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Vissarion, alias Sergej Torop

http://www.spiegel.de/sptv/magazin/0,1518,307306,00.html zum wiederholten male innerhalb eines Jahres, ein echter content provider.



SIBIRISCHE ENDZEITSEKTE

Der Messias vom Ural


Er sagt, er sei Jesus Christus, der "Meister des Lebens". Mitten in der sibirischen Taiga hat er sein Reich: eine "Sonnenstadt", einen heiligen Berg und etliche Jünger. Auch immer mehr Deutsche verschlägt es hierher in der Hoffnung auf Erleuchtung und Seelenfrieden.

Krasnojarsk - Morgengrauen in der "Sonnenstadt", 4000 Kilometer östlich von Moskau. Das Thermometer zeigt 30 Grad unter Null. Ein Gebet ertönt im Reich des selbsternannten Heilands Vissarion. Es soll seinen Jüngern Wärme spenden und natürlich an ihn, ihren Herrn, erinnern. Dann werden die anstehenden Arbeiten an die Brüder verteilt. Auch an Bruder Silvio aus Rostock.

Als einer der treuesten Anhänger Vissarions (übersetzt: Waldmensch) ist es Silvio als einzigem Deutschen vergönnt, mit 75 Russen in nächster Nähe zu seinem Heiland zu leben. Ein spartanisches Dasein: Mit fünf Männern teilt er sich eine Blockhütte, persönliches Eigentum ist verpönt. Der einzige Luxus ist ein Ofen, auch ein Bild des Meisters darf natürlich nicht fehlen.

Uploaded Image: vissaron.jpg

Warum er hier sei, fragt ihn der SPIEGEL TV-Reporter. Silvio antwortet: "Hier ist alles beweglich. Hier dreht sich die Energie. Schon nach fünf Minuten kann die Welt ganz anders aussehen." Auch Krankheiten entstünden nicht etwa auf Grund der mangelnden Hygiene, so der überzeugte Anhänger. Sie seien indes ein Zeichen für falsche Hoffnungen. Er etwa habe sich eine Darminfektion zugezogen, weil seine Hoffnung auf einen Spaziergang nicht in Erfüllung gegangen sei. Dann habe er allerdings in den Werken Vissarions gelesen, und schon zur Mittagszeit, welch ein Wunder, sei ihm wieder wohler gewesen.

Ein Zeichen Gottes? Bestimmt. Auch Sektensprecher Igor Nowikow sieht die Zeichen. Wie sonst könnte es sein, dass in dem einzigen beheizten Haus der Gemeinde tropische Pflanzen gedeihen? Nowikow ist überzeugt: "Wenn die Naturkatastrophe die Welt verändert, werden wir hier diese Gewächse auspflanzen und die Menschheit retten."

Eine Arche Vissarion also. Allerdings eine sehr schlecht erreichbare. Einen mehrtägigen Fußmarsch und lange Wartezeiten in der Kälte müssen viele der Gläubigen ertragen, wenn sie ihren Messias zum sonntäglichen Gebet leibhaftig sehen wollen. Autos kommen hier nicht durch. Sie würden auch den Sinn der offiziell als Ökoprojekt deklarierten Sekte angreifen.

Sonntag. Gebetszeit. Nach Vissarions Rechnung schreiben wir das Jahr 44 der Blütezeit-Epoche, sein Alter. Vor vierzehn Jahren fühlte sich der Heiland, der mal Verkehrspolizist war und Sergei Torop hieß, das erste Mal dazu berufen, das königliche Diadem und den purpurnen Samtumhang zu tragen. Jetzt sitzt er mit letzterem bekleidet auf dem eisigen "Kirchplatz" und will wie eine Ikone wirken. Himmlische Musik ertönt, die Jünger dürfen vor ihm niederknien oder sitzen - natürlich nach einer strengen Ordnung. Vorne die Pfarrer und Aufseher, viele davon ehemalige Offiziere aus der roten Armee und Intellektuelle, hinten der Rest.

Völliges Schweigen - man versucht sich auf die Wellenlänge des Gurus einzustellen. Es heißt, Vissarions energetische Kraft sei so groß, dass Blitze zünden, wenn ihm ein mental noch Unreifer zu nahe kommt.

Bruder Silvio wartet geduldig auf eine Ansprache seines Herrn. Der segnet jedoch nur das heilige Brot und winkt dem Volk zu. Eine kurze Vorstellung. Silvio reicht sie. "Ich konnte wieder viel Kraft sammeln für die nächste Woche", erklärt er.

Das Dorf Guleiwka. Einer der rund 40 kleinen Orte in dem Areal, knapp halb so groß wie die Schweiz, in dem die Anhänger leben. Auch Petra aus Goslar und ihr Freund Siegfried aus Hamburg haben sich hier niedergelassen. Ohne jegliche Habseligkeiten leben sie in einer Blockhütte mit selbst gebautem Plumpsklo. Schon früher, in der DDR, hat sich Petra für Esoterik interessiert. Als ihr dann ein Unbekannter ein Aquarell Vissarions schenkte, war es um sie geschehen. Der Heiland hatte nach ihr gerufen, und nach Computerexperte Siegfried. Der hat sein Heil mittlerweile in transzendentaler Meditation gefunden.

Was die seltsame Glaubensgemeinschaft jedoch eigentlich ausmacht, kann er nicht beschreiben. "Was es überhaupt ist, ist ja zweifelhaft. Mach mal Schnitt. Ich weiß es nicht", so der Mann, der in seinem früheren Leben der Technik und Logik verbunden war.

Auch Vissarion selbst kann anscheinend nicht erklären, was das Geheimnis seiner Ausstrahlung ist und wie er merkte, dass er die Reinkarnation Jesus Christus ist. "Tiefe Gemütsbewegungen. Dafür gibt es keine Worte", lautet die spärliche Erklärung bei einem Besuch in seinem heiligen Reich, der himmlischen Wohnstätte.

Auf einem Sofa im Hintergrund sitzen die zwei Ehefrauen des vermeintlichen Heiligen, Lluba und Nastja, 44 und 16 Jahre alt. Zwei Frauen zu haben ist hier normal. "Dreieckfamilie" nennt sich diese neue Version des Zusammenlebens. Sie ist laut Jünger Igor nötig, weil es zu viele Frauen und zu wenig Männer gebe. "Die Frauen können sich sonst schlecht verwirklichen", so der 36-Jährige. Eifersucht wäre kein Thema.

Von dieser Form der Gemeinschaft zeigt sich auch die 20-jährige Anais aus Köln begeistert. Sie ist vor wenigen Monaten im deutschen Haus eingezogen. Insgesamt leben 15 Deutsche im Gebiet Krasnojarsk. Ihre Beweggründe? "Ich merke hier, wie das ist, wenn zwei Frauen zusammenarbeiten. Das Teamwork ist wunderbar. Und die schwesterliche Beziehung zu dieser Frau. Das ist ein ganz anderer Gedanke", erzählt Anais.

Vissarion hatte sie auf einer seiner Promotion-Touren "entdeckt". Anais über die schicksalhafte Begegnung: "Was mir als erstes auffiel, waren diese Augen. Ich konnte mich nicht lösen von diesem Blick. Ich hab so eine Freude empfunden. Aber dieser Blick, er war warm ums Herz." Noch bereut sie ihre Entscheidung nicht, und Vissarion hat wieder eine Anhängerin mehr in seinem Bergreich, mit der er mental verschmelzen kann und die für ihn arbeiten wird. Der selbsternannte Erlöser gibt sich überzeugt: "Die Jünger werden für sich nie bessere Bedingungen schaffen, wenn sie nicht in der Lage sind, ihrem Hirten das beste Leben zu verschaffen."

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