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Jane & Louise Wilson

Jane & Louise Wilson


Stasi City



Stasi City besteht aus zwei Doppelleinwandprojektionen und einer Reihe von Standphotos, die vor Ort in einem verlassenen Gebäudekomplex aufgenommen wurden, in dem früher der Staatssicherheitsdienst der DDR untergebracht war.
Die Doppeleckprojektion wird in einer zweiten, leicht abgewandelten Doppeleckprojektion auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes wiederholt. Die Bilder der gleichen Doppelprojektionsfolgen gleichen sich und zeigen eine Reihe von Büroräumen, Korridoren und Verhörzimmern, die in der Zeit des Kalten Krieges zu den Räumlichkeiten des Ministeriums für Staatsicherheit gehörten.
Ihre Erzählstruktur ist täuschend einfach: aus höchstens 30 Einzelbildern bestehend, beginnt die Projektion damit, das im Amtszimmer des letzten Ministers für Staatssicherheit Erich Mielke, sämtliche Lichter gleichzeitig angehen. Darauf folgt eine ungeschnittene Kamerafahrt durch die leeren, labyrinthischen Räume des Ministeriums, bei der die Kamera sich einem Spion gleich eilig durch die Gebäude bewegt, Türen öffnet und einem flüchtigen Blick in eine Reihe leerer Büros wirft. Zu sehen sind unter anderem Stühle, Telefone, Instrumente der Überwachung. Im letzen Raum sehen wir eine Frau mit DDR-Freizeitkleidung und eine Thermoskanne frei im Raum schweben. Das Bild endet damit, dass der schwerelose Zustand aufgehoben wird und die Thermoskanne mit einem lauten Geräusch auf dem Boden fällt.
Die Videobilder in Stasi City erscheinen stets als zwei Ansichten aus jeweils identischem Blickwinkel, die allerdings nicht ganz synchron und gelegentlich sogar nacheinander geschaltet sind. So bewegt sich irgendwann eine schwebende Figur in der linken Projektion quer durch das Bild in Richtung der rechten Projektion , um den Flug durch das dortige Bild fortzusetzen. In der Mitte des Videos ist eine Reihe von Fernsehgeräten- Instrumente der Beobachtung und Überwachung- perfekt gespiegelt; hierauf folgt in einem jähen Schnitt das Bild zweier gleichzeitig sich auf- und abwärts bewegender Aufzüge.
Die Doppelprojektion von Stasi-City ist vielseitig und umfangend; sie umgibt den Betrachter mit Bildern, die eine unheilschwangere und emotionsgeladene Atmosphäre erzeugen. Das erste Geräusch, das man hört, wenn das Video anfängt, ist das Summen der Elektrik des Gebäudes und seiner grellen Neonleuchten. Es folgt das Geräusch einer klirrenden Kamera, die, so vermutet man, in der Handtasche einer Frau versteckt ist, die wir dabei beobachten, wie sie heimlich Mielkes Arbeitszimmer verlässt. Damit deuten Jane und Louise Wilson bereits das Leitmotiv des Videos an: immer wird es um Akte der Beobachtung und des Aufzeichnens gehen, ja im Grunde genommen um den Akt des Filmens, wobei eine beunruhigende Analogie zwischen diesem Vorgang und den geheimen Aktionen der Staatssicherheit hergestellt wird.
Die Verdopplung ist ein Wesenszug der Kunst von Jane und Louise Wilson, eine Andeutung ihrer Ähnlichkeiten und Gegensätze sowie ihrer jeweiligen Individualität. Abgesehen vom naheliegenden Bezug, dass sie Zwillinge sind, lässt sich diese Dualität auch als Anspielung auf das doppelte Bild des Stereoskop verstehen, dass durch die Verschmelzung zweier dem Anschein her identischer Bilder, in Wirklichkeit jedoch unterschiedlicher Bilder diese in einer anderen Dimension zur Deckung bringt. Eben jener spezifische kaum wahrnehmbare Unterschied ist notwendig, um die dritte Dimension darzustellen und so die Illusionen von Wirklichkeit zu erzeugen. Die Künstlerinnen erzeugen eine psychologische Dimension, die wiederum den Betrachter eine umfassendere und komplexere Wirklichkeitsauffassung ermöglicht. Jane und Louise Wilson waren „an der Skala von Gefühlen interessiert, die sich mit der Organisation wie der Stasi verbinden“. Die Inszenierung des Körpers im letzten Raum gleicht einer Performance. Die Figur befindet sich in einem Vakuum, sie ist nicht in der Lage, den Raum zu verlassen. Durch dieses Element wird die dokumentarische Wirkung von Stasi-City aufgebrochen.
In Stasi City liegt ein Thema zugrunde, das im Werk der beiden regelmäßig wiederkehrt: die scheinbar identische und doch grundlegend verschiedene Wahrnehmung einer Situation, die, sobald sie in der Gegenüberstellung anschaulich wird, das Gefühl der Relativität, der Entfremdung und der Unergründlichkeit der menschlichen Erfahrung verstärkt.



Biographie
Die Zwillinge Jane und Louise Wilson sind 1967 in Newcastle-upon-Tyne in England geboren. Ab 1986 besuchten sie das College of Art in Dundee (Louise), sowie die Newcastle Polytechnic (Jane) und das Goldsmith´s College in London (Jane und Louise). Die beiden Künstlerinnen gewannen diverse Preise, darunter der Turner-Preis.
Zu den bekanntesten Soloaustellungen zählen neben Stasi City, Routes 1 & 9 North, Crawl Space und Normapaths. Jane und Louise Wilson arbeiten und leben in London.

Literatur: Stasi City (Kunstverein Hannover)


Referat von Martina Klönne



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