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Robbie Williams' Clip zu Rock DJ

Robbie Williams' Clip zu Rock DJ
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Danse Macabre oder Über den Totentanz

Totentänze sind in ihrer ursprünglichen, künstlerischen Form bildliche Darstellungen des Todes. Der Ursprung der Totentänze liegt im Mittelalter. Der erste Totentanz, der Lateinische Bilderbogen, entstanden um 1350, wurde von dem Dominikaner-Orden in Auftrag gegeben. Es handelt sich bei den Totentänzen zunächst um Fresken, die an Kirchhofsmauern angebracht wurden. Dementsprechend steht auch ihre Funktion im Dienst des kirchlichen Dogmas: Die Abbildungen des Todes, wie er tanzend den Mensch ins Jenseits führt, sollen die Kirchgänger an ein gottgefälliges, frommes Leben mahnen. Damit reagierte die Kirche ihrerseits auf eine sich verselbständigende Tanzwut des Volkes im Mittelalter. Man glaubte, durch das Tanzen als eine Form des Abwehrzaubers, dem Tod Einhalt gebieten zu können. Dieser Glaube geht auf tradiertes mystisches Gedankengut zurück, das in Zeiten der Pest und damit der Allgegenwärtigkeit des Todes einen Höhepunkt erlebte. Die Kirche instrumentalisierte nun das Phänomen des tanzenden Todes für ihre Zwecke, um das Ablaufen ihrer Jünger in andere, obskur erscheinende Glaubensgemeinschaften und Sekten zu verhindern. Sie bezeichnete die Gesänge und Tänze, die häufig auf Volksfesten und Kirchhöfen abgehalten wurden, als unkeusch und teuflisch. Sie erkannte aber auch das enorme Potential dieser Totentänze, die dem Volk Halt zu geben schienen in einer Epoche enormer Verwirrung. Um die eigene stabilisierende Funktion im Sozialgefüge halten zu können, instrumentalisierte die Kirche die Totentänze folglich und gab ihnen eine stark moralisierende Form.

Was ist nun auf den Totentänzen zu sehen? Zunächst handelt es sich um ein bimediales Kunstwerk, d.h. neben dem Bild findet sich in der Regel ein kleiner Text, meist zwei-, vier- oder achtzeilig. Dieser Text soll den Appellcharakter des Bildes unterstützen, welchem in der Regel die größere Bedeutung zukommt, da der größte Teil der Menschen im Mittelalter weder lesen noch schreiben konnte. Nach der Erfindung des Buchdrucks wurden Totentänze auch in handlichen Bilderzyklen verteilt. Auch Holzschnitte und Kupferstiche sind bekannt.
Im Zentrum des Bildes steht zunächst der tanzende und musizierende Tod vor dem Hintergrund einer Kirche oder eines Friedhofs. Der Tod buhlt um die Lebenden, die sich ihm zunächst verweigern. Er fordert sie zum Tanz auf, was sowohl im Text als Frage und Antwort-Paar und bildlich im Paar- oder auch Reigentanz dargestellt wird. Die abgebildeten Menschen stehen symbolisch für jeweils eine gesellschaftliche Gruppe, sie sind Ständevertreter. Die Reihung geht dabei in der Regel vom Papst über den König, den Kaufmann, den Bauer bis hin zum Bettler. Der Tod tanzt entweder einzeln mit jedem Ständevertreter einen Paartanz oder im Reigen mit allen, also jeweils der Tod und seine Gehilfen mit einem Menschen. Die appellative und mahnende Funktion der Totentänze wird ikonographisch häufig durch einen Prediger dargestellt.

Auf den Tanz verweisen zahlreiche Musikinstrumente und zwar solche, die als teuflisch gelten: Trommeln, Pauken, Flöten, Dudelsack usw. Auch die Sanduhr als Symbol der verinnenden oder abgelaufenen Zeit findet sich häufig. Gern gesehene Figuren sind auch Ärzte und Apotheker, die trotz ihrer heilenden Funktion dem Tod keinen Einhalt gebieten können. Dies verdeutlicht die zentrale Aussage aller Totentänze: Jeder wird sterben, unabhängig vom gesellschaftlichen Rang. Worauf es ankommt ist die richtige Vorbereitung auf das Leben nach dem Tod. Denn der Tod führt die Sündiger auf Bildern stets nach links in die ewige Verdammnis, die Frommen dagegen nach rechts, der himmlischen Seite.

Um 1540 setzt mit Hans Holbein und seinen Imagines Mortis eine ikonographische Veränderung der Totentänze ein. Fortan löst sich diese Kunstform von der Kirche und wird eigenständig. Der tanzende Tod verschwindet nahezu und wo er früher noch mit Haut überzogen war, kommt er nun als Skelett daher. Zudem erfährt der Tod eine Individualisierung, denn er trifft nicht mehr auf repräsentative Ständevertreter sondern auf den Einzelnen. Die Szenerie ist nicht länger an den Friedhof gebunden, der Tod holt sich seine Opfer auch im Garten. Dieses Opfer, im übrigen, hat nicht zwingend länger Angst vor dem Tod; es begegnet ihm auch durchaus offensiv, was zur Folge hat, dass der Tod nun um den Menschen buhlen muss, ja sogar selbst unterwürfig wird. Diese Veränderung des Totentanzes ist natürlich an die Veränderung der gesellschafltichen und geistigen Rahmenbedingungen geknüpft. Die Kirche verliert im Zuge der Säkularisierung ihre dominante Position. Und mit der Aufklärung verliert auch der Tod an Schrecken. Er wird verstehbar und damit bis zu einem gewissen Grad oder vielmehr Zeitpunkt vermeidbar. Dies erklärt auch, warum der Totentanz heute kaum noch eine Rolle spielt.

Die letzte Hochphase hatte der Totentanz im Fin de Siècle, besonders in der Literatur. Hugo von Hofmannsthal greift das Motiv mehrfach auf, beispielsweise im Jedermann und in Der Tor und der Tod. Auch in Arthur Schnitzlers Traumnovelle ist es sehr schön umgesetzt. Dabei wird das Motiv von beiden Autoren modern gewendet und auf die Situation ihrer Zeit angepasst. Der Tod wird hier nahezu herbeigesehnt, da das Leben als wertlos erscheint. Die Dekadenz-Literatur des Fin de Siècle ist tief vom ennui des Lebens geplagt. Das Teuflische, das Traum- und Rauschhafte des Todes bietet mehr Gefühl und Leben als das Leben selbst. Der Tanz in den Tod als Flucht aus dem Leben.

Zuletzt fiel mir das Motiv des Totentanzes in der Popkultur auf. Da war zunächst Robbie Williams' Clip zu Rock DJ, wo Herr Williams persönlich vom tanzenden Frauenheld zum tanzenden Tod mutiert, indem er sich erst - zur Verzückung der Damen und wohl so mancher Herren - die Kleider vom Leib reisst und dann in einen Tanzwahn verfällt (siehe oben, das hatten wir bereits im Mittelalter) und sich gleich noch Haut und Organe rausreissen muss.
The Faint haben dem Thema gleich ein ganzes Album gewidmet: Danse Macabre. Dieses Album war nach Angaben der Band motiviert durch die Entscheidung, lieber das zu tun, was Spaß macht und den Jungs am Herzen liegt, sprich Musiker zu sein - auch mit dem Risiko, dass der Erfolg irgendwann ausbleibt. Die Vorstellung, irgendeinen letztlich unerfreulichen Job zu machen, der sie zwar über Wasser hält aber auch zutiefst unglücklich macht, war schlicht und einfach zu grausam. Die Musik ist straight geradeaus, tanzbar, energetisch. Man tanzt dem Tod davon, er kommt schon früh genug. Wieso also schon ein todunglückliches Leben haben?

Melanie Grundmann/Oktober 2004


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