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5.9.1 Modulationen des Digitalen

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Modulationen des Digitalen. So verstreut die Hinweise sind, die Deleuze dieser Frage widmet, so sehr bilden sie doch einen Zusammenhang. Sobald man die Bilder auf einen Signifikanten zurückführt, hat man nämlich nicht nur ein bestimmtes Verhältnis von Analogie und Arbitrarität, sondern auch eines von "Innen" und "Außen" eingeführt. Das "Vorstellungsbild" (Saussure) des Signifikats ist in dieser Hinsicht bereits die Äußerung selbst. Sie läßt etwas nach außen treten, was aus dem "Innen" eines arbiträren Codes hervorgeht. Und insofern gruppiert sich semiologisch alles in Oppositionen, zwischen einer "arbiträren" Struktur und einer "analogen" Bedeutungsebene der Bilder, die einem "Innen" und "Außen" entsprechen. – Bei Deleuze taucht all dies aber nur auf, um solche Demarkationslinien sofort zerfallen zu lassen. Denn "wir glauben nicht mehr an ein Ganzes, auch nicht mehr an ein offenes Ganzes, als Innerlichkeit des Denkens; wir glauben an eine Kraft des Außen, die sich höhlt, uns ergreift und das Innen anzieht. Ebensowenig glauben wir noch an eine Assoziation der Bilder, auch wenn sie die Leerstellen überwinden; wir glauben an Einschnitte, die einen absoluten Wert annehmen und sich jegliche Assoziation unterordnen." 83

Aber worin besteht dieses "Außen" im Unterschied zu den Beziehungen, die die Bilder bisher eingegangen waren? Auch das Bewegungs-Bild war schließlich auf ein gewisses "Außen" bezogen gewesen, indem es eine unaufhörliche Verwandlung in andere Bilder durchlief. Von der Peirce'schen Erstheit zur Zweitheit zur Drittheit... und zurück; von der Bewegung zur Wahrnehmung zur Aktion... und zurück; vom Affekt zur Erinnerung zur virtuellen Wahrnehmung... und zurück. Überall handelt es sich um Verkettungen, deren innere Grenzen sich in äußeren Grenzen abstützten und auf sie übergriffen, um sich innerhalb ihrer fortzusetzen. Stets kulminierte die Bewegung dabei in einer Peirce'schen "Drittheit", weshalb die Einschnitte immer auch einen "relativen" Wert bildeten, der einer gewissen Zirkulations- und Austauschbewegung der Bilder entsprach. – Mit dem Zeit-Bild, so erklärt Deleuze nunmehr, nehmen bestimmte Einschnitte jedoch einen "absoluten Wert" an, der sich jegliche Assoziation unterordnet. Und damit zeichnet sich ein "anderes Außen" als das der Verkettung ab. Der "absolute" Wert des Einschnitts resultiert nicht mehr in Verweisen von "Innen" und "Außen", und ebenso wenig ist er ein Moment einer Verkettung der Bilder. Er zeigt sich vielmehr als ein "Außen", das sich in den Leerstellen der Bilder selbst niedergeschrieben hat. Eben darin aber besteht das Zeit-Bild, und ebenso erweist sich hier, wie sehr jede Analyse der Zeit einer Analyse der Endlichkeit bedarf: "es handelt sich um das Äquivalent eines irrationalen Schnitts, der nicht-kommensurable Beziehungen zwischen den Bildern festlegt. Sodann handelt es sich nicht mehr um eine Lücke, welche die verbundenen Bilder überwinden müssen; die Bilder sind gewiß nicht dem Zufall überlassen, doch es gibt nur noch Neuverkettungen, die dem Schnitt unterliegen, anstelle von Schnitten, die der Verkettung unterliegen." 84 Insofern übernimmt das Intervall nunmehr selbst die Rolle eines "Zentrums" der Verkettungen. Dies scheint zunächst ein bloßes Paradox darzustellen. Denn wie sollte eine Verkettung dem Schnitt eines "absoluten Außen" unterliegen, das zu ihrem Zentrum wird, anstatt ihrerseits Schnitte freizugeben, die aus der Abfolge ihrer Glieder hervorgehen? Ganz offensichtlich besteht der "absolute Wert" dieses anderen Einschnitts in einer Beziehung zu sich selbst, die alle Innen- und Außenbeziehungen des Bewegungs-Bilds ebenso durchquert, wie sie sich jeder ihrer Zentrierungen entwunden hat. Es geht um Zeichen, die keiner "analog" gedachten Bildlichkeit mehr korrespondieren, aber ebenso wenig in einem einfachen Begriff des "Digitalen" aufgehen, wie er von Semiologie oder Medientechnologie angeboten wird. Vielmehr skandieren sie "Analoges" wie "Digitales" gleichermaßen. Und darin schreibt sich ein Außen ein, das sich weder auf eine Bewegung noch einen Code festlegen läßt; eben dies nennt Deleuze die Modulation: "Was hier 'analog' ist, hat nichts mehr mit der Ähnlichkeit gemein, denn hier tritt die Modulation ins Spiel – so wie bei den sogenannten Analogrechnern. Man wird einwenden, daß die Modulation ihrerseits sowohl auf die Ähnlichkeit verweist, und sei es nur, um die Grade innerhalb eines Kontinuums zu ermitteln – als auch auf einen Code, der in der Lage ist, die Analogie zu 'digitalisieren'. Aber auch dies trifft nur dann zu, wenn man die Bewegung anhält." 85

Uploaded Image: pfeil.gif 5.9.2 Die Differenz der Zeit

  83 Deleuze II, S.273.
84 Deleuze II, S.275.
85 Deleuze II, S.44.






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