[View]  [Edit]  [Attachments]  [History]  [Home]  [Changes]  [Search]  [Help] 

2.7 Einschub zur Metaphorologie

len
<-Index

Einschub zur Metaphorologie. Doch noch früher könnte man einwenden, daß sich all diese Analysen im Horizont einer bestimmten Metaphorik bewegen.
Denn was bedeutet es, eine "Indeterminations-Zone" wie eine "fotografische Platte" funktionieren zu lassen? Und was, Schalttechniken der Telekommunikation einzuführen, um die Differenz von Teilung und Zeit zu denken? Lassen sich solche Begriffe von ihrer eigenen Metaphorik, von einer "Bildhaftigkeit" nicht gleichsam gefangen nehmen und forttragen? Doch zum einen: wäre dies das schlechteste? Und zum andern oder vor allem: stillschweigend setzt eine solche Frage voraus, daß es "hinter" den Metaphern oder "in" ihnen eine Bedeutung gäbe, die nicht-metaphorisch wäre – und insofern "wahr". Man unterstellt den Metaphern eine "eigentliche", eine von jeder übertragenen oder "bildhafter" Bedeutung unabhängige "Intelligibilität". Zwar soll sich diese Intelligibilität in das Bild der Metapher einkleiden oder investieren können, doch nur unter der Bedingung, daß Vorkehrungen getroffen wurden, die die Übertragung (metaphorá) daran hindern werden, in unkontrollierte Bewegungen dieser Bilder überzugehen und die "eigentliche" Wahrheit zu verfehlen. Anders gesagt, setzt man bereits ein Regime von Begriffen voraus, das sich über die Metaphern, also über die Bilder errichtet hat. Man wird also zum Metaphysiker oder Semiologen. Die Bilder werden genötigt, eine Bewegung zu beschreiben, die von einer "eigentlichen" Bedeutung ausgeht, um zu ihr zurückzukehren 21. Stets beschreibt die Wahrheit insofern die Zirkel einer Narration, die sich zwischen einem Anfang und einem Ende entspannt. Bilder und ihre Übertragungen sollen in diesem Zirkel nur einspringen können, um eine "eigentliche" Bedeutung zu sich zurückfinden zu lassen. Kurz, man unterwirft Übertragung, Medium und Bewegung einer Teleologie des narrativen Sinns und seiner Zeit; und immer kehrt man damit zu einem bestimmten "Autorenfilm" zurück, der die Techniken der Metaphern und Bilder im Zeichen eines bestimmten, unhintergehbaren oder eigentlichen "Subjekts" und seiner Semiologie kontrollieren soll. Doch zum einen sind alle Begriffe, die derart über die "Eigentlichkeit" der Bedeutung wachen sollen, selbst schon "Metaphern". Dies gilt nicht erst für den "Begriff des Begriffs" selbst, indem er greifen und begreifen will, für den Begriff des sub-iectum als eines Unterworfenen oder für den des Eigenen, des Eigentums oder der Eigentlichkeit, der bereits griechisch mit der Idiotie des Privatmanns korrelliert. Es gibt nur Metaphern oder Übertragungsbewegungen, wie Nietzsche zeigen konnte, und dies nicht einmal als erster. Aber zum andern und über Nietzsche hinaus: von einer Metapher oder einem Bild ohne eine Relation zum "Eigentlichen" oder von einer Metapher einer Metapher zu sprechen, ist bereits darauf hinausgelaufen, den Begriff der Metapher selbst zerfallen zu lassen. Und insofern gibt es nicht einmal "Metaphern". Es gibt eine metaphorá medialer Übertragungen, in denen Bilder wie Begriffe gleichermaßen auftauchen, um produktiv zu werden. Und ist es nicht das, wovon Bergson ausgeht, oder das, wovon Deleuze spricht: von einer Bewegung ohne "Eigentlichkeit", auf die sie zulaufen würde? Vom Bewegungs-Bild, das sich auf keinen "transzendentalen Signifikanten" einer "eigentlichen Wahrheit" zurückführen läßt? – Deshalb läßt sich nicht einmal auf direktem Weg beantworten, in welchem Maß Begriffe bei Bergson, Peirce oder Deleuze einer Metaphorik unterliegen, die sie gefangen nähme und an "der Wahrheit" vorbeigehen ließe. Stillschweigend hat, wer dies fragt, die Wahrheit schon zu einer substantiellen Gegebenheit gemacht, als dessen Priester die Philosophen eingesetzt werden. Überraschend mag das zumindest sein, wo dies Künstlern widerfährt oder solchen, die vorgeben, mit "Kunst" zu tun zu haben. Es ist, als könnten sie sich ihrer selbst nur sicher sein, solange sie daran glauben dürfen, "andernorts" gäbe es die Wahrheit und Begriffe oder Instanzen, die für diese Wahrheit bürgen. Aber was, wenn es keine Begriffe gäbe, auf die sich die Bilder zurückführen lassen? Dann würden sie keine Bewegung beschreiben, die auf ein Ziel hinausliefe. Und auch die Zeit wäre nicht mehr das Gezählte an der Bewegung. Vor allem aber: was, wenn die Begriffe nur auf diese Weise Bilder – und damit produktiv werden könnten?

Uploaded Image: pfeil.gif 2.8 Typologie der Bilder

  21 Vgl. Hans-Joachim Lenger: Vom Abschied. Ein Essay zur Differenz, Bielefeld: transcript 2001, S.57ff.






Links to this Page