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3.3 Krise des Aktionsbilds

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Das Problem muß vielmehr auf der Ebene des Bewegungs-Bildes aufgesucht werden. Denn im Aktionsbild stellt sich zunächst jene "Zweitheit" her, die den Affekt wahrnehmbar macht, an den sensomotorischen Bewegungsapparat durchstellt und in der Aktion auf die umgebenden Bilder zurückwirken läßt. Insofern entspricht das Aktionsbild einer Konstellation des Bewegungs-Bildes und einer bestimmten Narration, die sich in ihr freisetzt, ohne jedoch im Aktionsbild aufzugehen. Folglich fragt Deleuze danach, ob es den Aktionsfilm jemals außerhalb einer "Krise" gegeben hat. Denn nie konnte das Bewegungs-Bild zu einem "reinen" Aktionsbild werden. Stets wurde es von anderen Bildern, von toten Zeiten und ganzen Ensembles unverzichtbarer Einschübe durchquert, die das Aktionsbild von sich selbst trennen, es aufschieben und auf ein "Jenseits " verweisen, aus dem das Aktionsbild selbst hervorgeht. Insofern beschreibt dieses Bild von Anfang an die Geschichte seiner eigenen "Krise". Sie wegzuschneiden, definiert gewiß die zweifelhafte Macht der Produzenten. Doch ebenso skizziert sie, inwiefern das Aktionsbild daran gehindert werden soll, über sich hinauszuführen: nach der "Erstheit" und der "Zweitheit" also eine "Drittheit", wie Deleuze mit Peirce sagt: sie führt die Relationen einer Gesetzmäßigkeit ein, denn sie "ist eine Modifikation des Seins eines einzelnen Subjekts, welches der Modus eines zweiten ist, insofern es die Modifikation eines dritten ist. Sie kann ein innerer Grund genannt werden. (...) Jedes Gesetz bzw. jede allgemeine Regel drückt eine Drittheit aus, weil sie eine Tatsache dazu bringt, eine andere zu verursachen." 29 Deshalb kann das Aktionsbild bei Hitchcock mit sich abschließen, weil es hier beeits von einem Dritten auf sich zukommt. Unübersehbar führt sich in den Filmen Hitchcocks ein, was Deleuze das "mentale" oder das "Relation-Bild" nennt. Es geht weder in der Wahrnehmung auf noch im Affekt oder in der Aktion. Es rahmt und transformiert sie gleichermaßen, und so schafft es eine neue Situation. Sie geht nicht mehr von Zweien aus, die sich in Aktionen gegenübertreten, um mit der Bewegung im vielfachen Szenario des Duells abzuschließen. Vielmehr geht auch die Aktion aus Relationen hervor, die den Akteuren nicht nur einen Platz, sondern vor allem die Logik ihrer Aktion vorschreiben. Und darin treibt Hitchcock nicht nur das Aktionsbild an seine Grenze; nicht weniger muß er mit einer bestimmten Tradition des Filmschauspiels und der "Führung" seiner Schauspieler brechen.

Uploaded Image: pfeil.gif 3.4 Fragen an Deleuze II

  29 Charles Sanders Peirce: Weitere selbständige Ideen und der Streit zwischen Nominalisten und Realisten, in: ders.: Naturordnung und Zeichenprozeß. Schriften über Semiotik und Naturphilosophie, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1991, S.381.






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