Zweckgemeinschaft Kunst und …konomie

 

 Schšner wirtschaften oder statt Art Deco jetzt Art Eco: Eine gro§e Ausstellung der Deichtorhallen Hamburg und des Siemens Arts Program geht dem Zusammenhang von "Art & Economy" nach. Es herrscht auffallende Gro§mut auf beiden Seiten. Der Weg der konstruktiven Kritik fŸhrt ins Erbauliche

von BRIGITTE WERNEBURG

 

"Art & Economy" klingt deutlich eleganter als Kunst und Kommerz. Allerdings verrŠt das kaufmŠnnische "&" im Titel der am Wochenende eršffneten Ausstellung in den Hamburger Deichtorhallen ohne weitere Umschweife, dass tatsŠchlich das Geld der Privatwirtschaft und der gro§en Unternehmen gemeint ist, wenn hier der Begriff …konomie ins Spiel kommt. Es ist nŠmlich die Unternehmenswelt seit den 80er-Jahren auch in Europa als Sammler, Fšrderer und Auftraggeber der zeitgenšssischen Kunst mŠchtig ins Spiel gekommen. Damals schloss Europa zu den USA auf. MŠzenatentum - ob von šffentlicher Hand wie in Deutschland oder privat wie in den USA - war out, in waren dafŸr die neuen Gewinnrechnungen der besonderen Art wie Sponsoring und Kunstmarketing fŸr Unternehmenszwecke. Sie reizten schlie§lich sogar Museumsdirektoren, ihr Haus als Art Corporation zu fŸhren. Doch kaum richtig angegangen, ist das berŸhmteste Beispiel eines Museum Brand, Thomas Krens weltweites Guggenheim, inzwischen dabei, spektakulŠr zu scheitern. Das Wort von "GuggEnron" macht die Runde. Entsprechend mehren sich die Fragezeichen zur StabilitŠt des Pakts zwischen Industrie- und Finanzkapital und Kunst, der so viel zu versprechen schien.

Kunst am Arbeitsplatz

 

Wie hŠufig kam das spŠter beklagte Schlechte als das zunŠchst heftig applaudierte Gute in die Welt. "Kunst am Arbeitsplatz" war das Motto, unter dem etwa die Deutsche Bank AG begann, ihre Kunstsammlung aufzubauen. Wer wŸrde hier nicht 70er-Jahre wittern, Kultur der Arbeitswelt, Demokratisierung, Alltagskultur und wie die Schlagworte hie§en? Vielleicht erhielt die Sache in den 80er-Jahren einen hedonistischen Dreh; der Impuls kann aber nicht sehr stark gewesen sein, denn spŠtestens mit den 90ern war die Angelegenheit wieder eine hšchstpŠdagogische. Schlie§lich gilt es im Zusammenhang mit der zeitgenšssischen Kunst "die Anwendung kulturellen Wissens, das hei§t die immaterielle Dimension von Kultur, ihre Ideen, Werte, WŸnsche und Informationen, also die Ausdifferenzierung von Wahrnehmung und Bewusstsein, die die Umwelt der sozialen und der wirtschaftlichen Systeme gleicherma§en prŠgt", zu berŸcksichtigen. So steht es im Geleitwort des Ausstellungskatalogs, und die Sprache verrŠt es: Die PŠdagogik gilt nicht lŠnger den einfachen Bankangestellten. Sie zielt heute auf das Management, das sich in Systemtheorie Ÿbt. Wer derzeit das Deutsche Guggenheim Berlin unter den Linden besucht, das Jointventure, zu dem das Kunstengagement des Geldinstituts schlie§lich fŸhrte, der ahnt nach Bill Violas "Going Forth by Day", dass die Kunst die Aufgabe der spirituellen Vervollkommnung lŠngst zu ihrem Anliegen gemacht hat, wenn nicht unbedingt die des einzelnen Unternehmens, so in jedem Fall die der Gesellschaft. Dieser Eindruck wird auch in der Ausstellung des Siemens Arts Program und der Deichtorhallen GmbH, einem Ÿppigen Parcours mit 50 Exponaten von 36 KŸnstlern, nicht widerlegt.

 

ZunŠchst aber fŠngt der Rundgang mit dem alten Bild vom KŸnstler als Anarchisten recht vielversprechend an. Lebensgro§ abgegossen steht Matthieu Laurette hinter einem Einkaufswagen voller Produkte mit einer Geld-zurŸck-Garantie. Hochkopierte Zeitungsartikel an den WŠnden berichten vom schlagenden Erfolg seiner Kampagne, die darin besteht, die Leute aufzufordern, wie er selbst vor allem diese Waren zu kaufen und von ihrem Garantierecht Gebrauch zu machen. Auf neun Monitoren sieht man ihn in einer Talkshow erklŠren, dass er so wenigstens 200 Euro im Monat spart. Dass an der Wand noch "Chicago, Board of Trade", ein schšner Gursky von 1997, hŠngt, stšrt da nicht weiter. Er nimmt Laurettes Installation jedenfalls nicht den drastischen Charme des Kalauers, der zudem in der Praxis Wirkung zeigt und funktioniert. Doch schon im zweiten Raum wird es mit Eva Grubingers "1:1" etwas fad. Die KŸnstlerin hatte fŸr ein Kunstprojekt 30.000 Mark von ihren Auftraggebern zugesagt bekommen. Aufgrund diese Zusage Ÿberwies sie umgekehrt die Summe zunŠchst an die Auftraggeber; damit hatte sie 30.000 Mark Schulden. Die Auftraggeber, Siemens und die Deutsche Bank, Ÿberwiesen die Summe aber wieder zurŸck, jedoch in Form von Euro. Diese Transaktion wurde von Grubinger fotografisch dokumentiert. Herausgekommen ist eine hŸbsche Illustration zur doppelten BuchfŸhrung, wobei der historische Moment der Euro-Umstellung die Sache unter UmstŠnden komplizierter erscheinen lŠsst, als sie es war. Debit, Kredit, am Ende muss die Rechnung ausgeglichen sein, wofŸr die Auftraggeber die Kunstaktion und -dokumentation bekommen, Grubinger bleibt das zugesagte Projektgeld.

 

Das Offensichtliche hat auch der Spanier Santiago Sierra thematisiert. Ohne den Kunstzusammenhang zu erwŠhnen, in dem er arbeitet, bezahlt er Arbeitslose, Junkies und andere so genannte Unterprivilegierte dafŸr, wenig sinnvolle beziehungsweise degradierende TŠtigkeiten auszufŸhren. Kaum erstaunlich, lassen sie sich einen langen Strich auf den RŸcken tŠtowieren oder halten eine herausgebrochene Wand acht Stunden lang im Winkel von 60 Grad. Wer Geld fŸr Heroin oder Essen braucht, hat - das ist an sich bekannt - keine gro§en Mšglichkeiten, Angebote abzulehnen, an dieses Geld zu kommen. Immerhin, Sierras Versuchsobjekte werden sich ein Leben lang an diesen Job erinnern, fŠllt er doch signifikant aus der Routine der Drecksarbeit heraus, die sie sonst machen. Und signifikant fŠllt auch Sierras Zynismus in der ungemein aufgerŠumten, frischen und sauberen AtmosphŠre auf, die trotz der teilweise sehr komplex angelegten Arbeiten in den Deichtorhallen herrscht.

Verantwortungsdiskurs

 

Das gelingt auch Josef Sappler mit seinen krude hingepinselten Tafelbildern, die die schšne neue Welt postindustriellen Arbeitens darstellen: die erst vollen, dann aber leer gerŠumten BŸros der Dot-coms und Start-ups, die eben schon wieder der Vergangenheit angehšren. In ihrem altmodischen Traditionalismus - Sappler nennt seine Bilder nicht ohne Grund sozialistisch -, die Verlierer des Wirtschaftsprozesses zu zeigen, stehen sie auf glŸckliche Weise všllig kontrŠr zu den anderen Arbeiten. KontrŠr zu den kŸnstlerischen Interventionen, den kŸnstlerischen Aneignungen von Logos und MarketingkalkŸlen oder der kŸnstlerischen †bernahmestrategie von Marktforschungsinstrumenten, Methoden, wie sie "Art & Economy" neben den Arbeiten von General Idea, Masato Nakamura, dem Atelier van Lieshout oder dem Bureau of Inverse Technology auch in der Projektreihe "Wirtschaftsvisionen" prŠsentiert, in der KŸnstler mit einem Unternehmen ihrer Wahl ein Kunstprojekt realisierten. Denn so durchdacht diese Arbeiten im Einzelnen ausgearbeitet sind, etwa bei Peter Zimmermanns "Corporate Sculpture", einer handgeflochtenen Rattanplastik, zu deren Form mps mediaworks die Daten lieferte: Allen haftet die schwer ertrŠgliche Disposition des Mittels zum Zweck an. Der Zweck ist dabei keineswegs ein durchaus legitimer škonomischer Gewinn, weder aufseiten der KŸnstler noch aufseiten der Unternehmen. Der Zweck liegt vielmehr in einem zivilgesellschaftlichen Verantwortungsdiskurs, dessen Implikationen nicht weiter fraglich scheinen und zu dem sowohl die Kunst als auch die Wirtschaft mit Ideen, Werten und Kritik beitragen wollen. Der Zweck hei§t fŸr die Wirtschaft "Corporate Citizenship" - und die Kunst trŠgt dieses Konzept offenbar willig mit. WŸrde diese Entwicklung nicht im Rahmen der freien Wirtschaft ablaufen, wŠre man versucht, das Wort "staatstragend" zu benutzen.

 

Entsprechend herrscht auffallende Gro§mut auf beiden Seiten. Die Wirtschaft will in der Kunst nicht nur das ReprŠsentationsinstrument schlechthin fŸr ihr vieles Geld sehen, das als Geld eben immer etwas unansehnlich ist; und die Unternehmen mšchten nicht nur solche Kunst fšrdern, die unmittelbar dem Konzept ihrer Corporate Identity entspricht und ihrer Au§endarstellung dient. Ist die Arroganz also auf der einen Seite verschwunden, kann die zeitgenšssische Kunst umgekehrt mit einem dezidierten Feindbild von Kapitalismus und Ausbeutung nichts mehr anfangen. Sie geht den Weg der konstruktiven Kritik. Konkret erwŠchst so in der Ausstellung "Art & Economy" tatsŠchlich eine neue NŠhe von Kunst und …konomie, der freilich die Kluft, die im Alltagsleben ohne Weiteres zwischen Wirtschaft und Politik oder Wirtschaft und Familie zu spŸren ist, entgegensteht.

 

Die Kunst und das unternehmerisches Engagement fŸr die Kunst, das in einer Dokumentationsschiene in all seinen Formen vom Corporate Collecting bis zu den Kunstseminaren und KunstgesprŠchen fŸr die Mitarbeiter offen gelegt wird, scheinen diesen lebensweltlichen Bruch in "Art & Economy" mit der Strategie der Gebrauchsanweisung beantworten zu wollen. Die Projekte verhei§en ein So-macht-man's-richtig, ein Alles-wird-gut. Die Welt ist fehlerhaft, aber sie kann, nein, sie muss entwickelt werden. Die einen nehmen dafŸr den BaseballschlŠger, die anderen den Baselitz. Die alte Parole "Take the money and run", die Dirk Luckow, Kurator des Siemens Arts Program, fŸr den einstmals Ÿblichen Umgang von KŸnstlerInnen mit Unternehmen zitiert, hat einiges fŸr sich. Davon ist man nach dem Ausstellungsrundgang Ÿberzeugt.

 

 Bis 23. Juni, Katalog 39,80 Û

 

taz Nr. 6692 vom 5.3.2002, Seite 15, 311 Kommentar BRIGITTE WERNEBURG, Rezension