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Ars sermonis

ist eine Conversationskunst der griechischen und italienischen Antike. Gelegentlich nach dem Essen richtete man sich her, bekränzte sich, und wählte einen Moderator, der die Unterhaltung regulieren sollte. Es konnte ein Trinkgelage sein, wie die vielen einschlägigen Vasenmalereien im Britischen Museum zeigen. Aber andere Malereien zeigen die kunstvollen Unterhaltungen, der ars sermonis.



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Ars Sermonis, Bild 2: Trinkgelage. Man entschied sich am Beginn, zu Ars Semonis oder Trinkgelage. Bild zit. n. q6
Der obere Fries zeigt die Unterhaltung, frühe Bilder stammen aus der Archaik und der Zeit der ersten Philosophen. (Die Rückseite zeigt eine Szene, in der sich Menschen erstechen - die realistische ganze Bandbreite des Menschen, ausser Stehlen, ist dargestellt, Heidrich soll z.B. ein guter Geigenspieler gewesen sein.) Schwarzfigurige Malerei, um 720-630 v.: Bankett von Herakles und Eurytos. Krater. Bild zit. n. Durando q4

Claudia Schmölders q11 schildert die Ars Sermonis als ein menschliches Gut, eine zweckfreie Form menschlichen Umgangs. Sie sei ausgezeichnet durch Fröhlichkeit und rücksichtsvollen gegenseitigen Respekt, seine Stillage erfreue {#delectare} und versöhne {#conciliare}. #Schönheit und Angemessenheit oder Schicklichkeit (prepon) werden verglichen - es sei eine #balancierende Haltung.

Uploaded Image: ars-sermonis-3.gif Ars Sermonis. Bild 3: Männer liegen auf hohen Bänken und unterhalten sich, eine Musikantin spielt Flöte. Etruskisch, um 525 v. Aschenkiste mit Reliefs, Sandstein 38 x 63 cm. Bild zit. n. Stadler q13

Symposionale Heiterkeit, Freundlichkeit (comitas) und Aufrichtigkeit, Kunst der Andeutung, urbaner #Witz, zwangloses Assoziieren kämen zusammen zu einer Rhytmik von Scherz und Ernst, von nachdenklicher erholsamer fröhlicher Rede. Inbegriff der Gesprächsregeln sei das Verbot der Rechthaberei.


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Ars Sermonis. Bild 4 und 5: Zehn Männer, man begrüsst Hinzukommende, trinkt verdünnten Wein, kost, spricht miteinander und musiziert. Eine sehr elegant komponierte Malerei aus der Zeit von Protagoras, Sokrates, Platon. Griechisch/italienisch, um 400 v.: "Grab des Tauchers", Paestum (südlich Neapel). Kalksteintafeln eines innen bemalten Steinsarges. Bild zit. n. Durando q4


Link: Protagoras wirft Sokrates am Ende eines Dialoges Rechthaberei vor q7. Rechthaberei war wie gesagt die grösste ars-sermonische Verfehlung. Vielleicht wollte Platon zeigen, dass Protagoras überhaupt nichts begriffen habe, denn die Ähnlichkeiten zwischen ars sermonis und sokratischen Dialogen sind äusserlich. Sinn der ars sermonis war nicht Gedanken zu entwickeln, sondern Sozialität.


Uploaded Image: ars-sermonis-6.jpgArs Sermonis. Bild 6: Die im oberen Fries lagernden Männer beschränken ihre Unterhaltung, soweit sichtbar, auf Gespräch und Wein.
Italienisch (Tarquinia, nördlich Rom), um 350: Symposion, im unteren Fries Tänzer. Kelchkrater. Bild zit. n. Martin q5

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Ars Sermonis. Bild 7: Knaben oder Jünglinge bedienten. Griechisch,
um 460-450 v.: Symposion. Aussenbild einer Schale.
Bild zit. n. Delius et al. q2


In diesem tieferen Sinne mag man die ars sermonis der sophistischenen Redekunst - "Der Mensch ist das Mass aller Dinge." - sogar näher stehen sehen, als den didaktischen Dialogen. Das, obwohl die Reden monologisch waren und auf Erfolg, auf Gelingen, zielten. Gelingen, Erfolg, hat den Gesamthaushalt im Auge, wogegen die Gedankenentwicklung speziell Wiedererkennbarkeit oder Wahrheit.


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Ars Sermonis. Bild 8 und 9: Es gibt auch Darstellungen offenbar Ars Sermonis haltender Frauen. (Frauen unter sich scheinen nicht auf diesen hohen Klinen zu liegen.) Rotfigurige Malerei, um 510 v.: Trinkende Frauen unter sich. Trinkschale. Bild zit.n. Schmitt Pantel q8. Euphronius-Maler, 510-500v.: Hetären beim Kottabosspiel. Weingefäss. Bild zit. n. Ry/Holle q9

Link: Gegenwärtig ist von Bernhard H.F. Taureck eine #Ästhetik der Sophisten beschrieben worden q14, nach der Kunst nicht etwas repräsentiere, sondern dass der Erfolg das Kunstkriterium sei. Das wäre sozusagen der Moment, wenn die Zuhörer freudig zustimmten. Redner sollen, las ich, um das zu erreichen, auch gesungen haben. {#delectare}
Taureck: »Kunst und besonders Dichtkust wird von ihm als Repräsentation gefasst, als Nachahmung menschlicher Handlungen. An zwei Stellen weist die Aristotelische Theorie der Dichtung als Repräsentation jedoch auf die sophistische Erfolgskunst zurück: Erstens bleibt eine repräsentationistisch verstandene Kunst an die Voraussetzung gebunden, dass es das, was sie zeigt, auch ausserhalb von ihr als Seinstatbestand gibt. Die (Georgianische) Sophistik hatte eben das bestritten und die Kunst als Umgang mit dem Nichtsein, d. h. als Täuschung verstanden. In dieser Hinsicht musste also die Mimesis-Ästhetik die Sophistik verdrängen. Zweitens aber bewahrt die Mimesis-Ästhetik des Aristoteles an einer entscheidenden Stelle einen Impuls der Sophistik. Die Tragödie vollendet sich für Aristoteles erst dadurch, dass sie beim Zuschauer eine bestimmte Wirkung, eine Reinigung (kátharsis) von den Affekten leidenschaftlicher Teilnahme am tragischen Geschehen (Furcht- und Leidempfindungen) erzielt. Der Erfolg der Tragödie geht in ihre Definition ein. Bis heute ist nichts weniger aufgeklärt als die Frage, wie diese Wirkungsbestimmung zu verstehen ist.«q14. Da Conversation im hier gemeinten Rahmen keinem Zuschauer etwas repräsentatiert, keine Repräsentation ist (sondern menschlicher Umgang ist), erhoffen wir Netzkünstler durch den Rückgriff auf die Sophisten Theoriehilfe.
Kurd Alsleben


Uploaded Image: ars-sermonis10.gifArs Sermonis. Bild 10: Die Adonia wird von Richard Sennett q12 als Fest der Frauen und Pendent zu den als rüde dargestellten Symposien beschrieben und zeigt ein weiteres Genre antiker Conversationskunst: »Die Adonia leitet sich von den den Gott Adonis umrankenden mythologischen Geschichten ab. Er stand an dem einen Pol der griechischen Vorstellung von Männlichkeit; am anderen Pol stand Herakles, der exemplarische Krieger. […] Und völlig anders als Herakles schenkte er Frauen Lust, statt die eigene Lust in ihren Körper zu befriedigen. […] Im Ritual der Adonia nahmen die Frauen von Athen Bezug auf diesen Mythos, beklagten den Tod eines jungen Mannes, der es verstand den Frauen Lust zu schenken. Eine Woche vor dem Fest … setzten die Frauen Salatsamen in kleine Töpfe auf den Dächern ihrer Häuser … und düngten die Töpfe sorgfältig, [nur] bis sich frische grüne Schößlinge zeigten. … Begannen die Sprossen abzusterben, war es an der Zeit, mit dem Fest zu beginnen. Jetzt wurden die Töpfe auf den Dächern "Gärten des Adonis" genannt, die verdorrten Pflanzen spiegelten seinen Tod. […] Die Frauen wanderten durch die Strassen, hörten Stimmen, die sie in der Dunkelheit riefen, erstiegen die Dächer auf Leitern, um fremde Frauen zu treffen.… Die wenigen Kerzen, die während der Adonia angezündet wurden, machten es schwierig, diejenigen zu sehen, die in der Nähe sassen, geschweige denn jemanden auf der Strasse. … In der Dunkelheit, belebt von Gelächter, wurde das Dach ein anonymes, freundliches Territorium. […] eine Gelegenheit für zeitweilige Lust unter Fremden in der Dunkelheit …« Künstler unbekannt, offenbar zeitgenössisch: Junge Frauen stellen die Trauer um Adonis während der Adonia nach. Bild zit. n. Sennett q12

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q1 Alsleben, Kurd und Antje Eske (Hg. / 1992): Ein Gespräch zwischen Datenkunst und Informatik über CSCW und telematische ars sermonis. KükoCokü, Hamburg
q2 Delius, Christoph und Matthias Gatzenmeier, Deniz Sertcan, Kathleen Wünscher (2000): Geschichte der Philosophie von der Antike bis Heute. Könemann, Köln
q3 Drexhage, Raphaela et al. (1997): Die Chronik der Menschheit. Weltbild, Augsburg
q4 Durando, Furio (s.a.): Griechenland. Wiege der westlichen Kultur. Müller, Erlangen
q5 Martin, Gottfried (1967): Sokrates in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek
q6 Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg: Besucherblatt.
q7 Platon: Sämtliche Werke. W. Otto, E. Grassi, G. Plamböck (Hg. / 1957). Rowohlt, Reinbek (1973)
q8 Schmitt Pantel, Pauline (Hg. / 1993): Antike. In: Duby, Georges und Michelle Perrot: Geschichte der Frauen. Campus, Frankfurt/Main
q9 Ry, Gérard Du und Beest Holle (1971): Holle Welt- und Kulturgeschichte. Bd.4. Holle, Baden-Baden
q10 Schmitz, Bettina und Ute Steffgen (1989): Waren sie nur schön? Frauen im Spiegel der Jahrtausende. Mainz,
q11 Schmölders, Claudia (1979): Die Kunst des Gesprächs. Texte zur Geschichte der europäischen Konversationstheorie. dtv 6102
q12 Sennett, Richard (1994): Fleisch und Stein. Der Körper und die Stadt in der westlichen Zivilisation. Suhrkamp, Berlin 1997
q13 Stadler, Wolf et al.(1994): Lexikon der Kunst. Müller, Erlangen
q14 Taureck, Bernhard H.F. (1995): Die Sophisten zur Einführung. Jungius, Hamburg













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