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Hyperkunst.

Autor: Rolf Todesco
Jede neue Technologie macht explizit, was implizit schon da war, weil sie aus Implikationen der
vorangegangenen Technologien entwickelt wird. Ich werde also keine neuen Auffassungen (er)finden,
sondern alte Auffassungen im Licht der neuen Technologie sehen. Hypertext interessiert mich, weil
Hypertext Text erläutert. Das Handwerk, das ich auf Hypertext verwende, lässt mich das Texthandwerk als
Kunst neu begreifen: Texte sind Kunstwerke, wenn sie keine Mitteilungs-Funktion haben. Das Kunstwerk
ist autonom, nicht wo es dem Rezipienten nichts mehr über nichts mehr sagt, sondern wo es nicht
mehr rezeptionsorientiert ist, wo es nicht auf Rezipienten zielt. Natürlich entfällt damit nicht nur die
Rezeptionstheorie, die gar nicht anders kann, als sich mit Interpretationen zu beschäftigen, es verschwinden
auch die von Autorität strotzenden Autoren, die sich als "Es schreibt mich"-Medien höherer Wahrheiten
verstehen. Flusser unterscheidet sinnigerweise anhand von Kunstraummetahpern den Diskurs, in
welchem etwa in Theatern dem Publikum weitergegeben wird, was im Sinne der Autorität ist, vom Dialog,
in welchem Neues erst enstehen soll. Der Diskurs ist Monolog, vordergründig, weil die eine Seite, die
Bühne, spricht, hintergründig aber, weil damit der Anspruch verbunden ist, eine Sichtweise durchzusetzen.
Im Dialog der Hyperkommunikation dagegen geht es darum, Vielfalt zu erzeugen, indem möglichst
viele Sichtweisen nebeneinander gestellt werden.

Kunst ist kein Medium der Mitteilung, sondern ein Medium des Ausdrucks. Der kollektive Textproduzent
ist in der Hyperkommunikation künstlerisch autonom, er produziert für sich, nicht für eine
(Einschaltquoten-)Leserschaft. Er untersucht schreibend, welche Texte er mit wem wie teilen kann. Das
Kollektiv erzeugt Vielfalt, der Einzelne macht Selektion und erkennt sich darin. Das Werk liegt nicht in
einem Artefakt, das man für andere ins Museum stellen oder auf Bild- und Tonträgern fixieren kann, das
Werk ist die kommunizierende Gemeinschaft, die sich immer neu erkennt.

Das Unentwickelte der Kunsthandwerker war nie, dass sie etwas abbilde(te)n. Die noch nicht entwickelte
Kunst besteht darin, dass man etwas für andere tut, ob diese nun Mäzene, Kritiker oder Einschaltquoten
sind. Etwas als Abbild von etwas zu sehen, war und ist eine Interpretation von Rezipienten, der Künstler
interessierte sich immer schon für sein Werk und nie für ein davor stehendes Original.

Die Kunst mit Hypertext umzugehen, ist die Kunst der Kommunikation. Diese Kunst braucht keine
Rezipienten, sondern beteiligte Produzenten.


Link von K.A. vom 5. 6. 02:
Die Idee "Hyperkunst" scheint auch Conversationskunst, sei sie alte, sei sie neue im Netz, anzusprechen.
§- Hyperkunst wird ohne die Intention des Durchsetzens, vertanden, was auch fuer Conversationen oder conversationellen Stil wesentlich ist.
§- Wenn man die Bevorzugung von Texten bei Hyperkunst jetzt mal einfach uebergeht, wird der auch in der Conversation zentralen Vorgang aeusserst treffend beschrieben: ":…untersucht schreibend, welche Texte er mit wem wie teilen kann." Gewiss, dem Ausdruck "untersucht" fehlt das Spielerische der Conversation.
§- Ein Besprechen des Festhaltens der Hyperkunst an dem Begriff "Produzent", der doch gerade zugleich Rezipient ist, und des am Begriff "Werk" (ein Wir-Gefuehl), sei hier zurueckgestellt, um die Aehnlichkeiten zwischen der Idee Hyperkunst und der Conversationskunst wahrzunehmen. (Gerade ein In-Frage-stellen des {unpraetenzioesen} Tripels "Kuenstler / Werk / Publikum" leitet u.E. zu einer Entwicklung des Kunstbegriffs.)
§- Anderweite, Conversationskunst, Empfindungswoerter, "Ich weiss allein nicht weiter"

Link von K.A. vom 6.6.02:
Noch ein Nachschlag zum vorletzten §-, wir unterscheiden Produzieren (etwas erzeugen) und Conversieren (miteinander umgehen) - und verstehen Conversieren nicht als Mittel zum Zweck des Produzierens.

Nachtrag tor vom 6.6.02:

Keine Kunst ist neu. Hyperkunst nenne ich die Kunst dort, wo sie in Form von Hypertext erscheint.

Deshalb kann ich natürlich von der Bevorzungung von Text gerade nicht absehen. Ich meine eine Text-Kunst, nicht Kunst schlechthin. Allerdings wird mein Verständnis von Kunst über Textkunst bestimmt.

Ich begreife Text als Artefakt, mithin sehe ich Hyperkunst als bildende Kunst, die sich immer in Form eines Werkes zeigt.

Die Unterscheidung Produzent und Rezipient ist subtil. In den meisten Fällen rezipiert der Produzent, was er produziert. Als Rezipient bezeichne ich nur die Nicht-Produzenten. Die Masse, die ins Museum geht.
(K.A., 7.6.02:) In den 70er Jahren hatte man die Redewendung "Ich hoere Dich sagen:…" - mache ich mal jetzt:
"Ich höre Dich sagen,
(1)Produzenten{Kuenstler} verfassen kollektiv{kollaborativ}
(2)fuer sich ein Werk.
(3)Ohne adressiert zu sein, nehmen Rezipienten{Publikum} es wahr. (Und ich phantasiere Dich ferner zitierend sagen:
(4)'kollaborativ bedeutet, dass jeder auf die Seiten Zugriff hat und sie verändern kann - ohne dass die übliche Zuschreibung von Autorschaften erfolgt')."

Was Du mich sagen hoerst, hoere ja nicht ich - ich schreibe bloss mal in dem Stil weiter:
Conversanten(darunter auch -kuenstler) unterhalten sich(aehnlich 2, aber ohne die Intention, ein Werk zu produzieren, da ohne Publikum).
(Es mag zufaellige Zeugen geben)(aehnlich 3).
Ihre Intention ist, nicht allein weiter zu koennen, da sie nicht allein sind. Deshalb begehren sie die 'intime Botschaft' des anderen und das nicht weniger, als die ihre mitzuteilen. (aehnlich 4, aber mit Interesse an der anderen Person, schon der Glaubwuerdigkeit wegen.)
So weit fuer heute und freundliche Gruesse Kurd


(tor, 9.6.02:)
ich habe jetzt einigemale "aehnlich" sagen hören, wo ich "sehr aehnlich" geschrieben hätte.
Die "andere Person" heisst bei Buber schlicht "Du". Wenn die Glaubwürdigkeit zur Frage steht, ist sie hin.
Ich brauche nicht irgendwelche andere, ich brauche, die vielleicht glaubwürdig sind, ich brauche andere, an die ich glaube. Genau darin sehe ich die Kunst.

Ich höre Dich, lieber Kurd, sagen, ein Werk ist für ein Publikum.
Ich kann mir kein anderes Publikum vorstellen als jenes, das sozial am Werk beteiligt ist: die sozial Plastik, wo sie sozial verstanden wird.


Und natürlich freute mich sehr, wenn Hyperkunst eine Conversationskunst wäre.(tor)

Siehe jetzt hineinhypern.


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