View this PageEdit this PageAttachments to this PageHistory of this PageTop of the SwikiRecent ChangesSearch the SwikiHelp Guide

kreationisten

Edit kreationisten here.

Wie entstand die Welt wirklich?

»Kreationisten« brandmarken in den USA jeden als Atheisten, der die Bibel nicht für die verbindliche Schöpfungsgeschichte hält. Sie »widerlegen« jede Naturwissenschaft und suchen am Berg Ararat nach der Arche Noah. Der neue US-Präsident unterstützt die Bewegung bei ihrem Marsch auf Schulen und Universitäten.

/magazin/geo/2001/02.html


© Katharina Bosse
Beginn des Rundgangs. Statt Urknall-Theorie detailgetreue
Genesis-Übernahme der Schöpfungstage



Klicken Sie auf das Bild, um eine größere Ansicht zu erhalten.

http://www.geo.de/interaktiv/phorum/list.php?f=29Forum: Ist die Welt wirklich erst 10 000 Jahre alt? Und Gott ihr wahrer Schöpfer, nicht die Evolution? Diskutieren Sie mit in unserem Forum! Sind die Kreationisten Spinner? Oder Hüter der wahren Erdgeschichte? Wie ist Ihre Meinung?
Ein Text von Günther Mack

John D. Morris, Präsident des Institute for Creation Research (ICR) in Santee, Kalifornien, hat einen Lebenstraum: Die Entdeckung der Arche Noah. 13 vergebliche Anläufe hat er schon unternommen, dem Berg Ararat, 5165 Meter hoch, sein Geheimnis zu entreissen. Andere Forscher hätten wohl längst aufgegeben, zumindest wären ihnen Zweifel an ihrer These gekommen. Nicht so John Morris. Dass die Arche Noah mit 21 100 Tierarten an Bord vor 5000 Jahren auf dem Berg Ararat gestrandet ist - das ist für ihn keine These, sondern unumstößliche Gewissheit. Denn wie sich die frühe Geschichte der Menschheit exakt zugetragen hat, steht für ihn detailgenau in der Genesis geschrieben. Und allen, die daran zweifeln, allen Ungläubigen und Spöttern, "aller Bosheit wird das Maul gestopft werden", wie schon Psalm 107, Vers 42 ankündigt.

"Unsere Welt, unsere Kirche, unsere Schulen, unsere Gesellschaft brauchen die Wahrheit der Schöpfung mehr denn je", heißt es in einem Grußwort des ICR-Präsidenten auf der Internetseite. "Wir erleben, dass das falsche Denken der Evolution in allen Bereichen des Lebens Verheerungen anrichtet, und wir streben danach, die Wissenschaft auf ihren rechten, gottesfürchtigen Pfad zurückzubringen." Das ICR ist kein Hort stiller Gelehrsamkeit, sondern eine Einsatzleitzentrale im Feldzug gegen einen gemeinsamen Gegner, den "Evolutionismus".

Unter diesem Begriff fassen die Kreationisten jene Vorstellungen zusammen, auf denen das naturwissenschaftliche Weltbild der Moderne ruht, allen voran die Abstammungslehre Charles Darwins. Sie besagt, dass sich alle Pflanzen und Tiere der Erde aus einer Urzelle entwickelt haben; dass im Verlauf von Milliarden Jahren durch Anpassung an die unterschiedlichsten Lebensbedingungen sowie durch zufällige Mutationen des Erbmaterials immer unterschiedlichere Arten entstanden sind; dass auch der Mensch Teil dieses Evolutionsprozesses ist und folglich keine biologische Sonderstellung hat.

Ganz anders das Weltbild der Kreationisten. Nach ihrer Überzeugung verdanken alle natürlichen Phänomene ihre Existenz dem planvollen Handeln des "Creators", des Schöpfergottes. Der habe den Kosmos, die Erde und alles, was darauf lebt, erschaffen, und zwar wortwörtlich so, wie es in der Bibel beschrieben ist.


Wer die Gültigkeit dieses Weltbilds anzweifelt, der befindet sich, sagen die Kreationisten, nicht nur wissenschaftlich auf dem Holzweg - er bekennt sich offen zum Unglauben, zur Gottlosigkeit. Darum ist der Kampf gegen den Evolutionismus auch ein Feldzug gegen das Böse schlechthin, und er wird in den USA seit Jahrzehnten nicht nur mit großer Hartnäckigkeit, sondern auch mit beachtlichem Erfolg geführt: Nach einer Umfrage des Gallup-Instituts sind 47 Prozent aller US-Bürger von der Richtigkeit des kreationistischen Weltbilds voll und ganz überzeugt, weitere 40 Prozent stimmen ihm weitgehend zu. Der Anteil derer, die ausschließlich an eine evolutionäre Entwicklung der Welt glauben, wird von Gallup auf zehn Prozent geschätzt. Dieser Minderheit geben die Kreationisten die Verantwortung für so ziemlich alle Übel, mit denen sich die Menschheit seit Jahrzehnten herumschlagen muss.


"Seit 1968 ist die Evolutionstheorie in die amerikanischen Schulbücher aufgenommen worden, per Entscheidung des Supreme Court", sagt Tom Willis, ein ICR-Aktivist. "Und nun sehen Sie sich an, wie sich die Statistiken seither entwickelt haben: Kriminalität, Drogenmissbrauch, Abtreibungen, Scheidungen - alles geht steil nach oben. Und die traditionellen Familien-Werte erleben einen unaufhaltsamen Niedergang. Der Zusammenhang liegt doch auf der Hand, oder?"





Der Kampf für den Glauben ist ein Vielfrontenkrieg, und er wird mit allen verfügbaren Medien, auf jeder erreichbaren Ebene geführt: in Wort und Schrift, mit Museumsexponaten und Internet-Botschaften, in Universitäts-Fakultäten und Dorfschulen, in Einzelgesprächen auf einsamen Farmen und Diskussionen vor großem Publikum.

Allein 1700 private US-Sender übernehmen täglich das im ICR produzierte Ein-Minuten-Programm. Darin geht es, zum Beispiel, um die Frage: Sind Menschen und Affen wirklich verwandt? Von Seiten des ICR nimmt Duane Gish, der Vizepräsident, häufig an solchen Rede-Duellen teil. Mit 79 Jahren gehört er zu den Veteranen des Glaubenskrieges, er hat seit 1963 führende Positionen innerhalb der kreationistischen Gemeinschaft inne. Parallel dazu aber hat er, nach einem "klassischen" Studium der Biochemie, 18 Jahre lang im Virus-Labor der renommierten Berkeley-Universität in Kalifornien, an der Cornell- Universität und bei einem Pharmakonzern geforscht. Beileibe also kein Spinner.

Viele seiner Kollegen vom ICR haben ähnlich respektable Karrieren: Sie sind oder waren jahrelang im "normalen" Wissenschaftsbetrieb tätig, zum Teil in so angesehenen Einrichtungen wie dem Forschungszentrum von Los Alamos, haben für große Pharma- und Elektronikkonzerne gearbeitet und sogar in internationalen Fachzeitschriften wie "Science" und "Nature" publiziert. Und zugleich sind sie bekennende Kreationisten, Leute, die sich irgendwann unwiderruflich vom Weltbild der traditionellen Naturwissenschaft verabschiedet haben. Wie sie das mental geschafft haben - darüber kann man nur rätseln.


Kreationist sein - das bedeutet für einen Astrophysiker, dass er den Urknall und sämtliche Hypothesen über die Entstehung des Kosmos durch eine Art göttlichen Lichtschalter ersetzen muss. Er muss das seit Einstein geltende Gesetz ignorieren, dass das Licht 300 000 Kilometer pro Sekunde zurücklegt. Denn Gott, so die kreationistische Überzeugung, hat die Lichtgeschwindigkeit vorübergehend auf unendlich beschleunigt, als er am vierten Schöpfungstag die Gestirne plötzlich am Firmament aufleuchten ließ.



© Katharina Bosse
John D. Morris, Leiter des Zentrums
der amerikanischen Kreationisten


Für einen kreationistischen Geologen bedeutet es, dass die Gesteinskruste der Erde, die 4,6 Milliarden Jahre Erdgeschichte von der Erd-Urzeit bis zum Holozän festhält, maximal 10000 Jahre alt ist; denn auch die Ahnen- und Zeittafeln der Genesis - von Adam bis Noah bis Abraham - entstammen Gottes biblischem Kalender. Durch Auffaltungen entstandene Gebirge wie der Himalaya müssten seit 5000 Jahren, seit der Sintflut, mit einer Felsen sprengenden Geschwindigkeit von jährlich fast zwei Meter in die Höhe geschossen sein.

Und für einen Biologen heißt es, dass er vor der Betrachtung von genetischen Verwandtschaftsbeziehungen eine Art imaginärer Milchglaslinse vor sein Mikroskop einzusetzen hat. Weil er bekennen will, dass alle Kreatur zur selben Zeit erschaffen wurde, darf er auch keine Reihenfolge zwischen älteren und jüngeren Arten akzeptieren. Folglich muss er leugnen, was ungezählte Ausgrabungen auf aller Welt belegen: dass zwischen dem Aussterben der Dinosaurier und dem Auftreten der ersten Humanoiden rund 60 Millionen Jahre liegen.

Klicken Sie auf das Bild, um eine größere Ansicht zu erhalten.




Schwer vorstellbar, dass das ohne heftige, zum Teil schweißtreibende Verdrängungsarbeit geht, dass einem bei der wissenschaftlichen Arbeit nicht gelegentlich heftige Glaubens- und Selbstzweifel kommen. Aber über solche inneren Kämpfe äußern sich die Glaubenskrieger nicht. Zweifel wären schlecht für den Kampf gegen den äußeren Feind, der nun schon 141 Jahre seit dem Erscheinen von Darwins "Entstehung der Arten" währt, und dessen Ursprünge weit in die amerikanische Geschichte zurückreichen.

Die ersten europäischen Siedler, die in der Neuen Welt landeten, waren oft zugleich Flüchtlinge - vertrieben von den Großkirchen ihrer Heimat aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen. Dazu gehörte auch und vor allem ein fundamentalistisches Verständnis der Bibel. Wissenschaftliche Theologie, historisch-kritische Textanalyse - dies blieb den Gläubigen in Amerika stets fremd. Ihre Religion entwickelte sich vielmehr zur Quelle eines rigiden Anti-Intellektualismus.
In Europa machen die großen Kirchen Ende des 19. Jahrhunderts ihren Frieden mit Charles Darwin und Ernst Haeckel. In den USA dagegen halten vor allem die Anhänger der zahlreichen protestantischen Gemeinden an ihren "fundamentalen Wahrheiten" fest. 1919 verkündet der Präsidentschaftskandidat William J. Bryan in großen Kampagnen, dass der Erste Weltkrieg die Strafe der Darwin/Haeckelschen Gottlosigkeiten in Europa gewesen sei.



© Katharina Bosse
Noch blüht und grünt das Paradies, und alle Kreatur bezeugt die Botschaft
des Schöpfers: Er hat sie am 5. und 6. Tag aus dem Nichts erschaffen



Klicken Sie auf das Bild, um eine größere Ansicht zu erhalten.




Es erhebt sich kaum Widerspruch, im Gegenteil: In den zwanziger Jahren werden in über 20 US-Bundesstaaten Gesetze gegen die Verbreitung der Evolutionslehre angestrebt und zum Teil auch durchgesetzt. In Tennessee wird ein High-School-Lehrer verhaftet und zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er weiterhin Darwins Abstammungslehre unterrichtet. Es kommt zu dem legendären "Affen-Prozess", der zu einer spektakulären Blamage für die kreationistischen Ankläger wird. Dennoch bleibt die Evolutions-Lehre aus zahlreichen Schulbüchern verbannt -, bis 1968. Erst dann hebt der Oberste Gerichtshof der USA sämtliche Anti-Evolutions-Gesetze auf.

Die Kreationisten reagieren umgehend - mit einem Wechsel in der Kampf-Taktik. Von nun an rücken sie die religiösen Fundamente ihrer Weltanschauung in den Hintergrund und präsentieren den Kreationismus als Wissenschaft: ideologiefrei, wertneutral und objektiv. Und sie verlangen, dass creation science gleichberechtigt mit der Evolutionslehre unterrichtet werden müsse.

Der Supreme Court verbietet dies 1987. Aber die Glaubenskrieger lassen nicht locker - und erringen, auf Bundesstaaten-Ebene, eine Reihe kleiner, aber nachhaltiger Etappensiege. Anfang der neunziger Jahre wird die kalifornische Schulbehörde zu 225 000 Dollar Schadensersatz verurteilt, weil sie die Wissenschaftlichkeit des Institute for Creation Research angezweifelt hat. 1995 werden Schulbücher in Alabama mit Stickern beklebt, die verkünden, dass die Evolution "eine umstrittene Theorie ist, die nicht als Tatsache angesehen werden darf". In Kentucky müssen Buchseiten zum Thema "Urknall" verklebt werden. In Louisiana und Arizona müssen Lehrer vor Lektionen über Darwins Lehre Warnungen verlesen, in mehr als einem halben Dutzend anderer Staaten gibt es vergleichbare Bestrebungen. 1999 feiern die Kreationisten einen besonderen Erfolg: Die Schulbehörde von Kansas untersagt, Evolution und Urknall in den staatlichen Leistungsprüfungen abzufragen oder auch nur zu erwähnen.

Doch jetzt macht die Gegenseite mobil. Unter Wissenschaftlern und Freidenkern setzt sich die Einsicht durch, dass man die Kreationisten allzu lange belächelt und ihren wachsenden Einfluss nicht entschieden genug bekämpft hat. Von nun an gehen jeder Neuwahl einer staatlichen Schulbehörde systematische Kampagnen voraus. Angehörige von Akademiker- und Lehrerverbänden sowie der "American Civil Liberties Union" gehen buchstäblich Klinken putzen, um die Wähler von der Notwendigkeit eines wissenschaftlich fundierten Naturkunde-Unterrichts zu überzeugen.


© Katharina Bosse
Ende des Rundgangs. Links die Seite des Schöpfers und Erlösers,
rechts die der Evolutionisten und schlechten Vorbilder



Klicken Sie auf das Bild, um eine größere Ansicht zu erhalten.




Im Oktober 1999 fällt die Schulbehörde von New Mexiko eine Entscheidung zugunsten der Darwin-Anhänger: Ein Antrag auf Verbot der Evolutionslehre nach dem Vorbild von Kansas wird abgelehnt. Ein wichtiger Sieg - aber nur ein kleiner. Es bräuchte eine ganze Reihe solcher Siege, um den Einfluss der Kreationisten in Lehrplänen, Schulbehörden und auch in der Öffentlichkeit entscheidend zurückzudrängen. Bis heute vermeiden viele Schulbuchverlage nach Möglichkeit das Reizwort Evolution, aus Angst vor kostspieligen Klagen; bis heute riskiert kaum eine amerikanische Publikums-Zeitschrift ohne Not eine Konfrontation mit den Kreationisten; und jeder amerikanische Politiker wird es vermeiden, sich mit ihnen anzulegen. Schließlich sind sie die "moralische Mehrheit".

Gemeinsam mit einem neuen starken Verbündeten scheint der Durchbruch an der blockierten Schulfront bevorzustehen: Der neue US-Präsident George W. Bush hat noch rechtzeitig vor der Wahl zu Protokoll gegeben, er unterstütze die Kernforderung der Kreationisten: Wenn schon Biologieunterricht mit Darwins Evolutionslehre, dann gleichberechtigt auch mit der Genesis. Streng im Namen der Fairness, der Ausgewogenheit und der Wissenschaft.


-----------

-----------

Link to this Page