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Intertextualität

Uploaded Image: computerlip.jpg

Zeichnungen von Ted Nelson.
Bild zit. n. Nelson: Computer Lib.

Heiko Idensen
Intertextualität war in den politisierten Literaturdebatten der siebziger Jahre der entscheidende 'Kampf'-Begriff zur Aufhebung bürgerlicher Autoren-Funktionen zugunsten literarischer Netzwerk-Modelle. Diese Impulse führten - neben einer explosionsartigen Ausbreitung intertextueller Schreibweisen - auch zum Paradigmenwechsel in der Literaturtheorie. (Ein ausuferndes 'Lexikon' intertextueller poetischer Praktiken liefert Genette, Gérard: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe; Frankfurt am Main,1993).

Die Intertexualität in der Druckkultur ist eine virtuelle, in literarischen Texten explizit hergestellte, produzierte. Die Intertextualität im Netz ist konkret, flach, pragmatisch, real(istisch), d.h. die einzelnen Dokumente/Fragmente 'treffen' sich tatsächlich - ein link führt tatsächlich zu einer (oder mehreren) Referenzstelle(n) im selben Text oder in anderen Texten.

JEDER TEXT IST EIN INTERTEXT. Es gibt keine offline-Links (auch die Literatur war in ihren produktiven Momenten immer‚online‘!) Jeder Text schreibt sich ein in ein intertextuelles Ensemble künstlerischer / kultureller / formaler / kanonischer / biographischer Konstellationen. Jedes Wort produziert Bedeutungen erst im Kontext der umgebenden sprachlichen Einheiten - alles Geschriebene ist 'Zitat': Entwendung gelesener Schriften. Neu ist allein die konkrete Zusammenschaltung sämtlicher Lese- und Schreibvorgänge im Netz - auf einer einzigen Oberfläche http://rolux.org/starship/. Die Poetik eines link liegt keineswegs in der bloßen Anspielung, in einer metaphorischen oder impliziten Bezugnahme, sondern vollzieht sich in einem wirklichen Sprung, einer tatsächlichen Koppelung: eine Poetik des Transports. (Was nichts über die ‚Qualität‘ oder Literarizität aussagt - ausgedruckt sind Netzwerktexte zumeist langweilig und ‚nicht lesbar‘.)
Versammelten, speicherten und bewahrten die Texte der Druckkultur noch Informationen und poetische Energie in einem geschlossenen Korpus, so sind die Dokumente der Netzwerk-Kultur eher exzentrisch, verweisen auf andere Texte, Archive, Medien, Server ...

LINKS-FUßNOTEN. Die oft vorgenommene Analogisierung zwischen der klassichen Fußnote und dem link in elektronischen Texten ist nur bedingt tauglich. Der narrativen Funktion von links kommt man auf die Spur, wenn man extreme Gebrauchsweisen von Fußnoten in literarischen oder theoretischen Texten verfolgt: Fußnoten weisen über die (auch physische) Abgeschlossenheit nicht digitaler Texte hinaus. Sie ermöglichen ein Schreiben über den Rand des jeweiligen Diskurses. Als Absprungstellen für den Leser fordern sie Interpretation, Kritik, eigene Suchbewegungen heraus und bewirken einen Perspektivewechsel, der das diskursive und auktoriale Zentrum des Textes aufsprengt und für Anschlußmöglichkeiten an andere Texte und Diskurse sorgt.
Der Link auf dem Wort eines Textfeldes z.B. vereint in sich die Funktionen von Überblendung und Montage, von Metapher und Metonymie und kann somit als ein poetisches Instrument von hoher Wertigkeit eingesetzt werden, indem es Operationen gestattet, die sich einerseits an der Poetik sprachlicher Konstruktionen orientieren, als auch darüber hinaus solche, die auf Kompositionstechniken der Zeitmedien Film, Musik und Drama verweisen.

HyperMediale Dokumente ermöglichen damit Modelle der Einbildung, die poetische Verknüpfungen sowohl aus den Schrift- als auch aus den Bildmedien auf die medialen Oberflächen übertragen: "Technische Bilder sind eingebildete Flächen. Sie sind überhaupt erst Bilder, wenn man sie oberflächlich anschaut. Wenn ich technische Bilder einbilde, bilde ich aus dem Inneren des Apparates her. Alle technischen Bilder sind Einbildungen, nicht reproduktive, sondern produktive Bilder. Alle Zeiger, Zeichen, Verkehrssignale (HyperTexte) zeigen und deuten von nun an exzentrisch von uns selbst weg. Wir sind es von nun an, die auf die Welt Bedeutungen projezieren. Und die technischen Bilder sind derartige Projektionen." (Villem Flusser)






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