wurde nachträglich von Frowin von Hutten, Ulrichs Vetter, überfallen und durch <397> Hinrichtung von zwölf Rädelsführern vollends "beruhigt". Frankfurt, das auch bedeutende revolutionäre Bewegungen erlebt hatte, war anfangs durch Nachgiebigkeit des Rats, später durch angeworbene Truppen im Zaum gehalten worden. In der Rheinpfalz hatten sich seit dem Vertragsbruch des Kurfürsten wieder an 8.000 Bauern zusammengerottet und von neuem Klöster und Schlösser verbrannt; aber der Trierer Erzbischof zog den Marschall von Habern zu Hülfe und schlug sie schon am 23. Mai bei Pfeddersheim. Eine Reihe von Grausamkeiten (in Pfeddersheim allein wurden 82 hingerichtet) und die Einnahme von Weißenberg am 7. Juli beendeten hier den Aufstand.

Von sämtlichen Haufen blieben jetzt nur noch zwei zu besiegen: die Hegeu-Schwarzwälder und die Allgäuer. Mit beiden hatte der Erzherzog Ferdinand intrigiert. Wie Markgraf Kasimir und andere Fürsten den Aufstand zur Aneignung der geistlichen Ländereien und Fürstentümer, so suchte er ihn zur Vergrößerung der östreichischen Hausmacht zu benutzen. Er hatte mit dem Allgäuer Hauptmann Walter Bach und mit dem Hegauer Hans Müller von Bulgenbach unterhandelt, um die Bauern dahin zu bringen, sich für den Anschluß an Östreich zu erklären, aber obwohl beide Chefs käuflich waren, konnten sie bei den Haufen weiter nichts durchsetzen, als daß die Allgäuer mit dem Erzherzog einen Waffenstillstand schlossen und die Neutralität gegen Östreich beobachteten.

Die Hegauer hatten auf ihrem Rückzug aus dem Württembergischen eine Anzahl Schlösser zerstört und Verstärkungen aus den markgräflich-badischen Ländern an sich gezogen. Sie marschierten am 13. Mai gegen Freiburg, beschossen es vom 18. an und zogen am 23., nachdem die Stadt kapituliert hatte, mit fliegenden Fahnen hinein. Von dort zogen sie gegen Stockach und Radolfzell und führten lange einen erfolglosen kleinen Krieg gegen die Besatzungen dieser Städte. Diese, sowie der Adel und die umliegenden Städte, riefen kraft des Weingarter Vertrags die Seebauern um Hülfe an, und die ehemaligen Rebellen des Seehaufens erhoben sich, 5.000 Mann stark, gegen ihre Bundesgenossen. So stark war die Lokalborniertheit dieser Bauern. Nur 600 weigerten sich, wollten sich den Hegauern anschließen und wurden massakriert. Die Hegauer jedoch, durch den abgekauften Hans Müller von Bulgenbach veranlaßt, hatten bereits die Belagerung aufgehoben und waren, als Hans Müller gleich darauf floh, meist auseinandergegangen. Der Rest verschanzte sich an der Hilzinger Steige, wo er am 16. Juli von den inzwischen disponibel gewordenen Truppen geschlagen und vernichtet wurde. Die Schweizer Städte vermittelten einen Vertrag für die Hegauer, der indes nicht verhinderte, daß Hans Müller trotz seines Verrats zu Laufenburg verhaftet und enthauptet wurde. Im Breisgau fiel nun auch Freiburg (17. Juli) vom Bunde der Bauern <398> ab und schickte Truppen gegen sie; doch auch hier kam bei der Schwäche der fürstlichen Streitkräfte am 18. September ein Vertrag zu Offenburg zustande, in den auch der Sundgau eingeschlossen wurde. Die acht Einungen des Schwarzwalds und die Klettgauer, die noch nicht entwaffnet waren, wurden durch die Tyrannei des Grafen von Sulz abermals zum Aufstand getrieben und im Oktober geschlagen. Am 13. November wurden die Schwarzwälder zu einem Vertrag gezwungen, und am 6. Dezember fiel Waldshut, das letzte Bollwerk der Insurrektion am Oberrhein.

Die Allgäuer hatten seit dem Abzug des Truchseß ihre Kampagne gegen Klöster und Schlösser wieder aufgenommen und für die Verwüstungen der Bündischen energische Repressalien geübt. Sie hatten wenig Truppen sich gegenüber, die nur einzelne kleine Überfälle unternahmen, ihnen aber nie in die Wälder folgen konnten. Im Juni brach in Memmingen, das sich ziemlich neutral gehalten hatte, eine Bewegung gegen die Ehrbarkeit aus, die nur durch die zufällige Nähe einiger bündischen Truppen, welche der Ehrbarkeit noch zur rechten Zeit zu Hülfe kommen konnten, unterdrückt wurde. Schappeler, der Prediger und Führer der plebejischen Bewegung, entkam nach Sankt Gallen. Die Bauern zogen nun vor die Stadt und wollten eben mit dem Brescheschießen beginnen, als sie erfuhren, daß der Truchseß von Würzburg heranzog. Am 27. Juli marschierten sie ihm in zwei Kolonnen über Babenhausen und Obergünzburg entgegen. Der Erzherzog Ferdinand versuchte nochmals die Bauern für das Haus Östreich zu gewinnen. Gestützt auf den Waffenstillstand, den er mit ihnen abgeschlossen, forderte er den Truchseß auf, nicht weiter gegen sie vorzurücken. Der Schwäbische Bund jedoch befahl ihm, sie anzugreifen und nur das Sengen und Brennen zu lassen; der Truchseß war indes viel zu klug, um auf sein erstes und entscheidendstes Kriegsmittel zu verzichten, selbst wenn es ihm möglich gewesen wäre, die vom Bodensee bis an den Main von Exzeß zu Exzeß geführten Landsknechte im Zaum zu halten. Die Bauern faßten Position hinter der Iller und Leubas, an 23.000 Mann stark. Der Truchseß stand ihrer Front gegenüber mit 11.000 Mann. Die Stellungen beider Heere waren stark; die Reiterei konnte auf dem vorliegenden Terrain nicht wirken, und wenn die Landsknechte des Truchseß an Organisation, militärischen Hülfsquellen und Disziplin den Bauern überlegen waren, so zählten die Allgäuer eine Menge gedienter Soldaten und erfahrener Hauptleute in ihren Reihen und hatten zahlreiches, gut bedientes Geschütz. Am 19. Juli eröffneten die Bündischen eine Kanonade, die von beiden Seiten am 20. fortgesetzt wurde, jedoch ohne Resultat. Am 21. stieß Georg von Frundsberg mit 3.000 Landsknechten zum Truchseß. Er kannte viele der Bauernhauptleute, die unter ihm in den italienischen Feldzügen gedient hatten, und <399> knüpfte Unterhandlungen mit ihnen an. Der Verrat gelang, wo die militärischen Hülfsmittel nicht ausreichten. Walter Bach, mehrere andere Hauptleute und Geschützmeister ließen sich kaufen. Sie ließen den ganzen Pulvervorrat der Bauern in Brand stecken und bewegten den Haufen zu einem Umgehungsversuch. Kaum aber waren die Bauern aus ihrer festen Stellung heraus, so fielen sie in den Hinterhalt, den ihnen der Truchseß nach Verabredung mit Bach und den anderen Verrätern gelegt hatte. Sie konnten sich um so weniger verteidigen, als ihre Hauptleute, die Verräter, sie unter dem Vorwand einer Rekognoszierung verlassen hatten und schon auf dem Wege nach der Schweiz waren. Zwei der Bauernkolonnen wurden so vollständig zersprengt, die dritte, unter dem Knopf von Leubas, konnte sich noch geordnet zurückziehen. Sie stellte sich wieder auf dem Kollenberg bei Kempten, wo der Truchseß sie einschloß. Auch hier wagte er nicht, sie anzugreifen; er schnitt ihr die Zufuhr ab und suchte sie zu demoralisieren, indem er an 200 Dörfer in der Umgegend niederbrennen ließ. Der Hunger und der Anblick ihrer brennenden Wohnungen brachte die Bauern endlich dahin, daß sie sich ergaben (25. Juli). Mehr als zwanzig wurden sogleich hingerichtet. Der Knopf von Leubas, der einzige Führer dieses Haufens, der seine Fahne nicht verraten hatte, entkam nach Bregenz; aber hier wurde er verhaftet und nach langem Gefängnis gehängt.

Damit war der schwäbisch-fränkische Bauernkrieg beendet.


VI

[Der thüringische, elsässische und östreichische Bauernkrieg]


<400> Gleich beim Ausbruch der ersten Bewegungen in Schwaben war Thomas Münzer wieder nach Thüringen geeilt und hatte seit Ende Februar oder anfangs März seinen Wohnsitz in der freien Reichsstadt Mühlhausen genommen, wo seine Partei am stärksten war. Er hatte die Fäden der ganzen Bewegung in der Hand; er wußte, welch allgemeiner Sturm in Süddeutschland auszubrechen im Begriff war, und hatte es übernommen, Thüringen in das Zentrum der Bewegung für Norddeutschland zu verwandeln. Er fand einen höchst fruchtbaren Boden. Thüringen selbst, der Hauptsitz der Reformationsbewegung, war im höchsten Grade aufgeregt; und die materielle Not der unterdrückten Bauern nicht minder als die kursierenden revolutionären, religiösen und politischen Doktrinen hatten auch die benachbarten Länder, Hessen, Sachsen und die Harzgegend, für einen allgemeinen Aufstand vorbereitet. In Mühlhausen namentlich war die ganze Masse der Kleinbürgerschaft für die extreme, Münzersche Richtung gewonnen und konnte kaum den Moment erwarten, an dem sie ihre Überzahl gegen die hochmütige Ehrbarkeit geltend machen sollte. Münzer selbst mußte, um dem richtigen Moment nicht vorzugreifen, besänftigend auftreten; doch sein Schüler Pfeifer, der hier die Bewegung dirigierte, hatte sich schon so kompromittiert, daß er den Ausbruch nicht zurückhalten konnte, und schon am 17. März 1525, noch vor dem allgemeinen Aufstand in Süddeutschland, machte Mühlhausen seine Revolution. Der alte patrizische Rat wurde gestürzt und die Regierung in die Hände des neugewählten "ewigen Rats" gelegt, dessen Präsident Münzer war.

Es ist das Schlimmste, was dem Führer einer extremen Partei widerfahren kann, wenn er gezwungen wird, in einer Epoche die Regierung zu übernehmen, wo die Bewegung noch nicht reif ist für die Herrschaft der Klasse, die er vertritt, und für die Durchführung der Maßregeln, die die Herrschaft dieser Klasse erfordert. Was er tun kann, hängt nicht von seinem Willen ab, sondern <401> von der Höhe, auf die der Gegensatz der verschiedenen Klassen getrieben ist, und von dem Entwicklungsgrad der materiellen Existenzbedingungen, der Produktions- und Verkehrsverhältnisse, auf dem der jedesmalige Entwicklungsgrad der Klassengegensätze beruht. Was er tun soll, was seine eigne Partei von ihm verlangt, hängt wieder nicht von ihm ab, aber auch nicht von dem Entwicklungsgrad des Klassenkampfs und seiner Bedingungen; er ist gebunden an seine bisherigen Doktrinen und Forderungen, die wieder nicht aus der momentanen Stellung der gesellschaftlichen Klassen gegeneinander und aus dem momentanen, mehr oder weniger zufälligen Stande der Produktions- und Verkehrsverhältnisse hervorgehn, sondern aus seiner größeren oder geringeren Einsicht in die allgemeinen Resultate der gesellschaftlichen <(1850) industriellen> und politischen Bewegung. Er findet sich so notwendigerweise in einem unlösbaren Dilemma: Was er tun kann, widerspricht seinem ganzen bisherigen Auftreten, seinen Prinzipien und den unmittelbaren Interessen seiner Partei; und was er tun soll, ist nicht durchzuführen. Er ist, mit einem Wort, gezwungen, nicht seine Partei, seine Klasse, sondern die Klasse zu vertreten, für deren Herrschaft die Bewegung gerade reif ist. Er muß im Interesse der Bewegung selbst die Interessen einer ihm fremden Klasse durchführen und seine eigne Klasse mit Phrasen und Versprechungen, mit der Beteuerung abfertigen, daß die Interessen jener fremden Klasse ihre eignen Interessen sind. Wer in diese schiefe Stellung gerät, ist unrettbar verloren. In der neuesten Zeit noch haben wir Beispiele davon erlebt; wir erinnern nur an die Stellung, die in der letzten französischen provisorischen Regierung die Vertreter des Proletariats einnahmen, obwohl sie selbst nur eine sehr untergeordnete Entwicklungsstufe des Proletariats repräsentierten. Wer nach den Erfahrungen der Februarregierung - von unsern edlen deutschen provisorischen Regierungen und Reichsregentschaften nicht zu sprechen - noch auf offizielle Stellungen spekulieren kann, muß entweder über die Maßen borniert sein oder der extrem-revolutionären Partei höchstens mit der Phrase angehören.

Die Stellung Münzers an der Spitze des ewigen Rats von Mühlhausen war indes noch viel gewagter als die irgendeines modernen revolutionären Regenten. Nicht nur die damalige Bewegung, auch sein ganzes Jahrhundert war nicht reif für die Durchführung der Ideen, die er selbst erst dunkel zu ahnen begonnen hatte. Die Klasse, die er repräsentierte, weit entfernt, vollständig entwickelt und fähig zur Unterjochung und Umbildung <(1850) fehlt: und Unterjochung> der ganzen Gesellschaft zu sein, war eben erst im Entstehen begriffen. Der gesellschaftliche Umschwung, der seiner Phantasie vorschwebte, war noch so wenig in den vor- <402> liegenden materiellen Verhältnissen begründet, daß diese sogar eine Gesellschaftsordnung vorbereiteten, die das gerade Gegenteil seiner geträumten Gesellschaftsordnung war. Dabei aber blieb er an seine bisherigen Predigten von der christlichen Gleichheit und der evangelischen Gütergemeinschaft gebunden; er mußte wenigstens den Versuch ihrer Durchführung machen. Die Gemeinschaft aller Güter, die gleiche Verpflichtung aller zur Arbeit und die Abschaffung aller Obrigkeit wurde proklamiert. Aber in der Wirklichkeit blieb Mühlhausen eine republikanische Reichsstadt mit etwas demokratisierter Verfassung, mit einem aus allgemeiner Wahl hervorgegangenen Senat, der unter der Kontrolle des Forums stand, und mit einer eilig improvisierten Naturalverpflegung der Armen. Der Gesellschaftsumsturz, der den protestantischen bürgerlichen Zeitgenossen so entsetzlich vorkam, ging in der Tat nie hinaus über einen schwachen und unbewußten Versuch zur übereilten Herstellung der späteren bürgerlichen Gesellschaft.

Münzer selbst scheint die weite Kluft zwischen seinen Theorien und der unmittelbar vorliegenden Wirklichkeit gefühlt zu haben, eine Kluft, die ihm um so weniger verborgen bleiben konnte, je verzerrter seine genialen Anschauungen sich in den rohen Köpfen der Masse seiner Anhänger widerspiegeln mußten. Er warf sich mit einem selbst bei ihm unerhörten Eifer auf die Ausbreitung und Organisation der Bewegung; er schrieb Briefe und sandte Boten und Emissäre nach allen Seiten aus. Seine Schreiben und Predigten atmen einen revolutionären Fanatismus, der selbst nach seinen früheren Schriften in Erstaunen setzt. Der naive jugendliche Humor der revolutionären <(1850) vorrevolutionären> Münzerschen Pamphlete ist ganz verschwunden; die ruhige, entwickelnde Sprache des Denkers, die ihm früher nicht fremd war, kommt nicht mehr vor. Münzer ist jetzt ganz Revolutionsprophet; er schürt unaufhörlich den Haß gegen die herrschenden Klassen, er stachelt die wildesten Leidenschaften auf und spricht nur noch in den gewaltsamen Wendungen, die das religiöse und nationale Delirium den alttestamentarischen Propheten in den Mund legte. Man sieht aus dem Stil, in den er sich jetzt hineinarbeiten mußte, auf welcher Bildungsstufe das Publikum stand, auf das er zu wirken hatte.

Das Beispiel Mühlhausens und die Agitation Münzers wirkten rasch in die Ferne. In Thüringen, im Eichsfeld, im Harz, in den sächsischen Herzogtümern, in Hessen und Fulda, in Oberfranken und im Vogtland standen überall Bauern auf, zogen sich in Haufen zusammen und verbrannten Schlösser und Klöster. Münzer war mehr oder weniger als Führer der ganzen Bewegung anerkannt, und Mühlhausen blieb Zentralpunkt, während in Erfurt eine rein bürgerliche <403> Bewegung siegte und die dort herrschende Partei fortwährend eine zweideutige Stellung gegen die Bauern beobachtete.

Die Fürsten waren in Thüringen anfangs geradeso ratlos und ohnmächtig gegenüber den Bauern wie in Franken und Schwaben. Erst in den letzten Tagen des April gelang es dem Landgrafen von Hessen, ein Korps zusammenzuziehn - demselben Landgrafen Philipp, von dessen Frömmigkeit die protestantischen und bürgerlichen Reformationsgeschichten so viel zu rühmen wissen und von dessen Infamien gegen die Bauern wir sogleich ein geringes Wörtlein vernehmen werden. Der Landgraf Philipp unterwarf durch ein paar rasche Züge und durch bestimmtes Auftreten bald den größten Teil seines Landes, zog neue Aufgebote heran und wandte sich dann ins Gebiet des Abts von Fulda, seines bisherigen Lehnsherrn. Er schlug den Fuldaer Bauernhaufen am 3. Mai am Frauen-Berg, unterwarf das ganze Land und benutzte die Gelegenheit, nicht nur sich von der Oberhoheit des Abts loszumachen, sondern sogar die Abtei Fulda in ein hessisches Lehen zu verwandeln - vorbehaltlich ihrer späteren Säkularisierung natürlich. Dann nahm er Eisenach und Langensalza und zog, mit den herzoglich-sächsischen Truppen vereinigt, gegen den Hauptsitz der Rebellion, gegen Mühlhausen. Münzer zog seine Streitkräfte, an 8.000 Mann mit einigem Geschütz, bei Frankenhausen zusammen. Der thüringische Haufe war weit entfernt davon, die Schlagfähigkeit zu besitzen, die ein Teil der oberschwäbischen und fränkischen Haufen dem Truchseß gegenüber entwickelte; er war schlecht bewaffnet und schlecht diszipliniert, er zählte wenig gediente Soldaten und ermangelte aller Führer. Münzer selbst besaß offenbar nicht die geringsten militärischen Kenntnisse. Dennoch fanden es die Fürsten angemessen, auch hier die Taktik anzuwenden, die dem Truchseß so oft zum Sieg verholfen hatte: die Wortbrüchigkeit. Am 16. Mai leiteten sie Unterhandlungen ein, schlossen einen Waffenstillstand und überfielen dann plötzlich die Bauern, noch ehe der Stillstand abgelaufen war.

Münzer stand mit den Seinen auf dem noch jetzt so genannten Schlachtberg, verschanzt hinter einer Wagenburg. Die Entmutigung unter dem Haufen war schon sehr im Zunehmen. Die Fürsten versprachen Amnestie, wenn der Haufe ihnen Münzer lebendig ausliefern wolle. Münzer ließ einen Kreis bilden und die Anträge der Fürsten debattieren. Ein Ritter und ein Pfaff sprachen sich für die Kapitulation aus; Münzer ließ sie beide sofort in den Kreis führen und enthaupten. Dieser von den entschlossenen Revolutionären mit Jubel aufgenommene Akt terroristischer Energie brachte wieder einigen Halt in den Haufen; aber schließlich wäre er doch zum größten Teil ohne Widerstand auseinandergegangen, wenn man nicht bemerkt hätte, daß die <404> fürstlichen Landsknechte, nachdem sie den ganzen Berg umstellt, trotz des Stillstands in geschlossenen Kolonnen heranrückten. Schnell wurde die Front hinter den Wagen formiert, aber schon schlugen die Geschütz- und Büchsenkugeln in die halb wehrlosen, kampfungewohnten Bauern, schon waren die Landsknechte bei der Wagenburg angelangt. Nach kurzem Widerstand war die Wagenlinie durchbrochen, die Kanonen der Bauern waren erobert und sie selbst versprengt. Sie flohen in wilder Unordnung, um den Umgehungskolonnen und der Reiterei um so sicherer in die Hände zu fallen, die ein unerhörtes Blutbad unter ihnen anrichteten. Von achttausend Bauern wurden über fünftausend erschlagen; der Rest kam nach Frankenhausen hinein und gleichzeitig mit ihm die fürstlichen Reiter. Die Stadt war genommen. Münzer, am Kopf verwundet, wurde in einem Hause entdeckt und gefangengenommen. Am 25. Mai ergab sich auch Mühlhausen; Pfeifer, der dort geblieben war, entkam, wurde aber im Eisenachschen verhaftet.

Münzer wurde in Gegenwart der Fürsten auf die Folter gespannt und dann enthauptet. Er ging mit demselben Mut auf den Richtplatz, mit dem er gelebt hatte. Er war höchstens achtundzwanzig Jahre alt, als er hingerichtet wurde. Auch Pfeifer wurde enthauptet; außer diesen beiden aber noch zahllose andre. In Fulda hatte der Mann Gottes, Philipp von Hessen, sein Blutgericht begonnen; er und die sächsischen Fürsten ließen unter andern in Eisenach 24, in Langensalza 41, nach der Frankenhauser Schlacht 300, in Mühlhausen über 100, bei Görmar 26, bei Tüngeda 50, bei Sangerhausen 12, in Leipzig 8 Rebellen mit dem Schwert hinrichten, von Verstümmelungen und anderen gelindern Mitteln, von Plünderungen und Verbrennungen der Dörfer und Städte gar nicht zu reden

Mühlhausen mußte sich seiner Reichsfreiheit begeben und wurde den sächsischen Ländern einverleibt, gerade wie die Abtei Fulda der Landgrafschaft Hessen.

Die Fürsten zogen nun über den Thüringer Wald, wo fränkische Bauern aus dem Bildhäuser Lager sich mit den Thüringern verbunden und viele Schlösser verbrannt hatten. Vor Meiningen kam es zum Gefecht; die Bauern wurden geschlagen und zogen sich auf die Stadt zurück. Diese verschloß ihnen plötzlich die Tore und drohte sie im Rücken anzugreifen. Der Haufe, durch diesen Verrat seiner Bundesgenossen ins Gedränge gebracht, kapitulierte mit den Fürsten und lief noch während der Verhandlung auseinander. Das Bildhäuser Lager hatte sich längst zerstreut, und so war mit der Zersprengung dieses Haufens der letzte Rest der Insurgenten aus Sachsen, Hessen, Thüringen und Oberfranken vernichtet.

Im Elsaß war der Aufstand später losgebrochen als auf der rechten Rhein- <405> seite. Erst gegen die Mitte des April erhoben sich die Bauern im Bistum Straßburg, und bald nach ihnen die Oberelsässer und Sundgauer. Am 18. April plünderte ein niederelsässischer Bauernhaufe das Kloster Altdorf; andere Haufen bildeten sich bei Ebersheim und Barr sowie im Willertal und Urbistal. Sie konzentrierten sich bald zum großen Niederelsässer Haufen und organisierten die Einnahme der Städte und Flecken sowie die Zerstörung der Klöster. Überall wurde der dritte Mann zum Heer eingefordert. Die zwölf Artikel dieses Haufens sind bedeutend radikaler als die schwäbisch-fränkischen.

Während eine Kolonne der Niederelsässer sich anfangs Mai bei St. Hippolyte konzentrierte und nach einem vergeblichen Versuch, diese Stadt zu gewinnen, am 10. Mai Bercken, am 13. Rappoltsweiler, am 14. Reichenweier durch Einverständnis mit den Bürgern in ihre Gewalt bekam, zog eine zweite unter Erasmus Gerber aus, um Straßburg zu überrumpeln. Der Versuch mißlang, die Kolonne wandte sich nun den Vogesen zu, zerstörte das Kloster Maursmünster und belagerte Zabern, das sich am 13. Mai ergab. Von hier zog sie an die lothringische Grenze und insurgierte den anstoßenden Teil des Herzogtums, während sie zugleich die Gebirgspässe verschanzte. Bei Herbitzheim an der Saar und bei Neuburg wurden große Lager gebildet; bei Saargemünd verschanzten sich 4.000 deutsch-lothringische Bauern; zwei vorgeschobene Haufen endlich, der Kolbenhaufen in den Vogesen bei Stürzelbronn, der Kleeburger Haufe bei Weißenburg, deckten Front und rechte Flanke, während sich die linke Flanke an die Oberelsässer anlehnte.

Diese, seit dem 20. April in Bewegung, hatten am 10. Mai Sulz, am 12. Gebweiler, am 15. Sennheim und Umgegend in die Bauernverbrüderung gezwungen. Die östreichische Regierung und die umliegenden Reichsstädte verbanden sich zwar sogleich gegen sie, waren aber zu schwach, ihnen ernsthaften Widerstand zu leisten, geschweige sie anzugreifen. So war, mit Ausnahme weniger Städte, bis Mitte Mai das ganze Elsaß in den Händen der Inurgenten.

Aber schon nahte das Heer, das den Frevelmut der Elsässer Bauern brechen sollte. Es waren Franzosen, die hier die Restauration der Adelsherrschaft vollzogen. Der Herzog Anton von Lothringen setzte sich bereits am 6. Mai mit einer Armee von 30.000 Mann in Bewegung, darunter die Blüte des französischen Adels und spanische, piemontesische, lombardische, griechische und albanesische Hülfstruppen. Am 16. Mai stieß er bei Lützelstein auf 4.000 Bauern, die er ohne Mühe schlug, und am 17. schon zwang er das von den Bauern besetzte Zabern zur Kapitulation. Aber noch während des Einzugs der Lothringer in die Stadt und der Entwaffnung der Bauern wurde die <406> Kapitulation gebrochen; die wehrlosen Bauern wurden von den Landsknechten überfallen und größtenteils niedergemacht. Die übrigen niederelsässischen Kolonnen zerstreuten sich, und Herzog Anton zog nun den Oberelsässern entgegen. Diese, die sich geweigert hatten, den Niederelsässern nach Zabern zuzuziehn, wurden nun bei Scherweiler von der ganzen Macht der Lothringer angegriffen. Sie wehrten sich mit großer Tapferkeit, aber die enorme Übermacht - 30.000 gegen 7.000 - und der Verrat einer Anzahl Ritter, besonders des Vogts von Reichenweier, vereitelte alle Bravour. Sie wurden vollständig geschlagen und zersprengt. Der Herzog pazifizierte nun den ganzen Elsaß mit üblicher Grausamkeit. Nur der Sundgau blieb von seiner Anwesenheit verschont. Die östreichische Regierung brachte hier durch die Drohung, ihn ins Land zu rufen, ihre Bauern anfangs Juni zum Abschluß des Vertrags von Ensisheim. Sie selbst aber brach diesen Vertrag sogleich wieder und ließ die Prediger und Führer der Bewegung massenweise hängen. Die Bauern machten hierauf einen neuen Aufstand, der endlich damit endigte, daß die Sundgauer Bauern in den Vertrag zu Offenburg (18. September) eingeschlossen wurden.

Es bleibt uns jetzt noch der Bauernkrieg in den östreichischen Alpenländern zu berichten. Diese Gegenden sowie das anstoßende Erzbistum Salzburg waren seit der stara prawa in fortwährender Opposition gegen Regierung und Adel, und die reformierten Lehren hatten auch hier einen günstigen Böden gefunden. Religiöse Verfolgungen und willkürliche Steuerbedrückungen brachten den Aufstand zum Losbruch.

Die Stadt Salzburg, unterstützt von den Bauern und Bergknappen, hatte schon seit 1522 mit dem Erzbischof wegen ihrer städtischen Privilegien und wegen der Religionsübung im Streit gelegen. Ende 1524 überfiel der Erzbischof die Stadt mit angeworbnen Landsknechten, terrorisierte sie durch die Kanonen des Schlosses und verfolgte die ketzerischen Prediger. Zugleich schrieb er neue, drückende Steuern aus und reizte die ganze Bevölkerung dadurch aufs äußerste. Im Frühjahr 1525, gleichzeitig mit der schwäbisch-fränkischen und thüringischen Insurrektion, erhoben sich plötzlich die Bauern und Bergleute des ganzen Landes, organisierten sich in Haufen unter den Hauptleuten Praßler und Weitmoser, befreiten die Stadt und belagerten das Schloß Salzburg. Sie schlossen, wie die westdeutschen Bauern, einen christlichen Bund und faßten ihre Forderungen in Artikeln zusammen, deren hier vierzehn waren.

Auch in Steiermark, Oberöstreich, Kärnten und Krain, wo neue ungesetzliche Steuern, Zölle und Verordnungen das Volk in seinen nächsten Interessen <407> schwer verletzt hatten, standen die Bauern im Frühjahr 1525 auf. Sie nahmen eine Anzahl Schlösser und schlugen den Besieger der stara prawa, den alten Feldhauptmann Dietrichstein, bei Gryß. Obgleich es den Vorspiegelungen der Regierung gelang, einen Teil der Insurgenten zu beschwichtigen, blieb die Masse doch zusammen und vereinigte sich mit den Salzburgern, so daß das ganze Salzburgische und der größte Teil von Oberöstreich, Steiermark, Kärnten und Krain in den Händen der Bauern und Bergknappen war.

In Tirol hatten ebenfalls die reformierten Lehren großen Anhang gefunden; hier waren sogar, noch mehr als in den übrigen östreichischen Alpenländern, Münzersche Emissäre mit Erfolg tätig gewesen. Der Erzherzog Ferdinand verfolgte die Prediger der neuen Lehre auch hier und griff ebenfalls durch neue willkürliche Finanzregulationen in die Vorrechte der Bevölkerung ein. Die Folge war, wie überall, der Aufstand im Frühling desselben Jahres 1525. Die Insurgenten, deren oberster Hauptmann ein Münzerscher war, Geismaier, das einzige bedeutende militärische Talent unter sämtlichen Bauernchefs, nahmen eine Menge Schlösser und verfuhren namentlich im Süden, im Etschgebiet, sehr energisch gegen die Pfaffen. Auch die Vorarlberger standen auf und schlossen sich den Allgäuern an.

Der Erzherzog, von allen Seiten bedrängt, machte den Rebellen, die er noch kurz vorher mit Sengen und Brennen, Plündern und Morden hatte ausrotten wollen, Konzession über Konzession. Er berief die Landtage der Erblande ein und schloß bis zu ihrem Zusammentritt Waffenstillstand mit den Bauern. Inzwischen rüstete er nach Kräften, um möglichst bald eine andre Sprache mit den Frevlern führen zu können.

Der Waffenstillstand wurde natürlich nicht lange gehalten. In den Herzogtümern fing Dietrichstein, dem das Geld ausging, an zu brandschatzen. Seine slawischen und magyarischen Truppen erlaubten sich zudem die schamlosesten Grausamkeiten gegen die Bevölkerung. Die Steirer standen also wieder auf, überfielen in der Nacht vom 2. zum 3. Juli den Feldhauptmann Dietrichstein in Schladming und machten alles nieder, was nicht deutsch sprach. Dietrichstein selbst wurde gefangen; am Morgen des 3. wurde von den Bauern ein Geschwornengericht eingesetzt und 40 tschechische und kroatische Adlige aus den Gefangnen zum Tode verurteilt. Sie wurden sofort enthauptet. Das wirkte; der Erzherzog genehmigte sofort alle Forderungen der Stände der fünf Herzogtümer (Ober- und Niederöstreich, Steiermark, Kärnten und Krain).

Auch in Tirol wurden die Forderungen des Landtags bewilligt und dadurch der Norden pazifiziert. Der Süden jedoch, auf seinen ursprünglichen Forderungen gegenüber den abgeschwächten Landtagsbeschlüssen beharrend, <408> blieb unter den Waffen. Erst im Dezember konnte der Erzherzog hier die Ordnung durch Gewalt wiederherstellen. Er unterließ nicht, eine große Anzahl der in seine Hände gefallenen Anstifter und Führer des Aufruhrs hinrichten zu lassen.

Gegen Salzburg zogen nun im August 10.000 Bayern unter Georg von Frundsberg. Diese imposante Truppenmacht sowie Zwistigkeiten, die unter den Bauern ausgebrochen waren, bewogen die Salzburger zum Abschluß eines Vertrags mit dem Erzbischof, der am 1. September zustande kam und den auch der Erzherzog annahm. Die beiden Fürsten, die inzwischen ihre Truppen genügend verstärkt hatten, brachen diesen Vertrag jedoch sehr bald und trieben dadurch die Salzburger Bauern zu einem erneuerten Aufstand. Die Insurgenten hielten sich den Winter über; im Frühjahr kam Geismaier zu ihnen und eröffnete eine glänzende Kampagne gegen die von allen Seiten heranrückenden Truppen. In einer Reihe brillanter Gefechte schlug er - im Mai und Juni 1526 - nacheinander Bayern, Östreicher, schwäbische Bundestruppen und erzbischöflich-salzburgische Landsknechte und hinderte lange die verschiednen Korps an ihrer Vereinigung. Dazwischen fand er noch Zeit, Radstadt zu belagern. Von der Übermacht endlich auf allen Seiten umzingelt, mußte er abziehn, schlug sich durch und führte die Truppen seines Korps mitten durch die östreichischen Alpen auf venetianisches Gebiet. Die Republik Venedig und die Schweiz boten dem unermüdlichen Bauernchef Anhaltspunkte zu neuen Intrigen; er versuchte noch ein Jahr lang, sie in einen Krieg gegen Östreich zu verwickeln, der ihm zu einem wiederholten Bauernaufstand Gelegenheit bieten sollte. Aber während dieser Unterhandlungen erreichte ihn die Hand eines Mörders; der Erzherzog Ferdinand und der salzburgische Erzbischof waren nicht ruhig, solange Geismaier am Leben war: Sie bezahlten einen Banditen, und diesem gelang es, den gefährlichen Rebellen 1527 aus der Welt zu schaffen.


VII

[Die Folgen des Bauernkriegs]


<409> Mit dem Rückzuge Geismaiers auf venetianisches Gebiet hatte das letzte Nachspiel des Bauernkriegs sein Ende erreicht. Die Bauern waren überall wieder unter die Botmäßigkeit ihrer geistlichen, adligen oder patrizischen Herren gebracht; die Verträge, die hie und da mit ihnen abgeschlossen waren, wurden gebrochen, die bisherigen Lasten wurden vermehrt durch die enormen Brandschatzungen, die die Sieger den Besiegten auferlegten. Der großartigste Revolutionsversuch des deutschen Volks endigte mit schmählicher Niederlage und momentan verdoppeltem Druck. Auf die Dauer jedoch verschlimmerte sich die Lage der Bauernklasse nicht durch die Unterdrückung des Aufstandes. Was Adel, Fürsten und Pfaffen aus ihnen jahraus, jahrein herausschlagen konnten, das wurde schon vor dem Krieg sicher herausgeschlagen; der deutsche Bauer von damals hatte dies mit dem modernen Proletarier gemein, daß sein Anteil an den Produkten seiner Arbeit sich auf das Minimum von Subsistenzmitteln beschränkte, das zu seinem Unterhalt und zur Fortpflanzung der Bauernrace erforderlich war. Im Durchschnitt war also hier nichts mehr zu nehmen. Manche wohlhabenderen Mittelbauern sind freilich ruiniert, eine Menge von Hörigen in die Leibeigenschaft hineingezwungen, ganze Striche Gemeindeländereien konfisziert, eine große Anzahl Bauern durch die Zerstörung ihrer Wohnungen und die Verwüstung ihrer Felder sowie durch die allgemeine Unordnung in die Vagabondage oder unter die Plebejer der Städte geworfen worden. Aber Kriege und Verwüstungen gehörten zu den alltäglichen Erscheinungen jener Zeit, und im allgemeinen stand die Bauernklasse eben zu tief für eine dauernde Verschlechterung ihrer Lage durch erhöhte Steuern. Die folgenden Religionskriege und endlich der Dreißigjährige Krieg mit seinen stets wiederholten, massenhaften Verwüstungen und Entvölkerungen haben die Bauern weit schwerer getroffen als der Bauernkrieg; namentlich der Dreißigjährige Krieg vernichtete den bedeutendsten Teil der im Ackerbau angewandten Produktivkräfte und brachte dadurch und durch <410> die gleichzeitige Zerstörung vieler Städte die Bauern, Plebejer und ruinierten Bürger auf lange Zeit bis zum irischen Elend in seiner schlimmsten Form herab.

Wer an den Folgen des Bauernkriegs am meisten litt, war die Geistlichkeit. Ihre Klöster und Stifter waren verbrannt, ihre Kostbarkeiten geplündert, ins Ausland verkauft oder eingeschmolzen, ihre Vorräte waren verzehrt worden. Sie hatte überall am wenigsten Widerstand leisten können, und zu gleicher Zeit war die ganze Wucht des Volkshasses am schwersten auf sie gefallen. Die andern Stände, Fürsten, Adel und Bürgerschaft, hatten sogar eine geheime Freude an der Not der verhaßten Prälaten. Der Bauernkrieg hatte die Säkularisation der geistlichen Güter zugunsten der Bauern populär gemacht, die weltlichen Fürsten und zum Teil die Städte gaben sich daran, diese Säkularisation zu ihrem Besten durchzuführen, und bald waren in protestantischen Ländern die Besitzungen <(1850) Bistümer> der Prälaten in den Händen der Fürsten oder der Ehrbarkeit. Aber auch die Herrschaft der geistlichen Fürsten war angetastet worden, und die weltlichen Fürsten verstanden es, den Volkshaß nach dieser Seite hin zu exploitieren. So haben wir gesehen, wie der Abt von Fulda vom Lehnsherrn zum Dienstmann Philipps von Hessen degradiert wurde. So zwang die Stadt Kempten den Fürstabt, ihr eine Reihe wertvoller Privilegien, die er in der Stadt besaß, für einen Spottpreis zu verkaufen.

Der Adel hatte ebenfalls bedeutend gelitten. Die meisten seiner Schlösser waren vernichtet, eine Anzahl der angesehensten Geschlechter war ruiniert und konnte nur im Fürstendienst eine Existenz finden. Seine Ohnmacht gegenüber den Bauern war konstatiert; er war überall geschlagen und zur Kapitulation gezwungen worden; nur die Heere der Fürsten hatten ihn gerettet. Er mußte mehr und mehr seine Bedeutung als reichsunmittelbarer Stand verlieren und unter die Botmäßigkeit der Fürsten geraten.

Die Städte hatten im ganzen auch keinen Vorteil vom Bauernkrieg. Die Herrschaft der Ehrbarkeit wurde fast überall wieder befestigt; die Opposition der Bürgerschaft blieb für lange Zeit gebrochen. Der alte patrizische Schlendrian schleppte sich so, Handel und Industrie nach allen Seiten hin fesselnd, bis in die französische Revolution fort. Von den Fürsten wurden zudem die Städte verantwortlich gemacht für die momentanen Erfolge, die die bürgerliche oder plebejische Partei in ihrem Schoß während des Kampfes errungen hatte. Städte, die schon früher den Gebieten der Fürsten angehörten, wurden schwer gebrandschatzt, ihrer Privilegien beraubt und schutzlos unter die habgierige Willkür der Fürsten geknechtet (Frankenhausen, Arnstadt, Schmalkalden, Würzburg etc. etc.), Reichsstädte wurden fürstlichen Territorien ein- <411> verleibt (z.B. Mühlhausen) oder doch in die moralische Abhängigkeit von angrenzenden Fürsten gebracht, wie viele fränkische Reichsstädte.

Wer unter diesen Umständen vom Ausgang des Bauernkriegs allein Vorteil zog, waren die Fürsten. Wir sahen schon gleich im Anfang unserer Darstellung, wie die mangelhafte industrielle, kommerzielle und agrikole Entwicklung Deutschlands alle Zentralisation der Deutschen zur Nation unmöglich machte, wie sie nur eine lokale und provinzielle Zentralisation zuließ und wie daher die Repräsentanten dieser Zentralisation innerhalb der Zersplitterung, die Fürsten, den einzigen Stand bildeten, dem jede Veränderung der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse zugute kommen mußte. Der Entwicklungsgrad des damaligen Deutschlands war so niedrig und zu gleicher Zeit so ungleichförmig in den verschiedenen Provinzen, daß neben den weltlichen Fürstentümern noch geistliche Souveränetäten, städtische Republiken und souveräne Grafen und Barone bestehen konnten; aber sie drängte zu gleicher Zeit, wenn auch sehr langsam und matt, doch immer auf die provinzielle Zentralisation, d.h. auf die Unterordnung der übrigen Reichsstände <(1875) irrtümlich: Reichsstädte> unter die Fürsten hin. Daher konnten am Ende des Bauernkriegs nur die Fürsten gewonnen haben. So war es auch in der Tat. Sie gewannen nicht nur relativ, dadurch daß ihre Konkurrenten, die Geistlichkeit, der Adel, die Städte, geschwächt wurden; sie gewannen auch absolut, indem sie die spolia opima (Hauptbeute) von allen übrigen Ständen davontrugen. Die geistlichen Güter wurden zu ihrem Besten säkularisiert; ein Teil des Adels, halb oder ganz ruiniert, mußte sich nach und nach unter ihre Oberhoheit geben; die Brandschatzungsgelder der Städte und Bauernschaften flossen in ihren Fiskus, der obendrein durch die Beseitigung so vieler städtischen Privilegien weit freieren Spielraum für seine beliebten Finanzoperationen gewann.

Die Zersplitterung Deutschlands, deren Verschärfung und Konsolidierung das Hauptresultat des Bauernkriegs war, war auch zu gleicher Zeit die Ursache seines Mißlingens.

Wir haben gesehen, wie Deutschland zersplittert war, nicht nur in zahllose unabhängige, einander fast total fremde Provinzen, sondern auch wie die Nation in jeder dieser Provinzen in eine vielfache Gliederung von Ständen und Ständefraktionen auseinanderfiel. Außer Fürsten und Pfaffen finden wir Adel und Bauern auf dem Land, Patrizier, Bürger und Plebejer in den Städten, lauter Stände, deren Interessen einander total fremd waren, wenn sie sich nicht durchkreuzten und zuwiderliefen. Über allen diesen komplizierten Interessen, obendrein, noch das des Kaisers und des Papstes. Wir haben gesehen, <412> wie schwerfällig, unvollständig und je nach den Lokalitäten ungleichförmig diese verschiedenen Interessen sich schließlich in drei große Gruppen formierten; wie trotz dieser mühsamen Gruppierung jeder Stand gegen die der nationalen Entwicklung durch die Verhältnisse gegebene Richtung opponierte, seine Bewegung auf eigene Faust machte, dadurch nicht nur mit allen konservativen, sondern auch mit allen übrigen opponierenden Ständen in Kollision geriet und schließlich unterliegen mußte. So der Adel im Aufstand Sickingens, die Bauern im Bauernkrieg, die Bürger in ihrer gesamten zahmen Reformation. So kamen selbst Bauern und Plebejer in den meisten Gegenden Deutschlands nicht zur gemeinsamen Aktion und standen einander im Wege. Wir haben auch gesehn, aus welchen Ursachen diese Zersplitterung des Klassenkampfs und die damit gegebene vollständige Niederlage der revolutionären und halbe Niederlage der bürgerlichen Bewegung hervorging.

Wie die lokale und provinzielle Zersplitterung und die daraus notwendig hervorgehende lokale und provinzielle Borniertheit die ganze Bewegung ruinierte; wie weder die Bürger noch die Bauern, noch die Plebejer zu einem konzentrierten, nationalen Auftreten kamen; wie die Bauern z.B. in jeder Provinz auf eigne Faust agierten, den benachbarten insurgierten Bauern stets die Hülfe verweigerten und daher in einzelnen Gefechten nacheinander von Heeren aufgerieben wurden, die meist nicht dem zehnten Teil der insurgierten Gesamtmasse gleichkamen - das wird wohl aus der vorhergehenden Darstellung jedem klar sein. Die verschiedenen Waffenstillstände und Verträge der einzelnen Haufen mit ihren Gegnern konstituieren ebensoviel Akte des Verrats an der gemeinsamen Sache, und die einzig mögliche Gruppierung der verschiedenen Haufen nicht nach der größeren oder geringeren Gemeinsamkeit ihrer eignen Aktion, sondern nach der Gemeinsamkeit des speziellen Gegners, dem sie erlagen, ist der schlagendste Beweis für den Grad der Fremdheit der Bauern verschiedner Provinzen gegeneinander.

Auch hier bietet sich die Analogie mit der Bewegung von 1848-50 wieder von selbst dar. Auch 1848 kollidierten die Interessen der oppositionellen Klassen untereinander, handelte jede für sich. Die Bourgeoisie, zu weit entwickelt, um sich den feudal-bürokratischen Absolutismus noch länger gefallen zu lassen, war doch noch nicht mächtig genug, die Ansprüche andrer Klassen den ihrigen sofort unterzuordnen. Das Proletariat, viel zu schwach, um auf ein rasches Überhüpfen der Bourgeoisperiode und auf seine eigne baldige Eroberung der Herrschaft rechnen zu können, hatte schon unter dem Absolutismus die Süßigkeiten des Bourgeoisregiments zu sehr kennengelernt und war überhaupt viel zu entwickelt, um auch nur für einen Moment in der Emanzipation der Bourgeoisie seine eigne Emanzipation zu sehen. Die Masse <413> der Nation, Kleinbürger, Kleinbürgergenossen (Handwerker) und Bauern, wurde von ihrem zunächst noch natürlichen Alliierten, der Bourgeoisie, als schon zu revolutionär, und stellenweise vom Proletariat, als noch nicht avanciert genug, im Stich gelassen; unter sich wieder geteilt, kam auch sie zu nichts und opponierte rechts und links ihren Mitopponenten. Die Lokalborniertheit endlich kann 1525 unter den Bauern nicht größer gewesen sein, als sie unter den sämtlichen in der Bewegung beteiligten Klassen von 1848 war. Die hundert Lokalrevolutionen, die daran sich anknüpfenden hundert ebenso ungehindert durchgeführten Lokalreaktionen, die Aufrechthaltung der Kleinstaaterei etc. etc. sind Beweise, die wahrlich laut genug sprechen. Wer nach den beiden deutschen Revolutionen von 1525 und 1848 und ihren Resultaten noch von Föderativrepublik faseln kann, verdient nirgend anders hin als ins Narrenhaus.

Aber die beiden Revolutionen, die des sechzehnten Jahrhunderts und die von 1848-50, sind trotz aller Analogien doch sehr wesentlich voneinander verschieden. Die Revolution von 1848 beweist, wenn auch nichts für den Fortschritt Deutschlands, doch für den Fortschritt Europas.

Wer profitierte von der Revolution von 1525? Die Fürsten. - Wer profitierte von der Revolution von 1848? Die großen Fürsten, Östreich und Preußen. Hinter den kleinen Fürsten von 1525 standen, sie an sich kettend durch die Steuer, die kleinen Spießbürger, hinter den großen Fürsten von 1850, hinter Östreich und Preußen, sie rasch unterjochend durch die Staatsschuld, stehen die modernen großen Bourgeois. Und hinter den großen Bourgeois stehn die Proletarier.

Die Revolution von 1525 war eine deutsche Lokalangelegenheit. Engländer, Franzosen, Böhmen, Ungarn hatten ihre Bauernkriege schon durchgemacht, als die Deutschen den ihrigen machten. War schon Deutschland zersplittert, so war Europa es noch weit mehr. Die Revolution von 1848 war keine deutsche Lokalangelegenheit, sie war ein einzelnes Stück eines großen europäischen Ereignisses. Ihre treibenden Ursachen, während ihres ganzen Verlaufs, sind nicht auf den engen Raum eines einzelnen Landes, nicht einmal auf den eines Weltteils zusammengedrängt. Ja, die Länder, die der Schauplatz dieser Revolution waren, sind gerade am wenigsten bei ihrer Erzeugung beteiligt. Sie sind mehr oder weniger bewußt- und willenlose Rohstoffe, die umgemodelt werden im Verlauf einer Bewegung, an der jetzt die ganze Welt teilnimmt, einer Bewegung, die uns unter den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen allerdings nur als eine fremde Macht erscheinen kann, obwohl sie schließlich nur unsre eigne Bewegung ist. Die Revolution von 1848 bis 1850 kann daher nicht enden wie die von 1525.


Fußnoten

(1) Das Schießpulver wurde, wie jetzt zweifellos nachgewiesen, von China über Indien zu den Arabern gebracht und kam von diesen, nebst den Feuerwaffen, über Spanien nach Europa. [Fußnote 1875.] =

(2) Wir folgen in den chronologischen Daten den Angaben Zimmermanns. auf die wir bei dem Mangel ausreichender Quellen im Ausland angewiesen sind und die für den Zweck dieses Artikels vollständig genügen. [Fußnote 1850] =

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