View this PageEdit this PageAttachments to this PageHistory of this PageTop of the SwikiRecent ChangesSearch the SwikiHelp Guide

Mitschnitt vom 06.01.11

Autor: Mittschnitt und Fotos Antje Eske

06.01.2011. Konversation 13: Erfahrungen im Social Web: SoundVision, et al.

Beteiligte: Kurd Alsleben, Jonas Alsleben, Tanja Döring, Antje Eske, Carl Hoffmann, Torsten Juckel, Tilo Kremer, Roland Schröder-Kroll, Axel Sylvester, 2 Besucherinnen, 2 Besucher, Lea und Luca Hess mit Eltern (Besucher)

Uploaded Image: Axel.zeigt.jpg
Axel eröffnet die Konversation:
Hier ist die Ausstellung Konversationskunst und das ist nicht einfach nur eine Ausstellung, sondern Kurd und Antje kommen hier regelmäßig her und konversieren mit Freunden, Anregern und Anregerinnen und Leuten, die hier das Museum besuchen. Heute ist eine Anregung die Installation SoundVision, die dort hinten steht und von Roland, Torsten, Tanja und Steffi, die jetzt grade nicht da ist, gemacht wurde. Ich leite mal kurz ein, wie wir jetzt dieses Konversationsspiel hier begehen werden:

Mit der Installation SoundVision, wie sie hier im Ausstellungsraum des ZKM aufgebaut ist, können zwei Konversationspartner telemedial vermittelt audiovisuell konversieren. Die Bediener der Station zeichnen dazu ein Bild oder nehmen einen individuellen Blickwinkel mit einer Kamera auf. Jede oder jeder für sich wählt eine dem Bild angemessene Vertonung aus - da gibt´s verschiedene Instrumente - und spielt das Bild und damit den Ton der anderen Person über den gemeinsamen Raum zu. In diesem Fall ist das hier die Wand. Der audio-visuelle Ausdruck ist nun im Raum und inspiriert den Konversationspartner zum Aufnehmen, Weiterspinnen oder Verwerfen des Konversationsfragmentes. Es entsteht ein schönes Spiel zwischen zwei Konversationspartnern. Dieses Spiel möchten wir heute, in der Tradition der Salonièren weiterführen, und in einer größeren Runde hier am Tisch spielen. Die Basis des Konversationsspiels bildet ein traditionelles, gezeichnetes Cadavre Exquis, - das erklären wir gleich nochmal, was das genau ist - an dem alle Spieler jeweils auf einem Blatt Papier zeichnen. - Also jeder Einzelne hat ein Blatt Papier. - Nach einer gewissen Zeit wird das Papier an die Person nebenan weitergegeben. SoundVision fungiert hierbei als eine Ausdrucksvariante im Konversationsspiel für jeweils eine Person, bzw. zwei Personen im Konversationskreis. - Also SoundVision ist hier auf den Rechnern installiert und ist sozusagen so ähnlich, wie so´n Stück Papier. Auch der Computer mit SoundVision wird zum Zeichnen verwendet und reihum weitergereicht. Im Gegensatz zum stillen oder intimen Zeichnen auf dem Papier, bei dem nur ein Fragment der Zeichnung dem Konversationspartner weitergereicht wird und somit auch nur ein Teil des Ausgedrückten die Konversation inspiriert, ist die klangliche Komponente des Gezeichneten für alle Konversierenden im Salon hörbar. Es entsteht die Möglichkeit zu einer Art “Attention Economy“ - einer Ökonomie der Aufmerksamkeit. Durch Technik wird hier ein unüberhörbarer Bruch evoziert und obgleich analog zu sozialen Netzwerken unserer Zeit durch das Weitergeben des Mediums SoundVision vordergründig ein gleichberechtigter Zugang gewahrt ist, ist es die Entscheidung jedes einzelnen Konversierenden, ob er dieses Medium im Sinne einer Muse für die anderen oder in Form einer Rhetorik einsetzt.

So, das ist der einleitende Text. Es hört sich vielleicht komplizierter an, als es ist. Ein Cadavre Exquis ist normalerweise ein Text, der von verschiedenen Personen weitergeschrieben wird. Ein gezeichnetes oder grafisches Cadavre Exquis ist dann eben ein Bild. Eigentlich ist nicht vorgegeben, ob es nun ein Text oder ein Bild ist. Was man gut machen kann ist, dass man das Blatt einfach knickt, dass man immer nur ein Stück des Gezeichneten von dem Nebenmann sieht. Also wenn Antje was malt oder zeichnet und gibt es dann irgendwann mir rüber, dann sehe ich sozusagen nur einen Ansatz davon. Und wir integrieren jetzt SoundVision mit diesen Laptops auch mit ins Spiel. Das heißt, zwei Leute haben am Anfang kein Papier, sondern dieses SoundVision-Programm und geben dann den Laptop genauso weiter, wie die anderen das Papier.

Uploaded Image: grosseRunde.jpg
Wir verteilen in der Runde die Papierblätter und die Computer.
Antje: wir zeichnen jetzt parallel mit Papier und mit Laptop? Axel: genau! Roland, willst du ein bisschen was zu der Software erzählen? Wie sie funktioniert? Kannst du das mit deinem Laptop zeigen. Roland: das ist ein bisschen schwer zu sehen. Axel: ich kann´s ja hier zeigen. Du erklärst es, ich zeige es. Roland: Das ist so, wie da hinten bei SoundVision im Raum, dass man eine Gesamtkomposition erstellt. Was oben zu sehen ist, ist das große Bild und rechts unten in der Ecke wird gezeichnet - in diesem Fall. Das Konzept dahinter ist, rauszukriegen: wie klingt ein Bild oder wie sieht ein Ton aus. Ein bisschen synästhetische Effekte. Was man dort zeichnet, das wird vertont. Das kann man sich erst mal über einen Kopfhörer selber anhören. Es ist halbwegs selbst erklärend. Man kann abspielen, stoppen, zeichnen, radieren oder wegwerfen und man kann ein Instrument auswählen. Man kann sich schon mal anhören, wie sich das anhört, was man gezeichnet hat und wenn einem das gefällt, dann kann man das mit einem dieser beiden Knöpfe, die da zwischen den Flächen sind, hochschicken und dann landet es auf dem zentralen Server in der Mitte des runden Tisches. Dort kann man dann noch die Position und die Größe verändern, wenn man möchte, dass das lauter oder langsamer abgespielt wird. Das ist dann sozusagen das Konzert, das man zusammen gestaltet. Normalerweise passiert das an der SoundVision-Station dahinten mehr oder weniger gleichzeitig. 1.Besucher: wie werden da die Töne zugeordnet. Roland: das wird quasi wie eine Art Partitur abgespielt. Axel: hier sieht man es auch ganz gut. Roland: je nachdem, was für ein Instrument man ausgewählt hat, klingt es entsprechend. Axel: es wird leiser abgespielt, wenn das Bild kleiner ist und lauter, wenn es größer ist. Es dauert länger, wenn ich das Bild breiter mache. Wenn ich es ganz schmal mache, ist der Ton relativ schnell vorbei. Wir haben vorher schon ein paar Töne rausgesucht, die -sagen wir mal - geeignet sind. Man kann alle Töne nehmen, aber es sind relativ viele. Es sind 100 oder 200 Instrumente drin. Diese hier, auf unserer Liste, sind die, die sich eigentlich etwas harmonischer anhören. Torsten: zumindest die, die sich ein bisschen unterscheiden. Sonst hat man viele Klaviere oder so. Das lohnt sich halt nicht, wenn man dann wechselt. Tanja: ihr seid aber völlig frei. das geben wir jetzt nicht vor. Roland: zur Bedienung geben wir gleich auch noch Tipps. Ansonsten würde ich sagen: jeder kriegt ein Papier oder einen Laptop und dann legen wir einfach mal los.

Uploaded Image: AxelTilo.jpg
Unter weiteren erklärenden Einführungen fangen alle an zu zeichnen. Entweder auf Papier oder im Laptop.
Die Papiere und die Laptops werden in der Runde weitergegeben und die oder der Nächste schließt an. Beim Zeichnen werden die Ungeübten von Tanja, Roland, Axel oder Torsten in SoundVision eingeführt. Langsam füllt sich der Raum mit der musikalischen Umsetzung der Gemeinschaftszeichnung. Wir sammeln die Papierblätter ein und legen sie auf einen Stapel.

Uploaded Image: Comp.Bildschirm.jpg
Auf dem Server ist inzwischen die Gemeinschaftszeichnung der Laptops zu sehen und wir fangen damit an.

Axel: wir sind ja jetzt durch. Traditionell gucken wir uns gemeinsam die Cadave Exquis an und fangen am besten mit der auf dem Server an. Wir hören zuerst noch ein bisschen den Ton und können ihn dann ausmachen. Kurd: ausmachen wollen wir nicht. Lass uns doch ruhig mischen und den Ton dafür anlassen. Axel: ich dachte, wir machen ihn vielleicht ein bisschen leiser. Antje: ja, ein bisschen leiser, sonst hört man ja überhaupt nicht was wir sagen. Wir sehen uns das Gemeinschaftsbild auf dem Server an, das über die SoundVision-Anwendung vertont wird. Torsten: Man sieht, es hat nur einer ein Bild gemalt. Wir interpretieren die Striche. Unter den bildhaften Kopf ist eine Art Körper druntergeschoben worden, ansonsten sind Striche, Kurven und grafische Muster zu sehen.

Uploaded Image: Tanja.zeigt.jpg
Eine Note wird auch noch entdeckt.
Axel: soll jeder sich jetzt einfach ein Blatt von dem Stapel mit den Gemeinschaftszeichnungen nehmen? Antje: ja, jeder nimmt eins und wir zeigen es dann der Reihe nach den anderen. Noch nicht alleine angucken. Schöner ist, wenn wir es alle gemeinsam sehen. Wer will anfangen? Wir gehen mit den Blättern vor die weiße Wand.
Torsten fängt an: in der Mitte ist ein Kopf und der Kopf hat die Kunst im Mund und ne Mütze auf. Also im Mund des Kopfes ist die Kunst und daneben der Künstler, der sich das Werk anguckt. Und da unter, das müsste man mal ordnen. Kurd: aber er ist kein Konversationskünstler.
Roland: es fängt an mit: Liebe ist, und geht weiter, ein kaputter Finger. Aus der Hand ist ein bisschen was rausgeholt. Dann kommt noch “Freiheit“. Die Füße stehen auf Autos.
Tanja: da stehen jemand die Haare zu Berge. Mit groß aufgerissenen Augen guckt er dem entgegen, was da grade vor ihm ist. Es geht weiter. Ja, was ist das? So ein Fischwesen über drei Bärenköpfen, die anschließen an was Quallenartiges. Iiih, Glibbermasse. Und dann kommen ganz viele Beine. Beine, Beine, Beine, Beine. Hier sehe ich noch eine Fischgräte. Und zwei Beine stehen auf Spiralen.
Antje: da oben schneit es. Und dann kommen so trichterartige Geschichten in Körperform. Und die laufen aus in ein Gesicht mit einer Mütze. Und rechts kommt eine eigenartige Wabbelhand raus. Die sammelt Fische. Und die Fische vergrößern sich rapide und bilden ein Oktopusmuster und so´n Muschelkram. Das ganze löst fürchterliches Fernweh aus und verwurzelt sich. Es wird ja auch schön begossen. Kurd: ein Fleischfresser! Antje: woran siehst du das? Besucher: der hat spitze Ohren. Jonas kommt dazu und wird begrüßt. ... Einer nach dem anderen geht so die jeweils aus dem Stapel gezogene Cadavre Exquis-Zeichnung durch.

Uploaded Image: Kurd.zeigt.jpg
Hier interpretiert Kurd grade das von ihm aus dem Stapel gezogene Cadavre Exquis. Danach gehen wir zurück an den runden Tisch.


Muss die Konversation so sein, wie ich das will?
Antje: wir werden deinen Frevel jetzt nochmal diskutieren, Axel! Sie lacht. Axel: ja, müssen wir aber nicht lange ... Antje: ich finde, wir sollten das besprechen, das ist nämlich ein ganz interessantes Thema. Axel: also mir war das ein bisschen zu laut. Und als ich dann die Möglichkeit hatte, das Medium zu nutzen, den Zugriff auf den Computer hatte, - es waren da fünf oder sechs Bilder - habe ich einfach mal zwei davon gelöscht. Es wurde ein bisschen leiser und vielleicht auch klarer, aufgeräumter. Roland: aber es hat dich mehr die Musik gestört, als das Bild? Also der Ton? Axel: ich glaube, ja. Also nicht, als ich´s gesehen habe, und dann gesagt habe, ich kann mich nicht ausdrücken, weil da schon zuviel drauf ist, sondern ich fand es erleichternd, dass ich das Medium hatte, um mal ein bisschen zur Ruhe zu kommen. Kurd: wir hatten das letzte Mal Musiker hier. Julian, den kennt ihr ja auch und Renate und noch andere. Und die haben ein Musikspiel gemacht. Es ertönte auch aus dem Computer und da taucht ja eigentlich auch die Frage auf, die sich aber dort nicht stellte: haben die vom anderen gelöscht, oder nicht? Antje: nee, die konnten ja nicht löschen, weil die zusammengespielt haben. Die haben gemeinsam gespielt und hier haben wir ja nacheinander gespielt, so dass sich da irgendwas manifestierte, man guckte drauf und konnte dann was wegnehmen. Also die haben gemeinsam gespielt. Kurd: und konnten auch was wegnehmen, vielleicht? Antje: wie denn? Kurd: irgendein Code-Stück. Antje: Das, was war, das konnten sie nicht mehr wegnehmen. Sie haben immer Codes gehabt und konnten die entweder verändern oder nochmal reinstellen oder verlängern, verdoppeln, was weiß ich. Axel: da habe ich zum Beispiel überhaupt nicht drüber nachgedacht, dass man ja die Bilder von dem Server auch nehmen kann und ein Stück davon wegradieren kann. Roland: das haben wir auch vorher nicht gesagt. Axel: man kann eigentlich die Bilder von der Mitte nehmen, aufnehmen sozusagen, sich anhören. Für mich war das aber viel zu viel Rauschen, ich habe das nicht gemacht. Es war keine Konversation, das ist meine These! Antje: das war keine Konversation, wie du sie dir vorstellst. Torsten: das war mehr so´n Stammtisch. Alle haben zusammengeredet und es kam nichts Ordentliches raus.

Antje: ich finde, das ist ein spannendes Thema. Muss die Konversation so sein, wie ich das will! Axel: ja! Antje: für dich, ja. Aber wenn die nicht so ist, wollen wir uns dann kloppen, oder was? Tanja: nee, dann wird gelöscht. Axel: ich habe jetzt aktiv gelöscht und alle anderen konnten dadurch das, was ich gelöscht habe, nicht mehr hören ... Antje: und auch nicht mehr sehen. Axel: ich kann mir aber vorstellen, dass es im Social Web auch viele Leute gibt, die sagen, das ist mir zuviel. Ich kann zwar nicht löschen. aber ich guck da gar nicht mehr d´rauf. Ich halt mir die Ohren zu, sozusagen virtuell gesehen. Antje: aber bei dem, was du jetzt gemacht hast, Axel, kann doch auch rauskommen: der Nächste oder die Nächste guckt sich das an und sucht, wo ist denn mein Bild geblieben? Verdammt, das ist ja jetzt weg! Axel: richtig. Das ist aber das gleiche, wie wenn jemand sich in Facebook äußert und nicht verstanden wird. - Das, was Axel da sagt, sehen einige von uns anders. Torsten: das glaube ich nicht. Antje: du hast ja aktiv eingegriffen. Du verschönst das jetzt. Torsten: das ist so, als ob du einen Forum-Beitrag geschrieben hast und der Moderator ihn wieder rausnimmt. Und dann ärgert man sich unter Umständen. Weil man viel Zeit da ´rein investiert hat. Kurd: ja, so war´s. Antje: wieso? Kurd: ich hab ja viel Zeit investiert. Antje: ach, hat er deine Zeichnung rausgenommen? Kurd: ja! Torsten: wir haben hier eine Komponente komplett weggelassen. Nämlich das Untereinanderreden. Du hättest ja sagen können, Mensch, das nervt mich, wie können wir es besser machen? Antje: also mit Worten? Torsten: genau! Anstatt das einfach wegzunehmen, zu sagen: wie können wir das als Gruppe besser lösen. Denn nur Lärm einfach ausblocken geht ja auch nicht. Antje: ja, das hätte ich auch angemessen gefunden. Torsten: Demokratie! So funktioniert das! Axel: na ja, das System ist aber so angelegt, und so benutzen die Leute das halt.

Ich würde es eher ein bisschen auf ´ner anderen Ebene sehen. Wenn jemand anderes das löscht, dann ist das so, als wenn man weghört. Ich habe das jetzt nicht als boshafte Sache gesehen, sondern ich sehe es eher so, dass ich den Raum gestalten möchte und da gehört eben auch dazu, dass ich Sachen wegnehme. Kurd: ich habe zum Beispiel von Kokoschka, den kennt ihr ja alle, eine Zeichnung gefunden. Ein Portrait von Esra Pound - brauchen wir jetzt nicht sagen, wer das ist - und da hat er radiert. Er hat gezeichnet und danach mit dem Radiergummi gezeichnet. Das habe ich noch nie gesehen und gehört. Antje: aber das ist noch was anderes, wenn du mit dem Radiergummi Helligkeiten anlegst und das als Stift benutzt, als wenn du von Anderen was löscht. Torsten: aber das machen Maler ja auch, dass sie andere Werke übermalen. Das ist auch eine Art von löschen. Antje: ja, stimmt, Arnulf Rainer z.B. Kurd: aber es sind ja alles Werke. Es werden ja immer Werke produziert. Roland: aber es ist schon: ich will was anderes haben und das vom Anderen löschen. Kurd: es werden Werke produziert und nicht die Konversation. Bazon würde sagen “Prozess“. Leider ist er nun nicht da. Besucher: das Weghören ist der falsche Ausdruck, weil du hier auch den Anderen nicht ermöglichst, das zu hören. Du hörst ja für alle mit weg. Das andere ist, dass keiner gemerkt hat, dass ein Bild fehlt. Antje: doch Kurd, der es gemacht hat. Besucher: ach so. Tilo: das ist bei Hirnverletzungen angeblich auch so. Dass man merkt, dass was fehlt, aber nicht mehr weiß, was. Axel: ich würde mir aber so´n Wegnehmen für die ganzen Social Web-Geschichten schon auch wünschen. Tanja: aber wer darf das denn entscheiden? Axel: das weiß ich nicht, die Gruppe oder so. Besucherin: dann wäre ja alles weg. Antje: wollte ich auch sagen. Jeder nimmt was anderes weg. Axel: aber es ist das Gleiche, wie wenn du jedem erlaubst, was hinzutun. Im Wiki kannst du auch löschen und editieren. Tanja: wie wäre es denn, wenn es nicht um das Bild geht, sondern um die ganze Historie, sozusagen. Wir hatten ja diese Funktion in Bremen. Da haben wir immer mitgespeichert im Hintergrund, weil wir nachher sehen wollten, was passiert war. Antje: das ist noch wieder was anderes. Tanja: das ist was anderes, weil es ja dann da ist. Antje: dann würde man auch den Prozess irgendwie wahrnehmen können. Kurd: das ist ja überhaupt so seltsam. Wir haben das nachträglich angeguckt. Was ist denn das überhaupt gewesen?

Antje: wir waren hier alle beteiligt und guckten nachträglich an, was als Gesamtes ´rausgekommen ist. Und das da? Tanja: das sind geschützte Bereiche. Jeder hat seinen Bereich, wo niemand anders drin war. Antje: obwohl man nachher, wenn das Gesamtbild da ist, auch Probleme hat, seinen Bereich wieder zu erkennen. Will man auch gar nicht. Tanja: nee, darum geht´s ja auch gar nicht. Nur, da kann es sein, dass deine Handschrift sozusagen verändert wurde, gelöscht wurde. Roland: man sieht ja immer das gesamte Bild. Und arbeitet da dran und hat ´ne Vorstellung, was am Ende sein wird. Die hat man bei den Papierzeichnungen gar nicht. Das ist ein anderer Prozess. Antje: ja, genau, da ist die Überraschung am Schluss. Der Unterschied ist, du arbeitest nicht am Gesamtbild, sondern du packst immer Stein auf Stein. Roland: das Gleiche ist doch, dass ich hier nur einen Teil benutze und wieder weitergebe. Gut, wer der letzte ist, wer das letzte Wort hat, das haben wir nicht festgelegt. Antje: aber das Problem dabei war ja, du erstellst ein Teil, gibst weiter und der Nächste macht deinen Teil wieder weg. Tilo: ich finde aber, rein von der Art, wie ich versuche, mir mein Bild zu schaffen, dass es akustisch wieder sehr anders übersetzt ist. Wenn ich im Netz irgendwo total viel aufnehme, dann habe ich meine eigenen Scheuklappen, die mich sowieso das finden lassen, was irgendwie grade reinpasst und vielleicht, wenn ich Glück habe, schießt auch noch was quer. Aber bei Akustik ist es halt viel, viel mehr und ich kann total nachvollziehen, dass es dir zu viel war, Axel. Mir ist es an vielen Stellen einfach nicht zuviel, also eher genau das Gegenteil. Dass ich sagen würde, das ist jetzt total langweilige Chartmusik und da würde ich gern bitte jemanden total falsche Töne durchspielen lassen. Jeder guckt analog dazu, wie man sich seine Realität zusammenzimmert, nimmt Sachen wahr, ignoriert andere. Irgendwann weiß man, dass es viel, viel mehr gibt als das, was man sich jeweils immer anguckt oder raussucht. Axel: z.B. ich hab 3500 mails in meiner Inbox und da kann ich mich auf die Einzelnen dann nicht mehr so konzentrieren. Genau wie wenn ich mich hier auf ´ne einzelne Zeichnung ... Torsten: ich habe einen Spamfilter. Axel: es ist ja auch so´ne Sache, wenn hier 8 Leute - oder wieviel waren´s, 10? - da in die Mitte was reinpacken. Ich habe nämlich versucht, einen Ton zu machen. Diese drei Linien übereinander. Und das habe ich nirgends wiedergefunden. Also ich konnte es kaum bei mir selber hören und da in dem Mischmasch schon gar nicht. Auch ein bisschen schade, vielleicht. Tilo: na ja, das ist eine andere Bandbreite, die da möglich ist. In diesem kahlen Audio hast du nur von 0 bis 1 als Lautstärke-Werte und dann meinetwegen noch Frequenzen. Aber das gesamte Medium kann nicht unendlich viel an Information tragen.

Antje: aber interessant finde ich, wenn man zusammen was macht - auf welcher Ebene auch immer - dann gibt´s ja zwei grundverschiedene Sichtweisen. Einmal was ich da eben rausgehört habe: meine persönliche Sicht ist so, und die will ich da auch wieder finden. Oder zum anderen: ich bringe was ein und gucke, was entsteht für ein Gesamtbild oder Netz und erfreue mich daran. Ich finde, das sind unterschiedliche ´Rangehensweisen. Axel: nee, glaube ich nicht. Weil ich im Endeffekt ja ´ne Chance haben muss, dass ich auch zu dem beitragen kann. Hier kann ich sozusagen selber entscheiden, ob ich den großen oder kleinen Abschnitt machen will. Das ist, glaube ich, ziemlich das Gleiche, wie wenn ich als Einzelner hingehen würde und die Hälfte des Papierbildes vollmale und dann einen Knick mache. Besucher: nur gab´s eben hier im Computer das Reagieren auf den Kontext. Man malte sein Bild, dann lud man´s hoch und konnte sich nicht anhören, wie es in die Gesamtkomposition passt. Das ist hier bei dem Papier schon was anderes gewesen. Da nahm man direkt Bezug auf den Kontext. Das fand ich hier schade. Vielleicht habe ich es auch falsch gemacht. Ich meine, ich habe mir ´ne freie Fläche gesucht und da habe ich mein Bild hingestellt, aber ich habe jetzt nicht angehört, ob es da gut passt. Torsten: ich glaube, das ist auch das Schwierigste an der Geschichte. Selbst wenn man einen Ton malt, der einigermaßen gut klingt, dann muss nur der Nächste kommen und irgendwas drüber krickeln und dann ist das Werk verloren. Meistens klingt das, was man malt, nicht gut oder was gut aussieht klingt nicht gut oder genau umgekehrt. Antje: hat das denn einen Sinn, dass ihr so viele verschiedene Töne habt? Man findet ja nicht richtig durch. Roland: nein, das verlangt einem Disziplin ab. Was gut aussehen zu lassen, ist die eine Methode und was gut klingen zu lassen, ist ´ne ganz andere Methode. Da muss man sich doch sehr beschränken, wenn man das wie eine Partitur versteht. Antje: ich meine aber, dass es mit dem Ton auswählen sehr unübersichtlich ist, so dass ich gar keine richtige Chance habe, den Ton zu finden, der meinem Gefühl für das Bild entspricht. Roland: o.k., weil es sich hier auf diese Instrumente bezieht. Tanja: man könnte das einschränken. Antje: warum schränkt ihr das nicht auf eure Liste da ein? Tanja: das stimmt. Das war der erste Schritt in die Richtung, sozusagen. Antje: o.k. Das fände ich angenehmer. Ich wollte zwar was Bestimmtes finden, aber da es nicht alphabetisch geordnet war, hatte ich keine Chance.

Kurd: ich möchte noch mal von einem Ausgangspunkt ausgehen und dann sehen was ist. Antje: was für ein Ausgangspunkt? Kurd: mein Ausgangspunkt! Mein Ausgangspunkt ist - soll ich es singen oder sprechen? Gerne singen, ist die Antwort aus der Gruppe. Kurd; wie (lang ausgehalten auf einer Tonhöhe) lebt ihr das (kurze Töne, ´ihr´höher gesungen) Le-(lang angehalten) ben (kurz) im fabrizierten Common (auf einer Tonhöhe kurz gesungene Töne) Sense (langer Ton auf derselben Höhe). Also das ist so mein Verlangen, mein Begehren. Ich gehe mit euch um. Was soll ich denn sonst machen. Ich selber kann ja nicht sagen: so ist es richtig! Wir wollen kein Fernsehen mehr haben, oder irgend so was. Das kann ich doch nicht sagen, denn du siehst ja vielleicht gern fern? Wie komme ich denn dazu, zu sagen: nein! Fernsehen abschalten. Oder Computer einschalten. Ich weiß allein nicht weiter. Wenn ich sage: so wäre es schön! Geht ja nicht. Kann ich nicht, denn: wie hättest du´s denn gerne? Das ist jedenfalls eine Ausgangsfrage für die Konversation gewesen. Antje: aber das tauchte doch da auch schon auf. Also Axel meinte ja, für ihn war das alles so chaotisch und so laut, das war für ihn nicht schön und darum hat er eingegriffen. Roland: er war in dem Moment in der Machtposition, um es zu bestimmen. Es gibt ja Leute, die in der Machtposition sind, wie die hinter dem Fernsehen. Und die glauben auch, es alleine besser zu wissen. Kurd: ja, ja, Das ist ja normal. Roland: das ist natürlich keine Konversation. Axel: ich muss aber schon die Möglichkeit haben, meine Umwelt zu gestalten. Also wenn man das jetzt in der Software so gebaut hätte, dass das nicht geht, dass ich meine Umwelt nicht gestalten kann, sondern immer nur ´reinmüllen kann in die Umwelt ... Torsten: dann hätten wir ´Twitter´. Tanja: wollte ich auch grade sagen. Alle lachen. Tanja: aber Twitter muss man sich ja nicht permanent anhören. Kurd: mir bleibt ja nichts anderes übrig, als meine Umwelt zu gestalten. Und ein Teil meiner Umwelt bist du. Und dann frage ich dich: ja, wie machst du das? Ich wüsste auch nicht, was ich sonst machen kann. Gut, jetzt kam ja nun grade raus, dass wir zu Axel gesagt haben: das war falsch. Ich habe auch gesagt, das darf man doch nicht. Das war ja ganz falsch. Axel: man hätte das Bild kleiner machen können. Also ich hätte es vielleicht einfach kleiner machen können. Das wäre ´ne Möglichkeit. Torsten: das wäre auch das Sozialere gewesen. Tanja: aber wäre das o.k. gewesen? Das wäre vielleicht auch nicht o.k. gewesen für Kurd. Antje: er hätte es ja wieder größer machen können, er hätte noch die Chance gehabt. Axel seufzt: Ach ja. Alle lachen und “Pranger“, “nächste Mal“ sind die Kommentare.

Tilo: ich finde das schon ganz interessant. Die gleiche Diskussion hat man speziell in der deutschen Wikipedia auch. Es gibt diese sogenannten Inklusionisten und Exklusionisten. Alle würden gerne ´ne total gute Wikipedia haben. Letztendlich hat das dazu geführt, dass ich mir die deutsche überhaupt nicht mehr angucke, sondern gleich die englische oder französische nehme. Die einen möchten sozusagen möglichst viel von allen drin haben und die anderen möchten möglichst viele qualitativ hochwertige Artikel haben, Das beißt sich halt. Und dann gibt´s Leute, die kommen mit dem Löschhammer an und schreiben sich dann Software, die automatisch löscht, wenn irgendwas nicht ihren Kriterien entspricht. Die haben dann so´n Rekord, dass sie in zwei Monaten 100 000 Seiten gelöscht haben. Antje: im Ernst? Tilo; ja, aber das sind für mich zwei sehr, sehr unterschiedliche Blickwinkel auf das gleiche Thema. Für mich ist immer “Realität“ oder das, was die Information im Netz ausmacht, sowieso unfassbar. Weil es auf jeden Fall zuviel ist. Analog zu dem, wie du die Musik als zuviel empfunden hast. Ich weiß das aber und gehe damit um und komme mit meiner Beschränkung - dass ich mir sowieso das raussuche, was ich grade suche - ganz gut klar. Aber ich weiß, dass es außer dem, wo ich vielleicht grade hingucke, noch viel anderes gibt, was ich eben nicht im Blickwinkel habe. Deswegen fange ich nicht an, zu sagen: meine Scheuklappen sind grade so eingestellt, was anderes gibt´s nicht und alles fliegt bitte raus! Kurd: es gibt doch Leute, die dir die Scheuklappen machen. Tilo: na ja, ich bin eher bestrebt, diese Scheuklappen abzubauen, mein ganzes Leben lang. Torsten: aber dir ist ja nicht möglich, die Scheuklappen zu setzen. Man kann ja die Ohren nicht selektiv verschließen. Tilo: doch, ohne weiteres. Alle lachen. Torsten: da müsste man ja irgendwie Frequenzen ausbloggen. Tilo; nee, man kann ganze Gesellschaften ausbloggen. Torsten: gut, das kann man natürlich, aber nicht, wenn sie alle gleichzeitig reden. Dann hört man wohl eher alles oder gar nichts, Tilo: also mit einem Hörgerät würde ich sofort sagen: ja! Das höre ich von vielen Leuten, die ein Hörgerät haben. Wenn ganz viel Stimmengewirr da ist, dass man dann einzelne Sachen viel schlechter filtern kann. Aber was Menschen in der Regel viel, viel besser können als Maschinen, ist fokussieren. Das heißt sozusagen, das ist kein aktives Ausblenden, sondern eine Konzentration auf das, was man haben möchte. Torsten: ja, aber man hat immer noch die anderen Geräusche. Sie sind zwar dann vielleicht in den Hintergrund geschoben worden, aber ... Kurd: aber die Anderen sind doch keine Geräusche! Antje: die Anderen sind doch Menschen! Hei, Carl, da bist du ja! Carl kommt jetzt auch zur Runde dazu. Besucher: wenn ich mir bei Wikipedia schlechte Artikel einfach nicht anschaue, sind´s die Scheuklappen des Konsumenten. Aber hier produzieren wir doch gemeinsam eine Sache. Da sind die Scheuklappen ja anders, weil wir gemeinsam dasselbe produzieren wollen. Es gibt eigentlich verschiedene Perspektiven. Antje: ja, stimmt, stimmt. Es ist ne andere Scheuklappe: Produzent oder Konsument. Obwohl bei Wikipedia auch beide Scheuklappen notwendig sind. Tilo: notwendig. Ich glaube nicht an eine künstliche Verknappung von Information. Besucher: nee, das meine ich nicht. Ich meine, wenn man zielgerichtet irgendwas vorhat, dann fokussiert man und das heißt, man blendet Unwichtiges aus. Das heißt, für einen Zweck überlegt man sich gewisse Scheuklappen oder bilden sich einfach Scheuklappen. Tilo: und darauf bezogen, jetzt hier? Besucher: ich meine hier wäre die Scheuklappe, man blendet nicht bewusst was aus, sondern man nimmt was raus, weil es dem Werk nicht zugute kommt. Tilo: in der eigenen Wahrnehmung oder in der Gestaltung davon? Besucher: in der gestalteten Wahrnehmung ... Alle lachen. Torsten: gut rausgeredet.

Axel: wenn ich versuchen würde, mit euch allen zu kommunizieren, und das nun mal grade harmonisch machen will, dann muss mir das ja auch irgendwie ermöglicht sein. Also entweder muss man einen Kodex in der Runde definieren, dass man sagt: alle 10 Minuten schalten wir von harmonisch auf disharmonisch um. Und wenn nicht, dann muss ich mich ja irgendwie ausdrücken können. Antje: aber normalerweise würde man auch immer gucken, wo, in welchen Zusammenhängen finde ich mich wieder und man würde nicht anfangen irgend einen Zusammenhang, bei dem man denkt: was hat das denn jetzt mit mir zu tun, von Grund auf zu verändern. Da würde man sagen: o.k., lass die machen, ich gehe wo anders hin. Nun wäre das hier ein bisschen komisch gewesen. Axel: interessant wäre, wenn wir wirklich alle auf einem großen Cadavre Exquis rummalen würden. Das ist ja analog zu dieser einen Wand. Vielleicht ist das das Problem. Antje: aber dann müssten wir auch alle Radiergummi haben, damit wir - lacht. Torsten: ich find´s gut, dass du gelöscht hast. Weil wir mit SoundVision die Möglichkeit gegeben haben, dass du was wegnehmen kannst, hast du die Möglichkeit auch genutzt. Also es ist richtig an sich - auch wenn´s uns nicht gefällt. Das ist ´ne andere Sache. Antje: o.k., es war angelegt. Ja, das stimmt. Tilo: na ja, es hat zu dieser Diskussion geführt und das finde ich gut. Antje: finde ich auch. Torsten: über ´ne Stunde. Kurd: Axel, du hast es gut gemacht! Alle lachen. Axel: wollen wir einen Moment Pause machen?


Nach der Pause bringt Antje ein: wenn ihr Lust habt, könnten wir das mit dem Scherenschnitt jetzt machen. Oh, ja! ist die Antwort. Antje: und zwar tun wir uns immer zu zweit zusammen und jedeR macht abwechselnd von ihrem oder seinem Gegenüber einen Scherenschnitt. Dann kleben wir die Scherenschnitte alle auf Papier, packen die in die Mitte. Jeder nimmt sich ein Blatt und überlegt, wer das sein könnte. Torsten zu Roland: das wird jetzt sehr schwer, Roland. (Roland trägt einen Bart, an dem er leicht zu erkennen ist). Tanja: ist es egal, wie es aussieht? Soll es so ähnlich aussehen, wie die Person? Antje: was immer dabei rauskommt. Wie viele sind wir denn? 9 Personen. Wir brauchen noch einen. Das Tolle am Scherenschnitt ist, dass man sich selber nie im Profil sehen kann, es sei den mit Spiegeln. Aber so wie ich jetzt Kurd sehe oder Axel, können sie sich nie sehen. Und den Blick des anderen könnte man sozusagen hier aufgreifen und dann sieht man mal, wie man selber gesehen wird. Die Frage taucht auf: wird es ein weiß auf schwarz oder schwarz auf weiß Scherenschnitt? Antje: ein schwarz auf weiß Scherenschnitt. Wir haben 5 Scheren und sind 9 Leute, das kommt prima hin. Kurd: ich habe auch noch privat eine Schere. Antje: tut euch doch bitte mal in 2er Gruppen zusammen. Sie fragt den nächsten vorbeigehenden Besucher: haben sie Lust? Dabei kommt raus, dass die beiden Kinder der Familie mitmachen. Antje erklärt den beiden, die sich gegenseitig portraitieren wollen, wie das mit dem Scherenschnitt funktioniert. Tanja: wir wissen es auch nicht. Wir machen es auch zum ersten Mal. Die Größe für die Scherenschnitte samt Umfeld wird auf ein halbes A4-Blatt festgelegt. Antje teilt das schwarze Scherenschnitt-Papier aus und alle gruppieren sich zu zweit. Große Aufregung entsteht, die sich langsam wieder beruhigt. Tanja: das ist ja eine Herausforderung. Luca fragt: was ist denn der Sinn bei dem Spiel? Antje: der Sinn ist, dass wir das ausgeschnittene Profil aufkleben, die Seiten verdeckt auf den Tisch legen und jedeR sich ein Blatt nimmt. Danach raten wir dann, wer das sein könnte.

Uploaded Image: Scherenschnitt.jpg
Eine Weile wird konzentriert geschnitten.
Wir legen die ausgeschnittene Profile verdeckt auf den Tisch und jeder nimmt sich ein Blatt, das dann jeweils gemeinsam angesehen und geraten wird. Antje: wer will anfangen mit hochhalten? Alle wollen anfangen. Lea, 9 Jahre alt: ich! Ladies first! Sie fängt an und hält einen Scherenschnitt hoch. Alle klatschen.

Uploaded Image: Junge.zeigt.jpg
Danach ist Leas Bruder Luca dran.
Kurd: wir müssen jetzt zum Vergleich alle unser Profil hinhalten. Antje: wer könnte das sein? Halte mal die ganze Zeit hoch, bis wir es geraten haben. Kurd: ich weiß es! Antje: wer könnte das sein? Kurd: soll ich das sagen? Alle raten hin und her. Antje: erkennt sich jemand wieder? Antje: wenn wir es nicht raten können, muss derjenige, der es geschnitten hat, verraten wer es sein soll. Besuchervater: also ich würde auf den älteren Herrn tippen. Alle lachen. Tanja: Kurd, das bist du. Kurd: nein, Tanja, das bist du. Tilo, der das Bild geschnitten hat: hätte sie werden sollen! Der nächste Scherenschnitt wird hochgehalten.Tilo: wer hat denn hier ´ne Mütze auf? Wir kommen zu dem Schluss: das muss Goethe sein. Axel: könnt ihr alle mal zur Seite gucken. Kurd, kannst du dich mal im Profil zeigen. Antje: immer Kurd. Tanja: Jonas ist das. Antje: Jonas? Hast du so´ne Nase? Torsten: aber der Bart fehlt. Kurd: alles andere stimmt nicht gut, aber die Nase. Antje: wer hat hinten so´n großen Kragen? Antwort: Jonas! Axel: oder Tilo. Tilo könnte es auch sein. Torsten: eher Tilo. Da sind viele Anzeichen. Vorne die Haare. Tilo: die Nase ist aber anders. Lea: aber muss ja net so sein, wie´s aussieht.

Uploaded Image: Jonas.Carl.jpg
Antje: ich glaube, wir müssen mal fragen, wer es ist.
Wer soll es sein? Dabei kommt raus, dass es Antje ist. Alle lachen. Die Lautsprecherdurchsage vom ZKM mahnt, dass in 10 Minuten geschlossen wird. Wir müssen uns beeilen.

Das nächste Bild wird hochgehalten: eindeutig Kurd. Nur Kurd erkennt sich nicht auf Anhieb. Das nächste Bild ist Luca. Wir erkennen es sofort. Nur Luca protestiert. Alle klatschen. Weiter geht´s. Alle staunen. Der sieht ja süß aus. Ist es Torsten? Wer ist es denn? Carl. Jonas? Carl: sehen wir uns so ähnlich? Es ist Jonas. Der nächste: Lange Haare. Von den Mädchen ist Lea die einzige mit langen Haaren. Der nächste ist Carl. Weiter geht´s. Das ist Roland. Kurd: du bist ja sehr scherenschnittogen! Tilo: wir können ja jeweils noch ein Foto machen von der Person mit dem Scherenschnitt daneben und beide im Profil. Dabei fällt auf, dass uns ein Portrait fehlt. Torsten! Danach merken wir, dass noch eines fehlt: es ist Tilo. Antje: wieviel Zeit haben wir denn noch? Sie macht schnell von jedem eine Profilaufnahme mit zugehörigem Scherenschnitt und dann gehen wir zusammen zum Italiener essen.

Uploaded Image: 5.auf.ein.jpg
Von links nach rechts: Roland, Luca, Tilo, Antje, Jonas.

Uploaded Image: 5.auf.einmal.jpg
Von links nach rechts: Carl, Tanja, Kurd, Torsten, Lea.



Kommentar von Axel Sylvester:

Vorab (das müsste wohl oben noch geändert werden), ich würde es „Kann die Konversation so sein, wie ich das will?“ statt „Muss die Konversation so sein, wie ich das will?“ nennen. Ich habe auch nicht etwas gelöscht, was mir nicht gefiel, sondern einfach mehrere der viel zu vielen Zeichnungen weil man vor lauter Tönen quasi nichts mehr (heraus) gehört hat. Das Problem bei SoundVision hat ja auch Thorsten geschrieben. Mir kommt die Transkription auch etwas lückenhaft vor aber so genau erinnere ich mich nicht.

Ich möchte zunächst die Situation (meiner Erinnerung nach) nachzeichnen. Die klassische Installation SoundVision, wie sie zu der Zeit auch im ZKM aufgebaut war, ermöglicht durch ihre Interfacegestaltung zwei Personen via eines gemeinsamen, öffentlichen Bereiches (Videoprojektion und Soundausgabe) zu kommunizieren. Hierbei wurden Bilder/Zeichnungen gemacht oder gescannt und auf der Projektionsfläche riesig für alle im Raum angezeigt und laut vertont. Die Benutzung ist keinen sozialen Kodizes unterworfen (zumindest werden diese nicht direkt kommuniziert und sind von den Machern der Installation meines Wissens nicht intendiert worden). Wohlgleich ergibt sich durch die Gestaltung der Interfaces eine elitäre Position, da sie eine parallele Benutzung der zwei Stationen (Interfaces) durch jeweils mehr als eine Person nicht wirklich zulassen. In meiner Erinnerung gab es öfter die Situation, in der an einer Station mehrere Personen standen, aber sich eine in die „Machtposition“ begeben hat, die Sache vornehmlich zu bedienen. Ich will nicht ausschließen, dass es auch smarte Personen gab, die kollaborativ an einer Station „arbeiteten“, in Erinnerung geblieben ist es mir jedoch nicht. Streit um die Bedienhoheit oder ungeduldige Langeweile auf Seiten der Umstehenden wohl schon. Zumindest die Situation, in der eine einzelne Person gewollt oder ungewollt alleine, ohne ein Gegenüber an der anderen SoundVision Station, die Installation bediente, erinnert an die Pointe des Animationsfilm „Balance“ von Christoph und Wolfgang Lauenstein – alleine kann man auch die schönste Technik nicht nutzen. Gepaart war diese ungleiche und elitäre Gestaltung der Umwelt (die Projektion und der Ton strahlten weit in den Raum hinein) mit einer Ohnmacht der übrigen Anwesenden im Raum. Viele genossen entzückt von der Ästhetik (der Technik) diese, ihre Ohnmacht – für eine gewisse Zeit. Es war ja möglich, den Raum zu verlassen.

In der erwähnten Konversation am 06.01.2011 nutzen wir SoundVision bzw. das darunter liegende Programm gänzlich anders. SoundVision lief auf (nur) einem mobilen Rechner (so weit ich erinnere, losgelöst von der eigentlichen Installation) und wurde als ein weiteres Medium in das analoge ´Cadavre Exquis´ eingeschleust. Die Basis eines´Cadavre Exquis´ ist neben Personen, die daran mit Stift und Papier teilnehmen, der informell verhandelte Kodex, immer nur seinen (umgeknickten) Papierbereich zu bemalen und so umzuknicken, dass ein schmaler Anknüpfungsbereich für den unmittelbar nächsten sichtbar ist. Selbstverständlich(??) ist es sozial akzeptierte Praxis (sensus communis???), die Zeichnung im Ganzen oder auch nur in Teilen vor Ende des Spiels nicht anzuschauen. Eine Widersetzung dieses Kodexes, so befürchten die Teilnehmenden, führt zu Argwohn oder gar zum ad absurdum des Spiels. Dabei ist doch nichts Absurdes dabei, gemeinsam an einem Bild zu malen. Vermutlich irgendwie doch, da aus der Geschichte wenige berühmte Beispiele für das gemeinsame und gleichberechtigte Anfertigen eines Kunstwerkes bekannt sind. Selbst die riesige Installation „Le Cyclop“, an der an die 15 Künstler beteiligt waren, wird im Wesentlichen Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle zugeschieben, haben sie doch die Sache ersonnen und so zumindest den Kodex oder Rahmen für das Ganze (informell) festgeschrieben.

Zurück zur Konversation. SoundVision, als Programm auf einem Laptop, wurde im ´Cadavre Exquis´ genau so wie die Papierstücke „bemalt“ und weitergegeben. Durch das Bemalen ergibt sich (technisch in der Zeit unweigerlich) eine Vertonung, die um so quantitativer und damit lauter ist, je mehr bemalt wurde. Jeder Bildpunkt ergibt ja früher oder später einen Ton. Einzelne, subjektiv ästhetische Zeichnungen/Bilder können unter Umständen auch subjektiv ästhetische Tonreihungen ergeben. In jedem Fall werden sie jedoch überlagert, wenn Zeichnungen vertikal übereinander liegen. Ein emergentes Ganzes kann sich ähnlich wie beim Jazz ergeben. Muss es aber nicht.

Da es sich bei dem um SoundVision angereicherten´Cadavre Exquis´ um eine neuartige Spielart handelte, hatten sich noch keine sozialen Kodexe herausgebildet. Ich glaube, ich gehe nicht zu weit, wenn ich behaupte, dass sich die Kodexe aus den technischen Möglichkeiten ergaben – und die technischen Möglichkeiten sahen das Gestalten durch Löschen vor. Daneben war es auch möglich, eine Zeichnung durchaus bedeutend zu verkleinern, das ist aber meiner Meinung nach genauso anmaßend, wenn nicht anmaßender. Löschen ist eine umgekehrte Selektion (ich entscheide mich, woran ich anknöpfen möchte), wo hingegen verkleinern und verschieben einer Bewertung und Umgestaltung des Anderen gleich kommt. Und man darf nicht vergessen, der Kodex, dass die Papierblätter wie auch der SoundVision Rechner nach einer Zeit weitergegeben werden, bestand ja. Jeder konnte „zu seiner Zeit“ so handeln. Zudem ist das ganze´SoundVision Cadavre Exquis´, also auch die gelöschten Bilder (technisch) durchaus am Ende sichtbar, da der Ablauf des Hinzufügens und Arrangierens der Bilder vom Rechner von Anfang bis Ende aufgezeichnet wird. Man kann also argumentieren, dass am Ende unserer Konversation das ganze ´SoundVision Cadavre Exquis´ gar nicht „aufgefaltet“ wurde, da wir die Aufzeichnung nicht angeschaut haben. Wir haben sozusagen nur den letzten ´Cadavre Exquis´ Abschnitt angeschaut, bei dem an einige Anknüpfungspunkte/linen im Laufe des ´Cadavre Exquis´ eben nicht angeknüpft wurde oder die nicht weitergemalt wurden. Auch in einer Konversation bleiben nicht alle gesagten Worte im Raum stehen oder in Erinnerung, sondern nur die im Moment individuell bedeutenden oder die (nicht zwingend bedeutenden), an die laut angeknüpft wurde.



-----------

Link to this Page